Vision für Bewegung und Gesundheit
„Sports, Medicine and Health Summit“ 2023 in Hamburg
Ulrich Rohdea, Manuela Andrea Hoffmanna
a Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr, Andernach/Koblenz
* Die Hamburg-Declaration mit den Statements der 50 unterzeichnenden Organisationen, Verbände sowie wissenschaftlichen und staatlichen Institutionen kann unter <https://www.sports-medicine-health-summit.de/information/globale-allianz-gegen-bewegungsmangel.html> heruntergeladen werden.
Vom 22. bis 24. Juni 2023 fand der zweite Sports, Medicine and Health Summit (SMHS) in Hamburg statt. Auf dem interdisziplinären Fortbildungsforum kamen 1.650 Teilnehmende aus den Bereichen Medizin, Sport, Gesundheit und Politik aus 32 Nationen zusammen. Das Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr (InstPrävMedBw) war auf dem Summit mit der eigenen wissenschaftlichen Sitzung „SMHS meets Bundeswehr: gesund und einsatzfähig in der Bundeswehr“ vertreten.
Sports, Medicine and Health Summit
Die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) und die European Initiative for Exercise in Medicine (EIEIM) richteten den SMHS 2023 federführend aus. Die Vision des Summits ist es, Menschen für mehr Bewegung und einen aktiveren Lebensstil zu begeistern, um Sport und Bewegung als elementaren Bestandteil der Gesundheit jedes Einzelnen sowie der Gesellschaft zu verankern und zu fördern. Zum Erreichen dieser Ziele wurde beim ersten SMHS 2021 mit der Hamburg Declaration* ein starkes politisches Zeichen gesetzt. Bedeutende Organisationen, Fachgesellschaften und Sportverbände haben sich dazu in einer globalen Allianz zusammengeschlossen und zu konkreten Maßnahmen zur Förderung körperlicher Aktivität verpflichtet. Der SMHS wird hierfür auch künftig alle zwei Jahre als interdisziplinäres Austauschforum für Interessierte aus den Bereichen Medizin, Sport, Gesundheit und Politik dienen. So ist der nächste Summit für den 26. bis zum 28. Juni 2025 angekündigt (weitere Informationen unter https://www.sports-medicine-health-summit.de/).
SMHS meets Bundeswehr
In dieser großen Gemeinschaft ist der Sanitätsdienst der Bundeswehr mit dem Institut für Präventivmedizin als Mitglied der globalen Gesundheitsinitiative „Exercise Is Medicine (EIM)“ bereits vertreten. Das Institut war daher auch erneut eingeladen, auf der hochklassigen Veranstaltung eine eigene Session „SMHS meets Bundeswehr: gesund und einsatzfähig in der Bundeswehr“ zu veranstalten. Oberfeldarzt Priv.-Doz. Dr. Manuela Andrea Hoffmann, Leiterin des InstPrävMedBw, leitete als Chair, mit Unterstützung des Co-Chairs, Oberfeldarzt Dr. Lorenz Scheit, stellvertretender Forschungskoordinator am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg, die Sitzung. In den 4 Vorträgen wurde dem interdisziplinären Auditorium ein breites Spektrum an präventivmedizinischen Themen mit Bezug zu körperlicher Aktivität, Gesundheit und Gesundheitsförderung in der Bundeswehr präsentiert. Auftakt bildete die Präsentation von Oberstarzt Dr. Rohde, InstPrävMedBw, zur Bedeutung und Durchführung des Sports in der Bundeswehr sowie die Überprüfung der Sporttauglichkeit im Vergleich zur zivilen Leitlinie Vorsorgeuntersuchung im Sport. Es folgte eine umfassende Vorstellung des Betrieblichen Gesundheitsmanagements BGM in den Streitkräften durch Oberstarzt Prof. Dr. Kai Kehe vom Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr. Während die ersten beiden Präsentationen über den Rahmen von Sport und Gesundheitsförderung in der Bundeswehr informierten, stellten die folgenden auf Basis von Daten aus dem Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr Erkenntnisse aus der Bundeswehr vor. Oberstabsarzt Barbara End aus dem Bundeswehrkrankenhaus Hamburg präsentierte Analysen zur Übergewichts- und Adipositasprävalenz bezogen auf die Dienstzeit bei der Bundeswehr im internationalen Vergleich. Abschließend stellte Hauptmann Dr. Monika Rausch aus dem Bundeswehrkrankenhaus Westerstede in ihrem Vortrag „Muskuläre „Alltagsverkürzungen – mehr Schreibtisch als Truppenübungsplatz“ die Auswirkungen inaktiver Lebensgewohnheiten dar.
Alle Vorträge stießen auf großes Interesse und vor allem die Parallelen sowie Unterschiede zwischen zivilem und militärischem Umfeld wurden lebhaft diskutiert. So deuten die präsentierten Ergebnisse an, dass sich inaktive Lebensgewohnheiten mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit ähnlich wie in der zivilen Gesellschaft auch in der Bundeswehr ausbreiten. Passend zur Vision des SMHS kann am Ende festgestellt werden, dass die bereits sehr guten Voraussetzungen sowie Verhältnisse in der Bundeswehr zum Erhalt von Gesundheit und Einsatzfähigkeit noch mehr aktiviert werden müssen, um mehr zu bewegen.
Verfasser
Oberstarzt Dr. Ulrich Rohde, Oberfeldarzt Priv.-Doz. Dr. Manuela Andrea Hoffmann
Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr, Andernach
5. Combat Medical Care Conference vom 5. bis 6. Juli 2023
Internationales Symposium zur Taktischen Verwundetenversorgung im Rahmen von Militär- und Polizeieinsätzen für Medics, Rettungsfachpersonal, Pflegekräfte und Ärzte
Daniela Lenard, Florent Josse
„… für die Versorgung von Verwundeter gilt stets: ganz oder gar nicht.“
Unter dem Motto „All In“ wurde die 5. Combat Medical Care Conference (CMC) im Tagungszentrum Blaubeuren abgehalten, die vom 5. bis 6. Juli 2023 stattfand. Veranstalter war die Deutsche Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie (DGWMP). Die Tagung stand unter der wissenschaftlichen Leitung der Klinik für Anästhesie, Notfallmedizin, Intensivmedizin und Schmerztherapie des Bundeswehrkrankenhauses Ulm mit Initiator Oberfeldarzt Dr. Florent Josse und Oberfeldarzt Daniela Lenard (Abbildung 1). Knapp 1 300 Teilnehmer aus 36 Ländern, 53 Industriepartner, 90 wissenschaftliche Vorträge auf bis zu 3 parallelen Tracks, 35 Workshops und zwei Tage voller Austausch gaben diesem Motto Inhalt und Leben. Die CMC Conference war somit die größte Tagung, welche durch die DGWMP bisher veranstaltet wurde. Die Veranstalter danken allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowie allen Engagierten, dass sie „All In“ gegangen sind!
Abb. 1: Wissenschaftliche Leitung durch die Oberfeldärzte Dr. Florent Josse und Daniela Lenard
Das Besondere der CMC-Conference ist, dass alle an der Versorgung von Verwundeten beteiligten Kräfte – zivil, polizeilich und militärisch – auf Augenhöhe sowie an einem Ort unter der Zielsetzung von Austausch und Weiterbildung zusammenkommen. Das Tagungszentrum Blaubeuren, welches dieses Jahr erstmalig durch die Veranstalter der CMC-Conference beauftragt wurde, bot hierfür den idealen Rahmen. Die Kombination aus weiter Fläche für praktische Trainings, Vorträgen aber auch entspanntem, sozialen Austausch in relativer Abgeschiedenheit erwies sich als perfekte Atmosphäre, in welcher die taktische Medizin Community die gesetzten Ziele der CMC-Conference ab dem ersten Grußwort vollwertig erleben konnten.
In Vertretung des Kommandeurs des Bundeswehrkrankenhauses Ulm eröffnete Oberstarzt Prof. Dr. Benedikt Friemert die Tagung. Er begrüßte eine gewaltige Teilnehmerzahl in einer vollbesetzten Halle (Abbildung 2) Direkt und präzise verlieh er der Veranstaltung den gebührenden, ernsten Ton angesichts des Kriegs in der Ukraine und der Folgen für die taktische Medizin.
Abb. 2: Voller Saal der CMC-Conference 2023
Den Auftakt der Grußworte machte der Präsident der DGWMP, Generalstabsarzt a. D. Dr. Stephan Schoeps (Abbildung 3). Er betonte die Aspekte Kameradschaft und Wertschätzung als Erfolgsgaranten für das Gelingen einer solchen Veranstaltung. Oberst Andreas Schmand, welcher seit März 2023 das Ausbildungszentrum Spezielle Operationen (AusbZSpezlOp) im baden-württembergischen Pfullendorf führt, wies in seiner Grußadresse besonders auf die gewandelten Vorstellungen von sanitätsdienstlicher Versorgung im Bereich der Spezialkräfte hin, die sich spätestens mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ergeben haben. Divisionär Dr. Andreas Stettbacher von der Schweizer Armee unterstrich die dynamische Geschichte der CMC, die er von Beginn an besucht und mitverfolgt hat. Die weitere Zukunftsentwicklung angesichts des Fachkräftemangels spielt für ihn für die Verteidigungsfähigkeit eine wichtige Rolle. General Dr. Jean-Pierre Mahé, Kommandeur der medizinischen Versorgung für Spezialkräfte der französischen Armee, unterstrich die Verbundenheit zwischen Frankreich und Deutschland gerade im Sanitätsdienst.
Die taktische Medizin ist dadurch charakterisiert, dass sie dem Versorger hohe Leistung in chaotischen und gefährlichen Situationen unter schlechtesten Bedingungen mit oft unzureichenden Mitteln abverlangt. Für den Keynote Speaker Ben Pronk, ehemaliger Soldat der australischen Spezailkräfte, sind geistige und körperliche Widerstandsfähigkeit die entscheidenden Faktoren für den Versorgungserfolg. Seine Key Note Rede zum „Resilience Shield“ traf punktgenau den Charakter und Kern des taktischen Medics und Arztes und gab den Versammelten, gleich ob aus Militär oder Polizei, einiges zum Nachdenken (Abbildung 4).
Abb. 4: Ben Pronk, keynote speaker mit „The Resilience Shield“
Mehr als nur nachdenklich hinterließen die Vorträge der insgesamt sechs Vortragenden mit direkten Erfahrungsberichten verschiedener Aspekte der Rettungskette im Rahmen des Kriegs in der Ukraine, offene Münder, Kopfschütteln und Respekt sowie Anerkennung für eine enorme Leistung angesichts vergessener Widrigkeiten. Die Erfahrungsberichte eröffneten die erste und schlossen die letzte Session der Veranstaltung (Abbildung 5).
Abb. 5: Vorträge und Erfahrungen aus dem Ukrainekrieg
Während in den Jahren 2014, 2016, 2018 und auch noch 2021 die Versorgung Verletzter vor allem unter dem Aspekt von Stabilisierungsmissionen stand, wurden in diesem Jahr 2023 die Grundlagenthematiken der taktischen Verwundetenversorgung klar an die geänderte Auftragslage der konventionellen und unkonventionellen Kriegsführung angepasst. Die Sessions „Blood on the Floor“ – welche sich mit der Thematik des Vollbluts und der Blutprodukte unter dem Aspekt der konventionellen Kriegsführung befasste – und „Fire and Ice“ – mit den bedeutenden Aspekten insbesondere kalter Einsatzzonen – seien hierbei hervorgehoben.
Seit dem Start der CMC Conference im Jahre 2014 war ein steter Zuwachs und ein steigendes Interesse für den Bereich der Tactical Emergency Medicine Systems (TEMS) zu verzeichnen. Das diesjährige „TEMS-Symposium“ konnte bis zu 230 Teilnehmer aus internationalen Polizei-Medics verzeichnen. Geführt durch den TREMA (TACTICAL RESCUE & EMERGENCY MEDICINE ASSOCIATION) e. V., welcher auch erneut einen fordernden Workshop mit mehreren interaktiven Szenarien durchführte (Abbildung 6), wurden hier Ausbildung, Medical Planning, aber auch neue Bedrohungen für den zivilen Raum – zum Beispiel in Form von Carfentanil als C-Kampfstoff – diskutiert.
Abb. 6: Workshops auf der CMC-Conference, hier der TREMA Parcours
Die II. Inspekton des Ausbildungszentrum Spezielle Operationen, Pfullendorf, brachte einen ausgewählten, engen, internationalen Kreis an Combat Medics im Rahmen des „Special Operation Forces (SOF) Medic Meetings“ zusammen, um den Besonderheiten von Tactical Combat Casualty Care (TCCC) im Bereich der Spezial- und spezialisierten Kräfte Rechnung zu tragen. Im Rahmen eines aufwändigen Mass Casualty (MASCAL) Workshops mit einem Zusammenwirken militärischer, polizeilicher und ziviler Einsatzkräfte wurde einmal mehr die einheitliche Sprache und Bedeutung von TCCC deutlich.
Bei aller entspannten Stimmung, welche der Tagungsort gerade zwischen den wissenschaftlichen Vorträgen und Workshops bot, gab es wohl kaum einen Teilnehmenden, welcher von den ergreifenden Geschichten, Errungenschaften und Fallberichten der vier Nominierten des European Best Medic Awards im Rahmen der Abendveranstaltung, unberührt blieb. Das Herz und die Seele zutiefst erfassend und die Bedeutung aller Bemühungen der CMC Conference und der taktischen Medizin unterstreichend war jedoch sicherlich die Geschichte einer jungen ukrainischen Combat Medic, welche von der Vertreterin des Stadtrats in Friedenszeiten zur führenden Combat Medic ihrer Brigade aufstieg und im Verlauf sogar ihren Kommandeur, aber auch Verlobten im Gefechtsfeld versorgen musste.
Bei der Verabschiedung der Gäste am Nachmittag des 6. Juli durch den Kommandeur des Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Generalarzt Dr. Johannes Backus, fasste dieser die herausragenden Momente der vergangenen beiden Tage trefflich zusammen und zeigte, dass die Bemühungen für den Fortschritt und kontinuierliche Anpassung und Verbesserung aller Aspekte der Rettungskette der taktischen Medizin fortwährend lohnenswert sind und eine hohe Bedeutung im Rahmen strategischer, operativer und taktischer Überlegungen haben. Mit der Gewährleistung einer Fortführung der wissenschaftlichen Leitung und des Engagements für zukünftige CMC-Conferencen (nächste CMC-Conference 2025 am 2. und 3. Juli 2025) verabschiedete er die Teilnehmer nach einer erneut, sehr gelungenen Tagung.
Verfasser
Oberfeldarzt Daniela Lenard
Oberfeldarzt Dr. Florent Josse
Bundeswehrkrankenhaus Ulm
Klinik X – Anästhesie, Intensiv-, Notfalltmedizin und Schmerztherapie