„My Brain Is My Weapon“ – Forschungsergebnisse der NATO-Partner im Bereich Resilienz und mentale Leistungsfähigkeit
Manuela Andrea Hoffmann
Resilienz und mentale Leistungsfähigkeit beeinflussen nicht nur Gesundheit und Wohlbefinden, sondern sind auch grundlegend für die individuelle Einsatzfähigkeit von Soldatinnen und Soldaten (Abbildung 1). Insbesondere vor dem Hintergrund psychisch belastender und immer komplexer werdender Einsatzbedingungen gewinnt die Förderung der Resilienz nicht nur bei den NATO-Partnern, sondern auch innerhalb der Bundeswehr zunehmend an Bedeutung.
Abb. 1: Einflussfaktoren und Auswirkungen von Resilienz
Am Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr (InstPrävMedBw) forscht Dr. Kristina Küper als Dipl.-Psychologin zum Thema „Verbesserung der individuellen Einsatzfähigkeit“. Aufgrund ihrer langjährigen wissenschaftlichen Tätigkeit auf diesem Gebiet ist sie Expertin für die motivationalen und kognitiven Grundlagen von körperlicher und mentaler Leistungsfähigkeit und Gesundheit. Ihre Forschungstätigkeit umfasst unter anderem die Entwicklung und Umsetzung von Befragungen zu gesundheits- und leistungsrelevanten Lebensstilfaktoren (Küper et al., 2022), von Anreizsystemen zur Verbesserung des Gesundheitsverhaltens (Küper et al., 2021) sowie von Trainingsprogrammen im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung (Kardys et al., 2022). Im Auftrag der Institutsleitung wird Dr. Küper zukünftig in enger Zusammenarbeit mit dem Fachbereich „Psychische Leistungsfähigkeit“ im InstPrävMedBw die wissenschaftliche Kooperation im Forschungsfeld „Resilienz und individuelle Einsatzfähigkeit“ mit vorantreiben.
Auf Ebene der NATO haben in diesem Bereich die niederländischen Streitkräfte unter Federführung der Forschungseinrichtung „Trainingsgeneeskunde & Trainingsfysiologie (TGTF, Bewegungsmedizin und Bewegungsphysiologie) das Forschungs- und Entwicklungsprogramm „Presteren onder druk“ (Leistung unter Druck) ins Leben gerufen. Am 12. Oktober 2022 wurde das Programm im Rahmen des Symposiums „My Brain Is My Weapon“ in Utrecht, Niederlande, erstmalig einem internationalen Publikum vorgestellt. Teilnehmende waren neben Militärangehörigen sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der NATO-Partner auch Angehörige weiterer niederländischer Sicherheitsbehörden. Das InstPrävMedBw nahm auf persönliche Einladung des Leiters des Programms, Dr. Wim Keizer, im Auftrag des Direktors „Human Resources“ der Royal Netherlands Army (RNLA) teil. Das Institut wurde durch Dr. Alexander Witzki (Fachbereich Psychische Leistungsfähigkeit) und Dr. Kristina Küper (Fachbereich Angewandte Gesundheitsförderung) vertreten.
Das von den Niederländern ausgerichtete Symposium stellt einen wichtigen Schritt zur besseren Vernetzung der NATO-Partner in diesem Bereich dar. Ziel des vorgestellten Programms „Presteren onder druk“ ist die Erfassung und Verbesserung von Resilienz und mentaler Leistungsfähigkeit von Militärangehörigen. Ein erstes Entwicklungsergebnis ist der „Military Mental Fitness Tracker“ (MMFT), ein Kurzfragebogen zur Erfassung der individuellen mentalen Fitnessressourcen. Zurzeit werden außerdem Trainingsprogramme zur Steigerung der Resilienz konzipiert, die für verschiedene Dienstgradgruppen und Führungsebenen optimiert sind. Konkret ist die Entwicklung von entsprechenden Virtual Reality-Szenarien sowie einer App und eines dreitägigen „Train the Trainer“-Programmes geplant. Zukünftig sollen die zentralen Projektinhalte in die Grundausbildung von Rekrutinnen und Rekruten der niederländischen Streitkräfte implementiert werden.
Im Rahmen des Symposiums wurden zudem bereits bestehende Programme der NATO-Partner zur Förderung der psychischen Fitness und Gesundheit von Soldatinnen und Soldaten präsentiert. Herauszustellen sind hierbei das Programm „Comprehensive Soldier and Family Fitness“ (CSF2) der USA (https://www.usar.army.mil/CSF/) sowie das Programm „Road to Mental Readiness“ (R2MR) der kanadischen Streitkräfte (https://strongproudready.ca/missionready/en/road-to-mental-readiness/). Die Effektivität beider Programme wurde anhand wissenschaftlich-empirischer Belege dargestellt. Positive Auswirkungen zeigen sich unter anderem in Hinblick auf die mentale Gesundheit und Leistungsfähigkeit, die Gruppenkohäsion sowie den Wissenserwerb und die erfolgreiche Anwendung von Bewältigungsstrategien. Darüber hinaus konnten eine gesteigerte Inanspruchnahme psychologischer Hilfs- und Unterstützungsangebote sowie eine Entstigmatisierung mentaler Probleme nachgewiesen werden.
Nach Einschätzung der Expertinnen und Experten des InstPrävMedBw können insbesondere die Erkenntnisse zur Implementierung, Institutionalisierung und Qualitätssicherung von R2MR bei der (Weiter-)Entwicklung von bundeswehreigenen Trainingsprogrammen, z. B. zur Steigerung der psychischen Fitness, hilfreich sein. Die kanadischen Kolleginnen und Kollegen verfügen über eine 15-jährige Erfahrung hinsichtlich des Aufbaus und der Umsetzung von R2MR. Das Programm umfasst inzwischen über 30 Kurse, die insgesamt ca. 560-mal pro Jahr durchgeführt werden. So konnten bereits über 19 000 Personen geschult werden.
Am Folgetag des Symposiums kamen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Streitkräfte aus Kanada, den USA, Großbritannien, der Niederlande und Deutschland zu einer gemeinsamen Vernetzungsveranstaltung zusammen. Themen waren unter anderem die Voraussetzungen und Hemmnisse für eine erfolgreiche Umsetzung von Trainingsprogrammen sowie die Anwendbarkeit bestehender Programme in verschiedenen kulturellen Kontexten. Alle Teilnehmenden signalisierten den ausdrücklichen Wunsch nach weiterer intensiver Zusammenarbeit. Insbesondere äußerten die Vertreter der kanadischen Streitkräfte die Bereitschaft zur Unterstützung im Sinne einer Beteiligung der Bundeswehr an Programminhalten und Forschungsergebnissen von R2MR. Zudem ist ein Besuch von Vertretern der Forschungseinrichtung „Trainingsgeneeskunde & Trainingsfysiologie“ beim InstPrävMedBw für das zweite Quartal 2023 vorgesehen.
Die im Rahmen des Symposiums „My Brain Is My Weapon“ vorgestellten Forschungsergebnisse belegen die Bedeutung und Effektivität entsprechender Trainingsprogramme und verdeutlichten auch einen sich bereits seit Jahren abzeichnenden Trend: Im Kontext von individueller Einsatzfähigkeit rückt neben der körperlichen Fitness immer mehr die mentale Leistungsfähigkeit und Resilienz in den Fokus internationaler Forschung.
Mit seinen verstärkten Forschungsaktivitäten und der zunehmenden Vernetzung auch in diesem Bereich kommt das Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr einer zentralen Forderung des Wissenschaftsrates nach. Dieser hat in seiner Stellungnahme von Juli 2022 neben der Erschließung neuer präventivmedizinischer Forschungsfelder insbesondere auch eine intensivere nationale und internationale Wissenschaftskooperation empfohlen. Aus dem Wunsch der NATO-Partner nach einer engeren Zusammenarbeit mit dem Institut ergibt sich eine große Chance für den gesamten Sanitätsdienst der Bundeswehr.
Oberfeldarzt
Priv.-Doz. Dr. med. habil. Manuela Andrea Hoffmann
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