Elektive Beendigung der erfolgreichen Therapie eines metastasierten malignen Melanoms mit Immuncheckpoint-Inhibitoren bei anhaltender Vollremission
Elective Termination of Successful Therapy with Immune Checkpoint Inhibitors in Metastatic Malignant Melanoma with Achievement of a Sustained Complete Remission
Işın Küçük-Arslan1*a; Vera Pudlitz*a; Cora Reichmannb; Staffan Vanderseea, Tina Uhlmanna
* Beide markierten Autorinnen haben zu gleichen Teilen als Erstautorinnen die Arbeit verfasst.
a Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Klinik III – Dermatologie, Venerologie und Allergologie
b Hautarzt-Praxis Templin – Cora Reichmann, Dargersdorfer Str. 123, 17268 Templin
Zusammenfassung
Die vorliegende Fallpräsentation dokumentiert den Krankheitsverlauf eines 39-jährigen Soldaten mit Lymphknotenmetastasen eines malignen Melanoms axillär rechts bei unklarem Primarius in 3/2018, der anschließenden operativen Lymphadenektomie Level 1 und 2 in 4/2018 und einer ausgedehnten hepatischen, ossären und lymphonodalen Metastasierung in 5/2018.
Wegen der Metastasierung erfolgte die Einleitung einer Therapie mit dem Checkpoint-Inhibitor Nivolumab, initial für 4 Zyklen in Kombination mit Ipilimumab, unter welcher eine Vollremission erreicht und über vier Jahre gehalten werden konnte.
Im Konsens zwischen dem Soldaten, behandelnder Klinik und interdisziplinärer Tumorkonferenz wurde die Therapie 12/2022 beendet. Die weiterhin durchgeführten Staging-Untersuchungen, zuletzt 9/2023, zeigten eine anhaltende Remission.
Schlüsselwörter: Metastasiertes Melanom, Immun-Checkpoint-Inhibitor-Therapie, Nivolumab, Ipilimumab, anhaltende Komplettremission
Summary
The following case report describes the course of a 39-year-old male soldier diagnosed with axillary lymph node metastasis of melanoma in March 2018 who was subsequently treated with lymph node extirpation in levels I and II in April 2018.
Staging revealed extensive hepatic, osseous, and visceral lymph-node metastatic disease, leading to treatment with Nivolumab in combination with Ipilimumab. This resulted in a complete response for more than four years.
For this reason treatment was discontinued in December 2022 after a tumor-board discussion and in consensus with the soldier. Ongoing staging examination confirmed a lasting complete remission as of September 2023.
Keywords: metastatic melanoma; immune-checkpoint-inhibitor therapy; nivolumab; ipilimumab; sustained complete remission
Einleitung
Die Klinik III – Dermatologie und Venerologie – des Bundeswehrkrankenhauses (BwKrhs) Berlin versorgt Patientinnen und Patienten mit malignem Melanom vollumfänglich und in etablierter Kooperation mit involvierten bundeswehrinternen und zivilen Einrichtungen. Unser Leistungsspektrum umfasst die Prävention im Rahmen der Hautkrebsvorsorgen der Soldaten, die umfassende operative Versorgung von suspekten Hautveränderungen über die leitliniengerechte Nachexzision von malignen Melanomen bis hin zur Sentinel-Lymphknotenexstirpation sowie die medikamentöse Tumortherapie nach aktuellen Standards. Im Folgenden stellen wir einen Fall aus unserer Klinik vor, der den Krankheitsverlauf eines Soldaten von der Diagnosestellung über chirurgische und medikamentöse Therapien mit begleitender Diagnostik bis zur elektiven, konsentierten Therapiebeendigung bei stabiler, vollständiger Remission dokumentiert.
Falldarstellung
Erstbefund (3/2018)
Ende März 2018 wurde uns über die Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie in domo ein 39-jähriger Soldat mit histologisch gesicherten Lymphknotenmetastasen eines malignen Melanoms rechts axillär vorgestellt, welche dem Soldaten im Vorfeld als Lymphknotenvergrößerung selbst aufgefallen waren. Ein Primarius konnte nicht detektiert werden, eine B-Symptomatik wurde verneint.
Laborchemisch zeigten sich die Tumormarker S100 mit 0,297 µg/l (Normbereich <0.105 µg/l) und LDH mit 289 U/I (Normbereich 135–225 U/I) erhöht. Die BRAF-Mutationsbestimmung zeigte eine Mutation des BRAF-Gens (c. 1799_1800delinsAA, p.V600E). Das durchgeführte Staging (CT Thorax/Abdomen, Lymphknotensonographie, cMRT) zeigte im CT rechts axillär weitere metastasensuspekte Lymphknoten (max. Größe 19 x 21 mm), woraufhin eine Lymphadenektomie rechts axillär Level 1 und 2 durchgeführt wurde. Zu diesem Zeitpunkt wurde die initiale Diagnose eines malignen Melanoms mit unklarem Primarius im Stadium IIIC nach AJCC 2017 (TNM: Tx N3c M0, ED 03/18) gestellt.
Folgebefund (5/2018)
Da zum damaligen Zeitpunkt im Stadium IIIc (3) lediglich Interferon zur adjuvanten Therapie zugelassen war, entschied sich der Soldat nach ausführlichen Beratungsgesprächen gegen eine adjuvante Therapie; dreimonatige Kontrolluntersuchungen wurden geplant. Jedoch zeigte sich bereits Anfang Mai 2018 eine größenprogrediente Schwellung rechts axillär, die mit einem kutanen Erythem einherging und sonographisch mit neuerlichen Lymphknotenfiliae sowie entzündlicher Begleitreaktion vereinbar war. Die Tumormarker zeigten sich ebenfalls steigend: S100 mit 6,680 µg/l (Normbereich <0.105 µg/l, zuvor 0.297 µg/l) und LDH mit 578 U/I (Normbereich 135–225 U/I, zuvor 289 U/I). Daraufhin veranlassten wir eine PET-CT-Untersuchung (Abbildung 1), bei der sich eine ausgedehnte hepatische, ossäre (Stammskelett) und lymphonodale (rechts axillär, rechts subpectoral, rechts supraclavikulär sowie mediastinal präkardiale) Metastasierung zeigte.
Abb. 1: Im PET-CT von Mai 2018 findet sich eine ausgedehnte hepatische, ossäre (Stammskelett) und lymphonodale (rechts axillär, rechts subpectoral, rechts supraclavikulär sowie mediastinal präkardiale) Metastasierung.
Therapie und weiterer Verlauf
Bei nun vorliegendem Tumorstadium IV; Tx N3c M1c (1) nach AJCC 2017 (5/2018) wurde eine Kombinationstherapie von 4 Zyklen Nivolumab (1 mg/kg KG; PD1-Antikörper (programmed cell death protein 1)) sowie Ipilimumab (3 mg/kg KG; CTLA4-Antikörper (cototoxic T-lymphocyte-associated protein 4)) in dreiwöchigen Abständen durchgeführt, gefolgt von einer Fortsetzungstherapie mit Nivolumab 480 mg alle 4 Wochen. Die Therapie wurde abgesehen von milden Nebenwirkungen wie leichter Abgeschlagenheit, Juckreiz und trockenen Augen/Konjunktivitiden sowie einer Depigmentierung der Gesichtsbehaarung gut vertragen.
Bereits nach dem dritten Zyklus Anfang Juli 2018 zeigte sich sonografisch eine partielle Remission der Lebermetastasen (von den drei Markerläsionen war lediglich eine Metastase in Lebersegment V am Gallenblasenbett noch als echoarme Läsion abgrenzbar) sowie der drei Lymphknotenmetastasen.
Abb. 2: PET-CT vom Juli 2018: Bereits nach 2-monatiger Therapie ist ein deutlicher Rückgang bzw. eine vollständige Rückbildung aller Metastasen erkennbar.
Ende Juli 2018 vervollständigten wir das Staging mittels cMRT, CT Thorax/Abdomen incl. PET-CT, sowie Sonografie der Lymphknoten. Im PET-CT (Abbildung 2) zeigte sich eine vollständige Remission, in der Sonografie der Leber und Lymphknoten eine mindestens weitgehende partielle Remission. Auch laborchemisch fanden sich die Tumormarker S100 mit 0,137 µg/l (Normbereich < 0,105 µg/l, zuvor 6,680 µg/l) und LDH mit 210 U/I (Normbereich 135–225 U/I, zuvor 578 U/I) im Vergleich zum Vorwert vom Mai 2018 deutlich abgefallen.
Seit November 2018 lag eine vollständige, anhaltende Remission unter leichten Schwankungen des Tumormarkers S100 im Verlauf vor. Daher entschieden wir uns im Dezember 2022 im Einvernehmen mit dem Soldaten sowie im Konsens mit unserer interdisziplinären Tumorkonferenz, die Therapie zu beenden und im ersten Jahr die leitliniengerechte Nachsorge um schnittbildgebende Untersuchungen zu ergänzen, sowie monatliche Laborkontrollen durchzuführen, um mögliche Nebenwirkungen rechtzeitig zu erkennen. Im 9/2023 durchgeführten Staging mittels cMRT, PET-CT und Sonographie zeigte sich eine anhaltende Remission.
Diskussion
Bis zur Einführung von Ipilimumab als erstem Immuncheckpoint-Inhibitor in die Therapie des metastasierten Melanoms im Jahr 2011 ging die Diagnose eines metastasierten Tumorleidens in der Regel mit einem infausten Verlauf einher [1]. Der vorgestellte Fall dokumentiert eindrücklich die hervorragende Wirksamkeit der mittlerweile in den Markt eingeführten Substanzen und die jetzt vorhandene Möglichkeit, langfristige Remissionen auch bei Vorliegen von Fernmetastasen zu erreichen. Zurzeit liegen noch keine Daten über das langfristige Management von Patienten in Komplettremission vor.
Im vorgestellten Fall entschieden wir uns im Rahmen der interdisziplinären Tumorkonferenz zu einer Beendigung der Therapie, nachdem der Soldat in den Folgeuntersuchungen mehrere Jahre lang tumorfrei gewesen war. Diese Entscheidung wurde durch das Wissen um die Tatsache erleichtert, dass im Falle eines Rezidivs die erneute Einleitung einer Therapie in der Regel mit dem gleichen guten Ansprechen vergesellschaftet ist. Zudem können auch nach einer Periode langanhaltender Verträglichkeit der Therapie noch immunologisch vermittelte unerwünschte Wirkungen der Behandlung eintreten [2]. Diese Konsensfindung im Rahmen der interdisziplinären Konferenz empfiehlt sich insbesondere dann, wenn die Therapieentscheidungen von den Algorithmen der Leitlinie abweichen.
Kernsätze
Literatur
Manuskriptdaten
Zitierweise
Küçük-Arslan I, Pudlitz V, Reichmann C, Vandersee S, Uhlmann T: Elektive Beendigung der erfolgreichen Therapie eines metastasierten malignen Melanoms mit Immuncheckpoint-Inhibitoren bei anhaltender Vollremission. WMM 2023; 67(12): 464-466.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-231
Für die Verfasser
Oberstabsarzt Işın Küçük-Arslan; Oberstabsarzt Dr. Vera Pudlitz
Klinik III – Dermatologie, Venerologie, Allergologie
Scharnhorststr. 13, 10115 Berlin
E-Mail: isin1kuecuekarslan@bundeswehr.org /
verapudlitz@bundeswehr.org">verapudlitz@bundeswehr.org
Manuscript Data
Citation
Küçük-Arslan I, Pudlitz V, Reichmann C, Vandersee S, Uhlmann T: [Elective termination of successful therapy with immune checkpoint inhibitors in metastatic malignant melanoma with achievement of a sustained complete remission]. WMM 2023; 67(12): 464-466.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-231
For the Authors
Major (MC) Işın Küçük-Arslan, MD; Major (MC) Vera Pudlitz, MD
Bundeswehr Hospital Berlin Department III - Dermatology, Venerology, Allergology
Scharnhorststr. 13, 10115 Berlin
E-Mail: isin1kuecuekarslan@bundeswehr.org /
verapudlitz@bundeswehr.org">verapudlitz@bundeswehr.org
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