Wehrmedizinische Monatsschrift

  • Archiv
  • Kontakt
  • Archiv
  • Kontakt

Suchergebnis
Links
Rechts
Inhaltsverzeichnis
Editorial
Editorial
Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde
Bedeutung der Kopf-Hals-Chirurgie bei der Erst- und Folgeversorgung von (einsatzbedingten) Kopf-Hals-Traumata





Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde
Undifferenziertes Karzinom der Nase – Kasuistik



Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde
Die intratympanale Therapie von Innenohrerkrankungen


Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde
Infektiöse Mononukleose – eine Viruserkrankung mit Tücken



Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde
Die chronische Rhinosinusitis – bewährte Konzepte und neue Behandlungsoptionen

Phoniatrie und Pädaudiologie
Phoniatrie und Pädaudiologie – ein neues Fachgebiet im Sanitätsdienst der Bundeswehr
Phoniatrie und Pädaudiologie
Globus Pharyngis und Dysphagie – Probleme auch in der Wehrmedizin






Phoniatrie und Pädaudiologie
Stimmstörungen




Phoniatrie und Pädaudiologie
Hörstörungen und Höranstrengung in anspruchsvollen Hörsituationen




Qualitätsmanagement
Untersuchung der Barrierefreiheit für hörgeschädigte stationäre Patienten in einem Krankenhaus der Schwerpunktversorgung

Aus dem Sanitätsdient
Glück ab zum 90.​ Geburtstag - Admiralarzt a.​ D.​ Dr.​ Joachim Pröhl
Aus dem Sanitätsdient
Zum 70.​ Geburtstag - Admiralarzt a.​ D.​ Dr.​ Wolfgang Titius
Aus dem Sanitätsdienst
Oberstarzt der Reserve Prof.​ em.​ Dr.​ med.​ Claus Piekarski
Mitteilungen der DGWMP e.​ V.​
„Karl-Heinz-Biesold“-Workshop in Papenburg (28.​ Oktober 2022)
Mitteilungen der DGWMP E.​V.​
Geburtstage September 2022
Aus der Redaktion
Abschied als Chefredakteur der WMM
Phoniatrie und Pädaudiologie PDF

HÖREN UND VERSTEHEN

Hörstörungen und Höranstrengung in anspruchsvollen Hörsituationen

Hearing impairment and hearing effort in demanding listening settings

Sandra Schmidta

a Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz, Klinik V – Hals-Nasen-OhrenHeilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie

Zusammenfassung

In alltäglichen Hörsituationen ist nicht allein das Verstehen von Sprache von großer Bedeutung. Wichtig ist die empfundene Höranstrengung während der Kommunikation und die daraus resultierende Ermüdung. Dabei kommt es sowohl auf die individuelle Bewertung als auch die verschiedenen Geräuschsituationen an.

Soldaten müssen sich verschiedensten akustischen Herausforderungen stellen und dennoch ihre Aufgaben auf dem Dienstposten wahrnehmen. Dazu gehören zum Beispiel:

• Tätigkeiten mit lauten Umgebungsgeräuschen von Flugzeuglärm, Panzern, Geschützen und Handfeuerwaffen,

• Verständigung in Gefechtssituationen mit akuter emotionaler Stresssituation oder

• Kommunikation im internationalen Einsatz (z. B. multinationalen Stäben) in der Nicht-Muttersprache.

Hörstörungen können hier erheblich erschwerend sein.

Schwerhörigkeiten sind wesentliche Gesundheitsprobleme der Menschheit, die jedes Alter betreffen können. Bei Erwachsenen kann eine unversorgte Schwerhörigkeit zu kommunikativer und sozialer Deprivation sowie zur Reduktion der Verwendungsfähigkeit führen. Wenn konventionelle Hörgeräte und ggf. Hörtraining nicht mehr ausreichen, muss an implantierbare Hörsysteme gedacht werden, um die Dienstfähigkeit zu erhalten.

Mit diesem Beitrag sollen eine

• Übersicht über die Prävalenz, Inzidenz, Diagnostik und Therapie von Hörerkrankungen im Erwachsenenalter und ein

• Überblick über individuelle Höranstrengung gegeben werden sowie

• Sensibilität für die besondere Notwendigkeit des guten Sprachverstehens bei anspruchsvollen Hörsituationen geschaffen werden.

Schlüsselworte: Hören, Hörverstehen, Fremdsprache, Höranstrengung, Schwerhörigkeit, Cochlea Implantat

Summary

In everyday listening situations, not only the understanding of speech is of high relevance. Even the perceived hearing effort while communicating and the resulting fatigue have to be taken into account. Both, the individual valuation and the different sound situations, are of the same value.

Soldiers are facing a wide spectrum of acoustic challenges while still performing their duties at their post, for example:

• activities involving loud ambient noise from aircraft, tanks, guns, and small arms,

• communication in combat situations involving acute emotional stress, or

• communication in international operations (e.g., multinational staffs) in a non-native language.

In those situations hearing impairment can put a significant burden on the individual.

Hearing loss is a major human health problem that can affect any age. In adults, unsupported hearing loss can lead to communicative and social deprivation, It can even reduce fitness for military duties. If conventional hearing aids and additional auditory training are not sufficient, implantable hearing aids must be considered to preserve ability for military service.

By this article we intend to

• give an overview of the prevalence, incidence, diagnosis, and treatment of hearing disorders in adults,

• present different types of individual hearing impairment, and

• to raise awareness of the special requirement for good speech understanding in challenging listening situations.

Keywords: hearing, listening comprehension, foreign language, hearing effort, hearing loss, cochlea implant

Einleitung

Töne und Geräusche gelangen in Form von Schallwellen durch unser Außenohr zum Mittelohr. Da Schallwellen nichts Anderes als Vibrationen sind, bringen sie im Mittelohr das Trommelfell zum Schwingen. Die Auslenkung des Trommelfells wird über die Ossikelkette auf das Innenohr übertragen.

Wenn die Schallvibrationen die Cochlea erreichen, versetzen sie dort die sogenannten Haarzellen in Schwingung. Diese wandeln die Vibration in elektrische Nervenimpulse um. Der Hörnerv und die Hörbahn verbinden die Cochlea mit jenen Bereichen im Gehirn, die für das Hören zuständig sind. Erst wenn Impulse über den Hörnerv zum Gehirn gelangen, können sie als Klänge und Geräusche wahrgenommen werden.

Sind einzelne Funktionen des Gehörs beeinträchtigt, resultiert ein Hörverlust mit mehr oder weniger starker Ausprägung und Folgen.

Arten von Hörverlusten

Manchmal funktioniert unser Gehör nicht so, wie es sollte. Hörverlust ist dabei eines von vielen Symptomen bei Erkrankungen des Ohrs. Dieser kann verschiedenste Ursachen haben und ein oder beide Ohren betreffen.

Es gibt vier Hauptarten von Hörverlust. Bei einem normalen Krankheitsverlauf kann jede von ihnen behandelt werden.

Schallleitungsschwerhörigkeit

Man spricht von Schallleitungsschwerhörigkeit, wenn das Außen- oder Mittelohr Schall nicht richtig weiterleiten kann. Das kann bei einer angeborenen Atresie des Ohres/Gehörganges oder auch bei einer Infektion des Gehörganges/Mittelohres auftreten. Am häufigsten sind hier die Paukenergüsse des Kindes oder auch bei Infekten der oberen Atemwege eines Erwachsenen zu nennen. Je nach Ursache sollte mittels Operation oder Knochenleitungshörgerät ein binaurales Hörvermögen wiederhergestellt werden.

Abb. 1: Reintonaudiometrie einer Schallleitungsschwerhörigkeit [14]

Innenohrschwerhörigkeit

Bei Innenohrschwerhörigkeit sind die Haarzellen in der Cochlea beschädigt oder gar nicht erst vorhanden. Das kann genetische Ursachen haben oder Folge eines Kopftraumas, übermäßigen Lärms oder anderer Umwelteinflüsse sein. Im Alter tritt eine Innenohrschwerhörigkeit vermehrt auf.

Die Innenohrschwerhörigkeit kann auch nur einseitig oder frequenzbetont auftreten. Je nach Grad des Hörverlustes sollte eine Innenohrschwerhörigkeit immer versorgt werden. Solange Hörgeräte ausreichen, sind diese Mittel der Wahl. Wenn aber selbst modernste Power-Hörgeräte keinen ausreichenden Hörgewinn mehr erbringen, sollte über ein Cochlea-Implantat nachgedacht werden. Dabei werden beide Ohren in der Indikation einzeln betrachtet.

Abb. 2: Reintonaudiometrie einer Innenohrschwerhörigkeit [14]

Kombinierter Hörverlust

Als „kombinierten Hörverlust“ bezeichnet man eine Kombination aus Schallleitungs- und Innenohrschwerhörigkeit. Hierbei sind sowohl das Innenohr als auch das Mittel- und/oder Außenohr betroffen. Als häufigste Ursache kommen Cholesteatome und Otosklerose in Frage. Eine solche Hörstörung ist aber auch häufig typische Folge eines Explosionstraumas. Zum Ausgleich des kombinierten Hörverlustes kommen konventionelle Hörgeräte, aber auch je nach Ausprägung und Vorgeschichte Hörimplantate wie das aktive Mittelohrimplantat „Vibrant Soundbridge®“ bzw. Knochenleitungsimplantate wie „Osia®“ oder „Bonebridge®“ in Frage. Ein begleitender Tinnitus ist häufig und sollte mit einem Noisersystem am Hörgerät versorgt werden.

Abb. 3: Reintonaudiogramm einer kombinierten Schwerhörigkeit [14]

Schädigung des Hörnervs

Wenn der Hörnerv beschädigt oder überhaupt nicht vorhanden ist, führt dies zu einem totalen Hörverlust. Bei Soldaten kann eine Schädigung des Hörnervs traumatisch, tumorbedingt und/oder postoperativ auftreten. Als einzige therapeutische Möglichkeit kommt hier ein Hirnstammimplantat in Frage.

Hören und Verstehen

Hören und Verstehen von Sprache sind in unterschiedlichen Hörsituationen unterschiedlich anstrengend. Bei sinkender Sprachverständlichkeitsschwelle (84 %, 71 % und 50 %) in stationärem Störgeräusch steigt die subjektiv empfundene Höranstrengung [22][23].

Vegetatives Nervensystem

Subjektive und objektive Höranstrengung werden wesentlich durch das vegetative Nervensystem beeinflusst, indem die Gegenspieler Sympathikus und Parasympathikus die Aktivität regulieren. Der Sympathikus versetzt den Körper in erhöhte Leistungsbereitschaft und bewirkt insgesamt eine Leistungssteigerung in gefährlichen und anstrengenden Situationen. Er bereitet den Organismus angemessen auf erhöhte Stresssituationen vor. Als Antagonist steuert der Parasympathikus dagegen. Verringern sich Stress und Anstrengung, so versetzt letzterer den Organismus in einen Entspannungszustand. Dies dient der körpereigenen Erholung und sorgt für Ruhe und Regeneration [15].

Höranstrengung

STÖRMER et al. untersuchten in einer Studie [18] die Höranstrengung bei positiven und leicht negativen Signal-Rauschabständen (SNR für Signal-to-Noise-Ratio), weil die subjektive empfundene Höranstrengung während einer Konversation trotz 100 %-igem Sprachverständnis nicht immer als „mühelos“ eingestuft wird. Zuvor hatten VAN GERVEN et al. bereits nachgewiesen [19], dass der Irrelevant Speach Effect (ISE) akustische, phonologische und semantische Interferenzen verursacht, die durch Anwesenheit eines Maskierers mit inhaltlich sinnvollen Wörtern oder Sätzen die kognitive Leistung deutlich nachteilig beeinflusst. Daher sind die Art des Maskierers (phonologisch oder semantisch informationsbehaftet), der Schwierigkeitsgrad der zu lösenden Aufgabe und der SNR relevante Faktoren für die subjektiv empfundene Höranstrengung.

Bei niedrigerem SNR steigt die Bewertung der Höranstrengung sowohl subjektiv als auch objektiv – gemessen an der Pupillenreaktion – an, obwohl bei kontinuierlichem Rauschen und angebotenen hebräischen Ziffern eine nahezu 100 %-ige Sprachverständlichkeit vorhanden ist.

In Abhängigkeit vom Störgeräusch zeigte sich die kognitive Last am größten bei kontinuierlichem Rauschen gepaart mit deutschen Ziffern, gefolgt von kontinuierlichem Rauschen gepaart mit hebräischen Ziffern und von kontinuierlichem Rauschen allein. Das heißt, übertragen auf den Alltag eines Soldaten mit Verwendung auf einem anspruchsvollen Dienstposten, dass kontinuierliche Hintergrundstörgeräusche kombiniert mit dem Hören sinnhafter und für diesen verständlicher Texte am anstrengendsten sind.

Bei steigendem SNR mit kontinuierlichem Rauschen und verständlicher Sprache sinkt die Antwortrichtigkeit, was auf eine schlechtere Differenzierbarkeit von Nutz- und Störschall schließen lässt. Die Anstrengung bei Anwesenheit von deutscher Sprache, als phonologische und semantische Interferenz, im Störgeräusch ist größer als in einer Fremdsprache (phonologische Interferenz).

Merke:

Studien belegen eine erhöhte Höranstrengung bei Tätigkeiten im Störschallbereich und eine weitere Steigerung der Höranstrengung bei zusätzlichem Störschall mit einer uns verständlichen Sprache.

Sprachverständnis

Das Sprachverständnis hängt nicht nur vom Störschall ab, sondern wird ebenfalls durch sprecher- und sprachspezifische Faktoren maßgeblich beeinflusst.

Matrixsatztests wie der deutsche Oldenburger Satztest [20] wurden inzwischen für eine Reihe europäischer Sprachen entwickelt und bieten dank der fast gleichen Konstruktions-, Aufnahme- und Optimierungsmethoden eine bisher nicht erreichte Vergleichbarkeit über Sprachen hinweg. Trotzdem finden sich bei Normalhörenden Unterschiede der 50 %-Sprachverständlichkeitsschwelle (SRT) im testeigenen Rauschen von bis zu 3,6 dB [24].

Es wurde untersucht, ob der Unterschied eher auf sprach- oder eher auf sprecherspezifische Charakteristika zurückzuführen ist. Mit bilingualen Sprechern wurden Sätze des Oldenburger Satztests (deutsch/spanisch und deutsch/russisch) und des russischen und spanischen Matrixsatztests [5][21] aufgenommen. Mithilfe dieser Sätze wurden verschiedene SRT in stationärem Störschall (mit und ohne den Einfluss von Nachhall) und in fluktuierendem Störschall mit normalhörenden Muttersprachlern gemessen. Neben Messungen der Sprachverständlichkeit wurde die akustisch-phonetische Eigenschaft der Vokalraumgröße, welche als in Beziehung zur Sprachverständlichkeit eines Sprechers stehendes Maß diskutiert wird, bestimmt [1].

Unterschiede zwischen dem deutschen und russischen Matrixtest können größtenteils durch die jeweiligen Sprecher erklärt werden, da sich bei bilingualen deutsch-russisch Sprechenden kaum Unterschiede in der Sprachverständlichkeit – auch unabhängig von der hier untersuchten Testsituation – zeigen. Im Vergleich der SRT bilingualer deutsch-spanisch Sprechender traten sowohl sprecher- als auch sprachspezifische Unterschiede auf. Es wurden konsistent höhere SRT im Spanischen erreicht als im Deutschen. Der Gewinn durch zeitliche Lücken war über alle drei Sprachen vergleichbar, während die Beeinträchtigung der Sprachverständlichkeit durch Nachhall im Spanischen stärker war als im Deutschen und Russischen, in welchem die Hörer ähnlich beeinträchtigt waren. Unterschiede zwischen den Sprechenden waren sowohl beim Hören in zeitlichen Lücken als auch beim Hören mit zusätzlichem Nachhall vergleichbar. Ein Vorteil in der Sprachverständlichkeit konnte mit der Nutzung von größerer Vokalraumfläche in Zusammenhang gebracht werden [6].

Merke:

Sprachverständnis ist von der Sprache unabhängig, hängt jedoch nachweislich stark vom Sprechenden ab. Eine größere Vokalraumfläche erweist sich als nützlich

Hörminderung

Wenn in anspruchsvollen Hörsituationen eine Hörstörung besteht, ist das Sprachverständnis je nach Grad der Hörstörung zusätzlich beeinträchtigt.

Prävalenz von Hörstörungen

In der Literatur finden sich uneinheitliche Aussagen zur Prävalenz von Hörstörungen in Deutschland im Kindes- und Erwachsenenalter. Zum einen kommen angeborene Schwerhörigkeiten (pränatal, perinatal, postnatal und weitere Risikofaktoren), zum anderen auch die Altersschwerhörigkeit (Presbyakusis) aufgrund der demografischen Entwicklung in Frage.

Hörstörungen bei Erwachsenen treten mit einer Prävalenz von 16–25 % auf [12][16]. Sie sind eine ernst zu nehmende Grunderkrankung, die Auswirkungen auf die berufliche, soziale und gesellschaftliche Weiterentwicklung hat. Daher sollte eine der jeweiligen Hörstörung angepasste Behandlung erfolgen.

Hörrehabilitation

Entscheidend für die erfolgreiche Hörrehabilitation von Hörstörungen ist die frühzeitige sichere Diagnose und kontinuierliche Betreuung zur weiteren Versorgung. Bei Erwachsenen sind frühzeitige Versorgung mit Hörgeräten und kontinuierliche Nachsorge durch den HNO-Arzt, den Arzt für Phoniatrie und Pädaudiologie und den Hörakustiker und eine möglichst kurze Zeitspanne zwischen Ertaubung und Implantation eines CI günstige Prognosefaktoren. Eine gute Hörrehabilitation führt zu einer signifikanten Steigerung der Lebensqualität. Bei beidseitiger Hörminderung ist eine beidseitige Hörrehabilitation anzustreben. Für Soldaten ist, insbesondere bei Verwendungen im Störschall und in mehrsprachiger Umgebung (multinationaler Bereich), beidseitiges Hören und Verstehen notwendig.

In der Bevölkerung werden die Folgen einer Schwerhörigkeit und insbesondere die Folgen einer hochgradigen Hörminderung, die einer Versorgung mit einem CI bedürfen, noch erheblich unterschätzt. Bei Kindern ist es offensichtlicher, dass ein adäquates Hörvermögen eine elementare Voraussetzung für eine altersentsprechende soziale und sprachliche Entwicklung ist [16]. Ausreichendes Hörvermögen ist die Voraussetzung für die sprachliche Kommunikation und trägt wesentlich zum sozialen Wohlbefinden bei. Hörstörungen können die kognitiven Leistungen und Fähigkeiten beeinträchtigen. Es droht soziale Isolierung und die Entstehung depressiver und demenzieller Erkrankungen [2][10].

Insbesondere bei älteren Menschen werden durch Hörbeeinträchtigungen die Orientierung im Raum verschlechtert und bei ohnehin nachlassender Koordinationsfähigkeit das Sturzrisiko erhöht [8].

Je länger eine Schwerhörigkeit unversorgt bleibt, desto schlechter sind meist die Therapieerfolge. Eine frühzeitige Hörrehabilitation bei älteren Menschen mit hochgradiger Schwerhörigkeit kann den Verlauf neurodegenerativer Prozesse wie eine Demenz positiv beeinflussen [7][9].

Schlüsselrolle einer frühen Diagnostik

Die frühzeitige Diagnostik einer Hörminderung ist daher in jedem Lebensalter von großer Bedeutung. Mit dem Neugeborenenhörscreening wurde bereits eine rasche postnatale Untersuchung etabliert. Aktuell wird ein Screening-Verfahren für ältere Erwachsene entwickelt, welches zum Beispiel auch durch den Hausarzt oder den Geriater verwendet werden kann [23].

In der Bundeswehr wurde mit den verschiedenen anlassbezogenen Untersuchungen auf Verwendungsfähigkeit, mit den Vorsorgeuntersuchungen und auch mit der wiederkehrenden Allgemeinen Untersuchung auf Verwendungsfähigkeit und individuelle Grundfertigen (AVU-IGF) bereits ein vergleichsweise hoher Standard etabliert.

Presbyakusis

Die häufigste Hörstörung ist eine Presbyakusis.Es handelt sich um ein multifaktorielles Geschehen, bei dem auch genetische Faktoren eine Rolle spielen [11]. Als Folge einer Degeneration von neuronalen Zellstrukturen im zunehmenden Lebensalter kommt es zur Schwerhörigkeit, die auch Altersschwerhörigkeit genannt wird. Neben endogenen und exogenen Ursachen können „physiologische Alterungsprozesse“ zur Abnahme des Hörvermögens führen (siehe Abbildung 2).

Zu den wichtigsten exogenen Faktoren werden in Industrieländern Lärm und Überernährung gezählt. Als Auslöser der Presbyakusis werden Hypoxie/Ischämie, Radikalbildung und oxidativer Stress, apoptotischer und nekrotischer Zelltod von Haarzellen und Spiralganglien sowie vererbte bzw. erworbene Mutationen der mitochondrialen DNA diskutiert [4]. Meist tritt die Presbyakusis beidseits auf und zeigt einen symmetrischen Schallempfindungsverlust, der durch einen typischen Verlust im Hochtonbereich gekennzeichnet ist. Es kommt zu einem Diskriminationsverlust mit Sprachverständniseinschränkungen, der sich insbesondere bei Störgeräuschen durch ein vermindertes Richtungs- Frequenzunterscheidungsvermögen äußert. In der Folge resultieren eine verlängerte Reaktions- und Identifizierungszeit mit einer Abnahme des auditiven Gedächtnisses. Besonders die Beeinträchtigung des Sprachgehörs bei Störlärm (sogenannter „Cocktailparty-Effekt“), wird von den Betroffenen als spürbare Behinderung empfunden.

Die Versorgung mit Hörgeräten sollte so früh wie möglich beidseitig erfolgen. Dies führt zu einer Aktivierung der zentralen Hörbahnen und beugt einer zusätzlichen auditiven Leistungsminderung vor.

Die Presbyakusis ist nicht sicher abzugrenzen von Hörverlusten durch während des Lebens einwirkende Schädigungsfaktoren, wie z. B. Entzündungen, toxische Einflüsse, Traumen oder kardiovaskuläre Erkrankungen. Die Haarzellregeneration ist eine Möglichkeit zur Behandlung der Presbyakusis in der Zukunft.

Merke:

Die möglichst frühzeitige Versorgung mit Hörgeräten ist eine geeignete Rehabilitationsmaßnahme, die erheblich zur Erhaltung der psychischen und physischen Leistungsfähigkeit alternder Menschen beiträgt.

Ergänzende Hilfsmittel

Für Schwerhörige gibt es verschiedene Hilfsmittel, um im Alltag besser zurecht zu kommen. Dazu zählen z. B. Weckhilfen (Lichtwecker, Vibrationswecker), Zubehör für Telefon und Türklingel (Lichtblitze, Schallverstärker) oder Funkkopfhörer zum Anschluss an TV oder Radio. Solche Hilfsmittel können eine Hörgeräteversorgung sinnvoll ergänzen [13] und die Einsatzfähigkeit eines Soldaten bei seiner Verwendung auf unterschiedlichen Dienstposten erleichtern.

Fazit

Soldatinnen und Soldaten sind in den meisten Verwendungen regelhaft besonders anspruchsvollen Hörsituationen ausgesetzt. Dabei müssen sie komplexe Aufgaben erfüllen, die mit Gefahr für Leib- und Leben einhergehen und ein hohes Maß an Wachheit und Aufmerksamkeit erfordern. Dabei müssen sie die Aufgaben des Dienstpostens mit gesundheitlicher, politischer und lebensgefährlicher Gefahr erfüllen. Zur Erfüllung gehört ein gutes Sprachverständnis, welches teils extremer Höranstrengung bedarf. Daher sind gutes Hören und Verstehen, welches immer als selbstverständlich vorausgesetzt wird, die Grundlage. Grundsätzlich ist Schall jedweder Art eine Störquelle, die eine individuell unterschiedliche Höranstrengung bedingt. Daher sind eine frühzeitige Untersuchung und ggf. Versorgung mit adäquaten Hörhilfen von enormer Bedeutung.

Literatur

  1. Bond ZS,Moore TJ: A note on the acoustic‐phonetic characteristics of inadvertently clear speech. Speech Com 2012; 14: 325‐337.
  2. DGPP: Periphere Hörstörungen im Kindesalter (S2k-Leitlinie 2013, in Überarbeitung). , letzterAufruf 17. Juni 2022. mehr lesen
  3. Dodel R, Völter C: Demenzerkrankungen: Relevantes für den HNO-Arzt. HNO 2020; 68(3): 143-149. mehr lesen
  4. Gates GA, Mills JH: Presbycusis. Lancet 2005; 366(9491): 1111-1120. mehr lesen
  5. Hochmuth S, Brand T, Zokoll MA, Zenker Castro F, Wardenga N, Kollmeier B: A Spanish matrix sentence test for assessing speech reception thresholds in nois. Int J Audiol 2012; 51(7): 536‐544. mehr lesen
  6. Hochmuth S, Jürgens T, Brand Th, Kollmeier B: Multilinguale Cocktailparty – Einfluss von sprecher- und sprachspezifischen Faktoren auf die Sprachverständlichkeit im Störschall. Oldenbirg: Jahretagung der DGA 2014. mehr lesen
  7. Kilimann I, Óvari A, Hermann A, Witt G, Pau HW, Teipel S: Hörstörung und Demenz. Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 2015; 48(5): 440-445. mehr lesen
  8. Lin FR, Albert M: Hearing loss and dementia- who is listening? Aging Ment Health 2014; 18: 671-673. mehr lesen
  9. Lin FR, Ferrucci L: Hearing loss and falls among older adults in the United States. Arch Intern Med 2012; 172(4): 369-371. mehr lesen
  10. Löhler J, Cebulla M, Shehata-Dieler W, Volkenstein S, Völter C, Walther LE: Hearing impairment in old age- detection, treatment and associated risks. Dtsch Arztebl Int 2019; 116: 301-310. mehr lesen
  11. Löhler J, Lehmann M, Segler V et al.: The Mini- Audio- Test (MAT)- a screening method on hearing impairment to be used by general practitioners and spezialized physicians. Laryngorhinootologie 2019; 98(1): 27-34. mehr lesen
  12. Löhler J, Walther LE, Hansen F et al.: The prevalence of heraing loss and use of hearing aids among adults in Germany: a systemic review. Eur Arch Otolaryngol 2019; 276: 945-956. mehr lesen
  13. Mazurek B, Stöver T, Haupt H, Gross J, Szczepek A: Die Entstehung und Behandlung der Presbyakusis. HNO 2008; 56: 429-435. mehr lesen
  14. Medizinsicher Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen: Begutachtungsanleitung Richtlinie des GKV- Spitzenverbandes nach §282 SGB V, Apparative Versorgung bei Schwerhörigkeit. Essen: MDS e.V. 2020 mehr lesen
  15. Myers DG: Psychologie: Heidelberg: Springer Verlag 2014.
  16. Schmucker C, Kapp P, Motschall E, Loehler J, Meerpohl JJ: Prevalence of hearing loss and use of hearing aids among children and adolescens in Germany: a systemic review. BMC Public Health 2019; 19:1277. mehr lesen
  17. Sparreboom M, Langereis MC, Snik AF, Mylanus EA: Long- term outcomes on spatial hearing, speech recognition and receptive vocabulary after sequential bilateral cochlear implantation in children. Res Dev Disabil 2015; 36C: 328-337. mehr lesen
  18. Störmer V, Holube I, Schulte M: Pupillometrie und Höranstrengung in anspruchsvollen Hörsituationen als kognitive Belastungsgröße. 16.Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie 2013. mehr lesen
  19. Van Gerven PWM, Meijer WA, Vermeeren A, Vuurman EF, Jolles J: The irrelevant speech effect and the level of intereference in aging. Experimental Aging Research 2007; 33(3): 323-339. mehr lesen
  20. Wagener K, Kühnel V, Kollmeier B: Entwicklung und Evaluation eines Satztests in deutscher Sprache – Teil I: Design des Oldenburger Satztests. Z Audiol 1999; 38: 4 ‐15. mehr lesen
  21. Warzybok A, Zokoll MA, Brandes O, Ozimek E, Brand T, Kollmeier B: It’s all Russian to me: Development of two closed‐set Russian speech intelligibility tests that can be administered even by non‐Russian audiologists. Warsaw (Poland): EFAS 2011, S. 115. mehr lesen
  22. Zekveld AA, Kramer SE, Festen JM: Cognotive load during speech perception in noise: Influence of age, hearing loss, and cognotion on the pupil response. Ear and Hear 2011; 32(4): 498-510. mehr lesen
  23. Zekveld AA, Kramer SE, Festen JM: Pupil response as an indication of effortful listening: The Influence of sentence integibillity. Ear and Heraing 2010; 31(4): 480-490. mehr lesen
  24. Zokoll MA, Hochmuth S, Warzybok A, Wagener KC, Buschermöhle M, Kollmeier B: Speech‐in‐Noise Tests for Multilingual Hearing Screening and Diagnostics. Am J Audiol 2013; 22(1): 130‐133. mehr lesen

Manuskriptdaten

Zitierweise

Schmidt S: Hörstörungen und Höranstrengung in anspruchsvollen Hörsituationen. WMM 2022; 66(8); 301-306.

DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-38

Verfasserin

Oberfeldarzt Dr. Sandra Schmidt

Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz

Klinik V – Hals-, Nasen- und Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie

Rübenacherstr.170, 56076 Koblenz

E-Mail: sandra7schmidt@bundeswehr.org

Manuscript data

Citation

Schmidt S: [Hearing impairment and hearing effort in demanding listening settings]. WMM 2022; 66(8); 301-306.

DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-38

Author

Lieutenant Colonel (MC) Dr. Sandra Schmidt

Bundeswehr Central Hospital Koblenz

Department V – Otolaryngology, Head- and Neck Surgery

Rübenacherstr.170, D-56076 Koblenz

E-Mail: sandra7schmidt@bundeswehr.org

Qualitätsmanagement PDF

DER HÖRGESCHÄDIGTE PATIENT

Untersuchung der Barrierefreiheit für hörgeschädigte stationäre Patienten in einem Krankenhaus der Schwerpunktversorgung1

Lydia Günthera

1 Die vollständige Arbeit, die als Bachelor-Thesis der Autorin in der Fakultät Gesundheits- und Pflegewissenschaften der Westsächsischen Hochschule Zwickau (Erstgutachter: Prof. Dr. med. habil Jörg Klewer, Professur für Pflegewissenschaften) erstellt wurde, steht einschließlich Transkripten von Interviews mit Patienten, medizinischem Personal und GSD beim E-Paper dieser Ausgabe zum Download zur Verfügung.

a Westfälische Hochschule Zwickau – Fakultät Gesundheits- und Pflegewissenschaften

 

Blindheit trennt von den Dingen,

Taubheit von den Menschen!

Immanuel Kant (1724–1804)

 

Einleitung

Der weitaus überwiegende Teil der menschlichen Kommunikation erfolgt über Sprechen und Hören. Der Verlust oder die starke Einschränkung des Hörvermögens bedeutet für den Betroffenen eine hochgradige Behinderung. Die Inklusion Behinderter ist Staatsziel und gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Behinderte Menschen haben das Recht auf einen barrierefreien Zugang zu allen gesellschaftlichen Bereichen, und dazu zählt auch die Gesundheitsversorgung.

Die sowieso nicht einfache Situation Hörgeschädigter (HörGe) wurde durch die Maskenpflicht im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie dramatisch verschärft, da für das Verstehen von Gebärdensprache ein Mindestmaß an Mundbild unbedingt erforderlich ist. Die Inklusionsziele für HörGe waren damit noch schwerer zu erreichen. Oftmals wurde auch einfach nicht an diese Gruppe gedacht, denn sonst wären sicher keine Informationsvideos zu COVID-19 ohne eingeblendeten Gebärdensprachdolmetscher erstellt worden, was aber geschah.

Bei der Patientenbehandlung ist die verbale Kommunikation zwischen medizinischem Personal und Patient ein ganz wesentlicher Faktor. Was ist aber, wenn diese Kommunikation nicht möglich ist, weil der Patient gehörlos oder nahezu gehörlos ist? Wie gehen beide Seiten damit um? Wie kann verhindert werden, dass es zu möglicherweise gefährlichen Situationen kommt, weil Anweisungen oder Fragen nicht verstanden werden?

Ziel- und Fragestellung

Ziel der Arbeit war, die Erfahrungen der gehörlosen und schwerhörigen Menschen und als deren Sprachrohr der Gebärdensprachdolmetscher (GSD) mit den Maßnahmen zur Barrierefreiheit in einem Krankenhaus der Schwerpunktversorgung zu erfassen und exemplarisch auf Praxistauglichkeit und Umsetzbarkeit zu überprüfen. Die Untersuchungen erfolgten im Bundeswehrkrankenhaus (BwKrhs) Ulm.

Theoretischer Hintergrund

Begriffsdefinition

Gehörlosigkeit besteht, wenn ein Mensch bei Frequenzen bis 250 Hz erst ab 60 dB und im übrigen Frequenzbereich ab 100 dB akustische Signale aufnimmt. Hochgradig Schwerhörige haben einen mittleren Hörverlust zwischen 60 dB und 70 dB. Bei Resthörigkeit oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit beträgt der Hörverlust zwischen 85 dB und 100 dB. Mittelgradig Schwerhörige zeigen einen Hörverlust von 20–70 dB. Ein Hörverlust von 25–40 dB wird als leichtgradige Schwerhörigkeit bezeichnet; Sprache kann hier aufgenommen und verstanden werden.

Abb. 1: Begriffsbestimmung „Hörgeschädigte“ (leichtgradig Schwerhörige sind ausgeschlossen)

Inklusion und Gesundheitsversorgung

Deutschland hat 2009 die UN-Behindertenrechts-Konvention (BRK) ratifiziert und damit zu deutschem Recht gemacht. Die BRK hat zum Ziel, Menschen mit Behinderung ein Höchstmaß an Unabhängigkeit und Teilhabe zu gewährleisten. Dies gilt auch für den Zugang zu allen Bereichen der Gesundheitsversorgung.

Grundsätzlich haben HörGe einen Anspruch darauf, dass ihnen im Rahmen der medizinischen Betreuung ein GSD zur Verfügung gestellt wird. Dieses gilt auch für das Erreichen der Barrierefreiheit bei stationärer Krankenhausbehandlung. Die Kosten hierfür trägt die Krankenversicherung. Das allein reicht allerdings nicht aus, die Infrastruktur muss entsprechend geeignet sein und das Krankenhauspersonal muss wissen, wie es mit hörgeschädigten Patienten umgeht.

Kommunikation mit Hörgeschädigten

Erfolgreiche Kommunikation bedarf eines einheitlichen Sprachsystems. Das Gesagte muss beim Zuhörer (=Empfänger) dieselbe Botschaft (=Nachricht) enthalten, wie sie vom Sprecher (=Sender) gesagt wird. Das Arzt- Patienten-Gespräch ist das wichtigste diagnostische Instrument, mit dessen Hilfe bis zu 90 % aller Diagnosen korrekt gestellt werden können. Bei der Kommunikation mit Patienten aus einem anderen Sprach- und Kulturkreis kann ein Dolmetscher hinzugezogen werden. Bei Gehörlosen muss diese Kommunikation nonverbal, z. B. durch Bildkarten oder über einen GSD erfolgen – eine besondere Herausforderung, wenn der HörGe auch noch eine andere Sprache spricht.

Methoden

Methodik

Es wurde ein Methoden-Mix von teilstandardisierten Fragebögen (jeweils für GSD und GL), die Möglichkeit zur differenzierten Beschreibung des Erlebten boten, und offener passiver teilnehmender Beobachtung eingesetzt. Nach Auswertung wurde ein Handbuch zum Thema erstellt, welches anschließend im Open Peer Review fortgeschrieben und verbessert werden kann.

Eine geplante Dokumentenanalyse (Bewertungen des Krankenhauses in Social Media in Bezug auf Barrierefreiheit für GL) konnte mangels entsprechender Einträge nicht erfolgen.

Ergebnisse und Diskussion

Im Folgenden werden einige ausgewählte Ergebnisse vorgestellt.

Kostenübernahme

Das Problem der Kostenübernahme für einen GSD beschäftigte einige GL. Durch die Neuregelung im Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) vom 1. Januar 2020 sind die Kosten durch den Krankenversicherungsträger zu übernehmen. Insofern wird diese Unsicherheit für die Betroffenen zukünftig nicht mehr bestehen.

Dolmetscherbestellung

Die Bestellung eines GSD erfolgte meist über die Patienten selbst (Vertrauensverhältnis im Rahmen der medizinischen Behandlung). Probleme bereiteten die mangelnde Anzahl und Verfügbarkeit von GSD, insbesondere bei Verschiebung/Verzögerung von Behandlungsterminen. Dabei geht es nicht um die dauerhafte Anwesenheit eines GSD, sondern nur um dessen fallweise Heranziehung. Herausgestellt wurde, dass im Bereich Psychiatrie, wo Diagnostik ohne Arzt-Patienten-Gespräch völlig unmöglich ist, immer ein GSD bestellt wurde.

Tab. 1: Antworten zur Frage der GSD-Bestellung

Arzt/Pflege – Patienten – Kommunikation

Die Ergebnisse decken sich mit den Erkenntnissen aus der aktuellen Studienlage. Während Mitarbeitende (MA) des Krankenhauses ihre Kommunikationsfähigkeiten im Umgang mit GL überschätzten, fühlten sich die GL nicht wahrgenommen und zum Teil unsicher. Die wichtigsten Ergebnisse sind in Tabelle 2 dargestellt.

Tab. 2.: Antworten der GL zur Kommunikation

Der Einsatz von „Ersatzdolmetschern“, also MA der Krankenhäuser bzw. Angehörige ist für alle Beteiligten z.T. emotional belastend und ebenso wie das Ausweichen auf Schriftkommunikation fehlerträchtig. Es wurde in den Fragebögen darauf hingewiesen, dass die Fähigkeit zur schriftlichen Kommunikation bei vielen Menschen eingeschränkt ist, was z. B. Aufklärungsgespräche oder Aussagen zur Krankheitsprognose sehr erschwert. Videotelefonie und Ferndolmetschen wurden mangels geeigneter IT-Infrastruktur in Ulm nicht genutzt, werden aber von einigen als potenziell geeignet und noch nicht ausreichend ausgeschöpft bewertet.

Lotsensystem

Die Idee eines Lotsen wurde von einem GL eingebracht und mit den MA diskutiert. Befragte des Hol- und Bringedienstes im BwKrhs Ulm fanden diese Aufgabe spannend und würden sich hier auch im Rahmen zeitlicher Kapazitäten gern engagieren.

Patientenaufnahme

Einige GL äußerten den Wunsch nach Aufnahme eines „GL-Vermerks“ in die digitale und analoge Patientenakte. Dieses wurde in der HNO-Klinik und im Bereich Intensivmedizin durchgeführt. Die elektive Patientenaufnahme war geübt im Umgang mit HörGe. Die stationäre Aufnahme auf der HNO-Station erfolgte bei GL mit GSD in einem ruhigen Raum ohne Unterbrechung, z. B. durch Telefon. Der erhöhte Zeitbedarf führt zu Zeitknappheit und Stressbelastung für das medizinische Personal bei anderen Tätigkeiten.

Patientenzimmer

Das Thema „Patientenzimmer“ (Aufbau, Einrichten, Verhalten des Personals) wurde in den Fragebögen sowohl von den GL als auch von den GSD angesprochen. So sei z. B. ein Anklopfen an der Tür nicht notwendig, Uhr und Kalender sollten gut einsehbar sein, Lichtquellen sollten auch in der Nacht nicht ganz ausgeschaltet werden, da dieses als beängstigend empfunden wird. Eine Kennzeichnung des Patientenbettes mit „GL“ sei hilfreich. Personal darf den Patienten berühren (Schulterklopfen o. ä.), um ihn anzusprechen. Smartphones und Tablets als einziges Kommunikationsmittel des GL sollten nicht, wie mehrfach geschehen, beim Aufräumen außer Reichweite des Patienten gelangen. Im Zimmer (z. B. bei Visiten) sollte immer nur eine Person sprechen, damit sich der GL auf das Lippenlesen konzentrieren kann.

Zusammenfassendes Fazit und Ausblick

Außenstehenden fällt es schwer, sich in die Situation Sinnesbehinderter einzufühlen. Deswegen sind Partizipation und Transparenz wichtig, um diesen Patienten mit einfachen Mitteln die Teilhabe in der stationären Krankenhausversorgung zu erleichtern.

Dem GSD, der durch die Kostenträger zu finanzieren ist, kommt eine elementare Bedeutung bei. Er fungiert als Schnittstelle in der Kommunikation von MA und HörGe. Ausführliche Aufklärung, die ohne GSD nicht möglich ist, bietet Rechtssicherheit für die Behandelnden. Aufklärungsbögen in für alle Patienten leicht verständlicher Sprache wird es in naher Zukunft nicht geben.

Ferndolmetschen, über offizielle oder smarte Kanäle, kann eine Lösung zum GSD – Einsatz im Krankenhaus sein. Für das Ferndolmetschen wird IT – Infrastruktur benötigt.

Als Lotsen für Sinnesgeschädigte im Krankenhaus können Hol- und Bringedienste eingesetzt werden. Dies bedarf der Aus- und Weiterbildung des eingesetzten Personals.

Gemeinsam mit dem Krankenhauspersonal wurde ein Handbuch zum Umgang mit HörGe mit Textbausteinen und Darstellungen erarbeitet. Dieses soll im Open Peer Review fortgeschrieben und flächendeckend zur Verfügung gestellt werden.

Forschung und Weiterentwicklung

Die Kommunikation mit stark hörgeschädigten Patienten, besonders bei akuten Hörverlusten (z. B. nach Explosionstrauma), stellt die Behandelnden vor eine besondere Herausforderung, da die Betroffenen in aller Regel die Gebärdensprache nicht beherrschen. Hier könnte zukünftig eine visuelle Kommunikation mit grafischen Darstellungen, z. B. mittels einer App auf einem mobilen Endgerät Abhilfe schaffen, die auch in der Klinik als Ergänzung zum GSD durch das medizinische Personal genutzt werden kann. Entsprechende Forschungsarbeiten erfolgen zurzeit an der Westsächsischen Hochschule Zwickau.

Die vollständige Bachelor-Thesis steht hier zum Download zur Verfügung.

Verfasserin

Hauptfeldwebel d. R. Lydia Günther, B. Sc.

Westsächsische Hochschule Zwickau

Studiengang Gesundheitsmanagement

Kornmarkt 1, 08056 Zwickau

E-Mail: lydia.guenther.hnd@fh-zwickau.de

Zeitschriften
Wehrmedizinische Monatsschrift – Impressum/Datenschutz

Redaktion: Generalarzt a. D. Prof. Dr. med. Horst Peter Becker, MBA, Scharnhorststr. 4b, D-10115 Berlin, Mobil +49 171 215 0901, E-Mail: hpbecker@beta-publishing.com 

Herausgeber: Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr, Presse- und Informationszentrum des Sanitätsdienstes der Bundeswehr im Auftrag des Inspekteurs/der Inspekteurin des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, Von-Kuhl-Straße 50, 56070 Koblenz, Telefon: +49 261 896 13210, E-Mail: pizsanitaetsdienst@bundeswehr.org

Wissenschaftliche Beratung: Die Begutachtung von Original- und Übersichtsarbeiten sowie Kasuistiken im Rahmen des Peer-Review-Verfahrens erfolgt durch in dem Fachgebiet des jeweiligen Beitrags wissenschaftlich ausgewiesene Expertinnen und/oder Experten, die – dem Einzelfall entsprechend – in Abstimmung zwischen Redaktion und Herausgeber ausgewählt und beauftragt werden.

Verlag: Beta Verlag & Marketinggesellschaft mbH, Carl-Zeiss-Str. 5, 53340 Meckenheim, Telefon +49 2225 8889–0, E-Mail: info@cpm-verlag.de; Geschäftsleitung: Tobias Ehlke; Objektleitung: Peter Geschwill; Produktionsleitung: Thorsten Menzel.

Druckversion: Druckvorstufe: PIC Crossmedia GmbH, Hitdorfer Straße 10, 40764 Langenfeld, E-Mail: info@pic-crossmedia.de; Druck: Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (BAIUDBw), Zentraldruckerei Köln/Bonn.

Online-Version (E-Paper): Erstellung mit PIC MediaServer, PIC Crossmedia GmbH, Langenfeld; E-Paper und Autorenhinweise sind unter www.sanitaetsdienst-bundeswehr.de und www.wehrmed.de aufrufbar.

Rechtliche Hinweise: Die Zeitschrift (Druckversion und E-Paper) und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind in allen Publikationsformen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Herausgebers unzulässig und strafbar. Dieses gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Alle namentlich gezeichneten Beiträge – soweit sie nicht ausdrücklich mit einem * gekennzeichnet sind – geben die persönlichen Ansichten der Verfasserin, des Verfassers oder der Verfasser wieder. Sie entsprechen nicht unbedingt den Auffassungen der Redaktion oder des Herausgebers. Manuskriptsendungen an die Redaktion erbeten. Erscheinungsweise mindestens achtmal im Jahr.
Für Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. ist der Bezug der Zeitschrift im Mitgliedsbeitrag enthalten. Sanitätsoffiziere der Bundeswehr, die Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. sind, erhalten die „Wehrmedizinische Monatsschrift“ über ihre Dienststellen.

Datenschutz: Es gelten die Datenschutzbestimmungen der Beta Verlag & Marketing GmbH, abrufbar unter https://www.beta-publishing.com/datenschutz.