Sportpsychologische Methoden zur Unterstützung
eines multimodalen Therapiesettings in der Psychiatrie: Anwendungsmöglichkeiten im militärischen Kontext
Sport Psychology Methods in a Multi-modal Concept for Rehabilitation: Possible Applications in a Military Setting
Anna-Katharina Börkea, Franziska Langnera, Gerd Willmunda
a Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Psychotraumazentrum der Bundeswehr
Zusammenfassung
Die Sportpsychologie wird allgemein mit dem Hochleistungssport verknüpft. Doch gerade im Prozess der Rehabilitation von psychisch erkrankten Patientinnen und Patienten ist sie eine noch nicht ausreichend genutzte Wissenschaft, um klassische therapeutische Maßnahmen gewinnbringend zu unterstützen. Für das Reha-Coaching im medizinisch-dienstlich orientierten Rehabilitationsprogramm psychisch erkrankter Soldatinnen und Soldaten im Psychotraumazentrum der Bundeswehr in Berlin wurde ein ganzheitliches sportpsychologisches Konzept zur Unterstützung eines multi-modalen Gesamtkonzepts entwickelt und integriert. Um eine vielversprechende Behandlung erzielen zu können, ist der Einbezug der unterschiedlichen Charakteristika der Krankheitsbilder sowie die Erfahrungen und Erlebnisse der Betroffenen von Wichtigkeit. Der aktuelle Forschungsstand sowie die Entwicklung des ganzheitlichen sportpsychologischen Konzepts durch eine qualitative Studie werden hier beschrieben.
Schlüsselwörter: Sportpsychologie, Sportwissenschaft, Sport, psychische Erkrankung, Resilienz, ganzheitliche Betreuung, Kohärenzgefühl
Summary
Sports psychology is generally associated with high-performance sports. However, it can be adequately utilized in rehabilitating patients with mental disorders as a complement to classical therapeutic measures. We developed a holistic sport psychological concept to strengthen a multi-modal, comprehensive concept for rehabilitation coaching. This concept is embedded in the medical-service-oriented rehabilitation program of soldiers with mental disorders and integrated into the Bundeswehr Psychotrauma Center in Berlin.
The inclusion of both the different characteristics of the clinical disease patterns as well as the subjective experiences of the patients is essential to achieve treatment success. The current state of research, as well as the development of the comprehensive sport psychological concept within a qualitative study, are described here.
Keywords: sport psychology; sport science; sport; mental illness; resilience; holistic support; sense of coherence
Einleitung
Der Einsatz der Sportpsychologie beinhaltet, dass zu einem definierten Zeitpunkt die entsprechende psychische Leistungsvoraussetzung für eine bestmögliche Trainings- bzw. Wettkampfleistung besteht. Dazu gehören unter anderem Fertigkeitstraining (z. B. Regulationsverfahren), die individuelle Beratung (z. B. Emotionsregulation und Motivation), die sportpsychologische Diagnostik (z. B. Reizverarbeitung und Stressverarbeitungskompetenz) sowie die Unterstützung bei der Balance aller physisch-psychisch-sozialen Anforderungen. Im Rahmen des medizinisch-dienstlich orientierten Rehabilitationsprogramms (MDOR) psychisch erkrankter Soldatinnen und Soldaten wurde für das Reha-Coaching im Psychotraumazentrum der Bundeswehr (PTZBw) in Berlin dieser ganzheitliche Ansatz mittels eines spezifischen sportpsychologischen Konzeptes integriert. In der qualitativen Studie „Die Integrierung eines Sportkonzeptes zur Unterstützung bei der Wiedereingliederung von psychisch erkrankten Soldaten der Bundeswehr“ wurden für die Erstellung dieser Anwendung der aktuelle Forschungsstand aufgearbeitet und durch ein halbstrukturiertes Interview die subjektiven Erfahrungen und Wünsche von Absolventen des Reha-Coachings integriert. Ziel der hier vorliegenden Studie war es, eine unterstützende Maßnahme für das multimodale Gesamtkonzept zu entwickeln, in dem der Mensch ressourcenaktivierend gefördert und mit seiner Individualität als Ganzes betrachtet wird.
Forschungsstand
Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) zeigt in der S3-Leitlinie „Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankten“ auf, dass bei einem Erkrankungsbild der (schweren) Depression in den Studien eine Verringerung der Depressionssymptomatik durch aerobe körperliche Aktivitäten erreicht werden kann [3]. Der unterstützende antidepressive Effekt durch Sporttreiben ist sowohl bei Ausdauertraining als auch bei Krafttraining und gemischten Übungsarten zu finden [9]. Dies spiegelt sich auch in den wissenschaftlichen Erkenntnissen bei Angststörungen und unipolaren Depressionen wider. Bei der Reduzierung von Angstzuständen in Verbindung mit Sportaktivität überwiegt der positive Effekt bei aerobem Training signifikant stärker als bei anderen Behandlungsmethoden (z. B. Stressmanagementdeduktion, Entspannungsverfahren) [12].
Des Weiteren verdeutlicht der aktuelle Forschungsstand, dass körperliche Aktivitäten auf differente Art und Weise (Intensität, Sportarten, Bewegungsabläufe) positiven Einfluss auf den Menschen haben und dementsprechend die Resilienz, Prävention und Therapien psychisch erkrankter Soldatinnen und Soldaten unterstützen. Dies beinhaltet nicht nur physische, wie die Erhöhung des Hippocampusvolumens [6] oder die Down-Regelung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse [14], sondern zum Beispiel auch psychosoziale Veränderungen wie das Entgegenwirken bei sozialem Rückzug [7].
Die Empfehlung der DGPPN lautet, dass „bei Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen – je nach Beschwerden und Neigung sowie unter Berücksichtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit – Bewegungsinterventionen als Teil eines multimodalen Gesamttherapiekonzeptes zur Anwendung kommen sollen“ [7].
Wirkmechanismen eines aktiven Lebens auf das Wohlbefinden
Die Komplexität des Bewegungs- und Sportprogramms gründet auf unterschiedliche Wirkmechanismen, die das Wohlbefinden des Menschen durch ein aktives Leben verbessern. Die in Abbildung 1 dargestellten psychischen, physischen und psycho-physiologischen Erklärungsansätze über die Wirkung von Sport auf das Wohlbefinden ergänzen und beeinflussen sich vor, während und nach der Ausübung der Aktivitäten gegenseitig und wirken als Konglomerat auf die Psyche und die Physis des aktiven Menschens zurück [2]. Bei der Implementierung dieser Wirkmechanismen sind sowohl die positiven als auch negativen Effekte von Sport auf den Menschen zu berücksichtigen, sodass proaktive Maßnahmen zur Minimierung und Abpufferung der negativen Wirkungen in die Behandlung einfließen.
Abb. 1: Eine zusammenfassende Übersicht der Erklärungsansätze von der Wirkung durch Sport auf das Wohlbefinden [2]
Aus den verschiedenen psychologischen Wirkmechanismen einer sportlichen Aktivität geht hervor, dass allein die Bewegung und die damit verbundene Eigenbewältigung der Aufgabe ausreicht, um eine positive Wirkung auf das Wohlbefinden zu erzielen (z. B. Selbstwirksamkeitshypothese [1], Theorie psychischer Grundbedürfnisse [4], Exercise and Self-Esteem Model [5]). Dabei ist eine spezifische Leistungsvorgabe (z. B. ein 5 km-Lauf in 25 min) von außen nicht notwendig. Parallel sollten die sozialen Wirkmechanismen (Soziale Eingebundenheit [10], Soziale Unterstützung [13]) durch die Behandelnden und einer Bezugsgruppe gefördert werden, sodass neben einem Autonomie- und Kompetenzerleben auch eine externe soziale Unterstützung und Integration in einem sozialen Umfeld stattfindet. Auf diese Weise werden die eigenen sozialen Fähigkeiten des Patienten, das subjektive Erleben von positiver individueller Zuwendung sowie deren Evaluation in das Programm integriert.
Zeitgleich haben sportliche Aktivitäten physiologische Effekte, die sowohl während als auch nach der Bewegung auf den Körper wirken. Basierend auf einem breiten Spektrum an unterschiedlichen Sportarten, Bewegungen und Intensitäten werden verschiedene Botenstoffe, wie z. B. Serotonin, Dopamin oder Endocannabinoide, freigesetzt und positive Mechanismen im Körper aktiviert (Tabelle 1). Die psycho-physischenMischansätze komplettieren das Wirkspektrum durch Sport auf das Wohlbefinden. Nachweislich wird das energetische Arousal durch sportliche Bewegungen aktiviert und das Spannungs-Arousal deaktiviert, was zugleich zu einer Reduzierung der empfundenen Spannungen und negativen Stimmungszustände führt. Zusätzlich ist die Dauer einer anaeroben Belastung für die Art des Gefühls ausschlaggebend und schwenkt erst kurz vor der individuellen Ausbelastung von Positiv auf Negativ um (Dual-Mode-Theorie) [5]. Dieser Zusammenhang mit der Intensität des Trainings und die darauf bezogenen affektiven Reaktionen können, kombiniert mit der Green-Exercise Hypothese [8], gewinnbringend für die Leistungs- und Motivationsförderung der Patienten eingesetzt werden. Die Green-Exercise-Hypothese besagt, dass eine erhöhte Intensität des Trainings im Freien möglich ist, ohne dass eine vermehrte Anstrengung im Vergleich zu Sport in geschlossenen Räumen wahrgenommen wird.
Tab. 1: Physische Wirkmechanismen von sportlicher Bewegung auf den Körper des Menschen [3]
Methode
Im Rahmen einer qualitativen Studie wurden neun Absolventinnen (2) und Absolventen (7) einer MDOR-Maßnahme telefonisch mittels eines halbstrukturierten Interviews befragt. Die inhaltliche Kategorisierung erfolgte deduktiv aus der intensiven Literaturrecherche sowie den Vorüberlegungen der Forschenden, welche immer wieder in Bezug zur Forschungsfrage betrachtet werden. Dadurch wird das Vorwissen im Gesamten einbezogen, was die Grundlage der Themenbereiche bildet. Ziel dieser Befragung war es, dass die unterschiedlichsten subjektiven Einstellungen und Erlebnisse der Fokusgruppe aufgezeigt und eventuelle neue Themenbereiche, welche durch die Interviewerin noch nicht betrachtet, jedoch von den Probandinnen und Probanden erwähnt wurden, integriert werden. Die Daten der Interviews dienten der Ergänzung und Spezifizierung des erstellten Gesamtprogramms. Die qualitative Inhaltsanalyse wurde nach Mayring durchgeführt [11].
Ergebnisse
Die Interviews zeigten auf, dass bei 5 der 9 Probanden Sport einen hohen Stellenwert im eigenen Leben hat. Der Spaß und auch die Unterstützung bei der Bewältigung der Krankheitssymptome stehen dabei im Vordergrund: „Es tut wirklich gut. So kann ich ganz viel Kraft und Ruhe daraus ziehen.“ Dahingegen formulierten vier der Befragten, dass Sport ihnen wenig bedeutet. Sie begründeten die Aussage mit wenig positiven Erlebnissen während des Sports (siehe Abbildung 2) und zum Teil auch durch die Gegebenheiten im Dienst und Privatleben: „Ich muss ganz ehrlich sagen, dass mir Sport schwerfällt. Ich meide Sport aufgrund meiner Panikattacken.“ 3 dieser 4 Probanden erwähnten, dass die Bedeutung von Sport vor der Erkrankung deutlich höher war. Insgesamt zeigten 7 Betroffene auf, dass sich das Sporttreiben durch die Erkrankung negativ verändert hat und 5 erwähnten, dass die Krankheit im Vordergrund des Lebens steht.
Abb. 2: Erlebte Gefühle in Verbindung mit Sport [2]
Alle an der Studie beteiligten Probanden gaben eine positive Veränderung durch eine sportliche Aktivität an. Die positiven Rückschlüsse (Abbildung 2), welche in Verbindung zum Sport angegeben wurden, bezogen sich auf das Arousal (fokussierter, entspannter, wacher, ausgeglichener, ruhiger), die Stimmung (positiver, glücklicher, weniger depressiv), das allgemeine Wohlbefinden (freier, angenehmes Gefühl, gut) und die körperlichen Veränderungen (erschöpft, mehr Kraft, fitter, besserer Schlaf). Neben den positiven Einflüssen gaben 6 Probanden an, dass sie auch negative persönliche Erlebnisse mit dem Sport verbinden. Sie erwähnten, dass zu Beginn des Trainings die Motivation fehle, um mit dem Sport anzufangen. Des Weiteren wurde von 3 Probanden angesprochen, dass sie sich unsportlich fühlen, was sie auf das wenige Sporttreiben und die Art des Sporttreibens seit der Erkrankung beziehen. Ergänzend zu den Krankheitsbildern soll monotones Laufen den Fokus auf die negativen Gedanken unterstützen („alles auf mich einprallt“, „der Kopf voll“). Darüber hinaus wurde bei einem Probanden durch intensives Sporttreiben die Erinnerung der damaligen Verdrängungsstrategie im Umgang mit der noch nicht diagnostizierten Krankheit erweckt. Zusätzlich seien physische Erscheinungen, wie Schmerzen im Rücken und Erschöpfung, Bestandteil der zu betrachtenden negativen Erlebnisse der Probanden. Übergreifend ist ein negatives Selbstwerterleben bei den Probanden zu beobachten.
Diskussion und Herausforderungen in der sportpsychologischen Therapie
Die qualitative Studie „Die Integrierung eines Sportkonzeptes zur Unterstützung bei der Wiedereingliederung von psychisch erkrankten Soldaten der Bundeswehr“ zeigt in einem Verflechtungsmodell des Gesund-Werdens und Gesund-Bleibens unterschiedliche Ansatzpunkte auf (Abbildung 3), in denen verschiedene Sportarten und Aktivitäten aus den oben erwähnten Studien integriert werden und ihre Wirkung finden. Es sollten bestimmte Voraussetzungen gegeben sein, um eine kontinuierliche Veränderung und Stärkung des Kohärenzgefühls, der Zentralen Variable beim Gesund-bleiben und -werden, bzw. der Ressourcen der Betroffenen zu bewirken. Für eine positive Bewältigungshandlung von Spannungen muss beachtet werden, dass das Erlebte der teilnehmenden Personen erklärbar, sinnvoll und kontrollierbar ist. Aus diesem Grund setzt das erstellte Konzept an den internen und externen Ressourcen an.
Abb. 3: Ansatzpunkte des psychologischen Sportkonzeptes im vereinfacht dargestellten Verflechtungsmodell von Gesund-Werden und Gesund-Bleiben [2]
Konzeptionelle Ansatzpunkte
Ansatzpunkte für das sportpsychologische Konzept sind:
- Erwerben bzw. Entwickeln von fehlenden oder zu schwachen Ressourcen individuell für die Bewältigung von Herausforderungen während und nach dem stationären Aufenthalt (kontrollierbar),
- Wahrnehmen und Verarbeiten der Informationen aus der Umwelt und den eigenen Empfindungen (erklärbar),
- Erlernen, dass der individuelle Abbau innerer Spannungen als sinnvoll erachtet wird, und
- Ermöglichen einer erfolgreichen Bewältigungshandlung der Spannung, damit direkter positiver Einfluss auf das Kohärenzgefühl erzielt wird.
Das bedeutet als wohl grundlegende und wichtigste Bedingung, dass der Stressor, hier der Sport innerhalb der Therapie, so gesteuert werden muss, dass die Teilnehmenden eine positive Erfahrung in der Bewältigung der Aufgabe erleben. Dafür müssen über den gesamten Verlauf der sportpsychologischen Therapie psychologische, soziale und auch körperliche Voraussetzungen beachtet werden, damit der Sport sich nicht negativ auf die Erkrankung und somit auch nicht negativ auf die Unterstützung der Rehabilitation des Erkrankten auswirkt.
Multimodaler Ansatz
Die unterschiedlichen Charakteristika der Krankheitsbilder sowie die Erfahrungen und Erlebnisse der Betroffenen sollten immer mit in die Therapie einbezogen werden, was einen multimodalen Ansatz und übergreifenden Austausch unter den Behandlern notwendig macht. So kann Sport z. B. durch Erhöhung des Serotoninspiegels bei depressiven Patientinnen und Patienten zu einem verbesserten Wohlbefinden führen. Im Gegensatz dazu ist es möglich, dass die Stresshormone bei Angstpatientinnen und -patienten Panikattacken auslösen können. Ferner spielen die Erinnerungen an vorangegangene belastende Ereignisse in Stresssituationen und das akute Erleben der eigenen Grenzen eine nicht unwesentliche Rolle, da sie sich unmittelbar auf das sowieso schon eingeschränkte Selbstwerterleben der Soldatinnen und Soldaten nachteilig auswirken können. Es ist daneben möglich, dass intensive sportliche Belastungen Stress auslösen und die dadurch induzierten körperlichen Reaktionen sich wiederum vereinzelt mit den individuellen Krankheitscharakteristiken der Betroffenen decken. So kann z. B. die Laktatsensitivität bei Angststörungen eine zusätzliche Panik auslösen, da Vergleiche zur Krankheit bzw. zu angstauslösenden Situationen gezogen werden.
Diese Individualität spiegelt sich auch in der Ausführung der Bewegungen durch die verschiedenen Fitnesszustände und den unterschiedlichen Erfahrungen der Teilnehmer wider. Hinzu kommt, dass falscher Ehrgeiz oder Angst vor der körperlichen Belastung die Zielstellungen der jeweiligen Einheit verfehlen und es leicht zu einer Über- bzw. Unterforderung, wenn nicht sogar zu Verletzungen, kommen kann.
Wechselwirkungen zwischen Sporteffekten und Krankheiten
Diese unterschiedlichen Wechselwirkungen zwischen Sporteffekten und den einzelnen Krankheiten sowie individuellen Erfahrungen und Fähigkeiten stellen eine bedeutende Herausforderung im gesamten Betreuungssetting dar. Aus diesem Grund muss durch die Sportpsychologin/den Sportpsychologen gewährleistet werden, dass das Sportkonzept eine ganzheitliche Betreuung und Individualität für jeden Teilnehmer beinhaltet, damit akute negative Gedanken oder Erlebnisse erkannt, aufgefangen und proaktive Maßnahmen ergriffen werden können.
Zukünftige Studien müssen zeigen, inwiefern die Wirkung von Intensität und Art des Trainings (z. B. hochintensiver Bereich oder Mischansätze aus unterschiedlichen Intensitäten und die Kombination aus verschiedenen Sportarten) mit in das Konzept einbezogen werden können. Daneben sollten Interventionen konzipiert werden, die die unterschiedlichen Ansätze der Wirkmechanismen (vgl. Abbildung 1) verbinden. Das sportpsychologische Gesamtkonzept erzeugt ein detailliertes Wirkspektrum, das sowohl die physischen als auch die psychischen Effekte von sportlichem Training in Verbindung mit den verschiedenen Ansätzen der psychologischen Wirkmechanismen (z. B. Selbstwirksamkeitshypothese oder die Green Exercise-Hypothese) kombiniert. Aus diesem Grund prägen unterschiedliche und wechselnde Sportarten das Konzept, sodass verschiedene Reize in Intensität und Beanspruchung erzeugt werden, aber auch die individuellen Vorlieben eines jeden Teilnehmers bekräftigt und zugleich das Gruppengefühl erhalten bleibt bzw. gestärkt wird. Schlussfolgernd ist die Kombination aus Ausdauersportarten, funktionellem Fitnesstraining (Crossfit) sowie Gleichgewichts- bzw. Koordinationstraining als Einheiten bei der Erstellung und Planung des Sportkonzepts gewählt worden.
Eignung in Therapie und Prävention
Die Übertragbarkeit des erstellten Konzeptes ist nicht nur auf das PTZBw zu beziehen, sondern kann insgesamt auf die Weiterentwicklung bei der Behandlung von psychisch erkrankten Menschen angewendet werden. Gerade in den anderen Bundeswehrkrankenhäusern wäre eine Integration möglich, was eine flächendeckende ganzheitliche multimodale Gesamttherapie der Soldatinnen und Soldaten bewirkt. Auch in den bundeswehrähnlichen Bereichen, wie der Polizei und Feuerwehr, können Parallelen gezogen werden und dieses Konzept in vergleichbarer Weise mit dem entsprechenden Personalansatz zur Anwendung kommen.
Wenn die Ansatzpunkte der Sportpsychologie mit sportwissenschaftlichen Elementen im Modell von Gesund-Werden und Gesund-Bleiben genauer betrachtet werden (Abbildung 3), dann ist nicht nur eine Implementierung im psychiatrischen Kontext für die Bundeswehr relevant, sondern auch in der Präventionsarbeit. So könnten z. B. Stressverarbeitungskompetenzen in der Einsatzvorausbildung oder eine Unterstützung bei der Balance aller physisch-psychisch-sozialen Anforderungen schon in der Grundausbildung für die Resilienzstärkung zum Einsatz kommen.
Fazit und Ausblick
Die Rolle der Sportpsychologie im Prozess der Rehabilitation ist eine noch nicht ausreichend genutzte Methode, um die bisherigen Maßnahmen gewinnbringend zu unterstützen. Das entwickelte holistische sport-psychologische Konzept betrachtet die individuelle Belastbarkeit und Empfindlichkeit einer jeden Person, bezieht aber auch die unterschiedlichen Ansprüche (z. B. Intensität, Art der Bewegung, individuelle Ziele und soziales Umfeld) und wissenschaftlichen Erklärungsansätze mit ein. Für die Umsetzung ist fachspezifisches (sportpsychologisches und sportwissenschaftliches) Personal von zentraler Bedeutung, da gerade zu Beginn Misserfolge und über die gesamte Dauer der Therapie Über- und Unterbelastungen vermieden, aber auch die individuelle Bewegungsausführung kontinuierlich kontrolliert werden sollten. Zusätzlich ist bei der Betreuung der Teilnehmenden zu beachten, dass die Effekte sportlicher Aktivitäten auf den Körper besprochen und erklärt werden, damit die sportinduzierten körperlichen Reaktionen nicht mit krankheitsspezifischen Symptomen assoziiert werden.
Ein integrierter kollaborativer Ansatz ist unerlässlich, da den Betroffenen die bestmögliche Unterstützung bei der Bewältigung der krankheitsbedingten Belastungen gegeben werden muss. Dieses Instrument kann nicht nur im psychiatrischen Kontext gewinnbringend für die Gesundheit integriert, sondern auch als Präventivmaßnahme in der Ausbildung der Soldatinnen und Soldaten zum Aufbau der Resilienz verankert werden.
Zukünftige Forschungsarbeiten im PTZBw fokussieren sich auf die Entwicklung sportpsychologischer Verfahren während einer stationären Traumakonfrontation zur Unterstützung der Emotionsregulation, die Konzipierung von Online-Tools als Ergänzung von videogestützten Therapien sowie die Entwicklung manualisierter sportwissenschaftlicher und psychologischer Verfahren für die Resilienzstärkung der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr.
Literatur
- Bandura A: Self‐Efficacy. In: Weiner IB and Craighead WE (Hrsg.): The Corsini Encyclopedia of Psychology. Wiley 2010; 1–3.
- Börke A: Die Integrierung eines Sportkonzeptes zur Unterstützung bei der Wiedereingliederung von psychisch erkrankten Soldaten der Bundeswehr. Masterarbeit. Berlin 2020.
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- Ekkekakis P, Parfitt G, Petruzzello SJ: The pleasure and displeasure people feel when they exercise at different intensities: decennial update and progress towards a tripartite rationale for exercise intensity prescription. Sports Med 2011; 41(8): 641-671. mehr lesen
- Erickson KI, Leckie RL, Weinstein AM: Physical activity, fitness, and gray matter volume. Neurobiol Aging 2014; 35 Suppl 2: S20-S-28. mehr lesen
- Gerhard Längle: Psychiatrische Rehabilitation. In: Sport 2014; 791–797. mehr lesen
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- Gühne U, Weinmann S, Riedel-Heller SG, Becker T: S3-Leitlinie Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg 2019; 281-315. mehr lesen
- Krapp A: Das Konzept der grundlegenden psychologischen Bedürfnisse. Ein Erklärungsansatz für die positiven Effekte von Wohlbefinden und intrinsischer Motivation im Lehr-Lerngeschehen. Zeitschrift für Pädagogik 2005(51): 626-641. mehr lesen
- Mayring P: Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken. Weinheim: Beltz 2015;
- Schulz K, Meyer A, Langguth N: Körperliche Aktivität und psychische Gesundheit. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2012; 55(1): 55-65. mehr lesen
- Sudeck G, Schmid J: Sportliche Aktivität und seelische Gesundheit. In: Fuchs R and Schlicht W (Hrsg.): Seelische Gesundheit und sportliche Aktivität. Göttingen, Bern, Wien: Hogrefe 2012; 56–77.
- Wegner M, Helmich I, Machado S et al.: Effects of exercise on anxiety and depression disorders: review of meta- analyses and neurobiological mechanisms. CNS Neurol Disord Drug Targets 2014; 13(6): 1002-1014. mehr lesen
Manuskriptdaten
Zitierweise
Börke AK, Langner F, Willmund G: Sportpsychologische Methoden zur Unterstützung eines multimodalen Therapiesettings in der Psychiatrie: Anwendungsmöglichkeiten im militärischen Kontext. WMM 2023; 67(9): 368-373.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-193
Für die Verfasser
Oberstleutnant d. R. Anna-Katharina Börke (M. Sc., Dipl.-Sportwissenschaftlerin)
Bundeswehrkrankenhaus Berlin
Psychotraumazentrum der Bundeswehr
Scharnhorststraße 13, 10115 Berlin
E-Mail: annaboerke@gmail.com
Manuscipt Data
Citation
Börke AK, Langner F, Willmund G: [Sport Psychology Methods in a Multi-modal Concept for Rehabilitation: Possible Applications in a Military Setting]. WMM 2023; 67(9): 368-373.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-193
For the Authors
Lieutenant Colonel (Res) Anna-Katharina Börke (M. Sc.)
Bundeswehr Hospital Berlin
Bundeswehr Center for Psychotraumatology
Scharnhorststraße 13, D-10115 Berlin
E-Mail: annaboerke@gmail.com
Sexuelle Dysfunktionen bei posttraumatischer Belastungsstörung im militärischen Kontext
Sexual Dysfunctions in PTSD-Patients within the Military Context
Christian Helmsa,b, Clara S. Stockmanna,b, Klaus M. Beierb
a Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Psychotraumazentrum der Bundeswehr
b Charité – Universitätsmedizin Berlin, Corporate Member of Freie Universität Berlin and Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin
Zusammenfassung
Einleitung:Traumafolgeerkrankungen stehen in einem besonderen Zusammenhang zu sexuellen Dysfunktionen, die in den letzten Jahren zunehmend an Interesse zu gewinnen scheinen. In dieser Arbeit soll die aktuell verfügbare wissenschaftliche Literatur für militärische Populationen zusammenfassend dargestellt werden.
Methoden: Es erfolgte eine Recherche in der medizinischen Datenbank von PubMed mit den Suchbegriffen „PTSD“ als englischsprachige Abkürzung für die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), „Military“ für den militärischen Bezug und „Sexual Dysfunction“ als Hinweis auf sexuelle Funktionsstörung.
Ergebnisse: 15 Arbeiten wurden in das Review inkludiert. Alle Arbeiten zeigten signifikante Zusammenhänge zwischen PTBS und den untersuchten sexualmedizinischen Endpunkten. Zudem fanden sich vermehrt Anhaltspunkte für moderierende Effekte psychischer Erkrankungen mit Auswirkungen auf multiple Lebensbereiche.
Diskussion: Die Arbeiten veranschaulichen den bedeutenden Zusammenhang von PTBS und sexuellen Funktionsstörungen. Die exakten Zusammenhänge können allerdings anhand der verfügbaren Daten noch nicht abschließend ergründet werden. Zudem fehlt es an therapeutischen Ansätzen, um die Funktionsstörungen in diesem Kontext zu adressieren. Hierzu wurde im Bundeswehrkrankenhaus Berlin die erste sexualmedizinische Sprechstunde im militärischen Kontext etabliert, um diese Thematik für die Bundeswehr untersuchen zu können.
Limitationen: Die Erhebung der sexualmedizinischen Endpunkte unterscheidet sich in den Studien deutlich voneinander. Alle Arbeiten stammen aus nordamerikanischen Ländern und befassen sich mit gemischten Kohorten (männliche und weibliche Soldaten sowie Veteranen).
Schlüsselwörter: Sexuelle Funktionsstörungen, PTBS, Sexualmedizin, Militär
Summary
Introduction: Trauma related disorders and sexual dysfunctions have unique interactive effects, which have become of increasing interest in the recent years. The goal of this study is to present and summarize the existing literature on this topic within a military context.
Methods: A systematic medical database research in PubMed was conducted using the search terms “PTSD, “military” and “sexual dysfunction”.
Results: 15 studies were included in this review. All studies demonstrated significant effects between PTSD and the investigated sexual medical outcome. Furthermore, were there sings for moderating effects of PTSD-symptoms with effects on multiple areas.
Discussion: The presented studies demonstrate impressively the connection between PTSD and sexual dysfunctions. But the exact relationships still remain unclear. There is also a lack of therapeutic approaches to address sexual dysfunctions in the context of PTSD. Therefore, the Bundeswehr Hospital Berlin established the first sexual medical outpatient clinic within the military, to further investigate this topic within the Bundeswehr.
Limitations: The used methods to measure the sexual medical outcomes differ between the included studies. All studies came from Northern American countries and included active service members as well as veterans.
Keywords: sexual dysfunctions; PTSD; sexual medicine; military
Einleitung
Traumafolgestörungen, allen voran die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) und depressive Störungen, machen einen Großteil der psychiatrischen Diagnosen von Soldatinnen und Soldaten aus. Obwohl eine funktionale innerpsychische Verarbeitung erlebter Traumata die Regel ist, kann es in ca. 2,9 % der Fälle zur Entwicklung von einer PTBS kommen [26]. Neben depressiven Symptomen zeigen sich hier Stresssymptome mit sympathikotoner Daueraktivierung. Dies drückt sich meist nicht nur im Verhalten und Erleben aus, wie z. B. in einem Hyperarousal, sondern kann auch Auswirkungen auf die Etablierung oder den Erhalt von intimen Beziehungen haben.
Über die letzten Jahre wurde diese Assoziation zunehmend häufiger beschrieben und auch in der klinischen Arbeit zeigen viele PTBS-Betroffene nicht nur partnerschaftliche Schwierigkeiten, sondern manifeste sexualmedizinische Störungsbilder. Hierbei sind die häufigsten Beschwerden der Gruppe der sexuellen Funktionsstörungen zuzuordnen. Funktionsstörungen können im Allgemeinen zu jeder Phase der sexuellen Interaktion auftreten und können in Störungen der sexuellen Appetenz (Verlangen), der Erregung und der Orgasmusfähigkeit unterteilt werden. Zudem lassen sich hier auch die genito-pelvinen Schmerz-Penetrationsstörungen (gem. ICD-11) verorten. Zudem sieht die ICD-11 vor, dass auch ätiologische Überlegungen mit der Nachkommastelle im Code erfasst werden können. Hier können somatische, wie psychische Erkrankungen und Störungsbilder, Wirkung von psychoaktiven Substanzen oder Medikamenten, eine mangelnde Erfahrung der Betroffenen, Beziehungsfaktoren und kulturelle Hintergründe als ätiologische Einflussgrößen unterschieden werden. Auf einer Traumafolgestörung (wie z. B. der PTBS) fußende Funktionsstörungen könnten beispielsweise als HA40.1 kodiert werden [4].
Störungsspektrum und Folgen
Männliche Betroffene zeigen hier am häufigsten eine Erektionsstörung (ED) oder eine Orgasmusstörung (z. B. „Ejaculatio praecox“). In der Berliner Männerstudie fand sich eine ED-Inzidenz zwischen 18–48 % in Abhängigkeit des Alters [13]. Dem gegenüber zeigen weibliche Betroffene meist Orgasmusstörungen, Störungen der Erregung oder entsprechend der neuen ICD-11 Terminologie „Schmerz-Penetrationsstörungen“ (z. B. Vaginismus). Für Störung der Orgasmus-Phase zeigte sich in der US-Bevölkerung eine Inzidenz von 21,8 % [24]. In einer großen Metaanalyse wurden Inzidenzraten für Störungen der sexuellen Appetenz von 14–16 % der untersuchten Frauen beschrieben [25]. In der US-amerikanischen PRESIDE-Studie lag die Rate bei ca. 10 % [24]. Zu schmerzhaften Penetrationsstörungen finden sich im Lehrbuch für Sexualmedizin Angaben mit Bezug auf die deutsche GeSiD-Befragung („Gesundheit und Sexualität in Deutschland“-Befragung) eine Inzidenz von ca. 10 % [4][21].
Im Falle einer Funktionsstörung kann die Sexualität nicht wie gewünscht gelebt werden, was häufig zu Frustration und negativen Beziehungserfahrungen führt und meist als sehr belastend beschrieben wird. Dies kann wiederum andere sexualmedizinische Symptome, wie z. B. die sexuelle Unlust oder Aversion, oder aber psychische Störungen, wie eine depressive Störung, auslösen [4].
Zielstellung der Arbeit
Der Zusammenhang von Traumafolgestörungen und sexuellen Funktionsbeeinträchtigungen rückte in den vergangenen Jahren vermehrt in das Interesse der Forschung. Wiederholt konnte gezeigt werden, dass sich ein militärisches Betroffenenklientel nicht ohne Weiteres mit den zivilen Populationen vergleichbar zeigt. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, eine Übersicht zur internationalen Datenlage von komorbiden sexuellen Funktionsstörungen bei PTBS im militärischen Kontext zu präsentieren.
Methoden
Es wurde eine systematische Datenbank-Recherche durchgeführt, um die Studienlage zu sexuellen Funktionsstörungen bei Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) zu sichten. Hierzu wurden die Begriffe „PSTD“ als englischsprachige Abkürzung für die PTBS, „Military“ für den militärischen Bezug und „Sexual Dysfunction“ als Hinweis auf sexuelle Funktionsstörungen in die medizinische Datenbank von PubMed als Suchbegriffe eingegeben.
Insgesamt konnten hierdurch 37 Studien in englischer Sprache in der Datenbank identifiziert werden. Bei 3 Arbeiten handelte es sich um Review-Arbeiten. Diese wurden für die weitere Betrachtung exkludiert, da nur Originalarbeiten verwandt wurden. Eine Arbeit war ein Fallbericht über eine Ejakulationsstörung bei einem PTBS erkrankten Mann. Auch dieser „Case Report“ wurde exkludiert.
Die Abstracts der verbleibenden 33 Arbeiten wurden dahingehend darauf untersucht, ob diese sich mit PTBS und sexuellen Funktionsstörungen beschäftigen. Einige Arbeiten legten den Fokus auf den Zusammenhang von Traumatisierung durch sexuelle Belästigung oder Erfahrungen von sexualisierter Gewalt im militärischen Kontext („Military Sexual Trauma“, MST) und untersuchten besonders die Auswirkungen derartiger Traumata. Die Forschung zu diesem Phänomen wurde insbesondere durch die US-Streitkräfte vorangetrieben, da diese hier ein manifestes Problem identifiziert hatten. Aufgrund der großen Scham kann eine valide Rate an MST-Fällen nur schwer etabliert werden. In anonymen Befragungen zeigten sich jedoch sowohl Männer als auch Frauen von MST betroffen. In einer US-amerikanischen longitudinalen Studie berichteten ca. 1/3 der Soldaten MST in der Vergangenheit erlebt zu haben. Soldaten, die sich weiblich identifizierten, zeigten eine Rate von 61,4 %, sich männlich identifizierende Soldaten eine Rate von 27,8 % [14]. Vergleichbare Arbeiten zu sexueller Belästigung oder Übergriffen für die Bundeswehr sind den Autoren nicht bekannt und konnten in den verfügbaren Datenbanken nicht identifiziert werden. Arbeiten, in denen PTBS-Symptome oder Symptome sexueller Funktionsstörungen nicht erhoben wurden oder diese nicht in statistischen Modellen untersucht wurden, wurden für diesen Review exkludiert.
Es wurden in diesem Schritt 15 Arbeiten ausgeschlossen, weil die thematischen Kriterien nicht gegeben waren. 18 Arbeiten wurden als Volltexte für den weiteren Review-Prozess identifiziert.
Eine Arbeit über das „Operator Syndrom“ wurde aufgrund fehlender Originaldaten nicht in der weiteren Betrachtung berücksichtigt. Eine weitere beschäftigte sich dezidiert mit dem Zusammenhang von sexuellen Funktionsstörungen und PTBS.
Turban et al. 2017 [27] beschäftigten sich in ihrer Arbeit mit dem Nutzen von Datingplattformen für Sextreffen von Veteranen. Hier wurden 295 Probanden untersucht, von denen die meisten angaben, männlich zu sein. Es wurden zwar die Symptomschwere der PTBS und weitere psychische Erkrankungen erfasst, aber der Fokus der Arbeit lag auf einer Einzelfrage zum Sexdating, welche auf die Gesamtlebenserfahrung abzielte. Für die Analyse wurden die Daten dichotom geteilt in „nie Sexdating“ und „mindestens einmal Sexdate“ und auf Korrelationen untersucht. Es zeigten sich in dieser Untersuchung zwar Korrelationen zu psychischen Erkrankungen, doch können aus Sicht der Autoren anhand der genutzten Frage keine validen Aussagen über mögliche Zusammenhänge zur Symptomlast oder psychischen Erkrankungen getätigt werden, da sich die Frage auf die Lebenszeit bezog. Daher wurde die Studie abschließend ebenfalls exkludiert.
Ergebnisse
Insgesamt wurden 15 Studien für diese Übersichtsarbeit eingeschlossen, weil sie die Einschlusskriterien erfüllten. Eine Übersicht der eingeschlossenen Arbeiten findet sich in Tabelle 1, die in vollem Umfang in der E-Paper Version des Beitrags abgebildet ist. Alle Arbeiten stammen aus dem nordamerikanischen Raum (USA und Kanada).
Weibliche Probandenkohorte
Zunächst sollen die Arbeiten aufgeführt werden, die sich mit Soldatinnen oder weiblichen Veteranen beschäftigten. Insgesamt stammen 3 Arbeiten von J. K. Blais und ihrem Team, die sich mit US-Soldatinnen mit sexuellen Traumata im militärischen Kontext beschäftigten („Military Sexual Trauma“ = MST). Blais et al. (2018) untersuchten 710 Soldatinnen und weibliche Veteranen mit einer militärischen sexuellen Traumatisierung mittels postalisch verschickter Fragebogenpakete [7]. Die PTBS wurde mittels PCL-5 („Posttraumatic Stress Disorder Checklist for DSM-5“) quantifiziert und die sexuelle Dysfunktion mittels FSFI („Female Sexual Function Index“) erhoben. Zusätzlich wurden suizidale Ideationen und depressive Symptome mittels PHQ-9 und PHQ-2 („Patient Health Questionnaire“) erfasst. Hier zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen suizidalen Ideationen und Symptomen sexueller Funktionsstörungen (insbesondere Erregung und Befriedigung). Die Resultate zeigten sich nicht hinreichend durch die vorbeschriebenen Einwirkungen von PTBS- oder depressiven Symptomen erklärbar, sodass in dieser Arbeit das Vorhandensein bedeutsamer moderierender Faktoren gemutmaßt wurde.
Im Jahre 2022 wurden zwei Folgearbeiten publiziert. Blais et al. untersuchten die Daten von 426 Probandinnen weiter bezüglich der sexuellen Zufriedenheit, die mittels der „Sexual Satisfaction Scale“ für Frauen (SSS-W) erfasst wurden [18]. Sie stellten fest, dass MST als A-Kriterium mit einer geringeren sexuellen Zufriedenheit und Funktionsfähigkeit korrelierte. Insbesondere konnte hier ein signifikanter Zusammenhang zwischen der PTBS-bedingten Anhedonie und den negativen Auswirkungen auf Sexualität und Beziehung nachgewiesen werden. Eine der bedeutsamen Schlussfolgerungen hieraus war, dass “eine gesunde sexuelle Funktionsfähigkeit bei Soldatinnen und weiblichen Veteranen (SM/Vs) mit einer höheren Lebensqualität, niedrigeren Inzidenzen und Symptomschweren psychischer Erkrankungen und einer größeren Zufriedenheit in Beziehungen assoziiert ist“. In der zweiten Arbeit aus 2022 untersuchten Blais et al. 369 Soldatinnen, die in einer romantischen Beziehung lebten [6]. Inkludiert in die Analyse wurden hierbei die Teilnehmerinnen, die ein A-Kriterium berichtet hatten. Der Fokus lag hier auf einem möglichen Zusammenhang von PTBS-Symptomen und Erregung sowie Lubrikation. Zudem wurden depressive Symptome und die partnerschaftliche Zufriedenheit erhoben. Im Durchschnitt waren bei der Kohorte die PTBS-Diagnosekriterien und die Kriterien einer mittelgradigen depressiven Episode erfüllt. Höhere PTBS-Werte zeigten sich hier mit einer geringeren Erregung und Lubrikation assoziiert. Es konnten moderierende Effekte nachgewiesen werden, sodass PTBS-Symptome zu partnerschaftlichen Schwierigkeiten und depressiven Symptomen führen können und diese sich wiederum negativ auf die untersuchten Zielgrößen auszuwirken scheinen.
Eine Studie von DiMauro et al. (2018) verglich 255 weibliche Veteranen mit MST mit weiblichen Veteranen, die non-sexual Traumata berichteten [11]. PTBS-Symptomschwere wurde mittels PCL erfasst und zusätzlich wurden weitere Symptome via PHQ-9 erfasst (u. a. Depression, Suizidalität). Zur Erfassung der sexuellen Funktionsbeeinträchtigungen wurde der FSFI („Female Sexual Function Index“) genutzt. Der Trauma-Typ korrelierte dabei nicht mit signifikanten Unterschieden der sexuellen Funktionsstörungen. Die Probandinnen mit MST in der Anamnese zeigten jedoch geringe sexuelle Zufriedenheiten, mehr PTBS- und Depressions-Symptome sowie häufiger auch Suizidalität. Es fand sich sogar ein prädiktiver Zusammenhang zwischen der sexuellen Zufriedenheit und Suizidalität bei Frauen mit MST, aber nicht bei Probandinnen mit anderen Traumata. Dies wurde als eine neue Erkenntnis hervorgehoben, was damit erklärt wurde, dass sexuelle Traumata nachhaltig die intime Beziehungsgestaltung beeinträchtigen können und zu Gefühlen wie Einsamkeit oder “kaputt zu sein“ verstärken können, die sich mit Suizidalität assoziiert zeigen [12].
Cohen et al. (2012) untersuchten weibliche Irak/Afghanistan-Veteranen der US-Streitkräfte, die nicht mehr im aktiven Dienst waren und ab 2001 die Gesundheitsversorgung für Veteranen nutzten. Es konnte hier eine große Studienpopulation von insgesamt 71 504 Frauen betrachtet werden. Diagnosen wurden anhand vom ICD-9 („International Classification of Diseases in der 9ten Revision“) Code identifiziert. Es wurden Zusammenhänge von gynäkologischen Erkrankungen mit den Codes für psychiatrische Krankheitsbilder (ausgenommen der Suchterkrankungen) untersucht. Frauen mit einer psychiatrischen Diagnose zeigten signifikant häufiger gynäkologische Gesundheitsprobleme (z. B. zervikale Dysplasien, Schmerzsyndrome) und sexuell übertragbare Infektionen. Dies zeigte sich unabhängig von einer bestehenden Suchterkrankung. Hierbei zeigten Frauen mit den beiden Diagnosen PTBS und Depression das höchste Risiko. Neben einer erhöhten Risikobereitschaft bei sexuellen Kontakten wurde auch diskutiert, dass insbesondere Frauen mit einer Geschichte von sexueller Traumatisierung gynäkologische Untersuchungen vermeiden könnten [10].
Schnurr et al. (2009) untersuchten das Outcome der Sexualfunktion von 242 Soldatinnen mit PTBS während der Traumabehandlung [23]. Die PTBS-Symptomschwere wurde mittels CAPS-Interview und das sexualmedizinische Outcome mittels der Sub-Skalen Dysfunktionales Sexualverhalten und Sexuelle Bedenken/Sorgen der Trauma Symptom Inventars (TSI) erfasst. In der Behandlung wurde eine Behandlung mit prolongierter Exposition (PE) mit einer gegenwartszentrierten Therapie (PCT) verglichen. Vor der Behandlung zeigten sich insbesondere die Symptomcluster emotionales „Numbing“ und „Hyperarousal“ für beide sexualmedizinische Skalen signifikant erhöht. Paramnesien korrelierten mit dysfunktionalem Sexualverhalten. Im Regressionsmodell zeigte sich kein Symptomcluster alleinig mit einem der untersuchten Outcomes korreliert. Im Therapieverlauf nahmen die sexualmedizinischen Beschwerden ab. Dies traf insbesondere auf die Patientinnen zu, die nicht länger die Diagnosekriterien PTBS erfüllten (27,8 %).
Männliche Probandenkohorten
Breyer et al. (2014) führten eine retrospektive Studie mit Irak- und Afghanistan-Veteranen durch (N = 405 275), die sich zwischen 2001 und 2009 erstmalig im VA-Gesundheitssystem vorgestellt hatten [9]. In den Auswertungen wurden bestehende Diagnoseinformationen und andere medizinische Behandlungsdaten genutzt. Die abhängigen Variablen waren „sexuelle Funktionsstörungen“, „Medikation“ und „urologische Konsultationen“. Die unabhängigen Variablen waren „psychiatrische Diagnosen“ gem. ICD-9-M. In den Ergebnissen zeigten Personen mit PTBS-Diagnose signifikant häufiger sexuelle Funktionsstörungen als Personen ohne psychiatrische Diagnose oder mit einer anderen psychiatrischen Diagnose (> 10 %). Die PTBS-Diagnose war mit einem ca. 3-fach erhöhtem Risiko vergesellschaftet. 26 % nahmen eine antidepressive Dauermedikation ein. Bei 5,3 % der Soldaten wurde eine sexuelle Funktionsstörung oder erektile Dysfunktion (ED) diagnostiziert, wobei die ED mit 1,7 % die häufigste Diagnose war. PTBS-Betroffene mit einer psychiatrischen Medikation konnten in dieser Studie als Gruppe mit dem höchsten Risiko für ED identifiziert werden.
Way et al. (2022) untersuchten nationale repräsentative Daten von 921 männlichen Soldaten in einem Survey auf die Zusammenhänge von psychischen Erkrankungen und ED [28]. PTBS-Symptome wurden hier mittels eines 5-Item Frageninventars „Primary Care PTSD Screen for DSM-5“ (Cut off >3) erhoben. Mittels „Patient Health Questionnaire-4“ (PHQ-4) und „Generalized Anxiety Disorder-2“ wurden Symptome der Depression und Angststörungen erhoben. Suizidgedanken wurden mittels der 9. Frage des PHQ-9 erfragt. ED wurde in einer Frage mit anderen somatischen Erkrankungen abgefragt, ohne dass die Symptomschwere oder andere Begleitfaktoren erhoben wurden. Ca. 14 % der Probanden berichteten hier eine ED-Diagnose. Die ED war hier insbesondere mit Hyperlipoproteinämie, Adipositas, arteriellem Hypertonus, arthritischen Beschwerden und chronischen Schmerzen assoziiert. Zudem zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zum Alter > 60 Jahren. Personen mit Depressionen, Suizidgedanken, PTBS-Symptomen und generalisierter Angststörung zeigten signifikant häufiger eine ED. An psychischen Erkrankungen zeigten sich in dieser Studie nur depressive Symptome als der robusteste Prädiktor in den logistischen Regressionsmodellen.
Mclntyre-Smith et al. (2015) untersuchten kanadische Soldaten, die sich in einem Behandlungszentrum für einsatzassoziierte Stresserkrankungen („Operational Stress Injuries“) vorgestellt hatten [20]. PTBS-Symptome wurden mittels PCL-M erfasst. An sexualmedizinische Items wurden die Erektionsfähigkeit („International Index of Erectile Functioning (IIEF)“) und ein Fragebogen zu typisch weiblichen und typisch männlichen Rollenvorstellungen („Bem Sex-Role Inventory (BSRI)“) erhoben. Zusätzlich wurde ein Fragebogen zur allgemeinen Gesundheit („Short Form Health Survey (SF-12)“) und selbstentworfene Fragen über die subjektive Bedeutung von Sexualität und die wahrgenommene Veränderung während des Militärdienstes genutzt. 99 Probanden konnten untersucht werden, und für 74 waren diagnostische Informationen der Klinik verfügbar. Es zeigten sich bei 77 % der Probanden die Symptome einer PTBS nach DSM-IV-TR. Bezüglich des Erektions-Inventars zeigte sich im Durchschnitt eine mittelschwere Beschwerdelast. Die Probanden verorteten sich im Durchschnitt in deutlich männlichen Rollen-Traits. Über 91 % der Befragten gaben eine Veränderung der Sexualität durch die einsatzassoziierte Stresserkrankung an. Hierbei war die sexuelle Lustlosigkeit die am häufigsten beschriebene Störung (29,6 %). Es fanden sich Korrelationen des PTBS-Gesamtscores, sowie der Subskalen Vermeidung und Hyperarousal zu den Subskalen Erektionsfähigkeit, Orgasmus und allgemeine sexuelle Zufriedenheit. Zusätzlich fanden sich in 7 der 8 Gesundheitsskalen (physische Funktionsfähigkeit, Schmerzen, Vitalität, generelle Gesundheit, Rolleneinschränkungen aufgrund von körperlicher Gesundheit und emotionaler Schwierigkeiten, soziales Funktionsniveau) des SF-12 signifikante Korrelationen mit der Erektionsfunktion, dem Orgasmus und der sexuellen Zufriedenheit, aber auch für die Bereiche sexuelle Lust, Beischlafzufriedenheit. Der maskuline Rollen-Trait zeigte sich im Bereich der sexuellen Lust signifikant positiv korreliert. In der nachfolgenden Prädiktorenanalyse zeigte sich lediglich die physische Gesundheit als ein schwacher Prädiktor für die Erektionsfähigkeit, die Vitalität als Prädiktor für die Orgasmusfunktion und die maskuline Geschlechterrolle als stärkster Prädiktor für das sexuelle Verlangen. In der Zusammenfassung fanden sich in dieser Studie keine prädiktiven Qualitäten für die PTBS-Symptome. Die männliche Geschlechterrollenselbsteinschätzung hingegen zeigte sich in der Subskala der sexuellen Lust von prädiktiver Bedeutung. Hier schien die Selbsteinordnung als „besonders männlich“ seltener mit einem Verlust der sexuellen Lust einherzugehen. Eine signifikante Interaktion von psychiatrischen Medikamenten (> 70 % nahmen eine Dauermedikation ein) konnte in dieser Studie nicht gezeigt werden. Es ergaben sich Hinweise, dass PTBS-Symptome über körperliche Schmerzsymptome moderierende Effekte auf die allgemeine sexuelle Zufriedenheit ausüben könnten. Hier wurde weiterführend die Rolle des Hypocortisolismus bei PTBS und dessen Folgen für das Schmerzerleben diskutiert [16].
Kolaja et al. (2022)] beschäftigten sich mit dem Einfluss von PTBS auf sexualmedizinische Probleme bei männlichen Soldaten im Rahmen der prospektiven „Millenium Cohort Study“, bei welcher Soldatinnen und Soldaten über viele Jahre durch Surveys begleitet werden, um die Auswirkungen der militärischen Anstellung auf verschiedenste Lebensbereiche zu untersuchen [19]. Zwischen 2001 und 2013 wurden über 200 000 Probanden eingeschlossen. Angaben zur Einsatzvorerfahrung mit Kampfhandlungsexposition und Angaben über einen sexuellen Übergriff (MST) wurden erfragt. Die PTBS-Symptome wurden mittels PCL („PTSD Check List“) erfasst. Die sexuelle Gesundheit wurde anhand von zwei Fragen des „Patient Health Questionnaire” (PHQ) erhoben. Zudem wurden neuaufgetretene diagnostizierte sexuelle Funktionsstörungen in einer weiterführenden Analyse untersucht. In dieser Arbeit zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen einer Exposition mit Kampfhandlungen hoher Intensität und berichteten sexuellen Problemen. Nach Kontrolle der Variablen zeigte eine mutmaßliche PTBS im PCL einen deutlichen Moderationseffekt für die Effekte von Kampfhandlungsexposition und MST auf die sexuellen Probleme.
Richardson et al. (2020) untersuchten 543 kanadische Veteranen, von denen ca. 70 die Kriterien sowohl einer PTBS als auch einer Depression erfüllten [22]. Hier zeigte sich ein Zusammenhang zwischen der Symptomschwere der PTBS und einer gestörten sexuellen Lust, welche in dieser Arbeit lediglich in einem Einzelitem erhoben wurde. Nur das Symptomcluster Vermeidung wies eine individuelle signifikante Abhängigkeit zur gestörten sexuellen Lust auf. Ein Zusammenhang von PTBS-Symptomen und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr konnte in dieser männlichen Kohorte nicht gezeigt werden.
In einer Arbeit aus dem Jahre 2021 untersuchte R. Blais 508 männliche Soldaten hinsichtlich kompulsiven sexuellen Verhaltens (CSB) [8]. Hierzu wurde der SCS-Fragebogen („Sexual Compulsivity Scale“) genutzt. Zusätzlich wurden die MST-Anamnese, PTBS-Symptome und depressive Beschwerden sowie Alkoholgebrauch erfasst. 9–12 % der Kohorte zeigten CSB, und es zeigten sich signifikante Korrelationen zu MST in der Vergangenheit, zu Symptomen einer PTBS und Depression. Alkoholgebrauchsstörungen zeigten nach Korrektur keine eigenständigen signifikanten Effekte.
Baldour et al. (2020) untersuchten in ihrer Arbeit 187 Veteranen (ca. 90 % männlich), die eine traumakonfrontative Behandlung mit prolongierter Exposition (PE) bei PTBS-Diagnose erhalten hatten, ob mit der Behandlung sich auch Veränderungen im sexuellen Verlangen nachweisen lassen [2]. Das traumatische Ereignis (A-Kriterium) wurde hier nicht im Detail untersucht. Die Veränderungen der PTBS-Beschwerden wurden mittels PCL-M quantifiziert, und das sexuelle Verlangen wurde mittels des 21. Items im Becks-Depressionsinventar (BDI-II) erfragt. Zu Beginn der Behandlung gaben 81,8 % der Betroffenen im BDI-II an, eine geringe sexuelle Lust zu empfinden. Sowohl das Alter als auch die Symptomschwere der PTBS korrelierten mit diesem Item. Das sexuelle Verlangen zeigte im Verlauf der Behandlung eine signifikante Verbesserung (35,8 % gaben eine Verbesserung an). Jedoch schilderten fast 49,2 % der Teilnehmenden keine Verbesserung. Auch im Regressionsmodel konnte bestätigt werden, dass sich das sexuelle Verlangen im Laufe der Behandlung verbesserte (ca. 12 % Besserung pro Therapiewoche bei Therapieansprechen). Bei Nichtansprechen auf PE zeigte sich hingegen keine Verbesserung des sexuellen Verlangens.
Der Zusammenhang von potenziellen moralisch verletzenden Erlebnissen („Potential Moral Injury Events, PMIE) wurde zudem in einer Arbeit von Bhalla et al. (2018) anhand von 221 in einer heterosexuellen Partnerschaft lebenden männlichen Heeressoldaten untersucht [5]. Sexuelle Ängste und Sorgen (5-Item Fragebogen) waren dabei besonders mit dem Erleben von potenziell moralisch verletzenden Themen assoziiert. Insbesondere konnte ein signifikanter Zusammenhang für eigene Grenzüberschreitungen oder empfundener Verrat durch Andere gezeigt werden. Auch die PTBS-Symptomcluster zeigte sich mit erhöhten Raten von sexuellen Unsicherheiten assoziiert, aber lediglich der Symptomcluster „emotionale Taubheit“ zeigte einen alleinigen signifikanten Effekt bei Kontrolle der anderen Faktoren. Die besondere Bedeutung dieses Symptomclusters für sexualmedizinische Probleme konnte auch in vorangegangenen Studien gezeigt werden [3]. Die Exposition von Kampfhandlungen zeigte sich dem gegenüber nicht signifikant mit den untersuchten sexuellen Sorgen vergesellschaftet.
Abschließend befassten sich Garneau-Frournier et al. (2020) mit der sexuellen Zufriedenheit von Veteranen beider Geschlechter (67 % weiblich) mit MST, die sich an die Veteran Affairs (VA) gewandt hatten (N = 2 682) [15]. Hierbei gaben diese signifikant weniger sexuelle Zufriedenheitsraten an als vergleichbare zivile Zahlen oder Raten aktiver-militärischer Personen mit sexueller Missbrauchserfahrung (Männer 21,4 %, Frauen 36,7 %). Männliche Veteranen in festen Beziehungen berichteten in dieser Studie über eine größere sexuelle Zufriedenheit, was so auch in zivilen Stichproben beschrieben wurde, wobei sich die sexuelle Zufriedenheit von der Frequenz sexueller Begegnungen, der Beziehungsstabilität und -qualität abhängig zeigte. Bei weiblichen Betroffenen fand sich ein mehr multifaktorieller Zusammenhang der sexuellen Zufriedenheit. Auch hier bestand ein positiver Einfluss von Beziehungen auf die sexuelle Zufriedenheit, sodass hier von intimen Beziehungen als protektiver Faktor geschrieben wurde. Konsistent bestand ein Zusammenhang von Symptomen einer PTBS und Depression mit einer niedrigen sexuellen Zufriedenheit. Veteranen mit PTBS oder Depression wiesen signifikant niedrigere sexuelle Zufriedenheiten auf. Insbesondere die einsatzassoziierte PTBS wurde hier vor dem Hintergrund moralischer Konflikte als besondere Einflussgröße auf die sexuelle Zufriedenheit und sexuelle Ängste diskutiert. Hier scheinen erlebte Grenzüberschreitungen oder Gefühle von Verrat die eigene Sexualität nachhaltig negativ beeinflussen zu können.
Tab. 1: Auflistung der eingeschlossenen Studien (Abkürzungen: AUDIT = Alcohol Use Disorders Identification Test, BDI-II = Beck´s Depression Inventory – II, CAPS = Clinician Administered PTSD Scale, DSM-5 = Diagnostic and Statistical Manual Mental Disorders -5th Version, ED = Erektile Dysfunktion, FSFI = Female Sexual Function Index, IIEF = International Index of Erectile Functioning, MST = Military Sexual Trauma, PCL(-M) = PTBS Check List(- Military), PHQ = Patient Health Questionnaire, SSS-W: Sexual Satisfaction Scale für Frauen)
Sexual Desire among Veterans Receiving Prolonged Exposure Therapy for PTSD: Does Successful PTSD Treatment Also Yield Improvements in Sexual Desire? Christal L Badour, Keith S Cox, Jessica R M Goodnight, Jessica Flores, Peter W Tuerk, Sheila A M Rauch PMID: 31577915 PMCID: PMC7083685 DOI: 10.1080/00332747.2019.1672439 |
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Fragestellung |
N |
Instrumente |
Ergebnisse |
Hypothese: Menschen, die auf Prolonged Exposure Therapie ansprechen, werden Verbesserungen in sexuellem Verlangen zeigen. |
N = 187 Veteranen mit PTBS (90 % männlich) |
- PCL-M - Einzelitem: BDI-II (Item 21) |
Alter und PTBS-Symptome korrelierten mit BDI-II-Item. Das sexuelle Verlangen zeigte im Verlauf der Behandlung eine signifikante Verbesserung. |
Emotional numbing symptoms partially mediate the association between exposure to potentially morally injurious experiences and sexual anxiety for male service members Arjun Bhalla, Elizabeth Allen, Keith Renshaw, Jessica Kenny, Brett Litz PMID: 29601288 DOI: 10.1080/15299732.2018.1451976 |
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Fragestellung |
N |
Instrumente |
Ergebnisse |
Assoziation zwischen potenziell moralisch verwundenden Events (PMIE) und sexueller Angst. |
211 verpartnerte männliche Soldaten mit zivilen Partnerinnen |
- PCL-M - “Moral Injury Events Scale” (MIES) - sexuelle Ängste als Subskala des “Multidimensional Sexuality Questionnaire“ (5 Items) |
Sexuelle Ängste korrelierten mit potenziell moralisch verletzenden Themen. Insbesondere für eigene Grenzüberschreitungen oder empfundener Verrat durch Andere. |
Interpersonal Trauma and Sexual Function and Satisfaction: The Mediating Role of Negative Affect Among Survivors of Military Sexual Trauma. K Blais R, K Zalta A, S Livingston W. J Interpers Violence. 2022 Apr;37(7–8):NP5517-NP5537 doi: 10.1177/0886260520957693. Epub 2020 Sep 29. PMID: 32990170 |
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Fragestellung |
N |
Instrumente |
Ergebnisse |
Ist MST in der Anamnese mit einer schlechteren Sexualfunktion und sexueller Zufriedenheit assoziiert und kann dieser Zusammenhang am besten durch Symptomcluster der PTBS oder Depression erklärt werden? |
426 Soldatinnen/weibliche Veteranen in Partnerschaften |
- FSFI - PCL-5 - PHQ- 9 - SSS-W |
Signifikanter Zusammenhang zwischen der PTBS-bedingten Anhedonie und den negativen Auswirkungen auf die Sexualität und Beziehung. |
Mechanisms of the association between PTSD and sexual arousal and lubrication functioning among trauma-exposed female service members/veterans Rebecca K Blais, Elizabeth Bird, Annaliis Sartin-Tarm, Sarah B Campbell, Tierney Lorenz PMID: 34965403 DOI: 10.1016/j.jad.2021.12.106 |
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Fragestellung |
N |
Instrumente |
Ergebnisse |
Zeigt sich PTBS mit sexueller Lust und Lubrikation assoziiert und kann dieser Zusammenhang durch Symptomcluster der PTBS erklärt werden? |
369 Soldatinnen/weibliche Veteranen in Partnerschaften |
- FSFI - PCL-5 - PHQ- 9 |
Höhere PTBS-Werte korrelieren mit geringerer Erregung und Lubrikation. PTBS-Symptome zeigten moderierende Einflüsse via partnerschaftliche Schwierigkeiten. |
Sexual dysfunction is associated with suicidal ideation in female service members and veterans Rebecca K Blais, Lindsey L Monteith, Jordan Kugler PMID: 28961442 DOI: 10.1016/j.jad.2017.08.079 |
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Fragestellung |
N |
Instrumente |
Ergebnisse |
Untersuchung, ob sexuelle Dysfunktionen mit Suizidgedanken nach Korrektur bekannter Risikofaktoren (PTBS, Depression) assoziiert sind. |
710 Soldatinnen/weibliche Veteranen |
- FSFI - PCL-5 - PHQ- 9 - PHQ-2 |
Signifikanter Zusammenhang zwischen suizidalen Ideationen und Symptomen sexueller Funktionsstörungen (insbesondere Erregung und Befriedigung) |
Screening Positive for Military Sexual Harassment or Assault Is Associated with Higher Compulsive Sexual Behavior in Men Military Service Members/Veterans Rebecca K Blais PMID: 33108449 DOI: 10.1093/milmed/usaa241 |
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Fragestellung |
N |
Instrumente |
Ergebnisse |
Ziel der Arbeit war die Erweiterung der Datenlage zu Kompulsivem sexuellen Verhalten im Militärkontext. |
508 Soldaten/männliche Veteranen |
- “Sexual Compulsivity Scale” (SCS) - PCL-M/ MST Anamnese - PHQ-9 - AUDIT-C |
9–12 % zeigten kompulsives Sexualverhalten mit signifikanten Korrelationen zu MST-Anamnese und PTBS/Depression. |
Sexual dysfunction in male Iraq and Afghanistan war veterans: association with posttraumatic stress disorder and other combat-related mental health disorders: a population-based cohort study Benjamin N Breyer, Beth E Cohen, Daniel Bertenthal, Raymond C Rosen, Thomas C Neylan, Karen H Seal PMID: 23679562 PMCID: PMC4081408 DOI: 10.1111/jsm.12201 |
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Fragestellung |
N |
Instrumente |
Ergebnisse |
Es sollte die Prävalenzen sexueller Dysfunktionen festgestellt werden und mögliche Zusammenhänge zu psychiatrischen Erkrankungen untersucht werden. |
männliche Irak- und Afghanistan-Veteranen (N = 405 275) |
Abhängige Variablen: - sexuelle Funktionsstörungen - Medikation - urologische Konsultationen Unabhängige Variable: - psychiatrische Diagnosen gem. ICD-9-M |
PTBS-Patienten zeigen signifikant häufiger sexuelle Funktionsstörungen als Personen ohne psychiatrische Diagnose oder mit einer anderen psychiatrischen Diagnose (> 10 %). |
Reproductive and other health outcomes in Iraq and Afghanistan women veterans using VA health care: association with mental health diagnoses Beth E Cohen, Shira Maguen, Daniel Bertenthal, Ying Shi, Vanessa Jacoby, Karen H Seal PMID: 22944901 PMCID: PMC4631402 DOI: 10.1016/j.whi.2012.06.005 |
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Fragestellung |
N |
Instrumente |
Ergebnisse |
Weiterführende Untersuchung der Auswirkungen psychiatrischer Störungen (insbesondere PTBS, Depression) auf die körperliche und sexuelle Gesundheit. |
71 504 weibliche Irak-/Afghanistan-Veteranen |
- ICD-9-Codes für somatische und psychiatrische Erkrankungen |
Psychiatrische Diagnose waren signifikant häufiger mit gynäkologischen Gesundheitsproblemen und sexuell übertragbaren Infektionen assoziiert. |
Sexual vs. Non-sexual trauma, sexual satisfaction and function, and mental health in female veterans Jennifer DiMauro, Keith D Renshaw, Rebecca K Blais PMID: 29601287 DOI: 10.1080/15299732.2018.1451975 |
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Fragestellung |
N |
Instrumente |
Ergebnisse |
Vergleichende Untersuchung der Auswirkungen von Non-MST und MST -Betroffenen hinsichtlich sexueller Zufriedenheit und Funktion. |
255 weibliche Veteranen (mit und ohne MST) |
- FSFI - PCL - PHQ- 9 |
MST positive Frauen zeigten signifikant geringe sexuelle Zufriedenheiten, mehr PTBS- und Depressions-Symptome sowie häufiger Suizidalität. Prädiktiver Zusammenhang zwischen sexueller Zufriedenheit und Suizidalität bei Frauen mit MST. |
Factors Associated with Sexual Satisfaction among Veterans Who Have Experienced Military Sexual Trauma Jade Garneau-Fournier, Sacha McBain, Jessica A Turchik PMID: 32847446 DOI: 10.1080/0092623X.2020.1808548 |
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Fragestellung |
N |
Instrumente |
Ergebnisse |
Vieldimensionale Untersuchung der Einflussfaktoren auf sexuelle Zufriedenheit bei Veteranen mit MST. |
Veteranen beider Geschlechter (N = 2 681) |
- “General Health Scale” - sexuelle Dysfunktionen gem. DSM-5 - “Primary Care PTSD Screen”/ MST/Kindheitstrauma - PHQ-2 - CAGE/ AUDIT - Einzelitem: sexuelle Zufriedenheit |
Im Regressionsmodell zeigte sich ein signifikanter Einfluss des Beziehungsstatus auf die sexuelle Zufriedenheit. Alleinstehende zeigten hierbei eine schlechtere sexuelle Zufriedenheit (beide Geschlechter). |
Sexual Health Problems among Service Men: The Influence of Posttraumatic Stress Disorder Claire A Kolaja , Kimberly Roenfeldt, Richard F Armenta, Ashley C Schuyler, Jean A Orman, Valerie A Stander, Cynthia A LeardMann PMID: 33428452 DOI: 10.1080/00224499.2020.1855622 |
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Fragestellung |
N |
Instrumente |
Ergebnisse |
Prospektive Untersuchung von möglichen Einflussfaktoren auf die sexuelle Gesundheit. |
ca. 200 000 Probanden |
- medizinische Informationen - PCL/ MST - PHQ-8 - Zwei Items: “pain or problems during sexual intercourse”, “little or no sexual desire or pleasure during sex” |
Signifikanter Zusammenhang zwischen Exposition mit Kampfhandlungen hoher Intensität und sexuellen Problemen. PTBS-Symptome zeigen Moderationseffekte auf die sexuellen Probleme. |
Sexual Functioning Among a Cohort of Treatment-Seeking Canadian Military Personnel and Veterans with Psychiatric Conditions Alexandra McIntyre-Smith, Kate St Cyr, Lisa Kin PMID: 26126254 DOI: 10.7205/MILMED-D-14–00125 |
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Fragestellung |
N |
Instrumente |
Ergebnisse |
Untersuchung von psychiatrisch erkrankten Soldaten hinsichtlich der sexuellen Funktionsfähigkeit und potentieller Einflussfaktoren |
N = 99 kanadische Soldaten oder männliche Veteranen |
- Bern Sex-Role Inventory (BSRI) - PCL-M - IIEF - Short Form Health Survey-12 version 2 (SF-12) |
91 % der Befragten berichteten eine Veränderung der Sexualität durch die einsatzsassoziierte Stresserkrankung. Insbesondere somatische Gesundheit zeigte sich im Regressionsmodel als wichtiger Prädiktor für ED (Schmerzen, Vitalität, Einschränkungen). Männliche Rollenverortung korrelierte positiv mit sexueller Lust. |
Sexual Dysfunction in Male Canadian Armed Forces Members and Veterans Seeking Mental Health Treatment J Don Richardson, Felicia Ketcheson, Lisa King, Callista A Forchuk, Renée Hunt, Kate St Cyr, Anthony Nazarov, Philippe Shnaider, Alexandra McIntyre-Smith, Jon D ElhaiP PMID: 31268528 DOI: 10.1093/milmed/usz163 |
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Fragestellung |
N |
Instrumente |
Ergebnisse |
1) Erhebung der Prävalenz sexueller Funktionsbeeinträchtigungen für die Kanadischen Streitkräfte. 2) Untersuchung des Zusammenhangs mit PTBS. |
543 männliche Veteranen der Canadian Armed Forces (CAF) |
- PCL-M - PHQ-9 - AUDIT - Einzelitem: “Little or no Sexual Desire or Pleasure During Sex” - PHQ-15 (Schmerzen beim Sex) |
41,8 % der Probanden gaben an, sehr unter einer sexuellen Unlust zu leiden. Signifikanter Zusammenhang zwischen der Symptomschwere der PTBS und gestörter sexueller Lust. Nur das Symptomcluster Vermeidung wies eine individuelle signifikante Abhängigkeit zur gestörten sexuellen Lust auf. |
Sexual function outcomes in women treated for posttraumatic stress disorder Paula P Schnurr, Carole A Lunney, Elizabeth Forshay, Veronica L Thurston, Bruce K Chow, Patricia A Resick, Edna B Foa PMID: 19788366 DOI: 10.1089/jwh.2008.1165 |
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Fragestellung |
N |
Instrumente |
Ergebnisse |
Vergleichende Studie zur Sexualfunktion von Soldatinnen oder weiblichen Veteranen mit PTBS während der Traumabehandlung mit prolongierter Exposition (PE) oder gegenwartszentrierten Therapie (PCT). |
242 Frauen mit PTBS während der Traumabehandlung |
- CAPS - Sub-Skalen Dysfunktionales Sexualverhalten und Sexuelle Bedenken/Sorgen der Trauma Symptom Inventars (TSI) |
Es zeigten sich Korrelationen zwischen den PTBS-Symptomen und den sexuellen Dysfunktionen. Keine Einzelclustereffekte. Im Therapieverlauf nahmen die sexualmedizinischen Beschwerden ab. |
Erectile Dysfunction in a U.S. National Sample of Male Military Veterans Bailey M Way, Kaelyn R Griffin, Shane W Kraus, Jack Tsai, Robert H Pietrzak PMID: 35792506 DOI: 10.1093/milmed/usac187 |
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Fragestellung |
N |
Instrumente |
Ergebnisse |
Untersuchung von männlichen Veteranen hinsichtlich der Einflussfaktoren bei bestehender ED |
921 männliche Soldaten |
- “Primary Care PTSD Screen” für DSM-5 - Einzelfrage vom PHQ-9 (Suizid-Item) - Brief Biosocial Gambling Screen (BBGS) - Generalized Anxiety Disorder Scale-2 - PHQ-4 |
14,2 % berichteten eine ED mit signifikanten Zusammenhängen zum Alter, Hyperlipoproteinämie, Adipositas, arteriellem Hypertonus, arthritischen Beschwerden und chronischen Schmerzen. Die untersuchten psychischen Störungen zeigten ebenfalls signifikant häufiger ED-Beschwerden mit depressiven Symptomen als robustestem Prädiktor im Regressionsmodell. |
Diskussion
Ziel diesen Reviews ist, die aktuelle internationale Datenlage zu sexualmedizinischen Funktionsstörungen im militärischen Kontext darzustellen. Hierdurch soll nicht nur für die Thematik sensibilisiert, sondern auch die Tragweite dieses Themenfeldes verdeutlicht werden.
Die eingeschlossenen Studien untersuchten alle aktive Soldatinnen und Soldaten oder ehemalige Militärangehörige mit dem Status des Veteranen. Die Teilnahme war auf freiwilliger Basis und die Rekrutierung erfolgte häufig im Rahmen von regulären Vorstellungen zur ambulanten oder stationären Behandlung der Soldaten und Veteranen versorgenden Einrichtungen.
Die PTBS-Symptome wurden in allen Arbeiten entweder über bestehende medizinische Diagnoseschlüssel oder über standardisierte Instrumente (PCL, CAPS) erfasst und zeigen sich in ihrer Qualität vergleichbar. Die untersuchten sexualmedizinischen Fragestellungen wurden nur selten mittels spezialisierter validierter Fragebögen erhoben. In einigen Studien wurden Einzelfragen untersucht. Hierdurch ist die Qualität, welche Störungsbilder eruiert wurden, sehr unterschiedlich.
Einheitlich konnten alle Studien eine signifikante Korrelation für Symptome einer PTBS und den untersuchten sexualmedizinischen Fragestellungen nachweisen. Für die einzelnen Symptomcluster der PTBS fanden sich unterschiedliche und uneinheitliche Hinweise. Hier scheinen insgesamt das emotionale „Numbing“ und das Hyperarousal besonders bedeutsam.
Es fanden sich zusätzlich Hinweise, dass sowohl die PTBS als auch sexualmedizinische Störungen moderierende Effekte ausüben könnten, welche nicht nur die Lebensqualität, sondern gegebenenfalls Suizidalität begünstigen. Sexualmedizinische Probleme beeinträchtigen romantische Beziehungen und können hierdurch eine negative Auswirkung auf die Betroffenen haben, da gesunden intimen Beziehungen eine bedeutsame Pufferfunktion zukommt, die vor Stress und Depression schützen kann [17].
Die Arbeiten stützen sich auf das nordamerikanische Versorgungssystem der Veteranen, die es in Deutschland in dieser Form nicht gibt. Nach dem Ausscheiden aus der Bundeswehr treten die ehemaligen Soldatinnen und Soldaten wieder in die zivile Krankenversicherung über, so dass hier nicht ohne Weiteres Informationen über medizinische oder soziale Probleme gewonnen werden können. In den Arbeiten lassen sich die ermittelten Inzidenzen nicht in aktives militärisches Personal und Ehemalige trennen, sodass hier eine Übertragbarkeit auf die Bundeswehr nur bedingt möglich scheint. Hierzu müssten die Prävalenzen und Ausprägungen in einer nationalen Arbeit untersucht werden.
In der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Bundeswehrkrankenhauses Berlin wurde eine Sprechstunde mit sexualmedizinischem Fokus etabliert. Hier können Termine über die Fachuntersuchungsstelle VI vereinbart werden. Es ist geplant, den Nutzen dieses militärspezifischen Angebotes im Verlauf des kommenden Jahres auszuwerten, um besondere Themenschwerpunkte für die Bundeswehr identifizieren zu können. Diese deutsche militärische interdisziplinäre sexualmedizinische Sprechstunde scheint aktuell ein Alleinstellungsmerkmal in den NATO-Streitkräften zu sein. Den Autoren sind keine vergleichbaren Angebote aus anderen Streitkräften der NATO bekannt. Im Rahmen internationaler Kooperationen wurde die sexualmedizinische Expertise des Psychotraumazentrums der Bundeswehr in das US-amerikanischen Studienteam der „Millenium Cohort Study“ integriert. Die Arbeit von Kolaja et al. (2022), die in dieser Übersichtsarbeit dargestellt wurde, stammt aus diesem Forschungsprojekt [19].
Keine der Arbeiten untersuchte spezifische Interventionen oder Behandlungsstrategien, die darauf abzielen, auftretende sexualmedizinische Symptome zu behandeln. Es gibt keinen Anlass zu der Annahme, dass nicht auch in der Behandlung sexueller Funktionsstörungen bei Soldatinnen und Soldaten – mit und ohne PTBS – sexualtherapeutische Interventionen eine zielführende Behandlungsoption darstellen, die mit übersichtlichem Aufwand eingesetzt werden könnten, insbesondere wenn die Möglichkeit zur Einbeziehung von Partnern besteht [4].
Eine Arbeit beschäftigte sich mit den Auswirkungen potenzieller moralischer Verletzungen. Moralische Verletzungen stellen auch in der Bundeswehr einen Forschungsschwerpunkt dar. Im PTZBw wurde hier ein gruppentherapeutisches Angebot für einsatzassoziiert Erkrankte etabliert und in Rahmen von Studien in ihrer Wirksamkeit belegt [1]. Diese Interventionen werden durch die Militärseelsorge gefördert. Mögliche Auswirkungen auf die sexuelle Gesundheit der Teilnehmenden liegen jedoch für diese Intervention nicht vor. Möglicherweise könnten diese Interventionen um partnerschaftsfokussierte Anteile ergänzt oder erweitert werden.
Limitationen
Neben der bereits oben aufgeführten Limitation, die sich aus dem Versorgungssystem von Veteranen ergeben, fanden sich weitere Limitationen in den Studien.
Die Aussagen der dargestellten Studien umfassen große und diverse Patientengruppen. Neben retrospektiver vergleichender Studiendesigns fand sich auch eine prospektive Studie. Es ergeben sich jedoch Limitationen hinsichtlich der Vergleichbarkeit und der Güte der untersuchten sexualmedizinischen Störungsbilder. Diese wurden nur selten mittels validierter Instrumente erfasst. Einzelfragen-Items scheinen nur unzureichend geeignet, um diese Ausprägung der Funktionsfähigkeiten einschätzen zu können. Darüber hinaus lassen sich die Ergebnisse nicht ohne Weiteres miteinander vergleichen.
Zudem stammen alle Studien dieser Arbeit aus dem nordamerikanischen Raum, was eine generelle Übertragbarkeit auf andere Länder unterschiedlicher kultureller oder religiöser Prägung limitiert, da insbesondere im Themenfeld „Sexualität“ sowohl soziale als auch gesellschaftliche Faktoren eine zentrale Rolle in der Genese und Ausprägung von sexualmedizinischen Störungen spielen [4].
Hier bedarf es weiterer Forschung, um die besondere Assoziation von stressbedingen Traumafolgeerkrankungen und sexualmedizinischen Dysfunktionen im militärischen Kontext besser zu verstehen und adäquate Behandlungsstrategien zu erarbeiten, um die gesundheitsfördernde und protektive Funktion intimer Beziehungen wieder für die Betroffenen verfügbar zu machen.
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Manuskriptdaten
Zitierweise
Helms C, Stockmann CS, Beier KM: Sexuelle Dysfunktionen bei posttraumatischer Belastungsstörung im militärischen Kontext. WMM 2023; 67(9): 374-380.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-192
Für die Verfasser
Oberfeldarzt Dr. Christian Helms
Bundeswehrkrankenhaus Berlin
Psychotraumazentrum der Bundeswehr
Scharnhorststr. 13, 10115 Berlin
E-mail: ch@ptzbw.org
Manuscript Data
Citation
Helms C, Stockmann CS, Beier KM: [Sexual Dysfunctions in PTSD-Patients within the Military Context]. WMM 2023; 67(9): 374-380.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-192
For the Authors
Lieutenant Colonel (MC) Dr. Christian Helms
Bundeswehr Hospital Berlin
Bundeswehr Center for Psychotraumatology
Scharnhorststr. 13, D-10115 Berlin
E-mail: ch@ptzbw.org