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Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde PDF

WENN DAS OHR STREIKT

Die intratympanale Therapie von Innenohrerkrankungen

Guido Mühlmeiera, Matthias Tischa

a Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Klinik V – Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie

Zusammenfassung

Für die Therapie von Erkrankungen des Innenohres, wie z. B. Hörsturz, Tinnitus oder Lärmtrauma sowie von vestibulären Funktionsstörungen existieren bis heute überwiegend keine standardisierten Therapieansätze mit hinreichender Evidenz. Überwiegend werden durchblutungsfördernde und entzündungshemmende Mittel systemisch eingesetzt, was hohe Blutspiegel erfordert und mit unerwünschten Wirkungen einhergehen kann.

Die intratympanale Therapie spielt hier nicht nur als ultima ratio, sondern auch als primärer Behandlungsansatz eine zunehmende Rolle und wird in diesem Beitrag vorgestellt.

Schlüsselwörter: Tinnitus, Hörsturz, Schwindel, Innenohr, intratympanale Therapie, Vestibularorgan

Keywords: tinnitus, hearing loss, vertigo, inner ear, intratympanic therapy, vestibular organ

Einleitung

Das menschliche Innenohr ist ein komplexes, hoch sensibles Organ und besteht aus zwei wesentlichen Kompartimenten: dem Vestibularorgan für das periphere Gleichgewichtsempfinden und der Cochlea als Hörorgan. Akute Innenohrerkrankungen sind häufig; hierzu zählen Lärmtraumata, Hörstürze, Tinnitus, Gleichgewichtsausfälle und Attackenschwindel.

Für die medikamantöse Therapie ist das Innenohr entweder systemisch auf transoralem und intravenösem Weg oder lokal über einen intratympanalen Zugang zu erreichen. Dabei ermöglicht der lokale Zugang unter Vermeidung systemischer unerwünschter Wirkungen einen höheren Medikamentenspiegel im Zielorgan als bei oraler oder parenteraler Anwendung.

Hörsturztherapie

Für die Therapie von Hörstürzen und/oder akutem Tinnitus existieren bis heute keine gut validierten Daten. Die Behandlung folgt deshalb einem Pragmatismus, der auf die antiinflammatorische und antiödematöse Wirkung der angewandten Arzneimittel abzielt.

Hörsturz und Tinnitus sind Erkrankungen, die mit einer wesentlichen Einschränkung der Lebensqualität einhergehen, wobei gemäß der aktuellen AWMF-Leitlinie 017–010 „Hörsturz (akuter idiopathischer sensorineuraler Hörverlust)“ [1] akuter Tinnitus aus therapeutischer Sicht als Hörsturzäquivalent zu betrachten ist, was grundsätzlich einen Behandlungsversuch rechtfertigt. Ein Hörsturz ist – auch unter prognostischen Gesichtspunkten – kein Notfall, der sofort therapiert werden muss. Es handelt sich um ein akutes Krankheitsbild, welches optimal innerhalb der ersten 72 Stunden behandelt werden sollte.

Aus Behandlungsdaten von Lärmtraumata resultiert die Empfehlung, Steroide frühzeitig und hoch dosiert einzusetzen, beispielsweise als Infusionen an 3 aufeinander folgenden Tagen unter Zusatz von je 250 mg Prednisolonäquivalent. In den letzten Jahren werden auch höher dosierte orale Administrationen beobachtet, ohne dass hierfür validierte Daten zur Wirksamkeit vorliegen.

Bei ungenügendem Erfolg der systemischen Therapie oder Kontraindikationen gegen systemisch eingesetzte Steroide sollten dem Betroffenen lokale, intratympanal applizierte Medikamentengaben empfohlen werden. Kontraindikationen gegen eine systemische Steroid-Therapie bestehen u. a. bei Diabetes mellitus, arterieller Hypertonie, Depressionen, Schizophrenie, Magen-Darm-Ulzera, Glaukom und chronischen Infektionen. Durch die hoch dosierte systemische Steroidgabe können Hyperglykämie mit Diabetes-Induktion, hypertensive Krisen, depressive oder schizoide Schübe sowie avaskuläre Nekrosen ausgelöst werden [8]. Hier bietet die intratympanale Therapie eine Alternative.

Intratympanale Therapie

Intratympanale Therapie – eine Erfolgsgeschichte

Die Anfänge der intratympanalen Therapie reichen für die Behandlung von Morbus Menière rund 30 Jahre zurück, ihr Einsatz zur Therapie von Hörstürzen erfolgte erstmals vor etwa 25 Jahren. Zur Anwendung kommen Glukokortikosteroide, da entsprechende Rezeptoren an vielen Stellen des Innenohrs exprimiert werden. Im posttraumatischen Stoffwechsel besteht im Corti-Organ eine überschießende Aktivierung von intrazellulärem Stress, der sich nach Induktion von Transkriptionsfaktoren (z. B. nuclear factor-κ B, kurz: NFκB) durch Produktion inflammatorischer Zytokine und Stressproteine auswirkt [2]. Eine transitorische Aktivierung resultiert in einer Remission, während starke und/oder länger anhaltende Aktivierungen zu irreversiblen Haarzellschäden und damit zu persistierendem Hörverlust führen können.

Konzept der intratympanalen Injektion

Um das Innenohr zu erreichen, ist ein Zugang über den äußeren Gehörgang durch das Trommelfell in die Paukenhöhle erforderlich (siehe Abbildung 1). Die dort applizierte Medikamentenlösung diffundiert durch die Rundfenstermembran, das ovale Fenster und Knochenspalten in das Innenohr. Dieses ist nach außen durch Membranen gesichert, deren Permeabilität für den jeweiligen Wirkstoff durch Substanzen wie Hyaluronsäure, Streptolyson-O oder Dimethylsulfoxid (DMSO) gesteigert werden kann [9]. Dabei sind 3 Schichten zu überwinden: die Mittelohrschleimhaut, die Bindegewebsfasern der Membran und das Epithel des Labyrinths. Man geht davon aus, dass der Hauptanteil der Resorption über die Rundfenstermembran läuft, da das ovale Fenster wesentlich durch die Stapesfußplatte ausgefüllt ist und diese wiederum mit einem bandartigen Apparat, dem Ligamentum anulare, nach seitlich am Promontorium befestigt ist. Zwischenzeitlich konnte in MRT-Studien gezeigt werden, dass diese Route vergleichbar für Medikamente passierbar ist [4].

Abb. 1: (A) Zugangsweg zur intratympanalen Injektion, (B) präferierte Punktionslokalisation

Im Innenohr finden sich zwei voneinander getrennte Flüssigkeitsräume, die mit Perilymphe bzw. Endolymphe gefüllt sind. In der Cochlea sind die Scala vestibuli als schallzuführender Raum und die Scala tympani als schallabführender Raum mit Perilymphe gefüllt. Dazwischen liegt der mit Endolymphe gefüllte Ductus cochlearis, der mit dem Corti-Organ die Zellen des Hörsinnesorgans beinhaltet.

Injektionsabläufe

Verwendet werden unterschiedliche Steroide, weltweit am häufigsten Dexamethason. Dieses hängt mit einer guten Verfügbarkeit in portionsgerechten Ampullen, einer sicheren Anwendbarkeit und einem guten Patientenkomfort nach der Injektion zusammen. Die in Deutschland übliche Konzentration liegt bei 4 mg/ml, wobei mit einer Lösung, die 8 mg/ml enthält, noch bessere Ergebnisse erzielt werden konnten. Alternativ kommen Methylprednisolon (32 mg/ml) und Prednisolon (100 mg/ml) mit bezüglich der Hörverbesserung vergleichbaren Ergebnissen zur Anwendung. Letztere verursachen jedoch beim Patienten nach der Injektion häufig ein Brennen, das bis zu 2 h anhält [6].

Die Intervalle zwischen den Injektionen liegen bei 1–7 Tage und sollten für eine Injektionsserie von 3 Injektionen eine Gesamtdauer von 10 Tagen nicht überschreiten. Abhängig vom Schweregrad der Innenohrschädigung kann es indiziert sein, deutlich mehr als 3 Injektionen pro Behandlungsfall durchzuführen.

Injektionstechnik

Die einzelne Injektion erfolgt in Seitenlage – mit dem betroffenen Ohr nach oben zeigend – unter vorheriger Sprühanästhesie des Trommelfells. Das Entfernen des Lokalanästhetikums muss vor der Injektion vollständig erfolgen, da Überstände sonst gerne ins Mittelohr laufen und dort eine Labyrinthanästhesie mit heftigem Schwindel, Übelkeit und Erbrechen hervorrufen können. Bei der Entfernung der Injektionskanüle ist darauf zu achten, dass bei Anwendung eines Ohrsaugers im Ohr kurzzeitig Lautstärken von bis zu 110 dB entstehen können.

Die Injektion erfolgt in der Nähe des Umbo vom Hammer, bevorzugt im Übergang des hinteren oberen zum hinteren unteren Quadranten (siehe Abbildung 2B). Je nach Zugänglichkeit und Lage des Trommelfells in der Ebene kann eine zusätzliche höher gelegene Perforation zur Entlüftung hilfreich sein. Bei empfindlichen Patienten kann hierdurch ein druckbedingter Schwindel vermieden werden.

Injiziert werden 0,3 bis 0,4 ml der Steroidlösung, die im Vorfeld während der Einwirkzeit des Lokalanästhetikums in der Hand oder der Achselhöhle des Patienten angewärmt werden. Für die Injektion sind mittlerweile neben den ursprünglich verwendeten langen Kanülen mit 0,5 bis 0,6 mm Durchmesser bereits vorgebogene, vorne verjüngte Kanülen mit 0,3 mm Durchmesser kommerziell erhältlich (siehe Abbildung 2). Nach der Injektion bleibt der Patient für 20–30 min in der Seitenlage (v. a. des ­Kopfes) ruhig liegen, ohne dabei zu sprechen oder zu kauen [5].

Abb. 2: (A) Material für die intratympanale Injektion; (B) vergrößerte Darstellung der Kanülenspitze mit Verjüngung zur Schonung des Trommelfells und zum Schutz vor Berührung der Rundfenstermembran bei der Injektion

Nach dem Aufrichten kann der Patient den Überstand des applizierten Medikaments aus dem Gehörgang herauslaufen lassen. Der im Mittelohr verbleibende Rest fließt innerhalb von bis zu 2 h über die Tuba Eustachii in den Pharynx ab und verursacht typischerweise einen bitteren Geschmack. Vor dem Führen eines Kraftfahrzeugs ist insbesondere nach der ersten Injektion das Gleichgewichtsempfinden des Patienten zu überprüfen. Ferner wird dieser angewiesen, das Eintreten von Wasser oder anderen Flüssigkeiten in den Gehörgang für 24 h nach der Injektion zu meiden, damit sich in der Zwischenzeit die Perforation im Trommelfell verschließen kann. Über mehrere Tage offenbleibende Perforationen sind selten, müssen jedoch vor Beginn der nächsten Injektion mikroskopisch und ggf. tympanometrisch ausgeschlossen werden.

Bei Einhaltung der beschriebenen Standards ist das Verfahren der intratympanalen Injektion auch aus eigenen Erfahrungen von über 15 Jahren äußerst komplikationsarm.

Weiterentwicklungen der intratympanalen Therapie

Wirksam auch bei nicht erfolgreicher Primärtherapie

In den letzten Jahren wurden zahlreiche Daten publiziert, aus denen hervorgeht, dass die primäre intratympanale Therapie im Ergebnis mit den intravenösen Therapien vergleichbar ist und auch bei nicht erfolgreicher Primärtherapie bei etwa 80 % der Betroffenen einen positiven Einfluss auf das Hörvermögen aufweist [3]. Eigene Daten an Patienten mit pantonalem Hörsturz bestätigen, dass selbst in dieser Situation mit schlechter Prognose bei zügig eingeleiteter und konsequent durchgeführter intratympanaler Therapie mit ggf. erhöhter Anzahl an Injektionen eine komplette Remission möglich ist [6]. Bei einer fortgeschrittenen akuten Hörstörung bis hin zur akuten Ertaubung ist das simultane Vorgehen auf systemischem und lokalem Weg mit sehr eng gehaltenen Injektionsabständen zu empfehlen. Unter Umständen ist in dieser Situation auch eine Tympanoskopie mit Einbringen eines Medikamententrägers in das Mittelohr indiziert, der mit einer Steroidlösung getränkt wird und so zur kontinuierlichen Abgabe des Medikaments beiträgt.

Neue Substanzen

NMDA-Rezeptor-Antagonisten

Neuere Entwicklungen haben die Wirksamkeit der intratympanalen Anwendung anderer Substanzen gezeigt. Im Bundeswehrkrankenhaus (BwKrhs) Ulm wurde unter wesentlicher Beteiligung des Autorenteams dieses Beitrags die Sicherheit und Wirksamkeit eines NMDA1-Rezeptor-Antagonisten zur Behandlung von akutem Tinnitus erforscht [5][10]. Die Substanz enthält eine Mischung unter Beimengung eines Ketamin-Abkömmlings und wird im Regelfall dreimal im Abstand weniger Tage appliziert. Entscheidend für die Wirksamkeit ist der Nachweis der cochleären Schädigung durch den Entstehungsmechanismus. Dies bedeutet eine sehr gute Wirksamkeit bei lärminduziertem Tinnitus, während Hörstürze in Verbindung mit Tinnitus offenbar inhomogene pathologische Veränderungen auslösen. Bei der Beurteilung der Wirksamkeit ist der zentrale Speichereffekt des Tinnitus im Hörgedächtnis zu beachten, der bei einigen Patienten bereits sehr kurzfristig auftritt und nach Beginn der Wirksamkeit im Innenohr etwa 3 Wochen benötigt, um den Ton aus dem Gedächtnis loszulassen.

Apoptose-Hemmer, Dexamthason-Gel, Kontrastmittel

Eine weitere Neuentwicklung ist die Anwendung eines Apoptosehemmers zur Behandlung von lärminduziertem Hörverlust. Die Entwicklung befindet sich in Phase II und weist vielversprechende Ergebnisse auf.

Bereits in Phase III ist die gel-basierte Formulierung eines Dexamethason enthaltenden Präparats, das zu einer längeren Standzeit des Wirkstoffs im Mittelohr und damit zu prolongierter Medikamenteneinwirkung auf das Innenohr führt.

Die Gabe von Kontrastmitteln auf intratympanalem Zugangsweg ist ein aktuell noch experimentelles Verfahren zur Verbesserung der MRT-Diagnostik des Morbus ­Menière [4].

Intratympanale Therapie bei Morbus Menière

Ursprüngliche, sehr lange zurück liegende, intratympanale Anwendungen von Medikamenten betreffen die ototoxische Substanz Gentamycin, einem zur Gruppe der Aminoglykoside zählenden Antibiotikum. Der hohe Leidensdruck von Patienten mit häufigen und heftigen ­Attacken eines Morbus Menière führte zur lokalen Applikation dieser Substanz mit dem Ziel einer Herabsetzung der Gleichgewichtsempfindung auf dem betroffenen Ohr – unter Inkaufnahme einer parallel induzierten Hör­minderung.

Aktuelle Studien belegen eine gute Wirksamkeit durch eine dreimalige intratympanale Steroidgabe bei Morbus Menière [7], die theoretisch nahezu beliebig oft wiederholt werden kann. Lässt sich hierdurch keine suffiziente Reduktion von Anzahl und Schweregrad der Schwindelattacken erzielen, wird neben der Saccotomie als operativem Eingriff auch die einmalige, hoch dosierte Applikation von Gentamycin in einer Konzentration von mindestens 40 mg/ml durchgeführt. Durch dieses Applikationsregime gelingt es bei den meisten Patienten, eine Schwächung des vestibulären Empfindens unter weitgehender Schonung der Cochlea zu erreichen.

Fazit

Zusammenfassend handelt es sich bei der intratympanalen Injektionstherapie um ein effektives, komplikationsarmes und für den Patienten gut verträgliches, modernes Therapieverfahren, das in den meisten HNO-Kliniken und in einigen ambulanten Einrichtungen angeboten wird. Sie bietet Patienten eine wertvolle Zusatzchance, wenn die „klassische“ Therapie erfolglos bleibt.

Wichtig sind gute Aufklärung und adäquate Vorbereitung des Patienten, der bei Erwähnung des Verfahrens zunächst oft ängstlich reagiert, nach erfolgter Therapie unter guter ärztlicher Führung und Anleitung jedoch entspannt und mit Motivation den Heilungsprozess angehen kann.

Literatur

  1. DGHNO-KHC: Leitlinie Hörsturz (Akuter idiopathischer sensorineuraler Hörverlust) vom 31.01.2014. , letzter Aufruf 12. Mai 2022. mehr lesen
  2. Khan M, Szczepek AJ, Haupt H, Olze H, Mazurek B: Expression of the proinflammatory cytokines in cochlear explant cultures: influence of normoxia and hypoxia. Neurosci Lett 2010; 479(3): 249-252. mehr lesen
  3. Kim YH, Park KT, Choi BY, Park MH, Lee JH, Oh SH, Chang SO: Early combination treatment with intratympanic steroid injection in severe to profound sudden sensorineural hearing loss improves speech discrimination performance. Eur Arch Otorhinolaryngol 2012; 269(10): 2173-2178. mehr lesen
  4. Lobo D, Tuñón M, Villarreal I, Brea B, García-Berrocal JR: Intratympanic gadolinium magnetic resonance imaging supports the role of endolymphatic hydrops in the pathogenesis of immune-mediated inner-ear disease. J Laryngol Otol 2018; 132(6): 554-559. mehr lesen
  5. Muehlmeier G, Biesinger E, Maier H: Safety of intratympanic injection of AM-101 in patients with acute inner ear tinnitus. Audiol Neurootol 2011; 16(6): 388-397. mehr lesen
  6. Mühlmeier G, Maier S, Maier M, Maier H: Intratympanale Injektionstherapie bei therapierefraktärem Hörsturz – eine sichere Therapieoption zur Sekundärtherapie. HNO 2015; 63(10): 698-700. mehr lesen
  7. Patel M: Intratympanic corticosteroids in Meniere’s disease: A mini-review. J Otol 2017; 12(3): 117-124. mehr lesen
  8. Rohrmeier C, Koemm N, Babilas P, Prahs P, Strutz J, Buettner R: Sudden sensorineural hearing loss: systemic steroid therapy and the risk of glucocorticoid-induced hyperglycemia, Eur Arch Otorhinolaryngol 2013; 270(4): 1255-1261. mehr lesen
  9. Shibata SB, Cortez SR, Wiler JA, Swiderski DL, Raphael Y: Hyaluronic acid enhances gene delivery into the cochlea. Hum Gene Ther 2012; 23(3): 302-310. mehr lesen
  10. Van de Heyning P, Muehlmeier G, Cox T, Lisowska G, Maier H, Morawski K, Meyer T: Efficacy and Safety of AM-101 in the Treatment of Acute Inner Ear Tinnitus - A Double-Blind, Randomised, Placebo-Controlled Phase II Study. Otol Neurotol 2014; 35(4): 589-597. mehr lesen

Manuskriptdaten

Zitierweise

Mühlmeier G, Tisch M: Die intratympanale Therapie von Innenohrerkrankungen. WMM 2022; 66(8): 274-277.

DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-30

Für die Verfasser
Oberfeldarzt Dr. Guido Mühlmeier
Bundeswehrkrankenhaus Ulm
Klinik V – Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie
Oberer Eselsberg 40, 89081 Ulm
E-Mail: guidomuehlmeier@bundeswehr.org">guidomuehlmeier@bundeswehr.org


1 NMDA-Rezeptor: Ionenkanäle in der Zellmembran, die durch die Ligandenbindung mit Glutamat aktiviert werden. NMDA steht für N-Methyl-D-Aspartat, welches natürlicherweise nicht im Organismus vorkommt, im Experiment aber den gleichen Effekt wie Glutamat zeigt.

Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde PDF

NICHT IMMER EIN ROUTINEFALL

Infektiöse Mononukleose – eine Viruserkrankung mit Tücken

Jan R. Hagmanna, Jens Foerstera, Tobias Schneiderc, Christian M. Zobelb,Herbert Eichwalda

a Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Klinik V – Hals-Nasen-Ohren-Heil­kunde, Kopf- und Hals-Chirurgie

b Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Klinik I – Innere Medizin

c Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Abteilung IX – Radiologie

Zusammenfassung

Hintergrund: Die infektiöse Mononukleose wird durch das hochansteckende Epstein-Bar-Virus verursacht. Eine fieberhafte Angina tonsillaris mit weiß-gräulichen Belägen, generalisierte Lymphknotenschwellungen, Fieber und eine Splenomegalie gehören zu den typischen Symptomen. Die Behandlung erfolgt in der Regel symptomatisch. Kommt es zu bakteriellen Superinfektionen, sollten Aminopenicilline vermieden werden. Eine seltene Komplikation sind peritonsilläre Abszesse, die nahezu immer einer chirurgischen Behandlung bedürfen. Andere Komplikationen sind ungewöhnlich. Treten sie allerdings auf, ist ein streng interdisziplinäres und schrittweises Vorgehen entscheidend.

Fallbeschreibung: Ein 17-jähriger männlicher Patient entwickelte im Rahmen einer infektiösen Mononukleose mit bakterieller Superinfektion unter antibiotischer Therapie mit Clindamycin Peritonsilarabszesse, die eine beidseitige Abszesstonsillektomie erforderten.

Nach kurzzeitiger, vorübergehender Beschwerdebesserung kam es zu einer Schwellung der linken Hals- und Gesichtsseite und einer deutlichen Minderung des Allgemeinzustands. Bei Verdacht auf eine Gesichtsphlegmone wurde die Antibiotikatherapie auf Piperacillin/Tazobactam und Metronidazol eskaliert. Das Antibiogramm wies eine für Deutschland eher ungewöhnliche Resistenz gegen Clindamycin nach, woraufhin die Antibiotikatherapie auf Penicillin umgestellt wurde. Im CT stellte sich später eine komplexe Thrombose der Halsvenen dar, die zudem den Verdacht einer Phlegmone widerlegte.Im Thrombophilie-Screening zeigte sich eine heterozygote Faktor-II-Mutation. Die Thrombose heilte folgenlos aus.

Schlussfolgerung: In der Hals-Nasen-Ohren Heilkunde ist die infektiöse Mononukleose ein Dauerbrenner. Die Kombination aus beidseitigen Peritonsillarabszessen, komplexen Thrombosen der Vena jugularis interna und Faktor-II-Mutation ist jedoch ungewöhnlich. Dieses Beispiel zeigt eindrucksvoll, wie eine vermeintlich einfache EBV-Infektion zu einem Fallstrick werden kann, wenn Standardverfahren wie Antibiotic Stewardship, schrittweise aufgebaute Diagnostik, strikte interdisziplinäre Zusammenarbeit und daraus resultierende Therapieentscheidungen nicht konsequent durchgeführt werden.

Schlüsselworte: EBV-Infektion, Peritonsillarabszess, Jugularvenenthrombose, Faktor-II-Mutation, infektiöse Mononukleose, Clindamycin-Resistenz

Keywords: EBV infection, peritonsillar abscess, jugular vein thrombosis, factor II mutation, infectious mononucleosis, clindamycin resistance

Einleitung

Die infektiöse Mononukleose (IM) wird durch das Epstein-Barr-Virus (EBV, HHV4) verursacht, das als ubiquitäres Herpesvirus zur Familie der humanen Herpesviren gehört (Serumprävalenz <90%).

Klinisches Bild

Neben einer febrilen Angina tonsillaris mit dem charakteristischen weißlichen Exsudat, einer generalisierten Lymphadenopathie und in 50 % der Fälle einer Splenomegalie sind die primären klinischen Manifestationen [5][11][12]:

  • ausgeprägte Müdigkeit,
  • Kopfschmerzen,
  • Myalgien,
  • palatinale Petechien und
  • abdominale Schmerzen.

In der Blutuntersuchung sind eine Lymphozytose und erhöhte Transaminasen häufig. Die Leberfunktionsstörungen gehen normalerweise nicht mit einer Bilirubinämie einher und bilden sich nach etwa 20 Tagen zurück [12].

In der Regel führt eine IM nicht zur stationären Aufnahme im Krankenhaus. Zu erwartende Komplikationen sind bakterielle Superinfektionen, vor allem der Gaumenmandeln, die in Ausnahmefällen zu Abszessen führen können.

Therapie

Das therapeutische Konzept der IM besteht aus der symptomatischen Behandlung mit kombinierter antipyretischer sowie analgetischer Therapie und körperlicher Schonung. Eine antivirale Therapie oder Kortikosteroide wird grundsätzlich nicht empfohlen [11][12]. Verschiedene Studien zeigten zuletzt, dass der Einsatz von Aciclovir zwar die Virusausscheidung, nicht aber den Schweregrad oder die Dauer der Erkrankung verringert [13].

Differenzialdiagnosen

Weitere Differenzialdiagnosen der infektiösen Pharyngitis sind Infektionen mit dem humanen Herpesvirus 6, dem Cytomegalievirus, dem Coxsackie-Virus, mit Parainfluenza- und Influenzaviren sowie die Toxoplasmose und akute HIV-Infektionen [12]. Die häufigsten Erreger einer Pharyngitis sind allerdings Adeno- oder Rhinoviren 9].

Bakterielle Superinfektionen

Im Rahmen einer Pharyngitis werden häufig Streptokokken der Gruppe A nachgewiesen, bei denen es sich meist um eine Kolonisation und nicht um eine Infektion handelt [12]. Dieses muss durch den Untersucher sauber getrennt werden, da die Infektion mit Streptokokken der Gruppe A auf Komplikationen hinweisen kann und damit eine therapeutische Konsequenz entsteht 9].

Bei Nachweis von Streptokokken der Gruppe A im Rachenraum kann eine Therapie mit Penicillin, bei Unverträglichkeit mit Clindamycin oder Clarithromycin in Betracht gezogen werden [14]. Aminopenicilline sollten im Rahmen einer IM vermieden werden, auch wenn neuere Studien zeigten, dass die Wahrscheinlichkeit eines Arzneimittelexanthems viel geringer ist, als bisher angenommen [4].

Eindeutige Indikationen für den Einsatz von Antibiotika im Zusammenhang mit EBV-Infektionen sind spezifische Komplikationen, wie z. B. Peritonsillarabszess, retropharyngealer Abszess, akute Epiglottitis oder Lemierre-Syndrom1 [3][9]. Der Centor-Score2 sollte als validierte Entscheidungshilfe zur Antibiotikatherapie auch von erfahrenen Behandlern herangezogen werden [7].

Komplikationen

Nur ein Prozent der Patienten entwickelt Abszesse neben einer IM [10]. Unbehandelte Peritonsillarabszesse führen zu einer Ausbreitung der Infektion auf Gewebe des tiefen Halses oder sogar des Mediastinums. Neben einer lebensbedrohlichen Atemwegsobstruktion muss mit einer Jugularvenenthrombose, Blutungen oder septischen Nekrosen gerechnet werden. Risikofaktoren für die Entwicklung dieser Abszesse sind Rauchen, oropharyngeale Infektionen, männliches Geschlecht und ein Alter zwischen 20 und 40 Jahren [8]. Peritonsillarabszesse sollten zunächst mit intraoralen Nadelaspirationen behandelt werden. Nur bei unzureichender Wirkung empfiehlt sich eine Inzision und Drainage des Abszesses [1].

Fallbericht

Aufnahmebefund

Ein 17-jähriger männlicher Patient stellte sich in der Notaufnahme des Bundeswehrkankenhauses (BwKrhs) Berlin mit starken dysphagischen Beschwerden, weißlich-grau belegten „kissing-tonsils“ und einer begleitenden beidseitigen zervikalen Lymphadenopathie vor. Laborchemisch zeigten sich zunächst eine Leukozytose und Lymphozytose im Differentialblutbild, daneben eine Erhöhung des CRP-Wertes, der Transaminasen und der Gamma-GT. Die Sonographie der Oberbauchorgane ergab eine mäßige Hepatosplenomegalie.

Therapie

Initialbehandlung

Aufgrund subfebriler Temperaturen, der Entzündungskonstellation im klinischen Labor und der massiv vergrößerten Tonsillen wurde der Patient mit dem Verdacht auf eine bakteriell superinfizierte Tonsillitis im Rahmen einer EBV-Infektion stationär aufgenommen und mit Clindamycin und Kortison behandelt. Clindamycin wurde anstelle von Penicillin eingesetzt, da der Patient eine Penicillin-Unverträglichkeit angab [2][6]. In der später eintreffenden EBV-Serologie wurden IgG- und IgM-Antikörper im Sinne einer subakuten Mononukleose nachgewiesen. Im stationären Verlauf entwickelte der Patient unter laufender antibiotischer Therapie Fieber und ­beidseitige Peritonsillarabszesse, die eine Operation erforderten. Nach der Operation fielen die Entzündungsparameter, woraufhin bei deutlich gebessertem Allgemeinzustand die antibiotische Behandlung nach der Operation oralisiert wurde.

Abb .1: 17-jähriger Patient, 5 Tage nach Abszesstonsillektomie, zunehmende linksseitige Gesichtsschwellung

Komplikationen

Nach initial postoperativer klinischer Besserung verschlechterte sich der Zustand des Patienten am 5. postoperativen Tag. Neben einem deutlichen Anstieg der Entzündungsparameter fiel eine ausgeprägte linksseitige Gesichtsschwellung auf (Abbildung 1). Bei dem Verdacht auf eine Gesichtsphlegmone wurde die antibiotische Therapie auf Piperacillin/Tazobactam und Metronidazol eskaliert.

Am Folgetag entwickelte sich ein Arzneimittelexanthem ohne Juckreiz. Das Kopf-Hals-CT zeigte eine diffuse Weichteilschwellung mit zervikaler Lymphadenopathie, eine ausgedehnte verzweigte Thrombose der Vena jugularis interna und weiterer Halsvenen auf der linken Seite. Ein Anhalt für Abszesse ergab sich nicht (Abbildung 2).

Abb. 2: Kopf-Hals-CT nach Auftreten der Gesichtsschwellung:

(A) Langstreckiger Thrombus in der Vena jugularis interna links

(B) Pfeil weiß: Submentale Vene mit Thrombus, Pfeil gelb: Vena jugularis interna mit Thrombus (C) Vergrößerte Lymphknoten entlang der Gefäß-/Nervenstraße links

(D) Vergrößerte Lymphknoten submandibulär links

Weiterer Verlauf

Im gleichen Zeitraum trafen die Ergebnisse der mikrobiologischen Diagnostik ein, die vor und während der Operation entnommen wurden: In den Blutkulturen ­wurde Streptococcus intermedius – resistent gegen Clindamycin – und in den perioperativen Abstrichen Staphylococcus aureus neben Streptococcus anginosus nachgewiesen (Tabelle 1). Nach dem Ausschluss von Abszessen und einer fortschreitenden Entzündung wurde die Antibiotikatherapie auf Penicillin deeskaliert.

Die atypische Thrombose wurde zunächst mit niedermolekularem Heparin behandelt und zur Entlassung auf Rivaroxaban umgestellt. Das anschließende Thrombophiliescreening zeigte eine heterozygote Faktor-II-Mutation.

Nach einem dreiwöchigen stationären Aufenthalt wurde der Patient in gutem Allgemeinzustand entlassen. Die Befunde bei den anschließenden Kontrollterminen waren unauffällig.

 

Tab. 1: Antibiogramm der Bakterien aus Abszess und Blutkultur

Diskussion und Fazit

Die IM erfordert meist nur eine symptomatische Therapie, die in der Regel ambulant durchgeführt wird [11][12]. Eine stationäre Behandlung ist nur dann erforderlich, wenn eine erhebliche Beeinträchtigung (z. B. Unfähigkeit zur Nahrungsaufnahme) oder Hinweise auf eine schwerwiegende Komplikation vorliegen [3]. Obwohl in diesem Fall der Verdacht auf eine bakterielle Superinfektion bestand, hätte eine Antibiotikatherapie mit Clindamycin ambulant durchgeführt werden können. Der Patient war in diesem Fall war zwar krank, dennoch ist die Entscheidung zur stationären Aufnahme in erster Linie auf ein schlechtes Bauchgefühl des behandelnden Arztes zurückzuführen und nur bedingt objektivierbar.

Die bakterielle Superinfektion einer EBV-Tonsillitis ist, im Gegensatz zu bakteriellen Besiedlungen, selten, sollte aber nicht ausgeschlossen werden. Die insgesamt umstrittene antibiotische Behandlung erfolgt in der Regel auf Grundlage des klinischen Verdachts und des laborchemischen Hinweises auf eine bakterielle Infektion [12].

Kommt es zu einer nachweisbaren Superinfektion mit Abszessen, ist immer eine antiinfektive Therapie sowie nahezu immer eine chirurgische Sanierung erforderlich. Diese muss mit der Entnahme von Material für Kulturen einhergehen, idealerweise vor Beginn der Antibiotikabehandlung [8]. Die Abszessspaltung führte in diesem Fall zu einer erwarteten Befundbesserung, woraufhin die Antibiotikatherapie oralisiert wurde.

Die Bedeutung von intraoperativen Abstrichen und Entnahme von mikrobiologischem Material (Blutkulturen) wird besonders deutlich, wenn Komplikationen auftreten. Eine adäquat kalkulierte und leitliniengerechte Antibiotikatherapie kann bei angelegten Kulturen im klinischen Verlauf an den Erreger angepasst werden.

Die Verschlechterung des Allgemeinzustandes war in diesem Fall auf eine schlecht kontrollierte Infektion mit einer unerwarteten Resistenz zurückzuführen. Außerdem entwickelte der Patient eine komplexe Thrombose, die zunächst als Phlegmone bei ausgeprägter Gesichtsschwellung imponierte und retrospektiv gesehen fehlinterpretiert wurde.

Der kluge Einsatz einfacher diagnostischer Mittel in Verbindung mit einer wiederholten systematischen Bewertung der gesamten Klinik und aller Befunde, begleitet von einer durchdachten schrittweisen Eskalation der Therapie, ist insbesondere bei unerwarteten Komplikationen entscheidend. In diesem Fall hätte z. B. eine Ultraschalluntersuchung als einfach zu handhabendes Instrument die komplexe Jugular- und Gesichtsvenenthrombose als Ursache der unklaren Gesichtsschwellung früher aufdecken können. Dies hätte vor einer Fehleinschätzung bewahrt, die zu einer unverhältnismäßigen Antibiotikatherapie und der erst späteren Entdeckung der Thrombose führte.

Ungewöhnlich und selten bleibt selten und ungewöhnlich: Eine komplexe Jugularvenenthrombose ist keine zu erwartende Komplikation einer EBV-Infektion oder eines Peritonsillarabszesses. Einerseits kommen Thrombosen in entzündetem Gewebe regelmäßig vor, andererseits müssen solche Vorkommnisse aufhorchen lassen. Oft gibt es eine einfache Erklärung, wie in diesem Fall eine Faktor-II-Mutation, die neben der Entzündung sicherlich die Ausbildung der Thrombose begünstigt hat.

Fazit

Dieser Fall zeigt eindrucksvoll, dass vermeintlich einfache Krankheitsbilder – wie eine infektiöse Mononucleose – schnell einen komplexen Verlauf haben können und dann zwingend einer interdisziplinären Zusammenarbeit bedürfen.

Kritisch ist zu sehen, wenn Patienten eine Penicillin-Unverträglichkeit oder gar -Allergie angeben und deshalb ein Antibiotikum „zweiter Wahl“ – hier Clindamycin – eingesetzt wird, insbesondere wenn die Resistenzentwicklung gegen dieses fortschreitet [15].

Literatur

  1. Baldassari C, Shah RK: Pediatric peritonsillar abscess: an overview. Infect Disord Drug Targets 2012; 12(4): 277-280. mehr lesen
  2. Berner R, Steffen G, Toepfner N, Waldfahrer F, Windfuhr J: Therapie entzündlicher Erkrankungen der Gaumenmandeln – Tonsillitis. AWMF- S2k-Leitlinie 2015 (AWMF-Register-Nr. 017/024, in Überarbeitung)., letzter Aufruf 27. Mai 2022. mehr lesen
  3. Bochner RE, Gangar M, Belamarich PF: A Clinical Approach to Tonsillitis, Tonsillar Hypertrophy, and Peritonsillar and Retropharyngeal Abscesses. Pediatr Rev 2017; 38(2): 81-92. mehr lesen
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  5. Dunmire SK, Verghese PS, Balfour HH Jr.: Primary Epstein-Barr virus infection. J Clin Virol. 2018; 102: 84-92. mehr lesen
  6. Federspil P: Antibiotikatherapie bei HNO-Infektionen. AWMF - S2K-Leitlinie 2019 (AWMF-Register-Nr. 017/066). , letzter Aufruf 27. Mai 2022. mehr lesen
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  13. Tynell E, Aurelius E, Brandell A et al.: Acyclovir and prednisolone treatment of acute infectious mononucleosis: a multicenter, double-blind, placebo-controlled study. J Infect Dis 1996; 174(2): 324-331. mehr lesen
  14. van Driel ML, De Sutter AI, Thorning S, Christiaens T: Different antibiotic treatments for group A streptococcal pharyngitis. Cochrane Database Syst Rev 2021; 3(3): Cd004406. mehr lesen
  15. White BP, Siegrist EA: Increasing clindamycin resistance in group A streptococcus. Lancet Infect Dis 2021; 21(9): 1208-1209. mehr lesen

Hinweis zu Abbildung 1

Das Einverständnis des Patienten (und der Mutter) zur Wiedergabe der Bilder mit gegebener Erkennbarkeit liegt dem Erstautor in schriftlicher Form vor.

Manuskriptdaten

Zitierweise

Hagmann JR, Foerster J, Schneider T, Zobel CM, Eichwald H: Infektiöse Mononukleose – eine Viruserkrankung mit Tücken. WMM 2022; 66(8): 278-282.

DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-34

Für die Verfasser

Oberfeldarzt Dr. Jens Förster

Bundeswehrkrankenhaus Berlin

Klinik V – Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie

Scharnhorststr. 13, 10115 Berlin

E-Mail: jens1foerster@Bundeswehr.org


1 Lemierre-Syndrom: Kombination aus eitriger Thrombophlebitis einer Vena jugularis und Auftreten septischer Embolien. Ursache: Anaerobe Bakterien, vornehmlich Fusobacterium necrophorum

2 Prüfung von 4 Parametern (Fieber, Husten, geschwollene oder schmerzhafte vordere Halslymphknoten, vergrößerte/belegte Tonsillen) zur Abschätzung der Wahrscheinlichkeit von A-Streptokokken als Ursache einer Pharyngitis

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