Sportpsychologische Methoden zur Unterstützung
eines multimodalen Therapiesettings in der Psychiatrie: Anwendungsmöglichkeiten im militärischen Kontext
Sport Psychology Methods in a Multi-modal Concept for Rehabilitation: Possible Applications in a Military Setting
Anna-Katharina Börkea, Franziska Langnera, Gerd Willmunda
a Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Psychotraumazentrum der Bundeswehr
Zusammenfassung
Die Sportpsychologie wird allgemein mit dem Hochleistungssport verknüpft. Doch gerade im Prozess der Rehabilitation von psychisch erkrankten Patientinnen und Patienten ist sie eine noch nicht ausreichend genutzte Wissenschaft, um klassische therapeutische Maßnahmen gewinnbringend zu unterstützen. Für das Reha-Coaching im medizinisch-dienstlich orientierten Rehabilitationsprogramm psychisch erkrankter Soldatinnen und Soldaten im Psychotraumazentrum der Bundeswehr in Berlin wurde ein ganzheitliches sportpsychologisches Konzept zur Unterstützung eines multi-modalen Gesamtkonzepts entwickelt und integriert. Um eine vielversprechende Behandlung erzielen zu können, ist der Einbezug der unterschiedlichen Charakteristika der Krankheitsbilder sowie die Erfahrungen und Erlebnisse der Betroffenen von Wichtigkeit. Der aktuelle Forschungsstand sowie die Entwicklung des ganzheitlichen sportpsychologischen Konzepts durch eine qualitative Studie werden hier beschrieben.
Schlüsselwörter: Sportpsychologie, Sportwissenschaft, Sport, psychische Erkrankung, Resilienz, ganzheitliche Betreuung, Kohärenzgefühl
Summary
Sports psychology is generally associated with high-performance sports. However, it can be adequately utilized in rehabilitating patients with mental disorders as a complement to classical therapeutic measures. We developed a holistic sport psychological concept to strengthen a multi-modal, comprehensive concept for rehabilitation coaching. This concept is embedded in the medical-service-oriented rehabilitation program of soldiers with mental disorders and integrated into the Bundeswehr Psychotrauma Center in Berlin.
The inclusion of both the different characteristics of the clinical disease patterns as well as the subjective experiences of the patients is essential to achieve treatment success. The current state of research, as well as the development of the comprehensive sport psychological concept within a qualitative study, are described here.
Keywords: sport psychology; sport science; sport; mental illness; resilience; holistic support; sense of coherence
Einleitung
Der Einsatz der Sportpsychologie beinhaltet, dass zu einem definierten Zeitpunkt die entsprechende psychische Leistungsvoraussetzung für eine bestmögliche Trainings- bzw. Wettkampfleistung besteht. Dazu gehören unter anderem Fertigkeitstraining (z. B. Regulationsverfahren), die individuelle Beratung (z. B. Emotionsregulation und Motivation), die sportpsychologische Diagnostik (z. B. Reizverarbeitung und Stressverarbeitungskompetenz) sowie die Unterstützung bei der Balance aller physisch-psychisch-sozialen Anforderungen. Im Rahmen des medizinisch-dienstlich orientierten Rehabilitationsprogramms (MDOR) psychisch erkrankter Soldatinnen und Soldaten wurde für das Reha-Coaching im Psychotraumazentrum der Bundeswehr (PTZBw) in Berlin dieser ganzheitliche Ansatz mittels eines spezifischen sportpsychologischen Konzeptes integriert. In der qualitativen Studie „Die Integrierung eines Sportkonzeptes zur Unterstützung bei der Wiedereingliederung von psychisch erkrankten Soldaten der Bundeswehr“ wurden für die Erstellung dieser Anwendung der aktuelle Forschungsstand aufgearbeitet und durch ein halbstrukturiertes Interview die subjektiven Erfahrungen und Wünsche von Absolventen des Reha-Coachings integriert. Ziel der hier vorliegenden Studie war es, eine unterstützende Maßnahme für das multimodale Gesamtkonzept zu entwickeln, in dem der Mensch ressourcenaktivierend gefördert und mit seiner Individualität als Ganzes betrachtet wird.
Forschungsstand
Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) zeigt in der S3-Leitlinie „Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankten“ auf, dass bei einem Erkrankungsbild der (schweren) Depression in den Studien eine Verringerung der Depressionssymptomatik durch aerobe körperliche Aktivitäten erreicht werden kann [3]. Der unterstützende antidepressive Effekt durch Sporttreiben ist sowohl bei Ausdauertraining als auch bei Krafttraining und gemischten Übungsarten zu finden [9]. Dies spiegelt sich auch in den wissenschaftlichen Erkenntnissen bei Angststörungen und unipolaren Depressionen wider. Bei der Reduzierung von Angstzuständen in Verbindung mit Sportaktivität überwiegt der positive Effekt bei aerobem Training signifikant stärker als bei anderen Behandlungsmethoden (z. B. Stressmanagementdeduktion, Entspannungsverfahren) [12].
Des Weiteren verdeutlicht der aktuelle Forschungsstand, dass körperliche Aktivitäten auf differente Art und Weise (Intensität, Sportarten, Bewegungsabläufe) positiven Einfluss auf den Menschen haben und dementsprechend die Resilienz, Prävention und Therapien psychisch erkrankter Soldatinnen und Soldaten unterstützen. Dies beinhaltet nicht nur physische, wie die Erhöhung des Hippocampusvolumens [6] oder die Down-Regelung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse [14], sondern zum Beispiel auch psychosoziale Veränderungen wie das Entgegenwirken bei sozialem Rückzug [7].
Die Empfehlung der DGPPN lautet, dass „bei Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen – je nach Beschwerden und Neigung sowie unter Berücksichtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit – Bewegungsinterventionen als Teil eines multimodalen Gesamttherapiekonzeptes zur Anwendung kommen sollen“ [7].
Wirkmechanismen eines aktiven Lebens auf das Wohlbefinden
Die Komplexität des Bewegungs- und Sportprogramms gründet auf unterschiedliche Wirkmechanismen, die das Wohlbefinden des Menschen durch ein aktives Leben verbessern. Die in Abbildung 1 dargestellten psychischen, physischen und psycho-physiologischen Erklärungsansätze über die Wirkung von Sport auf das Wohlbefinden ergänzen und beeinflussen sich vor, während und nach der Ausübung der Aktivitäten gegenseitig und wirken als Konglomerat auf die Psyche und die Physis des aktiven Menschens zurück [2]. Bei der Implementierung dieser Wirkmechanismen sind sowohl die positiven als auch negativen Effekte von Sport auf den Menschen zu berücksichtigen, sodass proaktive Maßnahmen zur Minimierung und Abpufferung der negativen Wirkungen in die Behandlung einfließen.
Abb. 1: Eine zusammenfassende Übersicht der Erklärungsansätze von der Wirkung durch Sport auf das Wohlbefinden [2]
Aus den verschiedenen psychologischen Wirkmechanismen einer sportlichen Aktivität geht hervor, dass allein die Bewegung und die damit verbundene Eigenbewältigung der Aufgabe ausreicht, um eine positive Wirkung auf das Wohlbefinden zu erzielen (z. B. Selbstwirksamkeitshypothese [1], Theorie psychischer Grundbedürfnisse [4], Exercise and Self-Esteem Model [5]). Dabei ist eine spezifische Leistungsvorgabe (z. B. ein 5 km-Lauf in 25 min) von außen nicht notwendig. Parallel sollten die sozialen Wirkmechanismen (Soziale Eingebundenheit [10], Soziale Unterstützung [13]) durch die Behandelnden und einer Bezugsgruppe gefördert werden, sodass neben einem Autonomie- und Kompetenzerleben auch eine externe soziale Unterstützung und Integration in einem sozialen Umfeld stattfindet. Auf diese Weise werden die eigenen sozialen Fähigkeiten des Patienten, das subjektive Erleben von positiver individueller Zuwendung sowie deren Evaluation in das Programm integriert.
Zeitgleich haben sportliche Aktivitäten physiologische Effekte, die sowohl während als auch nach der Bewegung auf den Körper wirken. Basierend auf einem breiten Spektrum an unterschiedlichen Sportarten, Bewegungen und Intensitäten werden verschiedene Botenstoffe, wie z. B. Serotonin, Dopamin oder Endocannabinoide, freigesetzt und positive Mechanismen im Körper aktiviert (Tabelle 1). Die psycho-physischenMischansätze komplettieren das Wirkspektrum durch Sport auf das Wohlbefinden. Nachweislich wird das energetische Arousal durch sportliche Bewegungen aktiviert und das Spannungs-Arousal deaktiviert, was zugleich zu einer Reduzierung der empfundenen Spannungen und negativen Stimmungszustände führt. Zusätzlich ist die Dauer einer anaeroben Belastung für die Art des Gefühls ausschlaggebend und schwenkt erst kurz vor der individuellen Ausbelastung von Positiv auf Negativ um (Dual-Mode-Theorie) [5]. Dieser Zusammenhang mit der Intensität des Trainings und die darauf bezogenen affektiven Reaktionen können, kombiniert mit der Green-Exercise Hypothese [8], gewinnbringend für die Leistungs- und Motivationsförderung der Patienten eingesetzt werden. Die Green-Exercise-Hypothese besagt, dass eine erhöhte Intensität des Trainings im Freien möglich ist, ohne dass eine vermehrte Anstrengung im Vergleich zu Sport in geschlossenen Räumen wahrgenommen wird.
Tab. 1: Physische Wirkmechanismen von sportlicher Bewegung auf den Körper des Menschen [3]
Methode
Im Rahmen einer qualitativen Studie wurden neun Absolventinnen (2) und Absolventen (7) einer MDOR-Maßnahme telefonisch mittels eines halbstrukturierten Interviews befragt. Die inhaltliche Kategorisierung erfolgte deduktiv aus der intensiven Literaturrecherche sowie den Vorüberlegungen der Forschenden, welche immer wieder in Bezug zur Forschungsfrage betrachtet werden. Dadurch wird das Vorwissen im Gesamten einbezogen, was die Grundlage der Themenbereiche bildet. Ziel dieser Befragung war es, dass die unterschiedlichsten subjektiven Einstellungen und Erlebnisse der Fokusgruppe aufgezeigt und eventuelle neue Themenbereiche, welche durch die Interviewerin noch nicht betrachtet, jedoch von den Probandinnen und Probanden erwähnt wurden, integriert werden. Die Daten der Interviews dienten der Ergänzung und Spezifizierung des erstellten Gesamtprogramms. Die qualitative Inhaltsanalyse wurde nach Mayring durchgeführt [11].
Ergebnisse
Die Interviews zeigten auf, dass bei 5 der 9 Probanden Sport einen hohen Stellenwert im eigenen Leben hat. Der Spaß und auch die Unterstützung bei der Bewältigung der Krankheitssymptome stehen dabei im Vordergrund: „Es tut wirklich gut. So kann ich ganz viel Kraft und Ruhe daraus ziehen.“ Dahingegen formulierten vier der Befragten, dass Sport ihnen wenig bedeutet. Sie begründeten die Aussage mit wenig positiven Erlebnissen während des Sports (siehe Abbildung 2) und zum Teil auch durch die Gegebenheiten im Dienst und Privatleben: „Ich muss ganz ehrlich sagen, dass mir Sport schwerfällt. Ich meide Sport aufgrund meiner Panikattacken.“ 3 dieser 4 Probanden erwähnten, dass die Bedeutung von Sport vor der Erkrankung deutlich höher war. Insgesamt zeigten 7 Betroffene auf, dass sich das Sporttreiben durch die Erkrankung negativ verändert hat und 5 erwähnten, dass die Krankheit im Vordergrund des Lebens steht.
Abb. 2: Erlebte Gefühle in Verbindung mit Sport [2]
Alle an der Studie beteiligten Probanden gaben eine positive Veränderung durch eine sportliche Aktivität an. Die positiven Rückschlüsse (Abbildung 2), welche in Verbindung zum Sport angegeben wurden, bezogen sich auf das Arousal (fokussierter, entspannter, wacher, ausgeglichener, ruhiger), die Stimmung (positiver, glücklicher, weniger depressiv), das allgemeine Wohlbefinden (freier, angenehmes Gefühl, gut) und die körperlichen Veränderungen (erschöpft, mehr Kraft, fitter, besserer Schlaf). Neben den positiven Einflüssen gaben 6 Probanden an, dass sie auch negative persönliche Erlebnisse mit dem Sport verbinden. Sie erwähnten, dass zu Beginn des Trainings die Motivation fehle, um mit dem Sport anzufangen. Des Weiteren wurde von 3 Probanden angesprochen, dass sie sich unsportlich fühlen, was sie auf das wenige Sporttreiben und die Art des Sporttreibens seit der Erkrankung beziehen. Ergänzend zu den Krankheitsbildern soll monotones Laufen den Fokus auf die negativen Gedanken unterstützen („alles auf mich einprallt“, „der Kopf voll“). Darüber hinaus wurde bei einem Probanden durch intensives Sporttreiben die Erinnerung der damaligen Verdrängungsstrategie im Umgang mit der noch nicht diagnostizierten Krankheit erweckt. Zusätzlich seien physische Erscheinungen, wie Schmerzen im Rücken und Erschöpfung, Bestandteil der zu betrachtenden negativen Erlebnisse der Probanden. Übergreifend ist ein negatives Selbstwerterleben bei den Probanden zu beobachten.
Diskussion und Herausforderungen in der sportpsychologischen Therapie
Die qualitative Studie „Die Integrierung eines Sportkonzeptes zur Unterstützung bei der Wiedereingliederung von psychisch erkrankten Soldaten der Bundeswehr“ zeigt in einem Verflechtungsmodell des Gesund-Werdens und Gesund-Bleibens unterschiedliche Ansatzpunkte auf (Abbildung 3), in denen verschiedene Sportarten und Aktivitäten aus den oben erwähnten Studien integriert werden und ihre Wirkung finden. Es sollten bestimmte Voraussetzungen gegeben sein, um eine kontinuierliche Veränderung und Stärkung des Kohärenzgefühls, der Zentralen Variable beim Gesund-bleiben und -werden, bzw. der Ressourcen der Betroffenen zu bewirken. Für eine positive Bewältigungshandlung von Spannungen muss beachtet werden, dass das Erlebte der teilnehmenden Personen erklärbar, sinnvoll und kontrollierbar ist. Aus diesem Grund setzt das erstellte Konzept an den internen und externen Ressourcen an.
Abb. 3: Ansatzpunkte des psychologischen Sportkonzeptes im vereinfacht dargestellten Verflechtungsmodell von Gesund-Werden und Gesund-Bleiben [2]
Konzeptionelle Ansatzpunkte
Ansatzpunkte für das sportpsychologische Konzept sind:
- Erwerben bzw. Entwickeln von fehlenden oder zu schwachen Ressourcen individuell für die Bewältigung von Herausforderungen während und nach dem stationären Aufenthalt (kontrollierbar),
- Wahrnehmen und Verarbeiten der Informationen aus der Umwelt und den eigenen Empfindungen (erklärbar),
- Erlernen, dass der individuelle Abbau innerer Spannungen als sinnvoll erachtet wird, und
- Ermöglichen einer erfolgreichen Bewältigungshandlung der Spannung, damit direkter positiver Einfluss auf das Kohärenzgefühl erzielt wird.
Das bedeutet als wohl grundlegende und wichtigste Bedingung, dass der Stressor, hier der Sport innerhalb der Therapie, so gesteuert werden muss, dass die Teilnehmenden eine positive Erfahrung in der Bewältigung der Aufgabe erleben. Dafür müssen über den gesamten Verlauf der sportpsychologischen Therapie psychologische, soziale und auch körperliche Voraussetzungen beachtet werden, damit der Sport sich nicht negativ auf die Erkrankung und somit auch nicht negativ auf die Unterstützung der Rehabilitation des Erkrankten auswirkt.
Multimodaler Ansatz
Die unterschiedlichen Charakteristika der Krankheitsbilder sowie die Erfahrungen und Erlebnisse der Betroffenen sollten immer mit in die Therapie einbezogen werden, was einen multimodalen Ansatz und übergreifenden Austausch unter den Behandlern notwendig macht. So kann Sport z. B. durch Erhöhung des Serotoninspiegels bei depressiven Patientinnen und Patienten zu einem verbesserten Wohlbefinden führen. Im Gegensatz dazu ist es möglich, dass die Stresshormone bei Angstpatientinnen und -patienten Panikattacken auslösen können. Ferner spielen die Erinnerungen an vorangegangene belastende Ereignisse in Stresssituationen und das akute Erleben der eigenen Grenzen eine nicht unwesentliche Rolle, da sie sich unmittelbar auf das sowieso schon eingeschränkte Selbstwerterleben der Soldatinnen und Soldaten nachteilig auswirken können. Es ist daneben möglich, dass intensive sportliche Belastungen Stress auslösen und die dadurch induzierten körperlichen Reaktionen sich wiederum vereinzelt mit den individuellen Krankheitscharakteristiken der Betroffenen decken. So kann z. B. die Laktatsensitivität bei Angststörungen eine zusätzliche Panik auslösen, da Vergleiche zur Krankheit bzw. zu angstauslösenden Situationen gezogen werden.
Diese Individualität spiegelt sich auch in der Ausführung der Bewegungen durch die verschiedenen Fitnesszustände und den unterschiedlichen Erfahrungen der Teilnehmer wider. Hinzu kommt, dass falscher Ehrgeiz oder Angst vor der körperlichen Belastung die Zielstellungen der jeweiligen Einheit verfehlen und es leicht zu einer Über- bzw. Unterforderung, wenn nicht sogar zu Verletzungen, kommen kann.
Wechselwirkungen zwischen Sporteffekten und Krankheiten
Diese unterschiedlichen Wechselwirkungen zwischen Sporteffekten und den einzelnen Krankheiten sowie individuellen Erfahrungen und Fähigkeiten stellen eine bedeutende Herausforderung im gesamten Betreuungssetting dar. Aus diesem Grund muss durch die Sportpsychologin/den Sportpsychologen gewährleistet werden, dass das Sportkonzept eine ganzheitliche Betreuung und Individualität für jeden Teilnehmer beinhaltet, damit akute negative Gedanken oder Erlebnisse erkannt, aufgefangen und proaktive Maßnahmen ergriffen werden können.
Zukünftige Studien müssen zeigen, inwiefern die Wirkung von Intensität und Art des Trainings (z. B. hochintensiver Bereich oder Mischansätze aus unterschiedlichen Intensitäten und die Kombination aus verschiedenen Sportarten) mit in das Konzept einbezogen werden können. Daneben sollten Interventionen konzipiert werden, die die unterschiedlichen Ansätze der Wirkmechanismen (vgl. Abbildung 1) verbinden. Das sportpsychologische Gesamtkonzept erzeugt ein detailliertes Wirkspektrum, das sowohl die physischen als auch die psychischen Effekte von sportlichem Training in Verbindung mit den verschiedenen Ansätzen der psychologischen Wirkmechanismen (z. B. Selbstwirksamkeitshypothese oder die Green Exercise-Hypothese) kombiniert. Aus diesem Grund prägen unterschiedliche und wechselnde Sportarten das Konzept, sodass verschiedene Reize in Intensität und Beanspruchung erzeugt werden, aber auch die individuellen Vorlieben eines jeden Teilnehmers bekräftigt und zugleich das Gruppengefühl erhalten bleibt bzw. gestärkt wird. Schlussfolgernd ist die Kombination aus Ausdauersportarten, funktionellem Fitnesstraining (Crossfit) sowie Gleichgewichts- bzw. Koordinationstraining als Einheiten bei der Erstellung und Planung des Sportkonzepts gewählt worden.
Eignung in Therapie und Prävention
Die Übertragbarkeit des erstellten Konzeptes ist nicht nur auf das PTZBw zu beziehen, sondern kann insgesamt auf die Weiterentwicklung bei der Behandlung von psychisch erkrankten Menschen angewendet werden. Gerade in den anderen Bundeswehrkrankenhäusern wäre eine Integration möglich, was eine flächendeckende ganzheitliche multimodale Gesamttherapie der Soldatinnen und Soldaten bewirkt. Auch in den bundeswehrähnlichen Bereichen, wie der Polizei und Feuerwehr, können Parallelen gezogen werden und dieses Konzept in vergleichbarer Weise mit dem entsprechenden Personalansatz zur Anwendung kommen.
Wenn die Ansatzpunkte der Sportpsychologie mit sportwissenschaftlichen Elementen im Modell von Gesund-Werden und Gesund-Bleiben genauer betrachtet werden (Abbildung 3), dann ist nicht nur eine Implementierung im psychiatrischen Kontext für die Bundeswehr relevant, sondern auch in der Präventionsarbeit. So könnten z. B. Stressverarbeitungskompetenzen in der Einsatzvorausbildung oder eine Unterstützung bei der Balance aller physisch-psychisch-sozialen Anforderungen schon in der Grundausbildung für die Resilienzstärkung zum Einsatz kommen.
Fazit und Ausblick
Die Rolle der Sportpsychologie im Prozess der Rehabilitation ist eine noch nicht ausreichend genutzte Methode, um die bisherigen Maßnahmen gewinnbringend zu unterstützen. Das entwickelte holistische sport-psychologische Konzept betrachtet die individuelle Belastbarkeit und Empfindlichkeit einer jeden Person, bezieht aber auch die unterschiedlichen Ansprüche (z. B. Intensität, Art der Bewegung, individuelle Ziele und soziales Umfeld) und wissenschaftlichen Erklärungsansätze mit ein. Für die Umsetzung ist fachspezifisches (sportpsychologisches und sportwissenschaftliches) Personal von zentraler Bedeutung, da gerade zu Beginn Misserfolge und über die gesamte Dauer der Therapie Über- und Unterbelastungen vermieden, aber auch die individuelle Bewegungsausführung kontinuierlich kontrolliert werden sollten. Zusätzlich ist bei der Betreuung der Teilnehmenden zu beachten, dass die Effekte sportlicher Aktivitäten auf den Körper besprochen und erklärt werden, damit die sportinduzierten körperlichen Reaktionen nicht mit krankheitsspezifischen Symptomen assoziiert werden.
Ein integrierter kollaborativer Ansatz ist unerlässlich, da den Betroffenen die bestmögliche Unterstützung bei der Bewältigung der krankheitsbedingten Belastungen gegeben werden muss. Dieses Instrument kann nicht nur im psychiatrischen Kontext gewinnbringend für die Gesundheit integriert, sondern auch als Präventivmaßnahme in der Ausbildung der Soldatinnen und Soldaten zum Aufbau der Resilienz verankert werden.
Zukünftige Forschungsarbeiten im PTZBw fokussieren sich auf die Entwicklung sportpsychologischer Verfahren während einer stationären Traumakonfrontation zur Unterstützung der Emotionsregulation, die Konzipierung von Online-Tools als Ergänzung von videogestützten Therapien sowie die Entwicklung manualisierter sportwissenschaftlicher und psychologischer Verfahren für die Resilienzstärkung der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr.
Literatur
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Manuskriptdaten
Zitierweise
Börke AK, Langner F, Willmund G: Sportpsychologische Methoden zur Unterstützung eines multimodalen Therapiesettings in der Psychiatrie: Anwendungsmöglichkeiten im militärischen Kontext. WMM 2023; 67(9): 368-373.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-193
Für die Verfasser
Oberstleutnant d. R. Anna-Katharina Börke (M. Sc., Dipl.-Sportwissenschaftlerin)
Bundeswehrkrankenhaus Berlin
Psychotraumazentrum der Bundeswehr
Scharnhorststraße 13, 10115 Berlin
E-Mail: annaboerke@gmail.com
Manuscipt Data
Citation
Börke AK, Langner F, Willmund G: [Sport Psychology Methods in a Multi-modal Concept for Rehabilitation: Possible Applications in a Military Setting]. WMM 2023; 67(9): 368-373.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-193
For the Authors
Lieutenant Colonel (Res) Anna-Katharina Börke (M. Sc.)
Bundeswehr Hospital Berlin
Bundeswehr Center for Psychotraumatology
Scharnhorststraße 13, D-10115 Berlin
E-Mail: annaboerke@gmail.com