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HÖREN UND VERSTEHEN

Hörstörungen und Höranstrengung in anspruchsvollen Hörsituationen

Hearing impairment and hearing effort in demanding listening settings

Sandra Schmidta

a Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz, Klinik V – Hals-Nasen-OhrenHeilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie

Zusammenfassung

In alltäglichen Hörsituationen ist nicht allein das Verstehen von Sprache von großer Bedeutung. Wichtig ist die empfundene Höranstrengung während der Kommunikation und die daraus resultierende Ermüdung. Dabei kommt es sowohl auf die individuelle Bewertung als auch die verschiedenen Geräuschsituationen an.

Soldaten müssen sich verschiedensten akustischen Herausforderungen stellen und dennoch ihre Aufgaben auf dem Dienstposten wahrnehmen. Dazu gehören zum Beispiel:

• Tätigkeiten mit lauten Umgebungsgeräuschen von Flugzeuglärm, Panzern, Geschützen und Handfeuerwaffen,

• Verständigung in Gefechtssituationen mit akuter emotionaler Stresssituation oder

• Kommunikation im internationalen Einsatz (z. B. multinationalen Stäben) in der Nicht-Muttersprache.

Hörstörungen können hier erheblich erschwerend sein.

Schwerhörigkeiten sind wesentliche Gesundheitsprobleme der Menschheit, die jedes Alter betreffen können. Bei Erwachsenen kann eine unversorgte Schwerhörigkeit zu kommunikativer und sozialer Deprivation sowie zur Reduktion der Verwendungsfähigkeit führen. Wenn konventionelle Hörgeräte und ggf. Hörtraining nicht mehr ausreichen, muss an implantierbare Hörsysteme gedacht werden, um die Dienstfähigkeit zu erhalten.

Mit diesem Beitrag sollen eine

• Übersicht über die Prävalenz, Inzidenz, Diagnostik und Therapie von Hörerkrankungen im Erwachsenenalter und ein

• Überblick über individuelle Höranstrengung gegeben werden sowie

• Sensibilität für die besondere Notwendigkeit des guten Sprachverstehens bei anspruchsvollen Hörsituationen geschaffen werden.

Schlüsselworte: Hören, Hörverstehen, Fremdsprache, Höranstrengung, Schwerhörigkeit, Cochlea Implantat

Summary

In everyday listening situations, not only the understanding of speech is of high relevance. Even the perceived hearing effort while communicating and the resulting fatigue have to be taken into account. Both, the individual valuation and the different sound situations, are of the same value.

Soldiers are facing a wide spectrum of acoustic challenges while still performing their duties at their post, for example:

• activities involving loud ambient noise from aircraft, tanks, guns, and small arms,

• communication in combat situations involving acute emotional stress, or

• communication in international operations (e.g., multinational staffs) in a non-native language.

In those situations hearing impairment can put a significant burden on the individual.

Hearing loss is a major human health problem that can affect any age. In adults, unsupported hearing loss can lead to communicative and social deprivation, It can even reduce fitness for military duties. If conventional hearing aids and additional auditory training are not sufficient, implantable hearing aids must be considered to preserve ability for military service.

By this article we intend to

• give an overview of the prevalence, incidence, diagnosis, and treatment of hearing disorders in adults,

• present different types of individual hearing impairment, and

• to raise awareness of the special requirement for good speech understanding in challenging listening situations.

Keywords: hearing, listening comprehension, foreign language, hearing effort, hearing loss, cochlea implant

Einleitung

Töne und Geräusche gelangen in Form von Schallwellen durch unser Außenohr zum Mittelohr. Da Schallwellen nichts Anderes als Vibrationen sind, bringen sie im Mittelohr das Trommelfell zum Schwingen. Die Auslenkung des Trommelfells wird über die Ossikelkette auf das Innenohr übertragen.

Wenn die Schallvibrationen die Cochlea erreichen, versetzen sie dort die sogenannten Haarzellen in Schwingung. Diese wandeln die Vibration in elektrische Nervenimpulse um. Der Hörnerv und die Hörbahn verbinden die Cochlea mit jenen Bereichen im Gehirn, die für das Hören zuständig sind. Erst wenn Impulse über den Hörnerv zum Gehirn gelangen, können sie als Klänge und Geräusche wahrgenommen werden.

Sind einzelne Funktionen des Gehörs beeinträchtigt, resultiert ein Hörverlust mit mehr oder weniger starker Ausprägung und Folgen.

Arten von Hörverlusten

Manchmal funktioniert unser Gehör nicht so, wie es sollte. Hörverlust ist dabei eines von vielen Symptomen bei Erkrankungen des Ohrs. Dieser kann verschiedenste Ursachen haben und ein oder beide Ohren betreffen.

Es gibt vier Hauptarten von Hörverlust. Bei einem normalen Krankheitsverlauf kann jede von ihnen behandelt werden.

Schallleitungsschwerhörigkeit

Man spricht von Schallleitungsschwerhörigkeit, wenn das Außen- oder Mittelohr Schall nicht richtig weiterleiten kann. Das kann bei einer angeborenen Atresie des Ohres/Gehörganges oder auch bei einer Infektion des Gehörganges/Mittelohres auftreten. Am häufigsten sind hier die Paukenergüsse des Kindes oder auch bei Infekten der oberen Atemwege eines Erwachsenen zu nennen. Je nach Ursache sollte mittels Operation oder Knochenleitungshörgerät ein binaurales Hörvermögen wiederhergestellt werden.

Abb. 1: Reintonaudiometrie einer Schallleitungsschwerhörigkeit [14]

Innenohrschwerhörigkeit

Bei Innenohrschwerhörigkeit sind die Haarzellen in der Cochlea beschädigt oder gar nicht erst vorhanden. Das kann genetische Ursachen haben oder Folge eines Kopftraumas, übermäßigen Lärms oder anderer Umwelteinflüsse sein. Im Alter tritt eine Innenohrschwerhörigkeit vermehrt auf.

Die Innenohrschwerhörigkeit kann auch nur einseitig oder frequenzbetont auftreten. Je nach Grad des Hörverlustes sollte eine Innenohrschwerhörigkeit immer versorgt werden. Solange Hörgeräte ausreichen, sind diese Mittel der Wahl. Wenn aber selbst modernste Power-Hörgeräte keinen ausreichenden Hörgewinn mehr erbringen, sollte über ein Cochlea-Implantat nachgedacht werden. Dabei werden beide Ohren in der Indikation einzeln betrachtet.

Abb. 2: Reintonaudiometrie einer Innenohrschwerhörigkeit [14]

Kombinierter Hörverlust

Als „kombinierten Hörverlust“ bezeichnet man eine Kombination aus Schallleitungs- und Innenohrschwerhörigkeit. Hierbei sind sowohl das Innenohr als auch das Mittel- und/oder Außenohr betroffen. Als häufigste Ursache kommen Cholesteatome und Otosklerose in Frage. Eine solche Hörstörung ist aber auch häufig typische Folge eines Explosionstraumas. Zum Ausgleich des kombinierten Hörverlustes kommen konventionelle Hörgeräte, aber auch je nach Ausprägung und Vorgeschichte Hörimplantate wie das aktive Mittelohrimplantat „Vibrant Soundbridge®“ bzw. Knochenleitungsimplantate wie „Osia®“ oder „Bonebridge®“ in Frage. Ein begleitender Tinnitus ist häufig und sollte mit einem Noisersystem am Hörgerät versorgt werden.

Abb. 3: Reintonaudiogramm einer kombinierten Schwerhörigkeit [14]

Schädigung des Hörnervs

Wenn der Hörnerv beschädigt oder überhaupt nicht vorhanden ist, führt dies zu einem totalen Hörverlust. Bei Soldaten kann eine Schädigung des Hörnervs traumatisch, tumorbedingt und/oder postoperativ auftreten. Als einzige therapeutische Möglichkeit kommt hier ein Hirnstammimplantat in Frage.

Hören und Verstehen

Hören und Verstehen von Sprache sind in unterschiedlichen Hörsituationen unterschiedlich anstrengend. Bei sinkender Sprachverständlichkeitsschwelle (84 %, 71 % und 50 %) in stationärem Störgeräusch steigt die subjektiv empfundene Höranstrengung [22][23].

Vegetatives Nervensystem

Subjektive und objektive Höranstrengung werden wesentlich durch das vegetative Nervensystem beeinflusst, indem die Gegenspieler Sympathikus und Parasympathikus die Aktivität regulieren. Der Sympathikus versetzt den Körper in erhöhte Leistungsbereitschaft und bewirkt insgesamt eine Leistungssteigerung in gefährlichen und anstrengenden Situationen. Er bereitet den Organismus angemessen auf erhöhte Stresssituationen vor. Als Antagonist steuert der Parasympathikus dagegen. Verringern sich Stress und Anstrengung, so versetzt letzterer den Organismus in einen Entspannungszustand. Dies dient der körpereigenen Erholung und sorgt für Ruhe und Regeneration [15].

Höranstrengung

STÖRMER et al. untersuchten in einer Studie [18] die Höranstrengung bei positiven und leicht negativen Signal-Rauschabständen (SNR für Signal-to-Noise-Ratio), weil die subjektive empfundene Höranstrengung während einer Konversation trotz 100 %-igem Sprachverständnis nicht immer als „mühelos“ eingestuft wird. Zuvor hatten VAN GERVEN et al. bereits nachgewiesen [19], dass der Irrelevant Speach Effect (ISE) akustische, phonologische und semantische Interferenzen verursacht, die durch Anwesenheit eines Maskierers mit inhaltlich sinnvollen Wörtern oder Sätzen die kognitive Leistung deutlich nachteilig beeinflusst. Daher sind die Art des Maskierers (phonologisch oder semantisch informationsbehaftet), der Schwierigkeitsgrad der zu lösenden Aufgabe und der SNR relevante Faktoren für die subjektiv empfundene Höranstrengung.

Bei niedrigerem SNR steigt die Bewertung der Höranstrengung sowohl subjektiv als auch objektiv – gemessen an der Pupillenreaktion – an, obwohl bei kontinuierlichem Rauschen und angebotenen hebräischen Ziffern eine nahezu 100 %-ige Sprachverständlichkeit vorhanden ist.

In Abhängigkeit vom Störgeräusch zeigte sich die kognitive Last am größten bei kontinuierlichem Rauschen gepaart mit deutschen Ziffern, gefolgt von kontinuierlichem Rauschen gepaart mit hebräischen Ziffern und von kontinuierlichem Rauschen allein. Das heißt, übertragen auf den Alltag eines Soldaten mit Verwendung auf einem anspruchsvollen Dienstposten, dass kontinuierliche Hintergrundstörgeräusche kombiniert mit dem Hören sinnhafter und für diesen verständlicher Texte am anstrengendsten sind.

Bei steigendem SNR mit kontinuierlichem Rauschen und verständlicher Sprache sinkt die Antwortrichtigkeit, was auf eine schlechtere Differenzierbarkeit von Nutz- und Störschall schließen lässt. Die Anstrengung bei Anwesenheit von deutscher Sprache, als phonologische und semantische Interferenz, im Störgeräusch ist größer als in einer Fremdsprache (phonologische Interferenz).

Merke:

Studien belegen eine erhöhte Höranstrengung bei Tätigkeiten im Störschallbereich und eine weitere Steigerung der Höranstrengung bei zusätzlichem Störschall mit einer uns verständlichen Sprache.

Sprachverständnis

Das Sprachverständnis hängt nicht nur vom Störschall ab, sondern wird ebenfalls durch sprecher- und sprachspezifische Faktoren maßgeblich beeinflusst.

Matrixsatztests wie der deutsche Oldenburger Satztest [20] wurden inzwischen für eine Reihe europäischer Sprachen entwickelt und bieten dank der fast gleichen Konstruktions-, Aufnahme- und Optimierungsmethoden eine bisher nicht erreichte Vergleichbarkeit über Sprachen hinweg. Trotzdem finden sich bei Normalhörenden Unterschiede der 50 %-Sprachverständlichkeitsschwelle (SRT) im testeigenen Rauschen von bis zu 3,6 dB [24].

Es wurde untersucht, ob der Unterschied eher auf sprach- oder eher auf sprecherspezifische Charakteristika zurückzuführen ist. Mit bilingualen Sprechern wurden Sätze des Oldenburger Satztests (deutsch/spanisch und deutsch/russisch) und des russischen und spanischen Matrixsatztests [5][21] aufgenommen. Mithilfe dieser Sätze wurden verschiedene SRT in stationärem Störschall (mit und ohne den Einfluss von Nachhall) und in fluktuierendem Störschall mit normalhörenden Muttersprachlern gemessen. Neben Messungen der Sprachverständlichkeit wurde die akustisch-phonetische Eigenschaft der Vokalraumgröße, welche als in Beziehung zur Sprachverständlichkeit eines Sprechers stehendes Maß diskutiert wird, bestimmt [1].

Unterschiede zwischen dem deutschen und russischen Matrixtest können größtenteils durch die jeweiligen Sprecher erklärt werden, da sich bei bilingualen deutsch-russisch Sprechenden kaum Unterschiede in der Sprachverständlichkeit – auch unabhängig von der hier untersuchten Testsituation – zeigen. Im Vergleich der SRT bilingualer deutsch-spanisch Sprechender traten sowohl sprecher- als auch sprachspezifische Unterschiede auf. Es wurden konsistent höhere SRT im Spanischen erreicht als im Deutschen. Der Gewinn durch zeitliche Lücken war über alle drei Sprachen vergleichbar, während die Beeinträchtigung der Sprachverständlichkeit durch Nachhall im Spanischen stärker war als im Deutschen und Russischen, in welchem die Hörer ähnlich beeinträchtigt waren. Unterschiede zwischen den Sprechenden waren sowohl beim Hören in zeitlichen Lücken als auch beim Hören mit zusätzlichem Nachhall vergleichbar. Ein Vorteil in der Sprachverständlichkeit konnte mit der Nutzung von größerer Vokalraumfläche in Zusammenhang gebracht werden [6].

Merke:

Sprachverständnis ist von der Sprache unabhängig, hängt jedoch nachweislich stark vom Sprechenden ab. Eine größere Vokalraumfläche erweist sich als nützlich

Hörminderung

Wenn in anspruchsvollen Hörsituationen eine Hörstörung besteht, ist das Sprachverständnis je nach Grad der Hörstörung zusätzlich beeinträchtigt.

Prävalenz von Hörstörungen

In der Literatur finden sich uneinheitliche Aussagen zur Prävalenz von Hörstörungen in Deutschland im Kindes- und Erwachsenenalter. Zum einen kommen angeborene Schwerhörigkeiten (pränatal, perinatal, postnatal und weitere Risikofaktoren), zum anderen auch die Altersschwerhörigkeit (Presbyakusis) aufgrund der demografischen Entwicklung in Frage.

Hörstörungen bei Erwachsenen treten mit einer Prävalenz von 16–25 % auf [12][16]. Sie sind eine ernst zu nehmende Grunderkrankung, die Auswirkungen auf die berufliche, soziale und gesellschaftliche Weiterentwicklung hat. Daher sollte eine der jeweiligen Hörstörung angepasste Behandlung erfolgen.

Hörrehabilitation

Entscheidend für die erfolgreiche Hörrehabilitation von Hörstörungen ist die frühzeitige sichere Diagnose und kontinuierliche Betreuung zur weiteren Versorgung. Bei Erwachsenen sind frühzeitige Versorgung mit Hörgeräten und kontinuierliche Nachsorge durch den HNO-Arzt, den Arzt für Phoniatrie und Pädaudiologie und den Hörakustiker und eine möglichst kurze Zeitspanne zwischen Ertaubung und Implantation eines CI günstige Prognosefaktoren. Eine gute Hörrehabilitation führt zu einer signifikanten Steigerung der Lebensqualität. Bei beidseitiger Hörminderung ist eine beidseitige Hörrehabilitation anzustreben. Für Soldaten ist, insbesondere bei Verwendungen im Störschall und in mehrsprachiger Umgebung (multinationaler Bereich), beidseitiges Hören und Verstehen notwendig.

In der Bevölkerung werden die Folgen einer Schwerhörigkeit und insbesondere die Folgen einer hochgradigen Hörminderung, die einer Versorgung mit einem CI bedürfen, noch erheblich unterschätzt. Bei Kindern ist es offensichtlicher, dass ein adäquates Hörvermögen eine elementare Voraussetzung für eine altersentsprechende soziale und sprachliche Entwicklung ist [16]. Ausreichendes Hörvermögen ist die Voraussetzung für die sprachliche Kommunikation und trägt wesentlich zum sozialen Wohlbefinden bei. Hörstörungen können die kognitiven Leistungen und Fähigkeiten beeinträchtigen. Es droht soziale Isolierung und die Entstehung depressiver und demenzieller Erkrankungen [2][10].

Insbesondere bei älteren Menschen werden durch Hörbeeinträchtigungen die Orientierung im Raum verschlechtert und bei ohnehin nachlassender Koordinationsfähigkeit das Sturzrisiko erhöht [8].

Je länger eine Schwerhörigkeit unversorgt bleibt, desto schlechter sind meist die Therapieerfolge. Eine frühzeitige Hörrehabilitation bei älteren Menschen mit hochgradiger Schwerhörigkeit kann den Verlauf neurodegenerativer Prozesse wie eine Demenz positiv beeinflussen [7][9].

Schlüsselrolle einer frühen Diagnostik

Die frühzeitige Diagnostik einer Hörminderung ist daher in jedem Lebensalter von großer Bedeutung. Mit dem Neugeborenenhörscreening wurde bereits eine rasche postnatale Untersuchung etabliert. Aktuell wird ein Screening-Verfahren für ältere Erwachsene entwickelt, welches zum Beispiel auch durch den Hausarzt oder den Geriater verwendet werden kann [23].

In der Bundeswehr wurde mit den verschiedenen anlassbezogenen Untersuchungen auf Verwendungsfähigkeit, mit den Vorsorgeuntersuchungen und auch mit der wiederkehrenden Allgemeinen Untersuchung auf Verwendungsfähigkeit und individuelle Grundfertigen (AVU-IGF) bereits ein vergleichsweise hoher Standard etabliert.

Presbyakusis

Die häufigste Hörstörung ist eine Presbyakusis.Es handelt sich um ein multifaktorielles Geschehen, bei dem auch genetische Faktoren eine Rolle spielen [11]. Als Folge einer Degeneration von neuronalen Zellstrukturen im zunehmenden Lebensalter kommt es zur Schwerhörigkeit, die auch Altersschwerhörigkeit genannt wird. Neben endogenen und exogenen Ursachen können „physiologische Alterungsprozesse“ zur Abnahme des Hörvermögens führen (siehe Abbildung 2).

Zu den wichtigsten exogenen Faktoren werden in Industrieländern Lärm und Überernährung gezählt. Als Auslöser der Presbyakusis werden Hypoxie/Ischämie, Radikalbildung und oxidativer Stress, apoptotischer und nekrotischer Zelltod von Haarzellen und Spiralganglien sowie vererbte bzw. erworbene Mutationen der mitochondrialen DNA diskutiert [4]. Meist tritt die Presbyakusis beidseits auf und zeigt einen symmetrischen Schallempfindungsverlust, der durch einen typischen Verlust im Hochtonbereich gekennzeichnet ist. Es kommt zu einem Diskriminationsverlust mit Sprachverständniseinschränkungen, der sich insbesondere bei Störgeräuschen durch ein vermindertes Richtungs- Frequenzunterscheidungsvermögen äußert. In der Folge resultieren eine verlängerte Reaktions- und Identifizierungszeit mit einer Abnahme des auditiven Gedächtnisses. Besonders die Beeinträchtigung des Sprachgehörs bei Störlärm (sogenannter „Cocktailparty-Effekt“), wird von den Betroffenen als spürbare Behinderung empfunden.

Die Versorgung mit Hörgeräten sollte so früh wie möglich beidseitig erfolgen. Dies führt zu einer Aktivierung der zentralen Hörbahnen und beugt einer zusätzlichen auditiven Leistungsminderung vor.

Die Presbyakusis ist nicht sicher abzugrenzen von Hörverlusten durch während des Lebens einwirkende Schädigungsfaktoren, wie z. B. Entzündungen, toxische Einflüsse, Traumen oder kardiovaskuläre Erkrankungen. Die Haarzellregeneration ist eine Möglichkeit zur Behandlung der Presbyakusis in der Zukunft.

Merke:

Die möglichst frühzeitige Versorgung mit Hörgeräten ist eine geeignete Rehabilitationsmaßnahme, die erheblich zur Erhaltung der psychischen und physischen Leistungsfähigkeit alternder Menschen beiträgt.

Ergänzende Hilfsmittel

Für Schwerhörige gibt es verschiedene Hilfsmittel, um im Alltag besser zurecht zu kommen. Dazu zählen z. B. Weckhilfen (Lichtwecker, Vibrationswecker), Zubehör für Telefon und Türklingel (Lichtblitze, Schallverstärker) oder Funkkopfhörer zum Anschluss an TV oder Radio. Solche Hilfsmittel können eine Hörgeräteversorgung sinnvoll ergänzen [13] und die Einsatzfähigkeit eines Soldaten bei seiner Verwendung auf unterschiedlichen Dienstposten erleichtern.

Fazit

Soldatinnen und Soldaten sind in den meisten Verwendungen regelhaft besonders anspruchsvollen Hörsituationen ausgesetzt. Dabei müssen sie komplexe Aufgaben erfüllen, die mit Gefahr für Leib- und Leben einhergehen und ein hohes Maß an Wachheit und Aufmerksamkeit erfordern. Dabei müssen sie die Aufgaben des Dienstpostens mit gesundheitlicher, politischer und lebensgefährlicher Gefahr erfüllen. Zur Erfüllung gehört ein gutes Sprachverständnis, welches teils extremer Höranstrengung bedarf. Daher sind gutes Hören und Verstehen, welches immer als selbstverständlich vorausgesetzt wird, die Grundlage. Grundsätzlich ist Schall jedweder Art eine Störquelle, die eine individuell unterschiedliche Höranstrengung bedingt. Daher sind eine frühzeitige Untersuchung und ggf. Versorgung mit adäquaten Hörhilfen von enormer Bedeutung.

Literatur

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  2. DGPP: Periphere Hörstörungen im Kindesalter (S2k-Leitlinie 2013, in Überarbeitung). , letzterAufruf 17. Juni 2022. mehr lesen
  3. Dodel R, Völter C: Demenzerkrankungen: Relevantes für den HNO-Arzt. HNO 2020; 68(3): 143-149. mehr lesen
  4. Gates GA, Mills JH: Presbycusis. Lancet 2005; 366(9491): 1111-1120. mehr lesen
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  6. Hochmuth S, Jürgens T, Brand Th, Kollmeier B: Multilinguale Cocktailparty – Einfluss von sprecher- und sprachspezifischen Faktoren auf die Sprachverständlichkeit im Störschall. Oldenbirg: Jahretagung der DGA 2014. mehr lesen
  7. Kilimann I, Óvari A, Hermann A, Witt G, Pau HW, Teipel S: Hörstörung und Demenz. Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 2015; 48(5): 440-445. mehr lesen
  8. Lin FR, Albert M: Hearing loss and dementia- who is listening? Aging Ment Health 2014; 18: 671-673. mehr lesen
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  10. Löhler J, Cebulla M, Shehata-Dieler W, Volkenstein S, Völter C, Walther LE: Hearing impairment in old age- detection, treatment and associated risks. Dtsch Arztebl Int 2019; 116: 301-310. mehr lesen
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  12. Löhler J, Walther LE, Hansen F et al.: The prevalence of heraing loss and use of hearing aids among adults in Germany: a systemic review. Eur Arch Otolaryngol 2019; 276: 945-956. mehr lesen
  13. Mazurek B, Stöver T, Haupt H, Gross J, Szczepek A: Die Entstehung und Behandlung der Presbyakusis. HNO 2008; 56: 429-435. mehr lesen
  14. Medizinsicher Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen: Begutachtungsanleitung Richtlinie des GKV- Spitzenverbandes nach §282 SGB V, Apparative Versorgung bei Schwerhörigkeit. Essen: MDS e.V. 2020 mehr lesen
  15. Myers DG: Psychologie: Heidelberg: Springer Verlag 2014.
  16. Schmucker C, Kapp P, Motschall E, Loehler J, Meerpohl JJ: Prevalence of hearing loss and use of hearing aids among children and adolescens in Germany: a systemic review. BMC Public Health 2019; 19:1277. mehr lesen
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  18. Störmer V, Holube I, Schulte M: Pupillometrie und Höranstrengung in anspruchsvollen Hörsituationen als kognitive Belastungsgröße. 16.Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie 2013. mehr lesen
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Manuskriptdaten

Zitierweise

Schmidt S: Hörstörungen und Höranstrengung in anspruchsvollen Hörsituationen. WMM 2022; 66(8); 301-306.

DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-38

Verfasserin

Oberfeldarzt Dr. Sandra Schmidt

Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz

Klinik V – Hals-, Nasen- und Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie

Rübenacherstr.170, 56076 Koblenz

E-Mail: sandra7schmidt@bundeswehr.org

Manuscript data

Citation

Schmidt S: [Hearing impairment and hearing effort in demanding listening settings]. WMM 2022; 66(8); 301-306.

DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-38

Author

Lieutenant Colonel (MC) Dr. Sandra Schmidt

Bundeswehr Central Hospital Koblenz

Department V – Otolaryngology, Head- and Neck Surgery

Rübenacherstr.170, D-56076 Koblenz

E-Mail: sandra7schmidt@bundeswehr.org

Zeitschriften
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