Mit der „UFo“ 15 Jahre unfallchirurgisch – orthopädische Forschung am Bundeswehrkrankenhaus Ulm –Bilanz und Ausblick mit Begeisterung
With the ”UFo“ 15 Years of Research in Trauma Surgery and Orthopaedics at the Bundeswehrkrankenhaus Ulm – Balance and Outlook with Enthusiasm
Gerhard Achatza, Kevin Dallacker-Losenskya, Hans-Joachim Riesnera, Falk von Lübkena, Patrick Hotha, Julian Haupta, Andreas Bauera, Vinzent Forstmeiera, Patricia Langb, Hans-Georg Palmc, Mark Melnykd, Benedikt Friemerta
a Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, Rekonstruktive und Septische Chirurgie, Sporttraumatologie, Unfallchirurgische Forschungsgruppe BwKrhs Ulm
b Rehabilitationskrankenhaus Ulm, Zentrum für Integrierte Orthopädische Rehabilitation , Unfallchirurgische Forschungsgruppe BwKrhs Ulm
c Universitätsklinikum Erlangen, Unfallchirurgische und Orthopädische Klinik, Unfallchirurgische Forschungsgruppe BwKrhs Ulm
d Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Zentrales Klinisches Management: Wissenschaft und Forschung
Zusammenfassung
Wissenschaft und Forschung zusammen mit akademischer Lehre gehören heutzutage zu den wesentlichen Aufgaben des Bundeswehrkrankenhauses Ulm im Rahmen der akademischen Verbindung zur Universität Ulm sowie der jüngst als Auftrag formulierten Ausrichtung hin zur universitären Medizin. Trotz dieser erst kürzlich formulierten Zielsetzung kann der Bereich der Orthopädie und Unfallchirurgie am Bundeswehrkrankenhaus Ulm mit seiner Unfallchirurgischen Forschungsgruppe (UFo BwKrhs Ulm) bereits auf eine 15-jährige, sehr erfolgreiche Geschichte zurückblicken. Mit großer Begeisterung und viel intrinsischer Motivation war es hier möglich, eine sehr forschungsaktive, breit vernetzte und erfolgreiche Gruppe aufzubauen, die durchaus als beispielgebend angesehen werden darf. Forschungsinitiativen wie der Forschungs-Cluster Regenerative Medizin Ulm sowie der Forschungsverbund Süd gehen hierbei ganz wesentlich auf die UFo zurück. Damit darf die UFo als Erfolgsmodell, aber auch als Verpflichtung für die Zukunft zugleich angesehen werden.
Schlüsselwörter: Wissenschaft, Forschung, Kooperation, Nachwuchs
Summary
Science and research together with academic teaching are nowadays among the essential tasks of the Bundeswehrkrankenhaus Ulm within the framework of the academic connection to the University of Ulm as well as the recently formulated principle orientation towards university medicine. Despite this only recently formulated objective, the area of orthopaedics and trauma surgery at the Bundeswehrkrankenhaus Ulm with its trauma surgery research group (UFo BwKrhs Ulm) can already look back on 15 years of very successful history. With great enthusiasm and a lot of intrinsic motivation, it has been possible to build up a very research-active, broadly networking and successful group that may well be regarded as exemplary. Research initiatives such as the Research-Cluster Regenerative Medicine Ulm and the Research Network South can be traced back on a large extent to the UFo. The UFo can thus be recognized as a model of success, but also as an obligation for the future.
Keywords: Science, Research, Cooperation, Young talents
Hintergrund und Rahmenbedingungen
Seit seiner Eröffnung im Jahr 1980 ist das Bundeswehrkrankenhaus Ulm in der Patientenversorgung des Großraums Ulm vollständig integriert. Als Akademisches Krankenhaus der Universität Ulm wurde damals die Verpflichtung zu Wissenschaft, Forschung und Lehre vertraglich mit dem Bundesministerium der Verteidigung festgelegt. Auf dieser Basis hat sich seitdem eine langjährige Kooperation mit der Universität bzw. dem Universitätsklinikum Ulm entwickelt. In dem langen Zeitraum wurde eine Vielzahl von Projekten mit sanitätsdienstlicher Prägung, vornehmlich wehrmedizinische Sonderforschung, realisiert. Der vorliegende Artikel soll einen Überblick über die Forschungsaktivitäten der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie am Bundeswehrkrankenhaus Ulm geben.
Abgeleitet aus diesen Rahmenbedingungen wurde in 2007 von Oberstarzt Prof. Dr. Friemert, also vor 15 Jahren, die Unfallchirurgische Forschungsgruppe am Bundeswehrkrankenhaus Ulm (UFo BwKrhs Ulm) gegründet. Von Begeisterung und Leidenschaft getragen fand sich eine Gruppe von aktiven Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die die Wissenschaft, aber auch die studentische Lehre am Krankenhaus vorangetrieben hat. Als Ergebnis wurden zahlreiche Publikationen in renommierten Zeitschriften veröffentlicht, und viele Promotions- und Habilitationsvorhaben konnten zu einem erfolgreichen Abschluss geführt werden. Regelmäßige Projektsitzungen der Gruppe, jährliche Klausurtagungen und letztlich das freiwillige Engagement für die Sache mündeten in einer erfolgreichen und fruchtbaren Bilanz.
Abb. 1: Klausurtagung der Unfallchirurgischen Forschungsgruppe 2019 (von links: Palm, von Lübken, Riesner, Achatz, Lang, Dallacker-Losensky, Friemert)
Und dies ist im Hinblick auf die Attraktivität des Fachgebietes der Orthopädie und Unfallchirurgie mehr als nur wertvoll. Denn im Spannungsfeld der heutigen Anforderungen des klinischen Alltags ist eine weitergehende wissenschaftliche Betätigung mit entsprechender Forschungsleistung nicht immer einfach und unkompliziert umsetzbar. Im Spagat zwischen einer deutlich zunehmenden Bürokratisierung mit steigendem Dokumentationsaufwand und dem damit einhergehenden Verlust an verfügbarer Zeit für patientenzentrierte Tätigkeiten zeigt sich, dass Wissenschaft und Forschung im ärztlichen Alltag nicht einfach umsetzbar sind. Das Arbeitszeitgesetz mit seinen Limitationen sorgt ohnehin für eine deutliche Einschränkung der klinischen Präsenz per se, sodass die Rolle des „Clinician Scientist“ nicht ohne Weiteres lebbar ist [9]. Gerade deshalb ist es jetzt wichtig, jungen Kolleginnen und Kollegen eine Plattform anzubieten, über die Wissenschaft und Forschung unterstützend organisiert werden können, sodass Projektideen aufgenommen und zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden können.
Die UFo BwKrhs Ulm hat dies nun in den letzten 15 Jahren unter den Rahmenbedingungen eines nicht-universitären Krankenhauses mit akademischen Rahmen in hervorragender Art und Weise angeboten (Abbildung 2).
Abb. 2: Kerninhalte der unfallchirurgischen Forschungsgruppe am BwKrhs Ulm (UFo BwKrhs Ulm)
Auswahl von Forschungsthemen und deren Inhalte
Im Folgenden werden die wichtigsten Themenfelder, die in der Unfallchirurgischen Forschungsgruppe abgebildet und hier weiterhin aktuell bearbeitet werden als inhaltliche Skizze vorgestellt.
Schnittbildgebung in der Alterstraumatologie
Der demografische Wandel unserer Gesellschaft führt zu einer Zunahme von spezifischen altersbezogenen Erkrankungen und Verletzungen, so auch im Speziellen zu einer Zunahme von Frakturen im geriatrischen Patientenkollektiv, den sog. Fragilitätsfrakturen (FFP). Diese Frakturen – meist zurückzuführen auf Bagatellunfälle bei deutlich reduzierter Knochenqualität – sind in der Diagnostik mittels der gängigen Bildgebungsverfahren nicht immer einfach zu detektieren. Im Rahmen der Forschungsbemühungen in der UFo wurden bereits verschiedene schnittbildgebende Untersuchungsmethoden in Bezug auf die FFP untersucht und der daraus gewonnenen Informationsgewinn sowie die nachfolgenden Therapieentscheidungen analysiert. Hier zeigt sich der Nachweis von Knochenmarködemen als sehr wertvoll und entscheidend für die Erfassung des gesamten Frakturausmaßes [10]. Die Knochenmarködemdarstellung war dabei bis dato v. a. in der MRT-Diagnostik bekannt. Mit den durchgeführten Studien und auch unter Ausnutzung neuer technischer Entwicklungen konnte in Kooperation mit der Klinik für diagnostische und interventionelle Radiologie und Neuroradiologie am BwKrhs Ulm gezeigt werden, dass gerade z. B. die neue und moderne Dual-Energy-Computertomographie (DECT) hier eine sehr gute Lösung bieten könnte. Bei bereits vorliegenden Studien für die Knie- und Fußgelenke wurden Fragestellungen zu alterstraumatologischen Beckenfrakturen untersucht, und es konnten durch entsprechende Veröffentlichungen diagnostische Prozesse nachhaltig geprägt und verändert werden [6]. Somit kann in Zukunft der flächendeckende Einsatz der DECT helfen, Fragilitätsfrakturen des Beckens schnell und korrekt zu diagnostizieren (Abbildung 3). Weitere prospektive Studien befassen sich derzeit mit Anwendungen z. B. an der Wirbelsäule sowie auch mit einer möglichen Therapiesteuerung bei diesem Patientengut, wobei v. a. das Outcome der Patientinnen und Patienten untersucht werden soll, die durch die DECT aus unserer Sicht schneller und dem Frakturausmaß entsprechend korrekt operiert werden können.
Neuromuskuläre Regulationsmechanismen am Bewegungsapparat und Posturale Kontrolle
In den vergangenen Jahrzehnten wurde in der Forschung sehr viel für das Verständnis der Mechanik des Bewegungsapparats herausgearbeitet. Dabei hat sich immer wieder gezeigt, dass die rein mechanische Betrachtung unseres muskuloskelettalen Systems nicht ausreicht, um Störungen und Fehler unseres Bewegungsapparates suffizient zu erklären. Das Wissen über die neuromuskuläre Regulation scheint der fehlende Schlüssel zu sein.
In mehreren parallelen und nacheinander ablaufenden Studien konnten wir den Erkenntnisstand zur neuromuskulären Regulation unserer Gelenke bereits erheblich erhöhen. Schwerpunkte waren dabei die Regulation des Knie- und des Sprunggelenks, aber auch das Wissen um die Steuerung des stabilen Stands.
Wegweisend konnte dabei, initial in enger und sehr konstruktiver Zusammenarbeit mit dem Institut für Unfallchirurgische Forschung und Biomechanik der Universität Ulm als erste Forschungsgruppe weltweit, im Rahmen einer Primär-Studie die Vernetzung der humanen Kniebinnenstrukturen mit der das Kniegelenk umgebenden Muskulatur dargestellt werden. Diese Arbeit war damit Schlüssel zu den vielen folgenden Projekten [3]. Insbesondere Verletzungen der unteren Extremitäten, wie z. B. Rupturen des vorderen Kreuzbandes oder Distorsionen des unteren Sprunggelenkes, können nämlich bei fehlerhafter Behandlung zu einer langfristigen Beeinträchtigung der stabilen Standfähigkeit – auch als posturale Kontrolle bezeichnet – führen. Die möglichen Folgen sind Stand- und Ganginstabilität sowie ein erhöhtes Sturzrisiko.
Zur Erhaltung des sicheren Standes werden zahlreiche Einflüsse des Vestibularapparates, des visuellen Systems sowie der Propriozeption zentral verarbeitet, welche dann in adäquate motorische Reaktionen umgesetzt werden. Selbst geringste Störungen des beschriebenen Regelkreises lassen sich hierbei frühzeitig mittels der innovativen „Computerunterstützten Dynamischen Posturographie“ quantifizieren [12].
Die Projektierungen zu diesem Forschungsbereich lassen nun dabei aktuell Studien weiterhin sowohl zum Kniegelenk als auch z. B. zum Einfluss von Operationen an der Achillessehne auf die Kraft und den stabilen Stand im Sinne der Posturographie durchführen.
Registerarbeiten
Die Beantwortung wissenschaftlicher Fragestellungen durch die Datenauswertung großer Register gehört regelmäßig zu den Bemühungen der UFo BwKrhs. Hier wurde zuletzt mehrfach auf das TraumaRegister DGU® zurückgegriffen, um wertvolle und auch spannende Aspekte zu untersuchen. Dies insbesondere zu Themen der Schwerverletztenversorgung, wie z. B. im Zusammenhang mit der chirurgischen Behandlungskonzeption bei der Erstbehandlung, zur Wertigkeit des Einsatzes der Ultraschalldiagnostik in der Schockraumversorgung sowie auch der Auswirkungen der Covid-Pandemie auf diesen klinisch sehr zentralen Bereich. Diese Studien sind für die Verbesserung und Optimierung der Schwerverletztenversorgung essenziell sowie für die Beurteilung und Bewertung der eigenen Versorgungsalgorithmen und -qualität von wesentlicher Bedeutung. Hier gewonnene Ergebnisse können vielfältig in die unmittelbare Patientenversorgung einfließen.
Traumaimmunologie
Ein weiterer Schwerpunkt der Forschungsbemühungen um die Schwerverletztenversorgung ist die sog. Traumaimmunologie. Hierbei konnten Biomarker im Blut von Polytraumapatienten identifiziert werden, die an der Entwicklung eines Multiorganversagens beteiligt sind und zur frühen Diagnose des beginnenden Organversagens dienen [7]. Damit sollen zukünftig eine Prognoseeinschätzung und folgend vielleicht Therapieempfehlungen zu einem möglichen Gegenwirken abgeleitet werden – besonders im Kontext der Traumaversorgung ein sehr spannender und auch wichtiger Baustein.
Wundheilung und Wundheilungsstörungen
Im Rahmen einer Kooperation mit dem Institut für Radiobiologie der Bundeswehr und dem Institut für Transfusionsmedizin der Universität Ulm wird die Wirkung extrazellulärer Vesikel von humanen mesenchymalen Stammzellen auf den Regenerationsprozess von Defekt- und Strahlenwunden untersucht. Ziel ist es, eine neue Therapieoption für diese Art von schlecht heilenden Wunden zu schaffen. Erste positive Effekte der frühen Ergebnisse von extrazellulären Vesikeln auf die Wundheilung konnten bereits nachgewiesen werden. Für die Studienfortführung konnte eine Methode etabliert werden, mesenchymale Stammzellen zur Isolation von Vesikeln unter GMP-Bedingungen in großem Maßstab zu expandieren. Ziel weiterer Forschungsprojekte ist es, den Inhalt (Proteine, RNA) der Vesikel für die gezielte Anwendung bei den jeweiligen Wundarten zu modellieren und weitere biologische Marker sowie Softwaretools zur Abschätzung des Ausmaßes des Strahlenschadens auf den Körper zu untersuchen [8].
Daseinsvorsorge für Großschadensereignisse und Terror-Preparedness
Die Bedrohungslage durch Terroranschläge nimmt weltweit weiter zu, zudem zeigt sich diese auch für Westeuropa und Deutschland ebenso weiterhin erhöht. Im Rahmen der Daseinsvorsorge ist es damit zwingend notwendig, sich diesem Thema zu widmen, um damit für den Fall der Fälle gerüstet zu sein. Ein Baustein, der im Rahmen dieser Bemühungen in 2017 entwickelt und implementiert werden konnte, ist der Terror and Disaster Surgical Care (TDSC®)-Kurs [1][4].
Weiterhin nehmen auch anderweitige Großschadensereignisse, wie z. B. das Ahrhochwasser, Einfluss auf unser tägliches Leben und können in der Konsequenz zu einer folgenden Be- oder Überlastung des klinischen Gesundheitssystems führen.
Dabei hat der o.g. Kurs, unterstützt durch die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie und die Akademie der Unfallchirurgie, zum Ziel, klinische Entscheidungsträger im Hinblick auf das Thema „Innerklinische Vorbereitung“ zu schulen und ihnen entsprechend Handlungsoptionen und -sicherheit an die Hand zu geben, um derartige Szenarien bearbeiten und bewältigen zu können [5].
Im hierzu aufgestellten Forschungsbereich soll nun die Wirksamkeit und Wertigkeit dieses Ausbildungsformates evaluiert und überprüft sowie relevante Aspekte zu diesem Themenfeld aufgearbeitet und bewertet werden [2]. Absicht ist es, die Ausbildung durch die gewonnenen Ergebnisse zu verbessern und entsprechend relevante Themen im Hinblick auf diese Versorgungssituationen zu erfassen, um daraus weitere wissenschaftliche Fragestellung ableiten zu können. Dabei erfolgte zuletzt auch die Etablierung einer Kooperation zwischen dem BwKrhs Ulm mit seiner UFo, dem BwZKrhs Koblenz und der Universität der Bundeswehr München zur zunehmenden Digitalisierung wesentlicher Kerninhalte des TDSC®-Kurses (hier der sog. Table-Top-Exercise bzw. das Simulationstraining).
Mikrobiologische Erregerbestimmung
Die klassische Identifizierung von (obligat) anaeroben Bakterien ist bei vielen Spezies mit einem hohen Labor- und Zeitaufwand verbunden. Matrixunterstützte Laser-Desorptions-/Ionisations-Flugzeit-Massenspektrometrie (MALDI-TOF MS) Matrix-Assisted Laser Desorption/Ionization Time of Flight Mass Spectrometry als Identifizierungsverfahren für Bakterien wurde intensiv beforscht und hat sich in den letzten Jahren in der klinischen Diagnostik zunehmend etabliert. Diese Optimierung ist für die Routinediagnostik, gerade auch im Bereich der chirurgischen Versorgung unter dem Blickwinkel einer zunehmenden Bedeutung der septischen Chirurgie, sehr wertvoll. In Kooperation mit dem Institut für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie sowie dem Institut für Biochemie der Universität Leipzig konnten hierzu neue diagnostische Tools etabliert werden. Weitere Forschungsfragen auf diesem Gebiet sollen bearbeitet werden [13].
Psychosomatische Forschung
Stressempfinden kann und muss gerade mit Blick auf Arbeitsergebnisse und Prozessoptimierung, aber auch auf persönliche Berufszufriedenheit mittlerweile als relevante Größe betrachtet werden. Hier setzen sich wissenschaftliche Untersuchungen in verschiedenen Bereichen der freien Wirtschaft und der Medizin mit diesem Thema intensiver auseinander. Es wächst die Vorstellung, dass verschiedene Einflussfaktoren die Leistungsfähigkeit im klinischen Setting, wie z. B. in dem eines Chirurgen, reduzieren können. Dabei werden Stressoren individuell unterschiedlich stark wahrgenommen. In der Folge sind die Reaktionsmuster auf Stress völlig verschieden und können durch individuelle Techniken zur Stressbewältigung beeinflusst werden. Erste Erkenntnisse zeigen, dass sich als wichtige Faktoren zum Stresserleben z. B. die Arbeitsbelastung vom Vortag, die Erfahrung in der Zusammenarbeit zwischen Operateur und Assistent am OP-Tisch, aber auch Operateur und OP-technischem Assistenten beschreiben lassen.
Der Forschungsbereich beschäftigt sich nun gerade mit der Erhebung entsprechender Daten, um diese Situationen im ersten Schritt besser einschätzen zu können, weiterhin mit der Frage, mit ggf. welchen Maßnahmen sich eben genau die wesentlichen Stressoren positiv beeinflussen lassen, um somit hier zu einem verbesserten Setting und in der Konsequenz ggf. zu einem besseren Outcome zu kommen. Dazu werden diese Fragestellungen interdisziplinär durch eine enge Kooperation mit der Psychosomatik der Universität Ulm und mit dem Klinikum Nürnberg Süd bearbeitet.
Roboterassistierte Chirurgie
Roboterassistierte Operationen nehmen in der Chirurgie einen zunehmend größeren Stellenwert ein, hier sind für den Bereich der Orthopädie und Unfallchirurgie vor allem die Implantationen von Hüft- und Kniegelenkendoprothesen zu nennen. Dabei bleibt unklar, ob eine erfolgreiche roboter-assistierte Operation zu einer präziseren Implantation und Prothesenpositionierung führt und ob in der Konsequenz damit ein besseres Outcome erzielt wird.
Im Rahmen der Arbeiten in der UFo BwKrhs Ulm werden nun die vorgenannten Aspekte wissenschaftlich im Rahmen verschiedener Studien aufgearbeitet und bewertet. Zielgrößen können hier verschiedene Achs- und Gangparameter sein, welche im Rahmen einer 4D-Vermessung der Körperstatik erhoben werden bzw. auch z. B. die postoperative Beweglichkeit, die entsprechend genau gemessen werden kann. Somit zielen die Untersuchungen in diesem Fachbereich klar auf das postoperative Outcome bei den versorgten Patientinnen und Patienten ab.
O&U meets E-Sport-Gaming
Der Begriff E-Sports (auch eSports oder e-Sport) bezeichnet den professionellen Wettkampf in Computer- und Videospielen. Wie bei klassischen Sportarten geht es auch beim E-Sports um den Wettkampf beziehungsweise das Messen mit anderen in einer Disziplin. Einer professionellen E-Sports-Karriere gehen dabei mehrere Jahre harten und ausdauernden Trainings voraus – von den Profispielerinnen und -spielern werden enorme körperliche und psychische Leistungen verlangt. Die Basis von E-Sports bilden Computer- und Videospiele, die wettkampfmäßig als Einzeldisziplin oder in Teams gespielt werden können. Rund um solche z. B. Echtzeit-Strategiespiele und Sportsimulationen haben sich im Laufe der Jahre zahlreiche Ligen und Turniere etabliert, in denen E-Sportlerinnen und E-Sportler auf nationaler und internationaler Ebene gegeneinander antreten.
Die aufgrund der Dauer der Spiele und der überwiegend sitzenden Tätigkeit resultierenden Auswirkungen auf das Achsskelett führen durch eine permanente Belastung des Bewegungsapparates und den durch den Körper forcierten automatischen Kompensation dieser Unterschiede zu einem veränderten Haltungsbild.
Resultierende Schonhaltung, Fehlstellung und die irreguläre Belastung resultieren in einer Mehrbelastung von Wirbelsäulenabschnitten, Becken und Schulterpartien etc.
Um solche Veränderungen beobachten zu können und ggf. Handlungsempfehlungen – auch im Sinne eines Präventivansatzes – zu entwickeln werden 4D-Vermessungen der Körperstatik durchgeführt.
Regenerative Medizin mit Beteiligung am
Forschungs-Cluster Ulm
Der Forschungsstandort Ulm hat sich in den letzten 20 Jahren in hervorragender Art und Weise entwickelt, was ganz wesentlich auf die Forschungsaktivitäten des Universitätsklinikums sowie der Universität Ulm zurückzuführen ist. Initiiert aus der Klinik XIV und UFo BwKrhs Ulm im Jahre 2013 besteht seither nun auch ein interdisziplinärer Forschungs-Cluster „Regenerative Medizin“, in dem mittlerweile insgesamt 14 Projekte seit 2014 gemeinsam und in Kooperationen zwischen Einrichtungen des BwKrhs Ulm sowie des Universitätsklinikums Ulm bearbeitet werden. Hierbei geht es im Wesentlichen um die Frage, wie eine Regeneration einsatzbedingter Verletzungsfolgen erreicht werden kann. Die UFo ist insgesamt an sieben Projekten beteiligt, und es konnten hier sehr gute Ergebnisse erzielt werden. Diese Forschungsergebnisse lassen auch weiteren Raum für zukünftige gemeinsamen Projekte, insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung der Multidimensionalen Trauma Wissenschaften ab 2024 am Campus Oberer Eselsberg.
Fazit und Ausblick
Die genannten Forschungsbereiche haben in den vergangenen 15 Jahren wesentlich die Bemühungen der Unfallchirurgischen Forschungsgruppe am BwKrhs Ulm (UFo BwKrhs Ulm) geprägt und sehr erfolgreich werden lassen.
Es sind damit weit über 100 wissenschaftliche Arbeiten in nationalen und internationalen Journals publiziert worden, die allermeisten davon peer-reviewed. Diese Bemühungen waren begleitet durch eine große Anzahl betreuter Promotionsarbeiten, die über die UFo BwKrhs Ulm an der Universität Ulm abgeschlossen werden konnten. Über 30 junge Kolleginnen und Kollegen erlangten so den Dr. med. oder den Dr. med. dent. Mehrere Bachelor- und Masterarbeiten wurden in ähnlicher Weise umgesetzt. Die hier in der UFo tätigen Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnten sich jeweils in den verschiedenen Schwerpunkte etablieren. Aus diesem Kreise heraus konnten so insgesamt vier Habilitationen abgeschlossen werden. Über 15 Jahre waren somit auch in Ergänzung der vorgenannten Bemühungen Sanitätsstabsoffiziere zahlreich und auf verschiedensten nationalen sowie internationalen Kongressen präsent und haben mit umfänglichen Beiträgen in Form von Vorträgen bzw. Postern diese bereichert.
Dieser Gesamtkontext hat dazu geführt, dass es für die Orthopädie und Unfallchirurgie nicht nur im klinisch-fachlichen Kontext, sondern eben auch im wissenschaftlich-forschenden Bereich eine ungemein große Anerkennung gab. Diese Aspekte und die facettenreiche Zusammenarbeit haben sicher auch wesentlich als Baustein zur Präsidentschaft von OTA Prof. Dr. Friemert bei der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie und der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie beigetragen und damit eine Wertschätzung des Sanitätsdienstes der Bundeswehr genauso wie der Orthopädie Umgekehrt darf jedoch sicher berechtigt und auch mahnend formuliert werden, dass viele dieser Bemühungen und auch Erfolge in Wissenschaft und Forschung „jenseits des normalen Arbeitsstages und in der Freizeit“ stattgefunden haben. Eine mit Dienstposten hinterlegte Begründung der Aktivitäten lag bis 2019 nicht vor. Erst seit diesem Jahr sind Wissenschaft und Forschung nun in den Dienstpostenbeschreibungen der Bundeswehrkrankenhäuser aufgenommen worden. In der Konsequenz wurden jeweils die Implementierung eines Managers Wissenschaft und Forschung mit einer ergänzenden personellen Ausstattung durch zwei sog. Study Nurses für jedes Bundeswehrkrankenhaus vorangetrieben [11]. Dieser Schritt war mehr als nur wichtig und dringend notwendig. Diese Bereiche gilt es nun, ob der geschaffenen Voraussetzungen mit Leben zu füllen. Dabei darf dieser Schritt sicher auch als einer der Kernbausteine des Auftrags des Inspekteurs des Sanitätsdienstes der Bundeswehr verstanden werden, mit dem Generaloberstabsarzt Dr. Baumgärtner die weitere Entwicklung der Bundeswehrkrankenhäuser hin zur universitären Medizin angewiesen hat.
In diesem Zuge hat sich bereits auch eine sehr erfolgversprechende Zusammenarbeit mit der Universität der Bundewehr in München ergeben, die zur Gründung des sog. Forschungsverbunds Süd geführt hat. Schwerpunkt dieses Forschungsverbundes ist die Traumaforschung.
Eine nun bereits für erste Projekte etablierte Zusammenarbeit zwischen dem BwKrhs Ulm und der Universität der Bundeswehr München soll für zukünftige Vorhaben weitere Möglichkeiten und Gelegenheiten erschließen lassen. Als ein erstes Beispiel darf die bereits angeführte Kooperation zur Digitalisierung der sog. Table-Top- Exercise aus dem TDSC®-Kurs genannt werden. Weitere Ansätze gibt es nun bereits für die Fachbereiche der Nuklearmedizin zusammen mit dem Forschungsbereich Künstliche Intelligenz/Data Mining der Universität der Bundeswehr München.
Passenderweise ist auch am Universitätsklinikum Ulm ein national wie international anerkannter Forschungsschwerpunt zur Traumaforschung etabliert. So bildet sich zusammenfassend eine hervorragende Struktur und Nachbarschaft ab, die letztlich dieses Thema kooperativ und intensiv bearbeiten und weiterentwickeln lässt. Gerade, da ausgehend von diesem Forschungsschwerpunkt nun auch ein neues Forschungsinstitut „Multidimensionale Traumawissenschaften“ auf Seiten der Universität Ulm entstehen soll.
Die UFo BwKrhs Ulm hat unter der Leitung und Förderung von Oberstarzt Prof. Dr. Friemert in den vergangenen 15 Jahren Wissenschaft und Forschung am Bundeswehrkrankenhaus Ulm für den Bereich der Orthopädie und Unfallchirurgie umfänglich etabliert und entstehen lassen. Sicher eine Erfolgsgeschichte, an die es nun weiterhin anzuknüpfen gilt und die durch verbesserte und auch formalisierte Rahmenbedingungen in Ihrer Bedeutung gestärkt und fortgeführt werden muss.
Literatur
- Achatz G, Bieler D. Franke A, Friemert B: Sektion Einsatz-, Katastrophen- und Taktische Chirurgie der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie; Terror preparedness as a service of general interest: the Terror and Disaster Surgical Care (TDSC®)-course. European Journal of Trauma and Emergency Surgery 2020; 46(4): 671-672. mehr lesen
- Bieler D, Franke A, Blätzinger M et al.: Sektion Einsatz-, Katastrophen- und Taktische Chirurgie der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie; Evaluation of the Terror and Disaster Surgical Care Course; European Journal of Trauma and Emergency Surgery 2020; 46(4): 709-716. mehr lesen
- Friemert B, Faist M, Spengler C, Gerngross H, Claes L, Melnyk M: Intraoperative direct mechanical stimulation of the anterior cruciate ligament elicits short- and medium-latency hamstring reflexes. J Neurophysiol 2005;94(6): 3996-4001. mehr lesen
- Friemert B, Achatz G, Hoth P, Paffrath T, Franke A, Bieler D: Sektion Einsatz-, Katastrophen- und Taktische Chirurgie der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie; Specifities of terrorist attacks: organisation of the in-hospital patient-flow and treatment strategie. European Journal of Trauma and Emergency Surger 2020; 46(4): 673-682. mehr lesen
- Franke A, Bieler D, Paffrath T et al.: ATSL® und TDSC®: how it fits together - ein Behandlungskonzept für MANV und TerrorMANV, lebensbedrohliche und besondere Lagen. Der Unfallchirurg 2019; 123(6): 453-463.
- Hackenbroch C, Riesner HJ, Lang P, Stuby F, Danz B, Friemert B: AG Becken III der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie. Zeitschrift für Orthopädie und Unfallchirurgie 2017; 155(1): 27-34. mehr lesen
- Haupt J, Krysiak N, Unger M et al.: The potential of adipokines in identifying multiple trauma patients at risk of developing multiple organ dysfunction syndrome. European Journal of Medical Research 2021; 26(1): 38. mehr lesen
- Haupt J, Ostheim P, Port M, Abend M: Using dicentric dose estimates and early radiation-induced blood cell count changes of real case histories for validation of hemodose biodosimetry toll. Radiation Protection Dosimetry 2020; 189(4): 428-435. mehr lesen
- Hildebrand F, Höfer C, Klemens H, Friemert B, Pennig D, Stange R: Wissenschaftsausschuss der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie. Der Unfallchirurg 2022; 125(5): 408-416. mehr lesen
- Lang P, Merz Ch, Hackenbroch C, Friemert B, Stuby F, Palm HG: AG Becken III der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie; Zeitschrift für Orthopädie und Unfallchirurgie 2019; 158(4): 351-359.
- Melnyk M: Forschung und Wissenschaft am Bundeswehrkrankenhaus Ulm. WMM 2021; 65(2): 102. mehr lesen
- Palm HG, Schlumpberger S, Riesner HJ, Friemert B, Lang P; Der Einfluss einer VKB-Plastik auf die stabile Standfähigkeit: ein prä- und postoperativer Vergleich. Der Unfallchirurg 2015; 118(6): 527-534. mehr lesen
- Schaumann R, Knoop N, Genzel GH et al.: Discrimination of enterobactericae and non-fermenting gram negative bacilli by MALDI-TOF mass specttrometry. Open Microbiology Journal 2013; 7: 118-122. mehr lesen
Manuskriptdaten
Zitierweise
Achatz G, Dallacker-Losensky K, Riesner HJ, von Lübken F, Hoth P, Haupt J, Bauer A, Forstmeier V, Lang P, Palm HG, Melnyk M, Fiemert B: Mit der „Ufo“ 15 Jahre unfallchirurgisch – orthopädische Forschung am Bundeswehrkrankenhaus Ulm – Bilanz und Ausblick mit Begeisterung. WMM 2022; 66(12): 420-425.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-46
Für die Verfasser
Oberfeldarzt Priv.-Doz. Dr. Gerhard Achatz
Bundeswehrkrankenhaus Ulm
Klinik XIV – Unfallchirurgie und Orthopädie, Rekonstruktive und Septische Chirurgie, Sporttraumatologie
Oberer Eselsberg 40, 89081 Ulm
E-Mail: gerhardachatz@bundeswehr.org
Manuscript data
Citation
Achatz G, Dallacker-Losensky K, Riesner HJ , von Lübken F, Hoth P, Haupt J, Bauer A, Forstmeier V, Lang P, Palm HG, Melnyk M, Fiemert B: [With the „Ufo“ 15 years of research in trauma surgery and orthopaedics at the Bundeswehrkrankenhaus Ulm – balance and outlook with enthusiasm.] WMM 2022; 66(12): 420-425.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-46
For the authors
Lieutenant Colonel Ass. Prof. Dr. Gerhard Achatz
Bundeswehr Hospital Ulm
Department XIV – Trauma Surgery and Orthopedics, Reconstructive and Septic Surgery, Sports Traumatology
Oberer Eselsberg 40, D-89081 Ulm
E-Mail: gerhardachatz@bundeswehr.org