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Snus-induzierte orale submuköse Fibrose – ein klinisch-histopathologischer Fallbericht




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Zahnmedizin PDF

Snus-induzierte orale submuköse Fibrose – ein klinisch-histopathologischer Fallbericht

Snus-induced Oral Submucous Fibrosis – a Clinical and Histopathological Case Report

Lukas Grebera, Stephan Ihrlerb

a Sanitätsunterstützungszentrum München

b Dermpath München

Zusammenfassung

In vielen asiatischen Ländern, insbesondere Indien, besteht ein etablierter Zusammenhang zwischen dem Konsum rauchloser Tabakprodukte – vor allem in Kombination mit der Betelnuss – und einer erhöhten Inzidenz von Mundhöhlenkarzinomen. Eine wichtige Vorstufe ist die orale submuköse Fibrose (OSMF), eine chronisch-entzündliche Erkrankung mit fortschreitender Fibrosierung der Submukosa und Einschränkung der Mundöffnung. Ein zunehmend verbreitetes Produkt in Deutschland und vor allem im militärischen Umfeld ist Snus – ein traditionelles schwedisches Oraltabakprodukt. Epidemiologische Studien zeigen bislang keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen Snus-Konsum und Mundhöhlenkarzinomen, belegen jedoch das Vorkommen mutagener Substanzen wie Nitrosamine.

Diese Arbeit präsentiert erstmals eigene klinische und histopathologische Befunde zu Schleimhautveränderungen im Zusammenhang mit Snus-Konsum. Zudem werden dentale und parodontale Auswirkungen wie Zahnverfärbungen, Abrasionen, Karies, Gingivitis und Parodontitis beschrieben. Histologisch zeigte sich eine Entwicklung von reaktiver Gingivitis bis hin zu submuköser Fibrose, insbesondere an der bevorzugten Applikationsstelle im Vestibulum maxillare.

Die Ergebnisse verdeutlichen die potenziellen Risiken von Snus für die Mundgesundheit und unterstreichen die Notwendigkeit klinischer Überwachung sowie weiterführender Studien, um langfristige Folgen und mögliche kanzerogene Wirkungen genauer zu erfassen.

Schlüsselwörter: Snus, orale submuköse Fibrose, Hyperkeratose, Schleimhautveränderung, Parodontitis, Mundschleimhaut

Summary

In many Asian countries, particularly India, there is an established link between the consumption of smokeless tobacco products – especially in combination with betel nut – and an increased incidence of oral cavity carcinomas. A critical stage is oral submucosal fibrosis (OSMF), a chronic inflammatory disease characterized by progressive fibrosis of the submucosa and restriction of mouth opening. An increasingly widespread product in Germany and, especially in the military environment, is snus – a traditional Swedish oral tobacco product. Epidemiological studies have so far shown no clear link between snus consumption and oral cavity carcinomas but do confirm the presence of mutagenic substances such as nitrosamines.

This paper presents the first clinical and histopathological findings on mucosal changes associated with snus consumption. In addition, dental and periodontal effects, such as tooth discoloration, abrasions, caries, gingivitis, and periodontitis, are described. Histologically, a development from reactive gingivitis to submucosal fibrosis was found, particularly at the preferred site of application in the maxillary vestibule.

The results highlight the potential risks of snus to oral health and emphasize the need for clinical monitoring and further studies to more accurately assess the long-term consequences and possible carcinogenic effects.

Keywords: Snus; oral submucous fibrosis (OSMF); hyperkeratosis; mucosal alterations; periodontitis; oral mucosa

Einleitung und Hintergrund

In vielen asiatischen Ländern, insbesondere in Indien, besteht ein klar belegter Zusammenhang zwischen dem Konsum rauchloser Tabakprodukte, vor allem in Kombination mit dem Kauen von Betelnuss, und einer erhöhten Inzidenz von Mundhöhlenkarzinomen. Dieser Zusammenhang ist wissenschaftlich gut untersucht und durch zahlreiche epidemiologische Studien belegt. In den meisten Fällen verläuft die maligne Transformation über die Entwicklung einer oralen submukösen Fibrose (OSMF), einer chronisch-entzündlichen Erkrankung mit progressiver Fibrosierung der Submukosa und Einschränkung der Mundöffnung. OSMF ist als anerkannte Präkanzerose klassifiziert, mit einer Malignitätsrate von 2–8 % [13]. Die kanzerogene Wirkung wird vor allem auf reaktive Sauerstoffspezies (ROS), freie Radikale und tabakspezifische Nitrosamine zurückgeführt, die DNA-Schäden und Mutationen verursachen [5]. In stark exponierten Bevölkerungsgruppen lassen sich bis zu 66 % der oralen Karzinome dem Gebrauch von Kautabakprodukten zuschreiben [9][13]. Während die Rolle von Betelnuss und Kautabak in der Krebsentstehung im asiatischen Raum gut dokumentiert ist, wird die kanzerogene Relevanz von Snus, einem traditionellen schwedischen Oraltabakprodukt, bislang deutlich weniger beschrieben. Dennoch deuten aktuelle Untersuchungen darauf hin, dass auch der Konsum von Snus mit mukosalen Veränderungen assoziiert ist [10][20].

Snus erfreut sich auch in Deutschland und vor allem im militärischen Umfeld zunehmender Beliebtheit. Es handelt sich um feuchten Tabak, entweder als Paste oder in Beuteln mit Zusatzstoffen wie Feuchthaltemitteln, Salzen und Aromen, der meist zwischen Oberlippe und Zahnfleisch platziert wird. Die Anwendung dauert meist 20 bis 60 Minuten, manche Konsumenten verwenden Snus über mehrere Stunden hinweg. Im Gegensatz zur Betelnuss, deren kanzerogenes Potenzial gut dokumentiert ist, fehlen für Snus eindeutige Belege für einen Zusammenhang zwischen dem Konsum und der Gefahr der Entstehung von Mundhöhlenkarzinomen. Die kaum dokumentierten histopathologischen Untersuchungen beschrieben überwiegend verdickte Epithelschichten (Hyperplasie) mit reduzierter Zellproliferation, jedoch nur selten dysplastische Veränderungen [15][22]. In einer Untersuchung mit 15 000 Konsumenten zeigten sich bei 157 Probebiopsien nach 9,5 Jahren keine Dysplasien oder Malignome [24][25]. Auch in einer weiteren Studie wies keine der 114 Proben zelluläre Atypien oder Dysplasien auf [4]. Zudem zeigen Langzeitstudien, dass Snus-induzierte Läsionen nach Absetzen des Konsums meist nicht fortschreiten und rückläufig sind [23].

Auf der anderen Seite enthält Snus neben Nikotin auch tabakspezifische Nitrosamine (TSNAs), die genotoxisch wirken können. Zellstudien belegten DNA-Schäden, erhöhte Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) und eine Hemmung der Apoptose [17]. In einer anderen Studie wurden Dysplasieraten von 3,1 % sowie präkanzeröse oder kanzeröse Veränderungen von 6,2 % dokumentiert [22]. Unterschiede in den Befunden könnten auf die lange Entstehungszeit von Karzinomen und die breite Produktvielfalt der Snusprodukte mit variierender Toxizität zurückzuführen sein. Tierstudien dokumentieren bei Langzeitexposition vereinzelte maligne Tumoren [12]. Demnach zeigen sich Schleimhautveränderungen, doch bislang fehlt ein eindeutiger histologischer Nachweis für eine kanzerogene Wirkung beim Menschen. Angesichts der wachsenden Verbreitung dieses Produkts – insbesondere in Regionen, in denen OSMF nicht endemisch ist – sind weiterführende Untersuchungen dringend erforderlich. Zur weiteren Bewertung der Schleimhautveränderungen unter Snus-Einfluss werden im Folgenden erstmals klinische und histologische Befunde dargestellt.

Kasuistik

Im Rahmen einer zahnärztlichen Routineuntersuchung stellte sich ein männlicher Patient Anfang 30 mit klinisch auffälligen Schleimhautveränderungen im Vestibulum des Oberkiefers vor (Abbildung 1). Der Patient konsumierte seit etwa fünf Jahren regelmäßig Snus, mit täglicher Applikation über mehrere Stunden.

Abb. 1: Klinische Situation in A mit Lokalisation der Probeentnahmestellen (Rechtecke 1, 2). Ledrig verfärbte und hyperkeratotische Schleimhaut im linken Vestibulum bis zu den Zähnen. An den Zähnen 21–23 Rezessionen (Pfeile) mit empfindlichen Zahnhälsen. B zeigt die postoperative Situation. C/D entnommenes Gewebe. (Bild: L. Greber).

Anfangsbefund

Im linken Vestibulum des Oberkiefers zeigt sich eine ausgeprägte Schleimhautveränderung im Bereich der Zähne 21 bis 23, beginnend an der ehemaligen Schmelz-Zement-Grenze und sich über die Umschlagfalte hinausziehend. Die Schleimhaut wirkt verfärbt, vermutlich infolge Tabakeinlagerungen. Im Bereich des Snus-­Applikationsortes – vom Lippenbändchen bis distal regio 23 – ist klinisch deutlich eine Hyperkeratose erkennbar, begleitet von vermehrter Faltenbildung und einer weißlich-gräulichen Oberfläche. Die Veränderung ist diffus auslaufend und ohne exakte Abgrenzung zur angrenzenden gesunden Schleimhaut. Im Gegensatz zu den freiliegenden Zahnhälsen ist die Mundschleimhautläsion nicht schmerzhaft. Die Veränderung ist ausschließlich einseitig ausgeprägt auf der linken Seite, konsistent mit der angegebenen Applikationsgewohnheit. Es bestehen massive gingivale Rezessionen an den Zähnen 21–23.

Diagnostik

Da Veränderungen der Mundschleimhaut grundsätzlich bis zur gesicherten Diagnose als tumorverdächtig zu betrachten sind, wurde eine Fotodokumentation zur klinischen Verlaufskontrolle angefertigt. Der Patient wurde aufgefordert, den Snus-Konsum vollständig einzustellen bzw. mindestens die Applikationsstelle zu wechseln. Eine Wiedervorstellung erfolgte nach zwei Wochen. Da in diesem Zeitraum keine Anzeichen einer Rückbildung der Läsion erkennbar waren, wurde entsprechend den aktuellen Empfehlungen bei Mundschleimhautveränderungen eine histopathologische Diagnosesicherung mittels Biopsie eingeleitet.

Biopsie

Unter lokaler Anästhesie erfolgten in der truppenzahnärztlichen Einrichtung mit oralchirurgischer Ambulanz zwei Biopsien. Die erste Inzisionsbiopsie erfolgte im Vestibulum regio 23 im Übergang zur gesund erscheinenden Mundschleimhaut, die zweite (Stanzbiopsie) zentral der Veränderung. Beide Wunden wurden mit Einzelknopfnähten unter Verwendung von Vicryl 4–0 (V5, Ethicon) verschlossen. Am Folgetag zeigte sich ein stadiengerechter Heilungsverlauf ohne Hinweise auf Schwellung, Blutung oder Schmerzen; die Nähte waren reizlos in situ. Am 9. postoperativen Tag erfolgte die Nahtentfernung.

Befunde

Histopathologie

Das entnommene Gewebe wurde in Formalin fixiert, paraffineingebettet und anschließend mittels Hämatoxylin-Eosin-Färbung untersucht. Zusätzlich kamen immunhistochemische Verfahren zur Anwendung, um eine weiterführende Differenzierung der Gewebeveränderungen zu ermöglichen (Abbildung 2).

Die histopathologische Untersuchung des entnommenen Materials zeigte eine akanthotische und massiv papillomatöse Schleimhaut mit stellenweise parakeratotischer Hornschicht und nur eine geringfügige Spongiose. Im Corium stärkere lymphohistiozytäre Zellinfiltrate mit wenigen neutrophilen Granulozyten und vermehrten Plasmazellen. Die Zellen zeigten keine Atypien. Die PAS-, Ki67- (Abbildung 2C) und p53-Färbung sind unauffällig.

Im Bindegewebe fand sich eine massive submuköse Fibrose (Abbildung 2B). In der ERG-Färbung zeigte sich, dass die Kapillaren eindrucksmäßig vermindert waren (Abbildung 2E). Dabei bestand kein Anhalt für eine Dysplasie oder für Malignität, auch kein Nachweis einer Candidose. Histopathologisch entsprach die Mundschleimhautveränderung einer mäßig chronischen Gingivitis mit massiver papillärer Epithelhyperplasie und ausgeprägter submuköser Fibrose (im Kontext des anamnestischen Snus Konsums jedoch paradigmatisch). Auffallend sind die Unterschiede zwischen den beiden Entnahmestellen.

  • PE 1: stärkere Entzündung mit bereits vorhandener Fibrose,
  • PE 2: weniger Entzündung mit am stärksten fibrosiertem Abschnitt.

    Abb. 2: Histopathologischer Befund der PE 1:
    Massiv akanthotische und papillomatöse Schleimhaut mit parakeratotischer Hornschicht, geringfügige Spongiose, keine Atypien, darunter massive submuköse Fibrose
    Im Corium stärkere lymphohistiozytäre Zellinfiltrate (dominierend CD3; (D)) mit wenigen neutrophilen Granulozyten und vermehrten Plasmazellen.
    Die Ki67- (C) und p53-Färbung sind unauffällig.
    Kein Anhalt für Dysplasie, kein Nachweis einer Candidose.
    Kapillaren in der Fibrose eindrucksmäßig vermindert (ERG; (E))

Bewertung

Fasst man die histologische Analyse zusammen, so zeigen sich in frühen Stadien mäßige bis starke lymphozytäre Infiltrate ohne lichenoiden Charakter mit Akanthose der Schleimhaut und Parakeratose. Mit Fortschreiten tritt eine ausgeprägte, breite submuköse Fibrose mit dann verminderter Entzündung auf. Diese Veränderungen entsprechen weitgehend den histologischen Befunden einer klassischen OSMF, wie häufig in Asien beschrieben [15][19].

Dokumentation und weiteres Vorgehen

Die Dokumentation umfasste neben dem klinischen Befund auch anamnestische Angaben zum Konsumverhalten (Dauer, Häufigkeit, Produktform), zur allgemeinen Gesundheit sowie zur Bereitschaft zur Abstinenz oder Entwöhnung. Der Patient wurde in ein Recall-System aufgenommen und zur engmaschigen Verlaufskontrolle einbestellt.

Tab. 1: Klinische Klassifikation mukosaler Läsionen nach Greer und Poulsen [8]

Diskussion

Die orale submuköse Fibrose (OSMF) wird von der Weltgesundheitsorganisation als potenziell maligne Erkrankung eingestuft [28]. Obwohl der Zusammenhang zwischen OSMF und dem Konsum von Betelnuss gut belegt ist, bleibt die Rolle von Snus als Risikofaktor bislang unzureichend belegt. Die vorliegende Kasuistik liefert eindrucksvolle histopathologische Befunde, die mit dem klinischen Bild von Snus-assoziierten Schleimhautveränderungen korrelieren. Darüber hinaus werden parodontale und dentale Konsequenzen beleuchtet. Angesichts der zunehmenden Verbreitung von Snus, insbesondere in Regionen ohne endemische OSMF-Prävalenz, ist eine intensivere Beleuchtung dieses Zusammenhangs dringend erforderlich.

Snus-assoziierte Veränderungen im oralen Bereich

Snus-Konsum ist mit verschiedenen Veränderungen an Zähnen, Parodontium und Schleimhaut assoziiert. Zahnverfärbungen treten infolge der Einlagerung pigmentierter Inhaltsstoffe auf, ebenso wie abrasionsbedingter Substanzverlust durch mechanische Bestandteile. Gleichzeitig begünstigt der hohe Zucker- und Aromastoffanteil eine erhöhte Kariesanfälligkeit. Epidemiologische Daten zeigen bei Snus-Konsumenten ein 67 % erhöhtes Risiko für Zahnverlust im Vergleich zu Nichtrauchern [27].

Im Bereich des Parodontiums führt Snus über chronisch-entzündliche Prozesse zu Taschenbildung, Plaque­akkumulation und einer erhöhten Progressionsrate der ­Parodontitis [7][14][18]. Zudem entstehen durch mechanische Reizung und begleitende Fibrosierung häufig Gingivarezessionen, wie sie auch in den vorliegenden Fall­beispielen dokumentiert sind. Epidemiologische Untersuchungen zeigen, dass bis zu 17,8 % der Snuskonsumenten Rezessionen im Applikationsbereich aufweisen, wobei Konsumenten von losem Snus stärker betroffen sind [1][2]. Zusätzlich wurden wie auch teilweise im vorliegenden Fall Abfraktionen, Abrasionen und Diskolorationen beobachtet [6][21].

Die zentrale klinisch und histologisch relevante Auswirkung des Snus-Konsums betrifft jedoch die orale Mukosa. Häufig treten im Bereich der Applikationsstellen Leukoplakien und ausgeprägte Hyperkeratosen auf. Eine standardisierte klinische Einordnung bietet die Klassifikation nach Greer und Poulsen [8], welche mukosale Läsionen in drei Schweregrade unterteilt. In der klinischen Beobachtung finden sich bei Snus-Konsumenten bevorzugt Läsionen der Grade 2 und 3 im Vestibulum maxillare.

Snus und Plattenepithelkarzinom

Die histologische Untersuchung der Snus-induzierten Schleimhautläsionen zeigt in frühen Stadien mäßige lymphozytäre Infiltrate, Akanthose und Parakeratose. Mit Fortschreiten dominiert eine ausgeprägte submuköse Fibrose bei gleichzeitig rückläufiger Entzündungsaktivität – ein Muster, das den histologischen Merkmalen einer OSMF entspricht [8].

In Asien ist der Übergang von OSMF zu Plattenepithelkarzinomen gut belegt. Dort liegt die maligne Entartungsrate bei 2–8 % [28]. Klassisch wird OSMF durch Betelnuss (Arecanuss) durch das Areca-Alkaloid Arecolin getriggert, welches über den TGF-β1-Signalweg zu einer Dysbalance zwischen Kollagenproduktion und -abbau führt und so eine irreversible Fibrosierung verursacht. Zusätzlich fördert oxidativer Stress durch reaktive Sauerstoffspezies (ROS) DNA-Schäden und entzündliche Umbauprozesse [8]. Neuere Studien zeigen, dass Snus ähnliche fibrotische Umbauprozesse induzieren kann [10].

Obwohl Snus kein Arecolin enthält, scheint es über alternative Mechanismen – etwa chronische Hypoxie, lokale Reizung und tabakspezifische Nitrosamine (TSNA) – zu vergleichbaren fibrotischen Umbauprozessen zu führen [11]. Pathophysiologisch lässt sich der Übergang von Reiz zu potenzieller Präkanzerose anhand des präsentierten Falles nachvollziehen: Die wiederholte lokale Applikation von Snus ist eine chronische Noxe, die mechanisch, chemisch und toxisch wirkt. Initial entsteht eine akute Entzündung mit lymphozytärer Infiltration. Wird der Reiz nicht eliminiert, chronifiziert die Entzündung; proinflammatorische Zytokine stimulieren Fibroblasten, was zu übermäßiger Kollagenproduktion und submuköser Fibrose führt [16]. Gleichzeitig treten epitheliale Umbauprozesse wie Akanthose und Parakeratose auf. In späten Stadien kann diese Matrix als dysregulierte Mikroumgebung präkanzeröse Veränderungen begünstigen – insbesondere unter Persistenz des auslösenden Agens. Die dabei entstehenden submukosalen Veränderungen sind von potenzieller präkanzeröser Relevanz.

Heterogene Studienlage

Die Bewertung dieser Befunde erfordert Vorsicht. Während einige Snus-induzierte Läsionen nach Konsumverzicht regredient erscheinen [26], erfüllen persistierende Mundschleimhautveränderungen die Kriterien einer potenziellen Präkanzerose. Historische Daten aus Schweden [3][4] wiesen auf ein erhöhtes Karzinomrisiko hin, stehen aber im Kontrast zu neueren prospektiven Erhebungen – ein Indiz für die Heterogenität der Studienlage. Die lange Latenzzeit oraler Karzinome (10–30 Jahre) erschwert zusätzlich die Bewertung eines kausalen Zusammenhangs.

Variabilität von Snus-Produkten

Ein weiteres Problem stellt die große Variabilität von Snus-Produkten dar, was eine pauschale Einordnung ihrer Auswirkungen erschwert. Die Zusammensetzung beeinflusst maßgeblich die lokale Toxizität und Reaktivität.

Fazit

Nicht zuletzt die Variabilität von Snus-Produkten unterstreicht die Notwendigkeit individualisierter klinischer Überwachung und einer differenzierten Risikobewertung. In einer geplanten prospektiven Studie sollen diese Befunde validiert und Frühdiagnostik sowie Therapieoptionen weiterentwickelt werden. Die Etablierung eines ­Recall-Systems (alle 3–6 Monate) ist als sinnvoll zu erachten.

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Manuskriptdaten

Zitierweise

Greber L, Ihrler S: Snus-induzierte orale submuköse Fibrose – Ein klinisch-histopathologischer Fallbericht. WMM 2025; 69(7–8): 333-337.

DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-565

Für die Verfasser

Oberstabsarzt

Dr. med. dent. Lukas Greber

Zahnarztgruppe Kaufbeuren

Sanitätsunterstützungszentrum München

Apfeltrangerstraße 15, 87600 Kaufbeuren

E-Mail: lukasgreber@bundeswehr.org

Manuscript Data

Citation

Greber L, Ihrler S: [Snus-induced Oral Submucous Fibrosis – A Clinical and Histopathological Case Report.] WMM 2025; 69(7–8): 333-337.

DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-565

For the Authors

Major (MC) Dr. Lukas Greber, MD

Dentistry Section Kaufbeuren

Medical Support Centre Munich

Apfeltrangerstraße 15, D-87600 Kaufbeuren

E-Mail: lukasgreber@bundeswehr.org

Zahnmedizin PDF

Zuerst die Parodontitistherapie, dann die Rekonstruktion:
Fortlaufendes Aktualisieren einer diagnostischen Gemengelage mit Fokus auf das zahnmedizinische Therapieziel

First the Periodontal Therapy, then the Reconstruction: Continuous Update of the Diagnostic Situation with a Focus on the Dental Treatment Goal

Gregor Gutschea, Joshua A. Akersb, Markus Tröltzschc, Boros Gabord, Menne Nicoe

a Zahnarztgruppe, Sanitätsversorgungszentrum Cochem

b Speciality Dental Clinic, Dental Health Activity Rheinland-Pfalz, Landstuhl Regional Medical Center

c Praxis Dr. Dr. Tröltzsch, Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Ansbach

d Klinik für Zahnmedizin, Spezialambulanz Oralchirurgie und Implantologie,Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz

e Zahnarztpraxis und Fachpraxis für Parodontologie, Koblenz

Zusammenfassung

Wie einzelne zahnmedizinische Fachdisziplinen interagierend im klinischen Alltag gekoppelt sein sollten und welche Relevanz diesem interdisziplinären Aspekt zukommt, wird anhand einer Kasuistik mit einem Krankheitsverlauf von über drei Jahren verdeutlicht. Chronische destruktive Erkrankungen wie die Parodontitis, deren unmittelbare und weitläufige Effekte kardinale Folgen für jegliche weitere Therapieschritte haben, müssen nicht nur fachlich korrekt durchgeführt werden, sondern sicher und erfolgreich abgeschlossen sein. Zeitfenster für die Rekonvaleszenz oralchirurgischer und implantologischer Therapiephasen können effizient genutzt werden. Damit ein therapeutischer Planungsentwurf valide und zuverlässig zum anvisierten Ziel führt, ist nicht nur eine fachliche Expertise in vielen Teilbereichen der Zahnmedizin notwendig, sondern auch ein motivierbarer Patient, der intrinsisch agiert.

Schlüsselwörter: Integrative Zahnmedizin, Systematik, Parodontitis, Ästhetische Zahnmedizin

Summary

The relevance of interdisciplinary collaboration in everyday clinical practice is illustrated by a case history of a disease progression spanning over three years. Chronic destructive diseases, such as periodontitis, impact any further treatment steps with their immediate and far-reaching effects. Therefore, they must be carried out correctly and completed safely and successfully. Time windows for the convalescence of oral surgery and implant therapy phases can be used efficiently A therapeutic planning design that is valid and reliable will lead to the intended goal. This design requires professional expertise in many areas of dentistry and a patient who is intrinsically motivated.

Keywords: integrative dentistry; systematics; periodontitis; esthetic dentistry

Hintergrund

Eine erfolgreiche und nachhaltige zahnmedizinische Rehabilitation ist allein durch die zielorientierte Koordination aller beteiligten Fachdisziplinen realisierbar. Die zahlreichen Interaktionen der zahntragenden Gewebe, der ­kompletten Mundhöhle mitsamt den Übergängen zu benachbarten anatomischen Strukturen und deren physiologischen Funktionen zeigen, dass eine langfristig erfolgreiche, zahnerhaltende Lösung nur integrativ angegangen werden kann.

Die Komplexität oraler Diagnosen und das Fachwissen lässt heutzutage eine überstürzte zahnmedizinische „08/15“-Behandlung (klassisch die Extraktion/Amputation) ebenso wenig zu wie eine zusätzliche unbedachte Gabe eines weiteren Arzneimittels bei einem metabolisch kompromittierten Patienten mit Polymedikation [37].

Alleinige Schmerztherapie ist mit dem Eliminieren derselben aktuell beendet, wobei allerdings die pathologische Ursache seltenst beseitigt sein dürfte, geschweige denn, dass ein potenziell schädliches Moment für andere Strukturen und deren Funktionen zukünftig ausgeschlossen wäre [1].

Eine gute zahnmedizinische Therapie ist immer holistisch und integrativ. In der archaisch aufgeteilten universitären Situation separat agierender Lehrstühle kommt die umfassende Analyse mannigfaltiger, gemeinsamer Schnittmengen, wie auch die interaktive Kooperation oft zu kurz. Ebenso unterbleibt, gerade bei parodontologischen und oralchirurgischen Therapien, oft eine notwendige Partizipation medizinischer Fachgebiete [18][27][31].

Als Zahnarzt sollte man die Fachdisziplinen nicht voneinander trennen, wenn ein übergeordnetes großes Therapieziel nur auf systematischem Weg mit interagierenden Methoden aus verschiedenen Sparten erreicht werden kann. Als Beispiel sei die klassische präprothetisch-kieferorthopädische „Vor“-Behandlung genannt.

Die Zahnmedizin hat sich in den letzten Jahren rasant fortentwickelt. Manche Themenbereiche erfuhren eine beachtliche Evolution, regenerative Methoden sind fest verankert, zuverlässige Adhäsivtechniken haben sich etabliert, erfolgreiche Protokolle wurden durch Evidenz untermauert und einige Paradigmen verloren ihre Relevanz. Innovative Schritte wurden in vielen Fächern gegangen, wie zum Beispiel in der: Kieferorthopädie und Logopädie [17], Parodontologie [23], Oralchirurgie [2][16], Augmentations- und Implantattherapie [2], Psychologie und Bruxismusbehandlung [6] sowie Funktionsdiagnostik und CMD-Therapie [5].

Das war nicht immer so. Vor Jahrzehnten hatten sich Denkweisen bei Zahnärzten kultiviert, die heute bizarr anmuten. Mit „Drill – Fill – Bill“ war die Arbeit erledigt und aus dem Sinn. In Zuweiserpraxen mit oralchirurgischem Schwerpunkt war ein „never come back patient“ die Höchste der beruflichen Vervollkommnung.

In der nachfolgenden Kasuistik wird eine zahnmedizinische Rehabilitation einer stark parodontal erkrankten Patientin beschrieben. Es gibt ein klares Therapieziel, das nur mit planerischer Konsequenz und engagierter Mitarbeit des Patienten erreicht werden kann. Eine stringente Adhärenz an die systematischen Behandlungsschritte ist unabdingbar, da die kontinuierliche Reevaluation der Teilschritte zu alternativen, vielleicht auch zu zusätzlichen Interventionen führen kann.

Ähnliche berufsbedingte Schwierigkeiten mag es für Soldaten geben, die nur selten einen dauerhaften, vertrauensvollen Bezug zu einem Truppenzahnarzt aufbauen können. Entweder wechselt der Soldat/Patient den Standort oder der Zahnmediziner wird versetzt, abkommandiert bzw. ist auf Lehrgang. Gelegentlich kommen beide hemmenden Sachverhalte gleichzeitig vor. Die Tatsache, dass Zahnärzte nur in seltenen Ausnahmefällen eine deckungsgleiche Qualifikation und Routine vorweisen, mag die Kontinuität bei jeglichem Behandlerwechsel beeinträchtigen. Ein Tempoverlust ist selten gänzlich zu vermeiden, jedoch können die Umstände durch eine exakte, wenn auch zeitaufwändige Dokumentation und klar definierte Projektierung egalisiert bzw. reduziert werden.

Falldarstellung

Die 39 Jahre alte Patientin war 162 cm groß und 58 kg leicht. Sie war verheiratet, ist wieder liiert und Mutter. Sie stellte sich bei ihrem Hauszahnarzt in fast wöchentlichen Abständen mit nicht genau lokalisierbaren starken Schmerzen vor. Es konnte keine Ursache gefunden werden. Eine zur Zweitmeinung aufgesuchte Zahnärztin überwies die Patientin zu uns, wo sie sich Wochen später vorstellte. Sie wirkte sehr ängstlich, unsicher, redete leise in kurzen Sätzen und vermied direkten Blickkontakt.

Allgemeinmedizinische Anamnese und Ausgangsbefund

Frau S. gab an metabolisch gesund zu sein und keine Dauermedikamente einzunehmen. Sie rauchte etwa seit dem 17. Lebensjahr (21 Packyears (PY)) [28].

Orale Befunde

Im Oberkiefer war die Zahnreihe geschlossen, im Unterkiefer lückig. Der Zahnbogen im Oberkiefer war weit, im Vergleich zum Unterkiefer breiter und in der Front aufgefächert. In der Okklusion waren aufgrund der Diskrepanz der Zahnbogenweiten nur wenige Kontakte im Bereich der Prämolarenhöcker vorhanden. Die Bewegungen des Unterkiefers waren wenig taktil und kaum reproduzierbar. Die parodontalen Befunde sind in den Grafiken zusammengefasst (Abbildung 1).

Gingivale Mundschleimhaut-Befunde

Die Gingiva war vestibulär erythematös, lingual erosiv und ödematös verändert. Palatinal war sie blass livide und im Bereich des Gaumens zeigte sich eine Leukokeratose. Die Zähne waren bis Grad III unphysiologisch gelockert. Die Sondiertiefen reichten von 2 bis 9 mm. Zahnhälse waren bis zu 3 mm freiliegend und die Furkationen horizontal bis zu Grad III geschädigt [15].

Der Entzündungsindex Bleeding on Probing (BoP) lag bei 69 % [19]. Die Zunge war stellenweise farblich stark belegt, Zungenbelag-Index = 7 [44]. Das Röntgenbild, Panoramaschichtaufnahme des ehem. Hauszahnarztes zeigte ein umfangreiches Knochendefizit in horizontaler Ebene mit lokal tiefen, vertikalen Defiziten. Der Limbus alveolaris lag bei mehrwurzligen Zähnen apikal des intraradikulären Fornix. An Molaren waren zahlreiche Transluzenzen (klinisch Caries) und Inkongruenzen beim Übergang von Füllungsmaterial zum Zahn erkennbar (Abbildung 1).

 

Abb. 1: Ausgangsbefunde: Parodontalstatus (oben) und Röntgen (Panoramaschichtaufnahme des Hauszahnarztes, unten)

Diagnosen

Es lag eine schwere, generalisierte aggressive Parodontitis sowie ein konservierend und prothetisch festsitzend versorgtes, lückiges Kauorgan (bei fehlendem Zahn 46) vor. Nach der aktuellen Klassifikation handelte es sich um eine Parodontitis Stadium IV, Grad C [32]. Die Prognose für den Erhalt der Zähne 18, 17, 16, 26, 27, 28 und 38 war hoffnungslos. Sie waren parodontologisch betrachtet als nicht erhaltungsfähig einzustufen [22]. Da die sichere Infektionskontrolle im Bereich von durchgängigen Furkationen (Zähne 37, 36, 47, 48) definitiv schwieriger als bei einwurzeligen Zähnen, aber nicht unmöglich ist [15, wurden im Unterkiefer die Molaren zunächst als fraglich (jedoch nicht unmöglich) erhaltungsfähig belassen und nachfolgend antiinfektiös therapiert.

Therapieverlauf

Parodontitistherapie (Stufe I) - Mundhygienetraining

Die Patientin betrieb bisher eine gute Plaqueentfernung – PI 6-fach = 27 % [25]. Beläge wurden visualisiert und deren Entfernung trainiert (Anfärbelösung, Schallzahnbürste, Interdentalbürste).

Subgingivale Sulkusproben wurden an den Zähnen 11, 26, 37, 47 entnommen und gepoolt ausgewertet [14]. Die Auswertung wies die Anaerobier Porphyromonas gingivalis, Tannerella forsythensis und Treponema denticola sowie ebenso den fakultativ anaeroben Aggregatibacter actinomycetemcomitans in hoher Anzahl nach [3].

Frau S. wurde informiert, dass Tabakrauch der größte vermeidbare Risikofaktor für eine Persistenz der Parodontitis darstellt [4]. Zum Rauchstopp wurden ihr Broschüren der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ausgehändigt.

Nach einer einmonatigen Trainingsphase hatte sich die Mundhygiene erheblich verbessert, PI 6-fach = 2 %. Am Rauchverhalten hatte sie nichts geändert Kohlenmonoxid-text [CO] = 14 ppm [42]. An den Oberkieferfrontzähnen 13–23 wurde ein adhäsiver, permanenter Splint (Schienung) aus Compositematerial zur Stabilisation geklebt (diese und alle folgenden Restaurationen wurden gefertigt mit: Phosphorsäuregel 37 %; GC, G-ænial Bond, G-ænial Flow, G-ænial Composite).

Oralchirurgische Phase – Zahnamputationen

Zwei Wochen später erfolgte das oralchirurgische Entfernen der Zähne 18, 17, 16 unter Lokalanästhesie (Articain 4 %) und zwei Wochen später der Zähne 26, 27, 28 und 38.

Antiinfektiöse Parodontitistherapie (Stufe II) – Subgingivales Instrumentieren

Vier Wochen nach den Extraktionen folgte die antiinfektiöse Parodontitistherapie (Stufe II) in Form eines Full Mouth Scalings, FMS [43]. Die begleitende adjunktive antibiotische Therapie bestand aus Amoxicillin 500 1–1-1 und Metronidazol 400 1–1-1 für 7 Tage [40].

Zur Reevaluation (ideal 3–6 Monate nach Stufe II) wurde eine Risikoanalyse für eine erfolgreiche Langzeittherapie (Stufe IV) durchgeführt [29].

Der Entzündungsindex BoP reduzierte sich von 69 % auf 12 %. Seit drei Monaten war sie Nichtraucherin ([CO] = 3 ppm) und verwendete seither Nikotinpräparate.

Das Therapieergebnis war an fast allen Zähnen gut, lediglich an 45, 47 und 48 mangelhaft [35]. Es wurde ein 3-monatiges Intervall zur Stufe IV vereinbart. So konnte das Risiko für Zahnverlust 5,6-fach reduziert werden [7]. Anschließend wurden die Zähne 35, 36, 37 mit direkten Compositerestaurationen versorgt.

Parodontalchirurgie (Stufe III)

Sechs Monate nach antiinfektiöser Therapie (Stufe II) erfolgte die regenerative Parodontalchirurgie (Stufe III) in der Oberkieferfront. Das Zuwarten war als vorteilhaft anzusehen, da die Patientin zwischenzeitlich zur Exraucherin wurde. Nicht- bzw. Exraucher zeigen bis zu 50 % bessere Ergebnisse [36]. Unter lokaler Anästhesie wurde ein modifizierter Papilla-Preservation-Flap nach Cortellini präpariert [9]. Nach Degranulation wurden die Defekte regenerativ behandelt (Emdogain® (30 mg/dl)) [33] und ein horizontal gleichmäßiges Niveau modelliert (Cerabone® 0,5–1 mm Ø) [39]. Vertikale Matratzennähte (Hu-Friedy, Polypropylene 6–0) ermöglichten ein plastisches Ausformen der Gingivapapillen.

Ein Jahr nach Stufe II zeigte sich eine komplette Elimination von Aggregatibacter actinomycetemcomitans und Porphyromonas gingivalis [38] (Abbildung 2 unten). Der Entzündungsindex war bei 13 % BoP stabil und die Mundhygiene mit 11 % PI 6-fach überdurchschnittlich gut.

Abb. 2: Subgingivale periopathogene Bakterien vor antiinfektiöser Therapie (Stufe II) und 15 Monate danach.

Implantatchirurgie

Der anfänglicheWunsch der Patientin nach Implantatkronen in ihrem breiten buccalen Korridor wurde wegen des ehemals bestehenden Tabakkonsums verworfen. Die Kombination der zwei stärksten Risikofaktoren für eine Periimplantitis (nicht therapierte Parodontitis und Tabakrauchkonsum) verbot dies zunächst als Therapiemöglichkeit [20]. Jetzt konnte im Bereich 16 ein Implantat (Camlog Promote Plus 4,3 mm Ø x 11 mm) mit einem internen Sinuslift unter antibiotischer Abschirmung (2 g Amoxicillin 1 h prä OP) [13] inseriert werden. In Regio 26 wurde ein durchmesserstarkes Implantat (Camlog Promote Plus 5,0 mm Ø x 9 mm) in Verbindung mit einem internen Sinuslift inseriert.

Die Freilegung erfolgte zwei Monate postoperativ. Die Verschlussschrauben wurden durch 4 mm hohe Gingivaformer ersetzt sowie die fixierte Gingiva periimplantär positioniert. Zum mesialen Zahn hin erfolgte ein Papillenaufbau (6–0 PTFE), Flap n. Palacci [26]. Vier Monate danach wurden die Implantate für die Kronenrestaurationen abgeformt (3M, Espe, Impregum®). Die Verbindung zur Krone (e-max) wurde über ein Titan Abutment mit Platformswitch hergestellt, damit ein langfristig stabiles periimplantär-restauratives Interface erhalten werden kann.

Frau S. blieb stabiler Nichtraucher und zeigte mit einem PI 6-fach von 9 % eine sehr gute Mundhygiene. Der Anblick der Frontzähne gefiel ihr nicht (Abbildung 3), sie fragte nach einer ansprechenden Lösung.

Abb. 3:Frontalansicht mit Maximallächeln

Restaurative Therapie

Planende Therapiekonzeption

Im Laufe der Therapie kam es zu einer Veränderung des dentalen Displays. Die anfängliche verspannte und starre Mimik hatte sich tendenziell gelockert und die Oberlippe liftete sich mehr nach cranial. Nachdem sich im Verlauf der letzten Monate röntgenologisch ein zusätzliches knöchernes Attachment von 2 bis 4 mm konsolidiert hatte, bestand die Möglichkeit, die Gingiva an den Zähnen 12 und 11 nach koronal zu liften. Ein kompletter weichgewebiger Papillenaufbau war bei der umfangreichen Wurzeldenudation unmöglich bzw. fraglich langzeitstabil. Um die störenden „schwarzen Dreiecke“ zu beseitigen, boten sich Veneers an den Zähnen 12, 11, 21, 22 an. Eine Verblockung von Veneers (en bloc) hätte bei der erhöhten Mobilität der Zähne vermutlich zu materialtechnischen Problemen geführt (Torques, Scherkräfte). Komplette Kronenblöcke hatten sich zwar über Jahrzehnte für die dauerhafte Versorgung bewährt. Dafür muss jedoch ein großer Teil gesunden Zahnschmelzes geopfert werden.

Die Einbeziehung der Eckzähne hätte neben stabilisierenden auch ästhetische Vorteile gebracht. Optimiert werden konnte der Anblick durch die Aufteilung der Ver­blockung in 2 Blöcke: Zähne 13–11 und Zähne 21–23. So wäre die natürlich prominente Wirkung der mittleren Frontzähne nicht durch eine interdentale werkstoffliche Verbindung beeinträchtigt worden.

Definitiver Plan

Es sollte eine Überkronung der Zähne in der Oberkieferfront von 13 bis 23 mit vorheriger therapeutischer Langzeitrestauration erfolgen, um bei einer möglichen zukünftigen Veränderung der Mimik modifizierend reagieren zu können [30]. Nach etwa 3 Monaten Tragedauer wollte man eine potenzielle Veränderung im dentalen Display befunden und den Plan aktualisieren.

Die unterstützende Parodontitistherapie (U, Stufe IV) fand weiterhin konsequent statt, wobei sich die optimalen Mundhygienewerte weiter stabilisierten. Frau S. wurde empfohlen, von dem schnell wirkenden Nikotin-Inhaler auf Nikotinpflaster mit Depoteffekt umzusteigen. Frontale Fotos und ein modelliertes WaxUp dienten der Visualisierung und brachten die Patientin zum Entschluss die Kronenversorgung ohne weitere Weichgewebsplastik anfertigen zu lassen (Abbildung 4).

Abb. 4: Details der Frontzähne und Ansichten des planerischen Wax Up (Frontal, seitlich links und rechts)

Therapeutische Restauration

Die Zähne 13–23 wurden zur Aufnahme einer temporären Langzeitrestauration anatoform präpariert, abgeformt und ein Arbeitsmodell hergestellt. Ein chairside gefertigter Kronenblock aus Kunststoff (DMG, Luxatemp®, Luxatemp Glaze&Bond) wurde, zur Sofortversorgung temporär zementiert (GC, Freegenol®). Ein laborgefertigtes temporäres Langzeittherapeutikum ersetzte nachfolgend das Chairside-Provisorium.

Nach 3 Monaten Tragedauer teilte Frau S. mit, sie habe sich beim Sprechen nur noch selten die Hand vor den Mund gehalten und habe auch den Eindruck, nicht mehr zu lispeln.

Vier Monate später wurden die Präparationen mit zirkulär abgerundeten Stufen auf supra- oder isogingivaler Höhe optimiert. Die Achsenneigung betrug im Idealfall ± 5°, wobei an wenigen Stellen abgewichen werden musste, um die Parallelität der Achsen und das kantfreie Einfügen zu gewährleisten. Die schädelgerechte Oberkieferübertragung wurde mit einem Gesichtsbogen (Artex®) durchgeführt. Der Plan zur Farbgestaltung sah vor den Body in B1, den cervikalen Bereich in B2 und den Bereich hin zur Schneide sowie die Mamelons in B1 zu halten. Die Schneidekanten sollten in transluzentem grau-blau gefertigt und leichte attritionsbedingte Schäden imitiert werden.

Das zahntechnische Labor stellte 2 Kronenblöcke von 13–11 und von 21–23 aus Lithiumdisilikat-Glaskeramik, gepresst und bemalt her. Der Lineangle wurde stärker betont und nach zentral zu verlegt, um die Zahnkronen schmaler erscheinen zu lassen. Ein ausgeprägteres und ästhetisch empfundenes Längenverhältnis von 1’er zu 2’er lehnte die Patientin kategorisch mit dem befürchteten Hasezähnenszenario ab [8].

Parodontal kompromittierte aufgefächerte Frontzähne haben funktionelle und ästhetische Limitationen. Um einen nach anterior geneigten Zahn optisch aufzurichten, wählt man einen steileren Winkel zur Okklusionsebene. Will man nachfolgend ein ideales Zahn-zu-Zahn-Breitenverhältnis (OK Inzisivi 50 %–74 %) bewahren, wirkt die frontale Gesamtansicht auffallend plump. In vielen Fällen ist das ein Kompromiss, der bei kleinen, schmalen Menschen an die ästhetischen Grenzen der fazialen Harmonie stoßen kann [21].

Abb. 5:Labortechnische Arbeit – Oberkieferkronen aus e-max Werkstoff

Frau S. hatte ein schmales Lippenprofil und ein dünnes periorales Gewebe, das subnasal nicht mehr komplett von Knochen gestützt wurde. Durch die Parodontitis büßte ihr Processus alveolaris vertikal bis zu 10 mm ein. So konnte dann der Eindruck entstehen, dass die Zahnkronen zwar schön prominent sichtbar sind, jedoch in der Tiefe des Wurzelbereiches die Basis fehlt. Die plastisch-ästhetische Chirurgie hat eine Reihe von Möglichkeiten, diese Zonen auch ohne Füllstoffe zu verbessern [24].

Die beiden Kronenblöcke wurden nach mechanischer und chemischer Konditionierung mit 9 %-iger Flusssäure (Ultradent; Porcelain Etch) und Silanisierung (Ultradent; Silane) eingeklebt (GC, G-ænial Bond, G-ænial Cem) [12].

Es wurde ein adhäsiver Verbund gewählt, da mit einer festen Verbindung zukünftigen Veränderungen unkompliziert begegnet werden kann, ohne dass die Kronen entfernt werden müssen [11]. Selbst im Fall einer Nichterhaltungsfähigkeit einer dieser Pfeilerzähne könnte die entsprechende Wurzel amputiert und der Knochendefekt mit einer Socket-Preservation aufgefüllt werden [34]. Die beiden restlichen Zähne würden die Restauration sicher tragen – gleichgültig, ob als klassische Endpfeilerbrücke oder als Freiendbrücke.

Abb. 6: Entspannte Mundöffnung mit gutem Lippensupport 13 bis 23 – Ansicht von frontal seitlich.

In der Kontrollsitzung nach einer Woche wurden die Klebefugen der Restauration erneut auf Überschüsse abgetastet, gereinigt und poliert. Wesentlich war, der Patientin eine Reflektion zu ermöglichen. Ein positives Feedback von Familie und Freunden ist wichtig und billigen die lange Behandlungsdauer, vielen persönlichen postoperativen Einschränkungen und die unzähligen gefahrenen Kilometer.

Die Situation wurde nach Fertigstellung abgeformt (GC, Aroma Fine Plus – Fast Set) und eine Wächterschiene für den Oberkiefer hergestellt.

Ferner wurde eine Panoramaschichtaufnahme, PSA zur Implantatkontrolle (10 Monate nach Kronenversorgung, 16 bzw. 18 Monate nach Implantatinsertion, 8 Monate nach Implantatkronenrestauration) angefertigt.

Frau S. wird weiterhin (lebenslang) zur unterstützenden Parodontitistherapie, UPT kommen. Ziel ist es, alle vorhandenen Zähne und Implantate gesund zu erhalten [10].

Abb. 7: Parodontaler Abschlussbefund und Röntgenverlaufskontrolle

Resümee

Betrachtet man das Endergebnis, zeigt sich, dass viele interagierende Behandlungsschritte systematisch nacheinander folgen müssen. Das gelingt strategisch gut, wenn allein ein Zahnarzt zeitoptimierend das komplette zahnmedizinische Spektrum bearbeitet. Regelmäßige Updates und Evaluationen zeigen den Weg, um Funktion und/oder Ästhetik zu verbessern. Eine risikoorientierte, lebenslange unterstützende Parodontitistherapie (Stufe IV) garantiert einen bestmöglichen, langfristigen Zahnerhalt und verhindert überraschende Schmerztherapien.

Für Patienten sind solche integrative Therapien zweifach belastend. Einerseits für die angegriffene Seele, andererseits durch beruflich hohe Ausfallquoten.

Eine PSI-Sonde (PSI = Parodontaler Screening Index), deren Anwendung im Befundkomplex einer Routineuntersuchung und eine nachfolgend konsequente Therapie kann die orale Integrität eines Menschen bewahren und zahlreiche, aufwändige und kostenintensive Behandlungen gar nicht erst notwendig werden lassen.

Rahmenbedingungen der Behandlung

Zu allen Terminen dieser Behandlungsstrecke fuhr die Patientin 1640 km. Bei Operationsterminen wurde sie von einer Begleitperson gefahren. So entstanden realistische Fahrtkosten von 904,80€ (ADAC: Autokosten Herbst-Winter 2024).

Der Verdienstausfall summiert sich bei insgesamt 14 postoperativen Krankheitstagen und Behandlungen an 21 Tagen inklusive Fahrtzeiten auf 152 Stunden, was in etwa dem Monatslohn ihres Berufes entspricht. (Bundesagentur für Arbeit: Entgeltatlas 2025).

Die eigentlichen Therapiekosten liegen weit darüber.

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Bildquellen: alle Bilder Gregor Gutsche

Manuskriptdaten

Zitierweise

Gutsche G, Akers JA, Tröltzsch M, Boros G, Nico M: Zuerst die Parodontitistherapie, dann die Rekonstruktion: Fortlaufendes Aktualisieren einer diagnostischen Gemengelage mit Fokus auf das zahnmedizinische Therapieziel. WMM 2025; 69(7–8): 338-344.

DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-566

Für die Verfasser

Oberfeldarzt Dr. Gregor Gutsche

Zahnarztgruppe Sanitätsversorgungszentrum Cochem

An der Hauptwache, 56812 Cochem

E-Mail: dr.gutsche@paro-koblenz.de

Manuscript Data

Citation

Gutsche G, Akers J, Tröltzsch M, Boros G, Menne N: [First the Periodontal Therapy, then the Reconstruction: Continuous Update of the Diagnostic Situation with a Focus on the Dental Treatment Goal]. WMM 2025; 69 (07–08): 338-344.

DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-566

For the Authors

Lieutenant Colonel (MC) Dr. Gregor Gutsche

Dentistry Section Medical Clinic Cochem

An der Hauptwache, D-56812 Cochem

E-Mail: dr.gutsche@paro-koblenz.de

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Wehrmedizinische Monatsschrift – Impressum/Datenschutz

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Herausgeber: Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr, Presse- und Informationszentrum des Sanitätsdienstes der Bundeswehr im Auftrag des Inspekteurs/der Inspekteurin des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, Von-Kuhl-Straße 50, 56070 Koblenz, Telefon: +49 261 896 13210, E-Mail: pizsanitaetsdienst@bundeswehr.org

Wissenschaftliche Beratung: Die Begutachtung von Original- und Übersichtsarbeiten sowie Kasuistiken im Rahmen des Peer-Review-Verfahrens erfolgt durch in dem Fachgebiet des jeweiligen Beitrags wissenschaftlich ausgewiesene Expertinnen und/oder Experten, die – dem Einzelfall entsprechend – in Abstimmung zwischen Redaktion und Herausgeber ausgewählt und beauftragt werden.

Verlag: Beta Verlag & Marketinggesellschaft mbH, Carl-Zeiss-Str. 5, 53340 Meckenheim, Telefon +49 2225 8889–0, E-Mail: info@cpm-verlag.de; Geschäftsleitung: Tobias Ehlke; Objektleitung: Peter Geschwill; Produktionsleitung: Thorsten Menzel.

Druckversion: Druckvorstufe: PIC Crossmedia GmbH, Hitdorfer Straße 10, 40764 Langenfeld, E-Mail: info@pic-crossmedia.de; Druck: Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (BAIUDBw), Zentraldruckerei Köln/Bonn.

Online-Version (E-Paper): Erstellung mit PIC MediaServer, PIC Crossmedia GmbH, Langenfeld; E-Paper und Autorenhinweise sind unter www.sanitaetsdienst-bundeswehr.de und www.wehrmed.de aufrufbar.

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