Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr vertritt den Sanitätsdienst der Bundeswehr beim COMMITTEE OF THE CHIEFS OF MILITARY MEDICAL SERVICES IN NATO
Erste Sitzung des COMEDS Cold Weather Operations (Medical) Panel in Oslo
A Sievert, MA Hoffmann
Als direkte Reaktion auf die veränderte weltpolitische Lage haben die Chiefs of Medical Services der NATO (COMEDS) beschlossen, die Fähigkeiten ihrer Sanitätskräfte unter kalten Klimabedingungen einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Zu diesem Zweck wurden beim 58. COMEDS Plenary Meeting im Januar 2023 einvernehmlich festgelegt, ein sogenanntes – temporär bestehendes – COLD WEATHER OPERATIONS (CWO) EXPERT TEAM (ET) einzurichten. Das Expertenteam ist strukturell der Medical Health Care Working Group (MHCWG) untergeordnet und hat unter der Supervision des COMEDS Future Advisory Board (CFAB) den Auftrag, mögliche Wissens- und Fähigkeitslücken im Bereich Cold Weather Operations zu identifizieren, die Entwicklung von speziell auf kalte Klimabedingungen zugeschnittenen Empfehlungen zu initiieren und diese gegebenenfalls bis hin zu einer gemeinsamen medizinischen Doktrin und gemeinsamen medizinischen Versorgungsprinzipien weiter zu entwickeln. Ebenfalls soll das Gremium zukünftige Standards für die Medical Community der NATO Mitgliedsstaaten abstimmen und erarbeiten. Hierfür stützt sich das Cold Weather Operations Expert Team unter anderem auch auf den Arbeitsergebnissen und Diskussionsansätzen der HFM Long Term Scientific Study (LTSS 349) und des Research Symposiums (HFM 310) ab.
Aufgrund der erkannten Dringlichkeit wurde das Inaugural Meeting des COMEDS Cold Weather Operations (Medical) Panel in direkter Folge des Plenary Meetings für den 13. - 15. April 2023 terminiert. Mit Norwegen und Kanada als Chair und Co-Chair haben sich zwei NATO-Partner mit ausgewiesener Expertise in Cold Weather Operations dazu bereit erklärt, die Führung des Panels zu übernehmen. Für den Sanitätsdienst der Bundeswehr wurde vom Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr Herr ORR Sievert offiziell zum Deutschen Sprecher bestellt. Im Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr (InstPrävMedBw) ist Herr ORR Sievert als Leiter des Wissenschaftsmanagements und in der Funktion als Experte für die Kälteprävention tätig. Daher wurde er seitens der Institutsleiterin des InstPrävMedBw auch als Subject Matter Expert (SME) für den Bereich Kälte vorgeschlagen und wird die Belange des Sanitätsdienstes der Bundeswehr in diesem Gremium vertreten. Unterstützt wird er hierbei von Oberfeldarzt Dr. Enrico Staps aus der Gebirgsjägerbrigade 23 (Abbildung 1).
Abb. 1: Die neuen Herausforderungen an die Streitkräfte durch Operationen in der Kälte im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung erfordern eine Evaluation der vorhandenen Fähigkeiten und die Identifikation möglicher Lücken (Bildquelle: 2022 Bundeswehr/Jana Neumann).
Zu einem ersten Meeting des Cold Weather Operations Expert Team trafen sich auf Einladung der norwegischen Streitkräfte ausgewählte Vertreter der Sanitätsdienste und Streitkräfte aus Norwegen, Finnland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Dänemark, Kanada und Deutschland in OSLO, Norwegen, um die neue Expertengruppe offiziell zu konstituieren. Virtuell zugeschaltet hatten sich weitere Vertreter und Subject Matter Experts aus den Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada, Finnland und Großbritannien.
Aus Großbritannien war auch COMEDS Chairman Major General Timothy Hodgetts, MD (GBR) zugeschaltet, der es sich nicht nehmen lassen wollte, das Panel offiziell zu begrüßen sowie dessen Aufgaben zu umreißen und zu präzisieren: Er formulierte den Auftrag an das Panel, relevante nationale und internationale Erfahrungen und Fähigkeiten in Standards zu harmonisieren, die in der Folge NATO-weit zum Einsatz kommen können. Mit seiner Arbeit soll das Gremium darüber hinaus mögliche Lücken in den derzeitigen nationalen und internationalen Verfahrensweisen und Doktrinen aufdecken und wesentliche Fähigkeiten, welche zur Verbesserung der vorhandenen Verfahren oder der Doktrinen oder der Umsetzung neuer Maßnahmen notwendig sind, zu identifizieren. Falls notwendig soll das Gremium auch die Voraussetzungen identifizieren, welche für die Implementierung neuer Verfahren geschaffen werden müssen.
Im Rahmen des dreitägigen Arbeitstreffens erhielten die Mitglieder des neu aufgestellten Panels zunächst einen tiefen Einblick in die Strukturen von NATO und COMEDS sowie über die Verortung und Verankerung des Cold Weather Operations Expert Teams in diesen Strukturen. Darüber hinaus zeigte der NATO COMEDS Liaison Officer, Lt Col Willey, den Teilnehmern auch die inhaltliche Einbettung ihrer Aktivitäten in die aktuelle Forschungs- und Standardisierungslandschaft der NATO auf.
Auf inhaltlicher Seite gaben die USA, Kanada, Großbritannien und Norwegen einen ersten Überblick über die aktuellen Aktivitäten ihrer Nationen und Streitkräfte im Bereich der Cold Weather Operations. Besonderes Augenmerk lag dabei auf den Bereichen Strategie und Doktrin, Training und Ausbildung und die auf nationaler Ebene verfolgten aktuellen und geplanten Forschungs- und Entwicklungsvorhaben mit besonderem Fokus auf die Themenfelder Kälte und Höhe (Abbildung 2).
Abb. 2: Von den Gebirgsjägern bis zur COMEDS Working Group: Teamwork bei der Bewältigung der Herausforderungen in der Kälte beginnt in der Truppe und setzt sich letztendlich bis auf internationale Kooperationsebenen fort (Bildquelle: 2022 Bundeswehr/Jana Neumann).
Ausführlich vorgestellt wurden auch die aufgearbeiteten Inhalte und Ergebnisse das NATO Research Symposium „Human Performance and Medical Treatment and Support During Cold Weather Operations“ vom 17. – 19. Oktober 2022 in Arlington, Virginia, USA. Dort hatten sich Wissenschaftler und Militärangehörige der NATO und weiteren verbündeten Streitkräften getroffen, um sich über die spezifischen Herausforderungen für Soldatinnen und Soldaten beim Einsatz in der Kälte – vom mitteleuropäischen Winter bis hin zu Operationen unter arktischen Bedingungen – auszutauschen. Mit gut 100 wissenschaftlichen Expertinnen und Experten sowie hochrangigen Militärangehörigen aus fast allen NATO-Staaten und den assoziierten Nationen bot das Symposium mit Referenten aus den USA, Kanada, Norwegen, Schweden, Finnland, Dänemark, Großbritannien, den Niederlanden und Deutschland auch eine exzellente Möglichkeit, die internationale Vernetzung im NATO weit zunehmend wichtiger werdenden Themenbereich „Soldat und Kälte“ auszubauen.
Die Ergebnisse dieses Symposiums waren ein wesentlicher Grund für die Einrichtung des COMEDS Cold Weather Operations (Medical) Panel und bilden eine wissenschaftsbasierte Grundlage für dessen zukünftige Arbeit.
Weitere Arbeitsgrundlagen wurden im Rahmen dieses ersten Treffens für den zukünftigen Rahmen und die Ausrichtung der Arbeiten festgelegt, sowie die ersten Schritte für das weitere Vorgehen definiert. Das Panel kam überein, zunächst auf die strategische Ebene zu fokussieren. Die initialen inhaltlichen Arbeitsschwerpunkte des Panels werden zunächst in drei Schwerpunktbereichen liegen: Einer umfassenden Analyse von Inhalt, Umfang und Aktualität von nationalen und NATO-Doktrinen im Bereich Cold Weather Operations und der Identifikation möglicher Lücken, der Erfassung nationaler Fähigkeiten und deren (Weiter-)Entwicklung, sowie die strukturierte Aufarbeitung von Lessons Learned der NATO- Partner, des NATO Centre of Excellence für Cold Weather Operations in Norwegen sowie die Erkenntnisse aus dem Angriffskrieg gegen die Ukraine. Als wichtiger Informationsbaustein wurden auch mögliche Erkenntnisse und Lessons Learned aus dem zivilen Bereich genannt.
Durch die aktive Teilnahme an diesem zukunftsweisenden Entwicklungs- und Harmonisierungsprozess kann der Sanitätsdienst der Bundeswehr als wichtiger Enabler entscheidenden Einfluss auf die zukünftige Ausrichtung und Harmonisierung der medizinischen Versorgung von Soldatinnen und Soldaten im NATO-Partnerverbund und der Bündnisverteidigung nehmen.
Für das InstPrävMedBw ergibt sich die einmalige Chance, seine Ressortforschungsaktivitäten und Aktivitäten im Bereich der Versorgungs- und Gesundheitssystemforschung an zukünftigen Bedarfen auszurichten, sich eng mit den Partnernationen zu verzahnen und im Bereich Cold Weather Operations am Puls der Zeit zu bleiben.
Für die Verfasser
Alexander Sievert
Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr
Leiter Wissenschaftsmanagement
Andernacher Straße 100, 56070 Koblenz
E-Mail: alexandersievert@bundeswehr.org
Forscher aus dem Schifffahrtmedizinischem Institut der Marine erhält den renommierten John Grube Forschungspreis 2023
Flotillenarzt Dr. med. Sebastian Klapa, Fachgebietsleiter am Schifffahrtmedizinischen Institut der Marine (SMIM) im Bereich Forschung und Lehre, erhielt im Rahmen der Auftaktveranstaltung des diesjährigen Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRH), den mit 15 000 € weltweit höchstdotierten und renommierten John Grube Forschungspreis im Bereich der entzündlichen Gefäßerkrankungen (Vaskulitiden), zusammen mit dem Lübecker Forscher Prof. Dr. Peter Lamprecht. Damit würdigt die John Grube Foundation zusammen mit der DGRH die bisherige wissenschaftliche Arbeit von Flottillenarzt Dr. Klapa zum Verständnis der Entstehung von Vaskulitiden und die damit verbundenen zukünftigen neuen Therapieoptionen der mitunter lebensbedrohlichen Erkrankungen.
FTLA Dr.med. Sebastian Klapa (links) und Abteilungsleiter III SMIM FLA Prof.Dr.med. Andreas Koch. (Foto privat)
Bereits 2018 gelang dem Kieler Internisten und Rheumatologen zusammen mit einem internationalen Forscherteam die Erstbeschreibung von physiologischen Autoantikörpern, welche gegen an G-Protein gekoppelte Rezeptoren gerichtet sind (anti-GPCR abs; Cabral-Marques O et al. Nature Communications, 2018). Damit wurde zum einen eine bis dahin feststehende Lehrmeinung widerlegt, bei der prinzipiell jeder Antikörper gegen körpereigene Bestandteile als pathologisch und somit krankheitsauslösend zu bewerten ist, wie z. B. anti-CCP Antikörper bei der rheumatoiden Arthritis, zum anderen konnte der regulative Einfluss des Immunsystems auch auf andere Körperfunktionen wie Blutdruck und Herzfrequenz nachgewiesen werden.
Flottillenarzt Dr. Klapa forscht seit 2014 am SMIM u. a. über die Einwirkung von wechselnden Umweltfaktoren, wie z. B. der Hyperoxie beim Tauchen, auf das Immunsystem, im Speziellen auf die menschlichen Gefäße. Die Bedeutung der anti-GPCR abs. in der Entstehung und im klinischen Verlauf bei Vaskulitiden konnte bereits ein Jahr nach der Erstbeschreibung bei der häufigsten Vaskulitis, der Riesenzellarteriitis, gezeigt werden (Klapa S et al. Annals of the Rheumatic Diseases 2019). Die Verleihung des John Grube Forschungspreises 2023 fußt insbesondere auf der diesjährigen Veröffentlichung, welche sich mit der Bedeutung von anti-GPCR abs. gegen Rezeptoren des Komplementsystems (C3aR und C5aR) bei der ANCA-assoziierten Kleingefäßvaskulitis (AAV) befasst. FTLA Dr. med. Klapa konnte zusammen mit internationalen Kooperationspartnern die Bedeutung dieser anti-C5aR und anti-C3aR Antikörper bei der AAV als neuen Biomarker implementieren. Darüber hinaus gelang erstmals der Nachweis dieser Rezeptoren auf T-Zellen von erkrankten Patienten. Damit fungiert insbesondere der Komplementrezeptor 5a als Immuncheckpoint bei der AAV (Klapa S, Müller A, Koch A, Kerstein-Stähle A, Kähler W, Heidecke H, Schinke S, Huber-Lang M, Nitschke M, Pitann S, Augustin S, Karsten CM, Riemekasten G, Lamprecht P. Low Concentrations of C5a Complement Receptor Antibodies Are Linked to Disease Activity and Relapse in Antineutrophil Cytoplasmic Autoantibody-Associated Vasculitis. Arthritis Rheumatol. 2023 May;75(5): 760–767).
Die Forschung zu dieser Interaktion von Antikörpern und Komplementrezeptoren schafft die Grundlage für neue individualisierte Therapiemöglichkeiten und erweitert das Verständnis des Einflusses des Immunsystem als regulatorische Einheit. Mit Avacopan steht ferner seit dem Frühjahr 2023 erstmals ein oraler Komplementrezeptor 5a-Inhibitor auch in Deutschland zur Behandlung der schweren AVV zur Verfügung. Für Flottillenarzt Dr. Sebastian Klapa bedeutet dieser Preis insbesondere eine Verbesserung der Sichtbarkeit von seltenen Erkrankungen und Übertragung der Erkenntnisse der immunologischen Forschung in die klinische Anwendbarkeit.
Flottenarzt
Prof. Dr. med. Andreas Koch
Schifffahrtmedizinisches Institut der Marine
Abteilungsleiter III
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Redaktion: Generalarzt a. D. Prof. Dr. med. Horst Peter Becker, MBA, Scharnhorststr. 4b, D-10115 Berlin, Mobil +49 171 215 0901, E-Mail: hpbecker@beta-publishing.com
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