Zervikales Emphysem nach Tonsillektomie – eine seltene Komplikation
Cervical Emphysema after Tonsillectomy – a Rare Complication
Doha Revenda, Herbert Eichwalda, Jens Förstera
a Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde
Zusammenfassung
Eine 31-jährige Patientin entwickelte nach beidseitiger Tonsillektomie ein zervikales Hautemphysem, das sich beidseits zervikal ausbreitete. Die Computertomografie zeigte zusätzlich ein mediastinales Emphysem. Während des gesamten stationären Aufenthalts war der intraorale Befund unauffällig und die flexible Laryngoskopie ergab keinen Hinweis auf eine Perforation oder ein Trauma. Ein CT-Thorax am dritten postoperativen Tag zeigte keine weiteren Pathologien. Zur Infektionsprophylaxe erhielt die Patientin intravenös Clindamycin, wodurch sich das Emphysem vollständig zurückbildete. Sie wurde am siebten postoperativen Tag in fachärztliche Betreuung entlassen. Der operative Eingriff selbst verlief komplikationsfrei.
Ein unbeabsichtigtes Valsalva-Manöver bei Extubation muss als mögliche Ursache diskutiert werden. Der Fallbericht stellt mit dem zervikalen Emphysem eine seltene Komplikation nach Tonsillektomie vor. Die Ursachen sind letztlich nicht vollständig geklärt.
Schlüsselwörter: Zervikales Emphysem, Tonsillektomie, Komplikation, Ursachen, Infektionsprophylaxe
Summary
A 31-year-old female patient developed cervical subcutaneous emphysema following bilateral tonsillectomy, which extended bilaterally in the cervical region. Computed tomography additionally revealed mediastinal emphysema. Throughout the hospital stay, the intraoral findings remained unremarkable, and the flexible laryngoscopy showed no evidence of perforation or trauma. A CT scan of the chest on the third postoperative day revealed no further pathologies. For infection prophylaxis, the patient received intravenous clindamycin, leading to complete resolution of the emphysema. She was discharged into specialized outpatient care on the seventh postoperative day. The surgical procedure was documented as uneventful.
However, an unintentional Valsalva manoeuvre during extubation must be considered as a potential cause of the emphysema. This case report presents a rare complication of tonsillectomy: cervical emphysema. The underlying causes are not fully understood.
Keywords: cervical emphysema; tonsillectomy; complications; causes; infection prophylaxis
Einleitung
Das zervikale Emphysem ist eine seltene, aber potenziell gravierende Komplikation nach Tonsillektomie dar [1][2][3][6]. Pathophysiologisch resultiert es aus dem Eindringen von Luft in das subkutane und tiefere Gewebe des Halses, möglicherweise begünstigt durch eine Schleimhautläsion oder einen erhöhten intraoralen Druck infolge von Husten, Niesen oder einem Valsalva-Manöver [5][6]. Klinisch manifestiert sich die Erkrankung durch schmerzlose, palpatorisch krepitierende Schwellungen, welche sich bis in mediastinale Strukturen ausdehnen können [3][6]. Die Diagnostik erfolgt primär bildgebend mittels zervikaler und thorakaler Computertomografie, um die Ausdehnung des Emphysems und mögliche Begleitpathologien wie ein Pneumomediastinum oder Pneumothorax zu erfassen [3][5][6]. Die Therapie besteht in der Regel aus einer konservativen, engmaschigen Überwachung, Analgesie und antibiotischer Infektionsprophylaxe, meist mit Clindamycin oder einem Cephalosporin der zweiten Generation [4][6]. Die genaue Ätiologie bleibt unklar, jedoch wird eine intraoperative oder postintubative Druckerhöhung als potenzieller Trigger diskutiert [1][2][6].
Fallbericht
Eine 31-jährige Patientin wurde aufgrund seit drei Jahren rezidivierender, bakterieller Tonsillitiden zur elektiven beidseitigen Tonsillektomie vorgestellt. Der Eingriff wurde in Intubationsnarkose durchgeführt und verlief laut Operationsdokumentation komplikationsfrei. Die histologische Untersuchung der entnommenen Gaumenmandeln ergab eine geringe chronische Kryptentonsillitis mit lymphofollikulärer Hyperplasie sowie eine Aktinomyces-Besiedlung, jedoch keinen Anhalt für Malignität.
Abb. 1: Beidseits zervikale Schwellung und Ausdehnung des Hautemphysems, mittels Markierung gekennzeichnet (Bildquelle: D. Revend)
Am zweiten postoperativen Tag entwickelte die Patientin ein tastbares, beidseits zervikales Hautemphysem (Abbildung 1). Eine daraufhin durchgeführte Computertomografie des Thorax am dritten postoperativen Tag bestätigte das Vorliegen eines zervikalen sowie eines mediastinalen Emphysems, ohne jedoch eine Tracheadehiszenz oder Trachealverletzung als wesentliche Pathologie nachweisen zu können (Abbildung 2). Während des gesamten stationären Aufenthalts zeigte sich enoral ein regelhafter Befund. Die flexible Laryngoskopie ergab keine Hinweise auf eine Perforation oder ein Trauma der oberen Atemwege.
Abb. 2: Die Computertomografie in axialer Schnittführung zeigt ein zirkuläres, zervikales Hautemphysem. (Bildquelle: Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Klinik für Radiologie)
Zur Infektionsprophylaxe erhielt die Patientin eine intravenöse Therapie mit Clindamycin 600 mg dreimal täglich. Unter dieser Behandlung zeigte sich eine allmähliche Rückbildung des Emphysems. Bei subjektivem Wohlbefinden konnte die Patientin am 7. postoperativen Tag in die ambulante fachärztliche Betreuung entlassen werden. Trotz des komplikationsfreien operativen Verlaufs konnte ein akzidentiell durchgeführtes Valsalva-Manöver während der Extubation als mögliche Ursache für das subkutane Emphysem nicht ausgeschlossen werden.
Diskussion und Schlussfolgerungen
Das Auftreten eines zervikalen Emphysems nach einer Tonsillektomie ist eine seltene, aber klinisch bedeutsame Komplikation [1][2][3][6][7]. Die Pathophysiologie dieser Komplikation ist nicht vollständig geklärt. Mögliche Ursachen umfassen intraoperative Schleimhautverletzungen, die das Eindringen von Luft in das subkutane Gewebe ermöglichen, sowie postoperative Ereignisse wie starkes Husten oder ein Valsalva-Manöver, die zu einem erhöhten intraoralen Druck führen können [1][2][6]. Ein solcher Druckanstieg könnte die Ausbreitung von Luft in das zervikale und mediastinale Gewebe begünstigen [1][3][6].
Bei Patienten, die nach einer Tonsillektomie mit Schwellungen im Halsbereich vorstellig werden, sollte neben dem zervikalen Emphysem auch an andere Differenzialdiagnosen gedacht werden. Hierzu zählen Hämatome, Infektionen wie Abszesse oder Phlegmone sowie allergische Reaktionen. Eine sorgfältige klinische Untersuchung, ergänzt durch bildgebende Verfahren wie die Computertomographie, ist essenziell, um die genaue Ursache der Schwellung zu identifizieren und eine adäquate Therapie einzuleiten [1][3][6].
Die Behandlung des zervikalen Emphysems nach Tonsillektomie ist in den meisten Fällen konservativ. Sie umfasst eine engmaschige Überwachung des Patienten, die Verabreichung von Analgetika zur Schmerzreduktion und die prophylaktische Gabe von Antibiotika, um sekundäre Infektionen zu verhindern [4][6]. In den meisten dokumentierten Fällen kam es unter dieser Therapie zu einer spontanen Rückbildung des Emphysems ohne weitere Komplikationen [1][2][3][6]. Chirurgische Interventionen sind selten erforderlich und bleiben schweren oder fortschreitenden Fällen vorbehalten [5][6].
Im militärischen Kontext, insbesondere bei Einsätzen unter extremen Bedingungen, können postoperative Komplikationen wie ein zervikales Emphysem erhebliche Auswirkungen auf die Einsatzfähigkeit einer Soldatin oder eines Soldaten haben. Eine verzögerte Diagnose oder unzureichende Behandlung kann zu gesundheitlichen Einschränkungen führen. Daher ist es für medizinisches Personal im militärischen Umfeld besonders wichtig, über mögliche seltene Komplikationen nach Routineeingriffen wie der Tonsillektomie informiert zu sein. Eine frühzeitige Erkennung und adäquate Behandlung tragen wesentlich zur Sicherung der Gesundheit und Einsatzbereitschaft bei.
Fazit
Das zervikale Emphysem nach Tonsillektomie ist eine seltene, aber potenziell ernsthafte Komplikation. Eine sorgfältige differenzialdiagnostische Abklärung und konsequente konservative Therapie führen in der Regel zu einer vollständigen Genesung. Auch im militärischen Umfeld ist es daher von großer Bedeutung, das medizinische Personal für solche möglichen Komplikationen zu sensibilisieren.
Literatur
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Manuskriptdaten
Zitierweise
Revend D, Eichwald H, Förster J: Zervikales Emphysem nach Tonsillektomie – eine seltene Komplikation. WMM 2025; 69 (7–8): 345-347.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-568
Für die Verfasser
Oberstabsarzt Doha Revend
Bundeswehrkrankenhaus Berlin
Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde,
Scharnhorststr. 13, 10113 Berlin
E-Mail: doha.revend@gmail.com
Manuscript Data
Citation
Revend D, Eichwald H, Förster J: [Cervical Emphysema after Tonsillectomy – a Rare Complication.] WMM 2025; 69(7–8): 345-347.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-568
For the Authors
Major (MC) Doha Revend
Bundeswehr Hospital Berlin
Department of Otolaryngology
Scharnhorststr. 13, D-10113 Berlin
E-Mail: doha.revend@gmail.com