54. Jahreskongress der DGWMP e. V. vom 19. bis 21. Oktober 2023 in Ulm
Über viele Monate hatten die Kongresspräsidentin Oberstabsarzt Dr. Sonja Förster und Oberfeldarzt Dr. Guido Mühlmeister, wissenschaftlicher Leiter des Kongresses, auf den 19. Oktober 2023 hingearbeitet. Es hatte sich gelohnt. Unter dem Motto „Aktiv. Attraktiv. Anders. – Wo steht der Sanitätsdienst?“ war der 54. Jahreskongress der DGWMP e. V. vom 19. bis 21. Oktober in der Messehalle Ulm in jeder Hinsicht ein voller Erfolg – wissenschaftlich, organisatorisch und gesellschaftlich. Mehr als 400 Teilnehmende und 70 Ausstellende der begleitenden Industrieausstellung konnten bleibende Eindrücke aus Ulm mit nach Hause nehmen.
Feierliche Kongresseröffnung
Die Eröffnungsfeier des 54. Jahreskongresses der DGWMP e. V. begann am Mittag des 19. Oktober mit einem musikalischen Beitrag des Heeresmusikkorps Ulm. Mit den Klängen von Michael Jacksons „Heal the world“ – ein Titel, der in der aktuellen politischen Weltlage wohl kaum hätte besser passen können – wurde die Veranstaltung eingeleitet. Oberstabsarzt Dr. Sonja Förster, Bundeswehrkrankenhaus Ulm, begrüßte als Tagungspräsidentin die Gäste. Hierbei richtete sie ihr Wort nicht nur an die unzähligen Generalärzte und Politiker im Raum, sondern auch besonders an den Festredner des Tages, Dr. Hans-Peter Barthels. Nach einem Ausblick auf das Programm der kommenden zwei Tage folgten Grußworte aus Politik, Wissenschaft und der Bundeswehr.
Oberfeldarzt Dr. Mühlmeier (links) und Oberstabsarzt Dr. Förster (rechts) hatten monatelang den Kongress vorbereitet und freuten sich darüber, die Teilnehmenden begrüßen zu können
Grußworte
Der Schirmherr des diesjährigen Kongresses und Minister für Soziales, Gesundheit und Integration des Landes Baden-Württembergs, Manfred Lucha, appellierte an die Zuhörenden, dass wir uns in der aktuellen „nicht friedlichen Welt“ darauf besinnen müssten, „auf welchen Werten wir basiert sind“ und dass wir für diese „wenn nicht anders möglich auch mit militärischen Mitteln“ einstehen müssten. Er schloss sein Grußwort mit einem Dank an alle Kameradinnen und Kameraden der Bundeswehr, welche in der Pandemie unverzichtbare Leistungen erbracht hätten. Er sah deutliche Parallelen zum zivilen Gesundheitswesen beim Problem der Personalgewinnung und stellte die Frage „Wie können wir gemeinsam stark werden?“.
Oberbürgermeister Gunter Czisch sprach im Folgenden ebenso seinen Dank gegenüber den „Staatsbürgern in Uniform“ aus und betonte, dass er in der heutigen Zeit die Aufgabe des Sanitätsdienstes der Bundeswehr insbesondere in der Wehrmedizin sehen würde.
Landrat Heiner Scheffold eröffnete sein Grußwort mit dem Statement: „Gesundheit ist das wertvollste Gut“. Auch er drückte der Bundeswehr in der Region Ulm, hierbei insbesondere dem Sanitätsdienst, seinen Dank für die zivil-militärische Zusammenarbeit aus. Die pandemische Lage habe die beiden Parteien „regelrecht zusammengeschweißt“. Die Patenschaft des Alb-Donau-Kreises über das Sanitätsregiment 3 in Dornstadt sei ein deutliches Zeichen der engen Verbundenheit mit der Bundeswehr.
„Bundeswehr kennen und können“
Die Präsidentin der Universität der Bundeswehr München (UniBw München), Prof. Dr. Dr. Eva-Maria Kern, reflektierte in ihrem Grußwort besonders das Motto des Kongresses und gab Einblicke in die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen dem Sanitätsdienst und der Uni Bw München, welche „interessengetrieben“ und „auf Augenhöhe“ stattfände. „Wir kennen Bundeswehr und wir können Bundeswehr!“ – Dies sei ein Garant für praxisorientierte, gemeinsame Forschung mit dem Sanitätsdienst.
Generalarzt Dr. Backus, Kommandeur und Ärztlicher Direktor des Bundeswehrkrankenhauses Ulm, überbrachte die Grüße von Generalleutnant Sollfrank, Befehlshaber des Joint Support Enabling Command in Ulm. Er nannte „Frieden, Krise, Krieg“ einen „Dreiklang, den wir so schnell nicht verlassen werden“ und unterstrich damit die Grußworte seiner Vorredner in Bezug auf die weltpolitische Lage, in welcher der Sanitätsdienst seinen neuen Platz finden müsse.
Verleihung der Ehrenmedaillen der DGWMP e. V.
Das letzte Grußwort vor der Festrede richtete der Präsident der DGWMP e. V.e.V., Generalstabsarzt a. D. Dr. Stephan Schoeps, an das Auditorium. Er forderte vor allem die jungen Sanitätsoffiziere auf, das Gespräch mit Erfahreneren zu suchen, um von diesen zu lernen. Passend dazu verlieh er anschließend die Ehrenmedaille der DGWMP e. V. an Fahnenjunker (SanOA) Laura Michaelis, Leutnant Tina Sidow sowie Fahnenjunker Matthias René Grube. Alle drei zeichneten sich durch die besten Lehrgangsnoten ihrer Lehrgänge (Sanitätsdienst, militärischer Fachdienst, Truppendienst) und besondere charakterliche Eignung aus.
Die Träger der Ehrenmedaille 2023 mit dem Präsidenten der DWGMP e. V. (von links): Leutnant Sidow, Generalstabsarzt a. D. Dr. Schoeps, Fahnenjunker Grube, Fahnenjunker (SanOA) Michaelis
Festrede: Deutschland in der Zeitenwende
Nachdem die letzten Takte von „Don’t stop me now“ von Queen gespielt waren, kündigte Oberfeldarzt Dr. Mühlmeier den Festredner der Eröffnungsfeier an. Der frühere Wehrbeauftragte und heutige Präsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik, Dr. Hans-Peter Bartels, begann seine Rede mit den Worten, dass Deutschland im Westen stehe und dies auch immer getan habe. Es sei nicht äquidistant zwischen den Konfliktparteien Russland und Ukraine oder der Hamas und Israel, sondern solidarisiere sich als Land ganz klar mit der Ukraine und auch mit Israel. Der immensen Rolle als viertstärkste Wirtschaftsmacht in der Welt und einer der bedeutendsten Demokratien müsse sich Deutschland bewusst sein und die Erwartungen, die damit einhergehen würden, erfüllen. Alle müssten sich darüber im Klaren sein, dass der Daseinszweck der Bundeswehr nicht mehr der Auslandseinsatz sei, sondern die Landes- und Bündnisverteidigung. In der Bundeswehr bedürfe es aus seiner Sicht deshalb dringend einer Strukturreform. Er wies nachdrücklich auf die Einhaltung der 2 %-Quote im laufenden Wehretat hin, die unabhängig vom Sondervermögen erforderlich sei. „Auch Nachhaltigkeit muss bewaffnet sein!“ und „Eine Vorbereitung auf den Worst Case ist erforderlich.“, so die zentrale Aussage seines Vortrags.
Mit der Nationalhymne endete die feierliche Kongresseröffnung.
Die Festrede hielt der ehemalige Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Dr. Bartels.
Wissenschaftliches Programm
Nach dem Mittag begann das wissenschaftliche Programm mit 4 Plenarsitzungen, mehreren Wettbewerben und einer Vielzahl von Workshops und Arbeitskreissitzungen. Das Spektrum reichte von Diskussionen zur Konzeptentwicklung, Personalgewinnung und -management, den Medizinschen A-Schutz bis hin zur Entwicklung neuester diagnostischer und therapeutischer Verfahren. Wiederholt wurde deutlich, dass sich auch die Wehrmedizin in Richtung auf eine individualisierte Medizin hin entwickeln wird und dass DNS-/RNA-Diagnostik und Immuntherapie die Richtung zukünftiger Tumortherapien bestimmen werden.
Die begleitende Industrieausstellung bot Gelegenheit zum fachlichen Austausch.
Über Wege zu Personalerhalt und -gewinnung wurde in einer hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion am ersten Kongresstag debattiert.
Digitalisierung – hier dargestellt am Beispiel der Unterstützung der Rettungskette – nimmt eine Schlüsselposition in der aktuellen und zukünftigen medizinischen Versorgung auf allen Ebenen ein.
Wettbewerbe
Ein Highlight des zweiten Kongresstages war der Wettbewerb des akademischen Nachwuchses im Sanitätsdienst um den Heinz-Gerngroß-Förderpreis. Hierüber wird in der Januarausgabe 2024 der Wehrmedizinischen Monatsschrift berichtet werden.
Auch die Posterausstellung war erneut hochkarätig beschickt. Ein neues Format waren die mit einem Kurzvortrag verbundenen Posterpräsentationen, die von den Anwesenden als besonders spannend und gelungen angesehen wurde. Die Preise für beide Wettbewerbe wurden anlässlich des Gesellschaftsabends vergeben. Die Platzierungen lauten:
Posterausstellung
Oberfeldarzt Dr. Hanno Witte, Ulm
Oberregierungsrat Thomas Seeger, München
Stabsarzt Alina Stadermann, Ulm
Poster und Kurzvortrag
Prof. Dr. Harald John, München
Oberfeldarzt Dr. Claus Richter, Ulm
Oberfeldarzt Dr. Daniel Gagiannis, Ulm
Kurzberichte aus den Arbeitskreisen und Workshops sowie Kurzfassungen einzelner Vorträge und Poster werden zu einem späteren Zeitpunkt in der Wehrmedizinischen Monatsschrift veröffentlicht.
Gesellschaftsabend
Traditionell kamen die Teilnehmenden am Abend des zweiten Kongresstages zu einem Gesellschaftsabend zusammen. Dieser stand zum einen im Zeichen der Bekanntgabe der Wettbewerbsgewinner und der Preisübergabe. Zum anderen wurden verdiente Mitglieder und Förderer der DGWMP e. V. durch den Präsidenten der Gesellschaft mit der Plakette „Pro Meritis“ ausgezeichnet. Diese konnten
- Generalarzt Dr. Andreas Hölscher
- Oberfeldarzt Dr. Florent Josse
- Flottillenarzt Dr. Klaas Oltmanns
- Oberfeldapotheker Thomas Schuler
- Oberfeldarzt Dr. Heinrich Weßling
entgegennehmen. Außerdem wurden Oberstabsarzt Dr. Felix König mit der Silbernen Ehrennadel und Oberstarzt a. D. Dr. Friedhelm Siebert mit der Plakette des Präsidenten der DGWMP e. V. geehrt.
Die gute Stimmung der Teilnehmenden half dann auch, neben dem Herzen die Geldbörse zu öffnen, als es darum ging, Spenden für die Aktion „Lachen Helfen e. V.“, das Bundeswehrsozialwerk und das Soldatenhilfswerk zu sammeln. So kamen 3200,00 € zusammen, die durch die DGWMP e. V. auf 6000,00 € aufgestockt wurden – gelungener Abschluss eines mehr als gelungenen Kongresstages.
Standortbestimmung des Inspekteurs des Sanitätsdienstes der Bundeswehr
Am Samstag, 21. Oktober 2023, war das Plenum mehr als gut besetzt, galt es doch, sich aus erster Hand über den aktuellen Stand und zukünftige Entwicklungen des Sanitätsdienstes zu informieren. Generaloberstabsarzt Dr. Ulrich Baumgärtner startete seine Standortbestimmung erwartungsgemäß mit einem Blick auf die Situation in Nahost und in der Ukraine. Man könne insbesondere in der Ukraine sehen, dass die bisher im Sanitätsdienst für die Landes- und Bündnisverteidigung ausgeplanten Ressourcen zu knapp kalkuliert seien. Er beklagte, dass Fakten im Kampf um diese Ressourcen in der Bundeswehr nicht immer akzeptiert würden. Es müsse immer wieder deutlich gemacht werden, dass die „Golden Hour“ nichts mit einer „Goldrandlösung“ zu tun habe, sondern aus der Physiologie heraus wissenschaftlich fundiert belegt sei. Damit sei sie nicht verhandelbar.
Der Sanitätsdienst müsse für die Landes- und Bündnisverteidigung viel beweglicher werden. Die Modularen Sanitätseinrichtungen seien vor diesem Hintergrund „out“. Ebenso müssten wir uns auf neue (alte!) Wege im strategischen Verwundetentransport einstellen, wo auch die Eisenbahn wieder eine Rolle spielen werde. Deutschland werde bei einer Verteidigung der Ostflanke der NATO zur Drehscheibe für riesige Personal- und Materialtransporte, was auch potenzielle Angriffsrisiken für unsere Infrastruktur mit sich bringe. Das sei eine gesamtstaatliche Herausforderung für unser Gesundheitswesen; er sehe zur Erfüllung dieser Aufgabe den dringenden Bedarf an einem Gesundheitsvorsorgesicherstellungsgesetz.
Das Zielbild des Sanitätsdienstes 2031, welches zur ministeriellen Billigung vorliegt, sieht kurze Reaktionszeiten und enge Kohäsionen vor, die sowohl im täglichen Dienst am Standort als auch bei Übungen einzuhalten sind. Die Kommandeure auf allen Ebenen müssten hierzu zukünftig für alle Fragen der Gesundheitsversorgung nur einen Ansprechpartner haben. Dieses werde bei der Neuordnung der Sanitätszentren Berücksichtigung finden.
Das Auditorium war bei der Standortbestimmung durch den Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, Generaloberstabsarzt Dr. Baumgärtner, fast bis auf den letzten Platz besetzt.
In einer Tour d‘Horizon streifte Dr. Baumgärtner u. a. das Thema Beschaffung, wo sich mit der Möglichkeit der direkten Beauftragung bei der Beschaffung von handelsüblichem Material eine deutliche Beschleunigung ergeben wird. Auch die Personallage entwickle sich positiv, weil der Sanitätsdienst noch attraktiv sei und dieses bleiben müsse. Die Digitalisierung sei wie in vielen anderen Bereichen auch ein Sorgenkind. In Bezug auf die elektronische Patientenakte werde man auf jeden Fall ein „Off the Shelf“-Produkt einsetzen, Eigenentwicklungen seien zeitlich nicht realisierbar.
Der Inspekteur des Sanitätsdienstes betonte abschließend, dass er auch angesichts der immensen Herausforderungen optimistisch sei, die anstehenden Aufgaben mit allen Angehörigen des Sanitätsdienstes gemeinsam zu meistern.
Staffelübergabe und Fazit
Das Schlusswort sprach der Präsident der DGWMP e. V., Generalstabsarzt a. D. Dr. Stephan Schoeps. Er danke dem Ulmer Team und reichte den Staffelstab symbolisch an Oberfeldarzt Dr. Dr. André Müllerschön und Oberstarzt Prof. Dr. Dirk Steinritz weiter. Beide werden den 55. Jahreskongress im Oktober 2024 in Augsburg ausrichten.
Hinter uns liegt der 54. Jahreskongress der DGWMP e. V. und es lässt sich das Fazit ziehen, dass der Kongress mehr als gelungen war. Erfahrene und junge Sanitätsoffiziere kamen zusammen, um sich über wehrmedizinische, militärische und wissenschaftliche Themen auszutauschen und so voneinander zu lernen. Die Bilder und Berichte sprechen für sich.
Die Berichterstatterin hofft, einen kleinen Eindruck von einem rundum gelungenen Kongress vermitteln zu können. Dieser Bericht möge auch dazu anregen, 2024 den Weg in die Fuggerstadt Augsburg zu finden.
Leutnant (SanOA) Ann-Cathrin Hollstein
E-Mail: anncathrin1998@aol.com
Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr vertritt den Sanitätsdienst der Bundeswehr beim COMMITTEE OF THE CHIEFS OF MILITARY MEDICAL SERVICES IN NATO
Erste Sitzung des COMEDS Cold Weather Operations (Medical) Panel in Oslo
A Sievert, MA Hoffmann
Als direkte Reaktion auf die veränderte weltpolitische Lage haben die Chiefs of Medical Services der NATO (COMEDS) beschlossen, die Fähigkeiten ihrer Sanitätskräfte unter kalten Klimabedingungen einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Zu diesem Zweck wurden beim 58. COMEDS Plenary Meeting im Januar 2023 einvernehmlich festgelegt, ein sogenanntes – temporär bestehendes – COLD WEATHER OPERATIONS (CWO) EXPERT TEAM (ET) einzurichten. Das Expertenteam ist strukturell der Medical Health Care Working Group (MHCWG) untergeordnet und hat unter der Supervision des COMEDS Future Advisory Board (CFAB) den Auftrag, mögliche Wissens- und Fähigkeitslücken im Bereich Cold Weather Operations zu identifizieren, die Entwicklung von speziell auf kalte Klimabedingungen zugeschnittenen Empfehlungen zu initiieren und diese gegebenenfalls bis hin zu einer gemeinsamen medizinischen Doktrin und gemeinsamen medizinischen Versorgungsprinzipien weiter zu entwickeln. Ebenfalls soll das Gremium zukünftige Standards für die Medical Community der NATO Mitgliedsstaaten abstimmen und erarbeiten. Hierfür stützt sich das Cold Weather Operations Expert Team unter anderem auch auf den Arbeitsergebnissen und Diskussionsansätzen der HFM Long Term Scientific Study (LTSS 349) und des Research Symposiums (HFM 310) ab.
Aufgrund der erkannten Dringlichkeit wurde das Inaugural Meeting des COMEDS Cold Weather Operations (Medical) Panel in direkter Folge des Plenary Meetings für den 13. - 15. April 2023 terminiert. Mit Norwegen und Kanada als Chair und Co-Chair haben sich zwei NATO-Partner mit ausgewiesener Expertise in Cold Weather Operations dazu bereit erklärt, die Führung des Panels zu übernehmen. Für den Sanitätsdienst der Bundeswehr wurde vom Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr Herr ORR Sievert offiziell zum Deutschen Sprecher bestellt. Im Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr (InstPrävMedBw) ist Herr ORR Sievert als Leiter des Wissenschaftsmanagements und in der Funktion als Experte für die Kälteprävention tätig. Daher wurde er seitens der Institutsleiterin des InstPrävMedBw auch als Subject Matter Expert (SME) für den Bereich Kälte vorgeschlagen und wird die Belange des Sanitätsdienstes der Bundeswehr in diesem Gremium vertreten. Unterstützt wird er hierbei von Oberfeldarzt Dr. Enrico Staps aus der Gebirgsjägerbrigade 23 (Abbildung 1).
Abb. 1: Die neuen Herausforderungen an die Streitkräfte durch Operationen in der Kälte im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung erfordern eine Evaluation der vorhandenen Fähigkeiten und die Identifikation möglicher Lücken (Bildquelle: 2022 Bundeswehr/Jana Neumann).
Zu einem ersten Meeting des Cold Weather Operations Expert Team trafen sich auf Einladung der norwegischen Streitkräfte ausgewählte Vertreter der Sanitätsdienste und Streitkräfte aus Norwegen, Finnland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Dänemark, Kanada und Deutschland in OSLO, Norwegen, um die neue Expertengruppe offiziell zu konstituieren. Virtuell zugeschaltet hatten sich weitere Vertreter und Subject Matter Experts aus den Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada, Finnland und Großbritannien.
Aus Großbritannien war auch COMEDS Chairman Major General Timothy Hodgetts, MD (GBR) zugeschaltet, der es sich nicht nehmen lassen wollte, das Panel offiziell zu begrüßen sowie dessen Aufgaben zu umreißen und zu präzisieren: Er formulierte den Auftrag an das Panel, relevante nationale und internationale Erfahrungen und Fähigkeiten in Standards zu harmonisieren, die in der Folge NATO-weit zum Einsatz kommen können. Mit seiner Arbeit soll das Gremium darüber hinaus mögliche Lücken in den derzeitigen nationalen und internationalen Verfahrensweisen und Doktrinen aufdecken und wesentliche Fähigkeiten, welche zur Verbesserung der vorhandenen Verfahren oder der Doktrinen oder der Umsetzung neuer Maßnahmen notwendig sind, zu identifizieren. Falls notwendig soll das Gremium auch die Voraussetzungen identifizieren, welche für die Implementierung neuer Verfahren geschaffen werden müssen.
Im Rahmen des dreitägigen Arbeitstreffens erhielten die Mitglieder des neu aufgestellten Panels zunächst einen tiefen Einblick in die Strukturen von NATO und COMEDS sowie über die Verortung und Verankerung des Cold Weather Operations Expert Teams in diesen Strukturen. Darüber hinaus zeigte der NATO COMEDS Liaison Officer, Lt Col Willey, den Teilnehmern auch die inhaltliche Einbettung ihrer Aktivitäten in die aktuelle Forschungs- und Standardisierungslandschaft der NATO auf.
Auf inhaltlicher Seite gaben die USA, Kanada, Großbritannien und Norwegen einen ersten Überblick über die aktuellen Aktivitäten ihrer Nationen und Streitkräfte im Bereich der Cold Weather Operations. Besonderes Augenmerk lag dabei auf den Bereichen Strategie und Doktrin, Training und Ausbildung und die auf nationaler Ebene verfolgten aktuellen und geplanten Forschungs- und Entwicklungsvorhaben mit besonderem Fokus auf die Themenfelder Kälte und Höhe (Abbildung 2).
Abb. 2: Von den Gebirgsjägern bis zur COMEDS Working Group: Teamwork bei der Bewältigung der Herausforderungen in der Kälte beginnt in der Truppe und setzt sich letztendlich bis auf internationale Kooperationsebenen fort (Bildquelle: 2022 Bundeswehr/Jana Neumann).
Ausführlich vorgestellt wurden auch die aufgearbeiteten Inhalte und Ergebnisse das NATO Research Symposium „Human Performance and Medical Treatment and Support During Cold Weather Operations“ vom 17. – 19. Oktober 2022 in Arlington, Virginia, USA. Dort hatten sich Wissenschaftler und Militärangehörige der NATO und weiteren verbündeten Streitkräften getroffen, um sich über die spezifischen Herausforderungen für Soldatinnen und Soldaten beim Einsatz in der Kälte – vom mitteleuropäischen Winter bis hin zu Operationen unter arktischen Bedingungen – auszutauschen. Mit gut 100 wissenschaftlichen Expertinnen und Experten sowie hochrangigen Militärangehörigen aus fast allen NATO-Staaten und den assoziierten Nationen bot das Symposium mit Referenten aus den USA, Kanada, Norwegen, Schweden, Finnland, Dänemark, Großbritannien, den Niederlanden und Deutschland auch eine exzellente Möglichkeit, die internationale Vernetzung im NATO weit zunehmend wichtiger werdenden Themenbereich „Soldat und Kälte“ auszubauen.
Die Ergebnisse dieses Symposiums waren ein wesentlicher Grund für die Einrichtung des COMEDS Cold Weather Operations (Medical) Panel und bilden eine wissenschaftsbasierte Grundlage für dessen zukünftige Arbeit.
Weitere Arbeitsgrundlagen wurden im Rahmen dieses ersten Treffens für den zukünftigen Rahmen und die Ausrichtung der Arbeiten festgelegt, sowie die ersten Schritte für das weitere Vorgehen definiert. Das Panel kam überein, zunächst auf die strategische Ebene zu fokussieren. Die initialen inhaltlichen Arbeitsschwerpunkte des Panels werden zunächst in drei Schwerpunktbereichen liegen: Einer umfassenden Analyse von Inhalt, Umfang und Aktualität von nationalen und NATO-Doktrinen im Bereich Cold Weather Operations und der Identifikation möglicher Lücken, der Erfassung nationaler Fähigkeiten und deren (Weiter-)Entwicklung, sowie die strukturierte Aufarbeitung von Lessons Learned der NATO- Partner, des NATO Centre of Excellence für Cold Weather Operations in Norwegen sowie die Erkenntnisse aus dem Angriffskrieg gegen die Ukraine. Als wichtiger Informationsbaustein wurden auch mögliche Erkenntnisse und Lessons Learned aus dem zivilen Bereich genannt.
Durch die aktive Teilnahme an diesem zukunftsweisenden Entwicklungs- und Harmonisierungsprozess kann der Sanitätsdienst der Bundeswehr als wichtiger Enabler entscheidenden Einfluss auf die zukünftige Ausrichtung und Harmonisierung der medizinischen Versorgung von Soldatinnen und Soldaten im NATO-Partnerverbund und der Bündnisverteidigung nehmen.
Für das InstPrävMedBw ergibt sich die einmalige Chance, seine Ressortforschungsaktivitäten und Aktivitäten im Bereich der Versorgungs- und Gesundheitssystemforschung an zukünftigen Bedarfen auszurichten, sich eng mit den Partnernationen zu verzahnen und im Bereich Cold Weather Operations am Puls der Zeit zu bleiben.
Für die Verfasser
Alexander Sievert
Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr
Leiter Wissenschaftsmanagement
Andernacher Straße 100, 56070 Koblenz
E-Mail: alexandersievert@bundeswehr.org