Durch dienstliche UV-Exposition bedingter Hautkrebs bei militärischem Personal der Bundeswehr
Effektivität der Hautkrebsvorsorgeuntersuchungen anhand einer deskriptiven Forschungsarbeit in der dermatologischen Fachambulanz Bundeswehrkrankenhaus Berlin
UV-related Skin Cancer in Military Personnel of the Bundeswehr
Effectiveness of Skin Cancer Screening based on a Descriptive Research Study in the Dermatological Outpatient Department of the Bundeswehr Hospital Berlin
Maria Conrada, Elmar Elsnera, Staffan Vanderseea
a Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Klinik III – Dermatologie,Venerologie, Allergologie
Zusammenfassung
Hintergrund: Chronische Sonnenexposition ist ein gut untersuchter Risikofaktor für die Entstehung von berufsbedingtem Hautkrebs. Mehrere internationale Studien deuten darauf hin, dass Militärangehörige im Dienst ein erhöhtes Risiko aufzeigen, an melanozytären und nicht-melanozytären Hauttumoren zu erkranken.
Methoden: Im Zeitraum 1. Januar 2017 bis 31. Dezember 2022 wurden retrospektiv Daten von Soldatinnen und Soldaten1, welche in der dermatologischen Fachuntersuchungsstelle im Bundeswehrkrankenhaus Berlin ein Hautkrebsscreening als Präventivmaßnahme erhielten, mit identifizierten kutanen Malignomen korreliert. Erhoben wurden demografische Basisdaten sowie histopathologische Befunde der Patienten.
Ergebnisse: In den Jahren 2017 bis 2022 wurden bei 4,9 % des Gesamtkollektivs neue Fälle von melanozytärem und nicht- melanozytärem Hautkrebs registriert (n = 338/6915). Der Anteil an erkrankten Männern lag bei 5,4 % (n = 313/5925), der Frauenanteil bei 2,5 % (n = 25/990) mit einem Medianalter bei Diagnosestellung von 39 Jahren bei beiden Geschlechtern. Männliche Soldaten waren bei Diagnosestellung signifikant älter als weibliche (50,1 vs. 38,9 Jahre).
Schlussfolgerungen: Die Prävalenz von 4,9 % in dieser Kohorte ist alarmierend. Es sind zukünftig prospektive Studien notwendig, um genauere Daten zu kutanen Malignomen bei Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr und nachfolgend ein potenzielles Risiko durch chronische UV-Exposition im Dienst zu erfassen.
Schlüsselwörter: Militärpersonal, Hautkrebs, Hautkrebsscreening, berufsbedingte Erkrankungen, Inzidenz
Summary
Objectives: Chronic sun exposure is a well-studied risk factor for developing occupational skin cancer. Several international studies indicate that military personnel are at increased risk of developing melanocytic and non-melanocytic skin tumors while on duty.
Methods: From January 1, 2017, to December 31, 2022, data from soldiers who received skin cancer screening as a preventive measure at the dermatological examination center at Military Hospital Berlin retrospectively were correlated with identified cutaneous malignancies. Basic demographic data and histopathological findings of the patients were collected.
Results: From 2017–2022, new cases of melanocytic and non-melanocytic skin cancer were registered in 4.9 % of the total collective (n = 338/6915). The proportion of men with the disease was 5.4 % (n = 313/5925), and that of women was 2.5 % (n = 25/990), with a median age at diagnosis of 39 years for both sexes. Male soldiers were significantly older than female soldiers at the time of diagnosis (50.1 vs. 38.9 years).
Conclusions: The prevalence of 4.9 % in this cohort is alarming. Future prospective studies are necessary to collect more precise data on cutaneous malignancies in Bundeswehr military personnel and, subsequently, a potential risk from chronic UV exposure during military service.
Keywords: military personnel; skin cancer; skin cancer screening; occupational disease; incidence
Hintergrund
Weltweit wird in den letzten Jahren eine steigende Inzidenz von malignen Melanomen und nicht-melanozytären Hauttumoren beobachtet, obgleich sich die Mortalitätsraten stabil mit fallenden Tendenzen zeigen [10][15]. In Abgrenzung zum malignen Melanom umfasst der Terminus nicht-melanozytären Hautkrebs(NMSC, nonmelanoma skin cancer) u. a. das Basalzellkarzinom (BCC, basal cell carcinoma) und das Plattenepithelkarzinom (SCC, squamous cell carcinoma) sowie die aktinische Keratose (AK), die eine Präkanzerose des SCC darstellt. Im Jahr 2018 lag die NMSC-Inzidenz in Deutschland inzwischen bei 200 000 Neuerkrankungen/Jahr, welche sich nach Schätzungen bis 2030 verdoppeln könnten [14][29].
Wenngleich für das maligne Melanom die Neuerkrankungsrate bei 25 200/Jahr deutlich niedriger lag, wird die jährliche Zunahme der Inzidenz auf 3–7 % geschätzt [5][23]. Die erhöhten Inzidenzraten der kutanen Melanome und der NMSC sind weitgehend auf die zunehmende Exposition gegenüber solarer ultravioletter (UV-) Strahlung zurückzuführen, dem wichtigsten kausalen Risikofaktor für Hautkrebs [5]. Daneben zählen der demografische Wandel und ein verändertes Freizeitverhalten, das mit einer zunehmenden Belastung aus natürlicher und künstlicher UV-Strahlung einhergeht, als ursächliche Faktoren für die steigenden Fallzahlen. Hierzu zählen zum Beispiel die Nutzung von Solarien sowie veränderte Sport- und Urlaubsaktivitäten im Freien. Da die chronische UV-Belastung den entscheidenden Faktor in der Pathogenese von kutanen Malignomen darstellt, ist das Risiko für im Freien Berufstätige zu erkranken als besonders hoch einzustufen [5].
Soldatinnen und Soldaten sind tagtäglich zahlreichen Risiken, wie z. B. dem Gebrauch von Schusswaffen, dem Führen von Schiffen, Luftfahrzeugen und schweren Maschinen, Tätigkeiten in Über- und Unterdruckumgebung oder Exposition gegenüber potenziellen Karzinogenen, wie bspw. aromatischen Kohlenwasserstoffen, ausgesetzt. Zumeist stehen Verteidigungs- und Sicherheitsaspekte sowie die Erfüllung des Auftrages für die Streitkräfte im Vordergrund. Chronische UV-Belastung zählt nicht zu den von Soldaten als aktive Bedrohung wahrgenommenen Risiken.
Mehrere ausländische Studien haben jedoch gezeigt, dass die Inzidenzraten von Melanomen und NMSC unter Militärangehörigen im Vergleich zu altersgleichen Kontrollpersonen in der Allgemeinbevölkerung insgesamt erhöht sind [1][4][8][13][22][27].
Die Dermatologie gehört aufgrund ihrer besonderen Bedeutung für die Einsatzfähigkeit der Soldaten zum unverzichtbaren Bestandteil des Sanitätsdienstes. Dabei spielt mittlerweile die Prävention von Hautkrebs bei Soldaten eine wesentliche Rolle. Es ist anzunehmen, dass eine erhöhte UV-Belastung durch mannigfache Tätigkeitsfelder der deutschen Soldaten, im In- wie im Ausland in den unterschiedlichsten Klima- und Weltregionen, zu einem erhöhten Erkrankungsrisiko an Melanomen und NMSC führt. In der Vergangenheit konnten mehrere Studien den Zusammenhang zwischen chronischer solarer UV-Exposition bei Outdoorberufen und NMSC als Folge darlegen [7][9][17]. Im zivilen Bereich ist in solchen Fällen die Berufskrankheit BK 5103 (Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung) etabliert, welche mit der Novellierung der Berufskrankheitenverordnung zum 1. Januar 2015 eingeführt wurde [12]. Insbesondere die Metaanalyse der Autoren Schmitt et al. (2011) war für die Anerkennung von SCC oder multiplem AK (Präkanzerose des Plattenepithelkarzinoms) als Berufskrankheit richtungsweisend [24][25].
Dagegen besteht weiterhin wissenschaftliche Uneinigkeit über die UV-Dosiswirkungsbeziehung bei Basalzellkarzinomen: Während AK und SCC als Folgen einer chronischen, kumulativen UV-Strahlung anerkannt sind, ist die Datenlage zu BCC weiterhin heterogen. Hier gilt neben der kumulativen UV-Strahlung, der eher eine untergeordnete Rolle zukommt, insbesondere die intermittierende UV-Belastung als ursächlich, ähnlich dem malignen Melanom [16][24]. Die Rationale für die Einführung der BK 5103 war die Erkenntnis, dass die Inzidenz für aktinische Keratosen und Plattenepithelkarzinome der Haut verdoppelt wird, wenn zur privaten Exposition eine beruflich bedingte (und damit versicherte) UV-Exposition von 40 % hinzukommt. Das Basalzellkarzinom ist wegen der andersartigen Pathogenese hier nicht inkludiert. Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 5103 sind neben der gesicherten Diagnose von multiplen aktinischen Keratosen (mind. 6 einzelne Läsionen pro Jahr oder konfluierend auf einer Fläche von mehr als 4 cm2) oder eines Plattenepithelkarzinoms, welche in einem Bereich liegen, der dem natürlichen UV-Licht arbeitsbedingt ausgesetzt war. Außerdem muss der Patient einer besonders betroffenen Berufsgruppe angehören (z. B. Dachdecker, Maurer, Land- & Forstwirt, Gärtner, Bademeister, Straßenbauer, Bergführer etc.). Zudem sollte eine ausreichend intensive arbeitsbedingte UV-Exposition (> 40 % der Lebenszeitdosis) sowie keine weitere wesentliche außerberufliche UV-Belastung vorliegen.
In der Klinik für Dermatologie und Venerologie des Bundeswehrkrankenhauses (BwKrhs) Berlin wurde daher ein Forschungsvorhaben zu Hautkrebs in der dermatologischen Fachuntersuchungsstelle initiiert. Ziel war es, mittels einer retrospektiven Datenanalyse das Auftreten von malignen Melanomen und NMSC bei militärischem Personal der Bundeswehr zu erheben und somit die Effektivität der Hautkrebsscreenings als Präventivmaßnahme in der fachärztlichen Untersuchungsstelle abzuschätzen. Die Fertigstellung der Arbeit wird vorrausichtlich im Frühjahr 2024 erwartet. Im Folgenden sollen aber bereits erste Ergebnisse dargestellt werden.
Methoden
Es handelt sich um eine monozentrische Datenerhebung zu Hautkrebsvorsorgeuntersuchungen und detektierten malignen Hauterkrankungen. Retrospektiv wurde im Zeitraum 1/2017 bis 12/2022 die Anzahl durchgeführter Screeninguntersuchungen mit der Rate an entdeckten kutanen Malignomen (Malignes Melanom, NMSC und deren Präkanzerosen) korreliert. Hierfür wurden mit Hilfe des Krankenhausinformationssystems/NEXUS KIS folgende Diagnoseschlüssel (ICD-10-Codes) gefiltert:
- Vorsorge: Z01.5 bzw. Z12.8 mit GOÄ H750 – Dermatoskopie
- Hautkrebs und Präkanzerosen: C44.xx, C43.xx, L57.0, D03.xx, D04.xx
Anhand der elektronischen Patientenakten wurden Angaben zu den Diagnosen und ferner generelle epidemiologische/demographische Informationen erfasst (u. a. Geschlecht, Alter bei Hautkrebsvorsorgeuntersuchung, Alter bei Hautkrebsdiagnose, zugehörige Dienstgradgruppe). Nachträglich wurden zivile Patienten sowie Soldatenpatienten ausgeschlossen, welche sich im Rahmen von Nachsorgeprogrammen bei einem bereits diagnostizierten Hauttumor in der Fachuntersuchungsstelle vorstellten.
Die ethischen sowie die datenschutzrechtlichen Aspekte wurden durch die zuständige Ethikkommission und Datenschutzbeauftragten geprüft.
Ergebnisse
Retrospektiv wurden Daten von 8 062 Patienten aus dem Krankenhausinformationssystem NEXUS/KIS erhoben und ausgewertet, welche sich innerhalb eines Zeitraumes von sechs Jahren (1/2017 bis 12/2022) in der dermatologischen Fachuntersuchungsstelle (FU3) zu einem Hautkrebsscreening (ICD – 10 – Code Z01.5/Z12.8) oder anlassbezogen (GOÄ H750) vorstellten und eine klinisch-dermatoskopische Untersuchung erhielten. Bei 1 146 Probanden handelte es sich um Zivilpersonen, welche nachträglich aus der Analyse ausgeschlossen wurden (14,2 %). Erste Ergebnisse der Datenauswertung sind im Folgenden dargestellt.
Studienpopulation
Es handelte sich bei den 6 915 Untersuchten um 5 925 (85,7 %) Männer und 990 (14,3 %) Frauen. Das durchschnittliche Alter beider Geschlechter lag bei 39,3 Jahren mit einer Standardabweichung von 10,3 Jahren. Der größte Anteil des Gesamtkollektivs (33,0 %) war zum Zeitpunkt der Untersuchung zwischen 25 und 34 Jahre alt. Insgesamt waren 38,6 % der Soldatinnen und Soldaten jünger als 35 Jahre.
Verdachtsmomente
Von 6 915 Patienten wurde bei 483 (7 %) der Verdacht auf einen maligen Hauttumor oder In-Situ-Karzinom als dessen Vorstufe gestellt. Keine pathologischen Auffälligkeiten zeigten 6 432 (93 %) während der dermatologischen Ganzkörperinspektion und wurden als hautgesund eingestuft. In die Ergebnisse flossen hier sowohl die Vorstellung zum Hautkrebsscreening (Z01.5/Z12.8) als auch die anlassbezogene Vorstellung (GOÄ H750- Dermatoskopie) mit nachfolgender klinisch-dermatoskopischer Untersuchung ein (Abbildung 1).
Abb. 1: Ergebnisse der klinisch-dermatoskopischen Untersuchung
Klinisch-histologische Ergebnisse der Hautkrebsscreening-Untersuchungen
Unter Einbezug der klinisch diagnostizierten In-Situ-Karzinome (hier: Aktinische Keratose und Morbus Bowen) konnten bei 338 Patienten maligne Hauttumore diagnostiziert werden (4,9 %). Hierbei wurden die Diagnosen bei 90,2 % der Soldaten (n = 305/338) während eines Hautkrebsscreenings (ICD- 10- Code Z01.5/ Z12.8) gestellt, bei 8,8 % (n = 33/338) ergaben sich diese aus einer anlassbezogenen Vorstellung (GOÄ H750-Dermatoskopie). Bei einem Viertel der Verdachtsmomente bestätigten sich diese nicht (25,5 %).
Bei den 338 malignen Hauttumoren und Präkanzerosen handelte es sich bei 0,7 % um Erkrankte mit melanozytären (n = 50/6915) und bei 4,1 % (n = 285/6915) um epitheliale Neoplasien. Drei Patienten wiesen Hauttumore sowohl mit melanozytärer als auch nicht-melanozytärer Dignität auf (0,9 %). Abbildung 2 zeigt dies grafisch.
Abb. 2: Anzahl der Melanom-/NMSC-Erkrankten
Epidemiologie der Melanom-/NMSC-Erkrankten
Der Anteil erkrankter Männer lag bei 5,3 % (n = 313/5925), der erkrankter Frauen bei 2,5 % (n = 25/990). Das mittlere Alter (± SD) bei Diagnosestellung beider Geschlechter betrug 50,1 Jahre (± 9,1 Jahre). Der jüngste Patient war bei Diagnosestellung 22 Jahre, der Älteste 68 Jahre alt, der Median lag bei 39 Jahren. Männer waren bei Diagnosestellung signifikant älter als Frauen (Mann-Whitney-U-Test, p < 0,001*).
Diskussion
Die Studie stellte im Rahmen des Forschungsprojektes eine Prävalenz für maligne Hauttumore von 4,9 % (n = 338/6915) im Patientengut der dermatologischen Fachuntersuchungsstelle des BwKrhs Berlin fest.
Malignes Melanom in den Streitkräften
Internationale Studien zur Epidemiologie des malignen Melanoms bei Militärangehörigen gibt es bereits seit Jahrzehnten. So wurde 2011 in einer retrospektiven Tumorregisterstudie eine erhöhte Melanom-Inzidenz bei US-Veteranen (³ 46 y) im Vergleich zu zivilen Gleichaltrigen festgestellt. Auch bei aktiven Soldaten (18–56 y) der US Army konnte in einer retrospektiven Kohortenstudie aus dem Jahr 2014 aufgezeigt werden, dass verglichen mit der Allgemeinbevölkerung eine um 62 % erhöhte Inzidenzrate (36,89 vs. 23,05/ 100 000 Personenjahre) für diese Personengruppe vorlag [13][28]. Auch scheint die Zugehörigkeit zur jeweiligen Teilstreitkraft von Bedeutung, wenn man die unterschiedlich zu bewertende UV-Exposition bspw. in der Marine oder Luftwaffe bedenkt. Mehrere Studien konnten den Dienst in der US Air Force mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung eines Melanoms in Zusammenhang bringen. Ein vom Defense Medical Surveillance System durchgeführter Bericht über die Inzidenz bei aktiven US-Streitkräften zwischen 2000 und 2011 ergab eine Inzidenz für Melanome von 15,5/100 000 Personenjahre bei der US Air Force gegenüber 8,6 bei der US-Armee, was die Unterschiede zwischen den Teilstreitkräften weiter verdeutlicht [5][13][28]. Auch fanden schwedische Kollegen bei Militärpiloten eine erhöhte Inzidenz (standardisierte Inzidenzrate 0,97 (95 % KI 0.83–1.10)) für Maligne Melanome und NMSC im Vergleich zur altersadjustierten Gesamtbevölkerung [11].
NMSC in den Streitkräften
Insgesamt ist die Datenlage zu NMSC bei Militärangehörigen begrenzter. In einer retrospektiven Arbeit wurde bei Veteranen des Zweiten Weltkrieges eine deutlich erhöhte NMSC-Neuerkrankungsrate für jene, die im Pazifik stationiert waren (66 % der BCC- und 68 % der SCC- Patienten) verglichen mit denen, die in Europa ihren Dienst absolvierten [18], festgestellt. In vier skandinavischen Ländern wurde eine Follow-up-Studie über 45 Jahre zu berufsbedingten Hautkrebs durchgeführt, in welcher männliches Militärpersonal (30–49 y) eine standardisierte Inzidenzrate von 1,47 (95 % KI 0.91–2.25) und ³ 50 y von 1,29 (1,17–1,41) für NMSC zeigten [1]. In der italienischen Navy wurden ebenso erhöhte Prävalenzen für NMSC, hier für aktinische Keratosen von 23,5 % (217 von 921) aufgezeigt [26].
Abb. 3: Beispiele für UV-bedingten Hautkrebs:
(A) Plattenepithelkarzinom am alopezischen Kapillitium: Auf einem ca. 6 x 8 cm messendem Areal zeigen sich schmerzlose, hypopigmentierte und rote, hämorrhagisch-krustig belegte Nodi und Plaques.
(B) Klinisches Bild eines superfiziell spreitenden malignen Melanoms (Tumordicke nach Breslow 0,4 mm).
(C) Auflichtmikroskopie eines superfiziell spreitenden malignen Melanoms: Es zeigt sich eine 10 x 6 mm messende, braun-schwarze Makula, in 2 achsenasymmetrisch mit teilweise aufgehobenem Pigmentnetz und zentralem, gräulichem Areal (Regressionszone).
(D) Pigmentiertes Basalzellkarzinom des Rumpfes: Es zeigt sich eine 2 x 2,5 cm messende, rosa Makula mit Teleangiektasien und pigmentiertem Randsaum.
Bilder: BwKrhs Berlin, Klinik III
Einflussfaktoren
Es gibt viele Faktoren, die bei Soldatinnen und Soldaten zu einem erhöhten Hautkrebsrisiko beitragen können. Auf der Grundlage einer Analyse der Literatur konnten wir feststellen, dass eine erhöhte Exposition gegenüber UV-Strahlung, eine geringe Nutzung von Sonnenschutzstrategien und eine mangelnde Aufklärung über die Risiken der UV-Exposition zu den entscheidenden Faktoren gehören, die zu einem erhöhten Hautkrebsrisiko führen.
UV-Exposition ist der wichtigste Risikofaktor für die Entwicklung von malignen Melanomen und NMSC [6][15]. In einer Studie aus dem Jahr 2015 mit 212 Militärangehörigen, die von Einsätzen im Irak und in Afghanistan zurückkehrten, gaben 77 % von diesen an, mehr als 4 h pro Tag im direkten Sonnenlicht gearbeitet zu haben. 64 % der Befragten hätten 75 % des gesamten Tages im Sonnenlicht verbracht [20]. In einer Studie aus dem Jahr 1984 mit Veteranen des Zweiten Weltkriegs, bei denen ein Melanom diagnostiziert wurde, waren 34 % der Melanom-Patienten zuvor in den Tropen stationiert gewesen, verglichen mit 6 % der Kontrollgruppe [21]. Auch im Inland sind Soldaten häufig länger natürlicher UV-Strahlung ausgesetzt. So gaben 67 % der Befragten eines US Air Force Stützpunktes in Kalifornien an, ungeschützt der direkten Sonneneinstrahlung während ihres Dienstes ausgesetzt zu sein [19].
Die erhöhte UV-Exposition wird insgesamt durch unzureichende Anwendung und Verfügbarkeit von Sonnenschutzmittel unter Militärangehörigen verstärkt. In der Studie von 2015 gaben weniger als 30 % der aus dem Irak und Afghanistan zurückgekehrten Soldaten an, routinemäßig Sonnenschutzmittel zu benutzen. Nur 13 % hätten regelmäßig Sonnenschutzmittel aufgetragen, wenn sie der Sonne während des Dienstes ausgesetzt waren. Von dieser Gruppe hätte sich wiederum nur jeder Fünfte über sein Hautkrebsrisiko aufgeklärt gefühlt [20]. Ebenso gaben weniger als 11 % der Befragten des US Air Force-Stützpunktes im Inland an, Lichtschutzfaktorprodukte während der Dienstzeit zu gebrauchen [19].
Während operativer Aufgaben oder Kampfsituationen im Ausland ist anzunehmen, dass die akuten Gefahren als ernster wahrgenommen werden als zukünftige Gefahren von kutanen Malignomen. Ebenso ist eine Unterbrechung des Auftrages zum regelmäßigen Erneuern des Sonnenschutzes im 2 h-Intervall in solchen Szenarien kaum denkbar. Es ist weiterhin zu vermuten, dass die Verfügbarkeit von Sonnenschutzmitteln in Auslandseinsätzen – insbesondere für diejenigen, die sich auf kleinen, entlegenen Stützpunkten befinden – begrenzt ist, was die Verwendung ergänzend erschwert.
Die sowohl kurz- als auch langfristigen Folgen chronischer UV-Exposition scheinen Soldatinnen und Soldaten nicht gänzlich bewusst zu sein. 2016 gaben Veteranen, welche an Hautkrebs erkrankt waren, an, sich bezüglich der Gefahren des Sonnenlichtes und des damit einhergehenden Risikos nicht ausreichend aufgeklärt gefühlt zu haben [20].
Lösungsansätze
Es ist weder praktikabel noch ratsam, unseren Soldaten pauschal zu empfehlen, UV-Exposition gänzlich zu vermeiden. Der Dienst im Freien ist häufig die Voraussetzung zur Auftragserfüllung der Soldaten, sodass Aufklärung und Patientenedukation eine zentrale Rolle bei der Hautkrebsprävention sowohl der regionalen Sanitätseinrichtungen als auch der dermatologischen Fachuntersuchungsstellen der Bundeswehrkrankenhäuser spielen sollte. Dies beinhaltet nicht zuletzt die Rolle der UV-Exposition als Ursache von Hautkrebs, sondern auch die Implementierung von Strategien, die UV-Belastung zu verringern, bspw. durch UV-protektive Uniformen. Des Weiteren könnten Aufklärungskampagnen in den regionalen Sanitätseinrichtungen etabliert werden, um verdächtige Läsionen anhand der ABCDE-Regel bei Selbstuntersuchungen durch die Soldaten zu identifizieren.
Die praktisch unbegrenzte Verfügbarkeit von Sonnenschutzmitteln an allen Standorten ist sowohl im In- als auch im Ausland selbstverständlich anzustreben, doch ist deren Wirksamkeit nur gegeben, wenn sie auch verwendet werden. Demzufolge sollten bei der Auswahl von Sonnenschutzmitteln die Vorlieben der Soldaten berücksichtigt werden. Die Zusammensetzung und das Trägermedium spielen dabei eine entscheidende Rolle. Eine Untersuchung der Verbraucherpräferenzen bei Sonnenschutzmitteln ergab, dass jene, die nicht fetten und keine Rückstände hinterlassen, als am besten bewertet wurden [27]. In den letzten Jahren sind Sonnenschutzsprays immer beliebter geworden. Bei angemessener Anwendung sind diese nachweislich ebenso wirksam wie Sonnenschutzlotionen [18]. Jedoch gibt es für letztere weder von der American Academy of Dermatology (AAD) noch von der U.S. Food and Drug Administration (FDA) Empfehlungen zum Auftragen wie für die herkömmlichen Lotionen [3]. Auch ist die mögliche Entflammbarkeit der Aerosol-Sonnenschutzmittel in denkbaren Kampfsituationen zu bedenken. Während bestimmter operativer Aufgaben, insbesondere in Kampfsituationen, ist es zudem möglicherweise nicht möglich oder sogar gefährlich, den Auftrag zu unterbrechen, um Sonnenschutzmittel in den für einen wirksamen UV-Schutz erforderlichen 2-Stunden-Intervallen aufzutragen [2][3]. Wassereinwirkung oder große Mengen an Schweiß würden ebenfalls dazu führen, dass Sonnenschutzmittel früher als erwartet an Wirksamkeit verlieren.
Vorläufige Schlussfolgerungen
Die Frauen und Männer in unseren Streitkräften gehen bei der Landes- und Bündnisverteidigung ein großes Risiko ein. Es sollte sichergestellt werden, dass ihr Risiko, an Hautkrebs zu erkranken, so gering wie möglich gehalten wird, während sie gleichzeitig ihren Auftrag erfolgreich erfüllen. Im Rahmen des Forschungsprojektes wurden in der dermatologischen Fachuntersuchungsstelle BwKrhs Berlin in der monozentrischen Kohorte 5 % maligne Hauttumore diagnostiziert. Es sind zukünftige prospektive, kontrolliert-randomisierte Studien notwendig, um genauere epidemiologische Daten zu kutanen Malignomen zu erfassen, insbesondere im Hinblick auf die unterschiedlichen Verwendungen und Teilstreitkräfte sowie deren Einfluss auf die Entstehung von Hautkrebs. Analysen und Untersuchungen zu Sonnenschutzmaßnahmen, dem Tragen der Uniform und der persönlichen Schutzausrüstung, der Einsatzorte im In- und Ausland und der Stunden, in denen die Soldatinnen und Soldaten im Freien mit direkter Sonneneinstrahlung dienen, sind erforderlich, um ein erhöhtes Risiko für Hautkrebs bei Militärangehörigen einzuschätzen und zu bewerten. Indem wir über das Risiko von solarer UV-Strahlung analog zur existierenden Berufserkrankung BK 5103 aufklären und einen verstärkten UV-Schutz fördern, können wir die Belastung durch Hautkrebs bei unseren Soldaten zukünftig wirksam verringern.
Kernaussagen
- Hautkrebs ist unter Soldaten der Bundeswehr mit ca. 5 % in einem monozentrischen Kollektiv häufig.
- Die Exposition gegenüber UV-Strahlung, die unzureichende Anwendung von Sonnenschutzstrategien und die geringe allgemeine Aufklärung über die Risiken der UV-Exposition scheinen die Hauptursachen für das erhöhte Risiko von Hautkrebs in dieser Bevölkerungsgruppe zu sein.
- Eine bessere Aufklärung der Bundeswehrangehörigen über die Risiken der UV-Belastung, die Verwendung von Sonnenschutzkleidung und die Verbesserung des Zugangs zu Sonneschutzmitteln sowie deren korrekte Anwendung sind praktikable Optionen, um das Risiko für Hautkrebs in den Streitkräften zu senken.
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Manuskriptdaten
Zitierweise
Conrad M, Elsner E, Vandersee S: Durch dienstliche UV-Exposition bedingter Hautkrebs bei militärischem Personal der Bundeswehr. WMM 2023; 67(12): 467-473.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-228
Für die Verfasser
Oberstabsarzt Maria Conrad
Bundeswehrkrankenhaus Berlin
Klinik III – Dermatologie, Venerologie, Allergologie
Scharnhorststraße 13, 10115 Berlin
E-Mail: mariaconrad@bundeswehr.org
Manuscript Data
Citation
Conrad M, Elsner E, Vandersee S: [UV-related Skin Cancer in Military Personnel of the Bundeswehr]. WMM 2023; 6(12): 467-473.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-228
For the Authors
Major (MC) Maria Conrad, MD
Bundeswehr Hospital Berlin
Department III – Dermatology,Venerology, Allergology
Scharnhorststraße 13, D-10115 Berlin
E-Mail: mariaconrad@bundeswehr.org
1 Zur besseren Lesbarkeit wird ganz überwiegend nur die maskuline Form (Soldat, Patient, usw.) benutzt; angesprochen sind immer alle Geschlechter.