Digitales Beschwerde- und Meinungsmanagement im Marinesanitätsdienst
Digital Appeal and Feedback Management in the Medical Service of the Navy
Marika Schrötera
a Marinekommando, Marinesanitätsdienst
Zusammenfassung
Hintergrund: Das ärztliche Qualitätsmanagement ist Teil der medizinischen Tätigkeit und somit auch Teil der sanitätsdienstlichen Versorgung an Bord seegehender Einheiten. Das Beschwerde- und Meinungsmanagement ist Bestandteil des Qualitätsmanagements. Mit dem nachfolgenden Konzept soll diese Fähigkeit an Bord wiederhergestellt werden.
Schlüsselwörter: Qualitätsmanagement, Beschwerde- und Meinungsmanagement, Digitalisierung, Innovation, Intrapreneurship
Summary
Background: Medical quality management forms part of medical support, and is thus also part of medical care aboard seagoing units. Appeal and feedback management is a component of quality management. With the following concept, this capability shall once again be established on board.
Key words: Medical quality management, Appeal and feedback management, digitization, innovation, intrapreneurship
Einleitung
Das Beschwerde- und Meinungsmanagement ist ein Bereich des Qualitätsmanagements zur Erfassung, Analyse und Auswertung von Patientenäußerungen. Mit diesem Konzept wird der analoge Kummerkasten mittels Digitalisierung aktualisiert.
Soziologie an Bord seegehender Einheiten der Marine
Die Schiffsbesatzung ist das perfekte Beispiel einer Totalen Institution, denn „dieSchranken,dienormalerweisediedreiLebensbereiche(desSchlafens,desSpielens, des Arbeitens) voneinander trennen“[6] sind an Bord aufgehoben.
Die soziale Struktur an Bord ist von ausgeprägter Asymmetrie bestimmt. Als Teil dieser asymmetrischen sozialen Struktur bildet der Bordsanitätsdienst den organisatorisch-institutionellen Rahmen für die Arzt-Patient-Beziehung an Bord.
Die Arzt-Patient-Beziehung ist von verschiedenen Merkmalen geprägt. Hierzu zählt die unterschiedliche Wissensverteilung, wobei der Schiffsarzt/die Schiffsärztin der Experte/die Expertin und der Patient/die Patientin der Laie ist. Weiterhin befinden sich Schiffsarzt/Schiffsärztin und Patient/Patientin in unterschiedlichen sozialen Rollen. Der Patient/die Patientin ist der/die Hilfesuchende und der Arzt/die Ärztin hat die Definitionsmacht (Diagnosestellung, Krankschreibung, Repatriierung/Ausschiffung). Auch die Steuerungsmacht liegt an Bord deutlich bei dem Schiffsarzt/der Schiffsärztin, denn anders als an Land, hat der Patient/die Patientin nicht die Möglichkeit, den Arzt/die Ärztin frei zu wählen, da sich keine weiteren Kollegen/Kolleginnen an Bord befinden. Die Verhandlungsmacht des Patienten/der Patientin ist somit massiv eingeschränkt.
In einer solch asymmetrischen Beziehung, wie sie hier aufgezeigt ist, können sich latente Konflikte finden, die sich in umgeleiteten Konflikten äußern. In der Arzt- Patient-Beziehung sind latente interpersonelle Konflikte zu erwarten, die strukturinduziert sind. Eine aufgetretene Erwartungsenttäuschung aufseiten des Patienten/der Patientin wird unter diesen Bedingungen eventuell nicht angesprochen, da es nicht jedem Patienten/jeder Patientin gegeben ist, Kritik oder Konflikte direkt zu artikulieren.
Auch die Formen der klinischen Entscheidungsfindung unter medizinischen und nicht medizinischen Aspekten (z. B. Hafenplanung) birgt Konfliktpotential und hat u. a. Einfluss auf das Kontrollgefühl des Patienten/der Patientin.
Ferner können Behandlungsfehler Anlass für Kritik sein und sind in 80 % der Fälle auf Prozessfehler zurückzuführen [8]. Diese sind mittels eines umfassenden funktionierenden Qualitätsmanagements vermeidbar. An Bord wird die Asymmetrie der Arzt-Patient-Beziehung durch die Asymmetrie des Bordlebens verstärkt.
Konzept
Das Konzept des digitalen Beschwerde- und Meinungsmanagements bietet dem/der Patienten/Patientin mittels eines QR-Codes, den er/sie mit dem privaten Smartphone scannt, die niedrigschwellige Möglichkeit, Feedback anhand eines Fragebogens und Freitextes äußern zu können. Über eine Eingabemaske kann das Feedback anonymisiert oder mit Angabe der persönlichen Daten (für Rückfragen oder ggf. ein persönliches Gespräch) abgegeben werden. Ein Aushang mit dem QR-Code wird direkt in der Nähe des Behandlungsortes angebracht und ist so für die Patienten gut sichtbar und zugänglich. Abb. 1 zeigt beispielhaft, wie ein Aushang und Fragebogen aussehen könnte. Die Realisierung umfasst drei Komponenten: Mobile (App), Web und Backend. Dem Patienten/der Patientin stehen entweder eine App oder eine responsive Webanwendung zur Abgabe des Feedbacks zur Verfügung. Eine zweite Webanwendung dient der Schiffsarztgruppe zur Erfüllung ihrer Aufgaben und hält automatisch die Daten in einem vordefinierten Dashboard zur Ansicht und Auswertung vor, die diese auch im Rahmen eines zeitgemäßen Beschwerde- und Meinungsmanagements weiterbearbeitet.
Abb. 1: Scan des QR-Codes
Der/Die Beauftragte Qualitätsmanagement Admiralarzt Marine als unabhängiger Bearbeiter/unabhängige Bearbeiterin und die Leiter/Leiterinnen Sanitätsdienst(LSD) als Fachvorgesetzte der beiden Flottillen erhalten über die Webanwendung ebenso Zugang zu den anonymisierten Daten, um diese im Sinne eines umfassenden Qualitätsmanagements zu analysieren und auszuwerten sowie Prozesse anpassen zu können (Abb. 2). Ziel des digitalen Beschwerde- und Meinungsmanagements ist die Erhöhung der Patientenzufriedenheit. Weiterhin soll mithilfe der Patientensicht das Risikomanagement verbessert werden, indem Hinweise der Patienten/Patientinnen auf Fehler zur Prozessanpassung genutzt werden.
Abb. 2: Darstellung Prozess
Rechtliche Rahmenbedingungen
„DerSanitätsdienstderBundeswehr(SanDstBw)stelltunterBerücksichtigung militärischer Erfordernisse und Besonderheiten eine demallgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende und demwissenschaftlichenFortschrittRechnungtragendesanitätsdienstlicheVersorgung der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr sicher. AuftragdesSanDstBwbeiEinsätzenistdieumfassendesanitätsdienstlicheVersorgung, die neben der Patientenversorgung auch alle Maßnahmen desGesundheitsschutzesundderGesundheitsförderungmitdemZielbeinhaltet,imEinsatzeinimErgebnisdemfachlichenStandardinDeutschlandentsprechendesBehandlungsergebniszugewährleisten“ [3].
Das „Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten“ Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) hat für die sanitätsdienstlichen Einrichtungen des Marinesanitätsdienstes richtungsweisenden Charakter. Der Admiralarzt der Marine trägt die Verantwortung für das Qualitätsmanagement und die Qualitätssicherung im Marinesanitätsdienst. Das Beschwerde- und Meinungsmanagement ist als ein wesentlicher Bestandteil zur Umsetzung angewiesen. In zivilen wie auch militärischen Krankenhäusern ist es seit 2013 Pflicht, ein Beschwerde- und Meinungsmanagement zu betreiben, zu analysieren und auszuwerten.
Aspekt der Gesundheitskommunikation
Betrachtet man die Arzt-Patient-Beziehung aus Sicht Watzlawicks anhand des Konstruktivismus, so haben Arzt/Ärztin und Patient/Patientin jeweils eine eigene Vorstellung der wirklichen Welt, jedoch keine objektive Erkenntnis der wirklichen Welt. Die persönliche Interpretation von Gegebenheiten ist individuell verschieden und „die sogenannte Wirklichkeit das Ergebnis von Kommunikation“ [7]. So ist es zu erklären, dass Arzt/Ärztin und Patient/Patientin über ein und dieselbe Situation oder dasselbe Gespräch einen jeweils individuellen und gegebenenfalls konträren Eindruck erhalten.
In der heutigen Zeit haben Medien in allen Formen einen hohen Stellenwert in allen Lebensbereichen, so auch für die Besatzung an Bord. Das eingeführte Betreuungsnetz (Internet) ermöglicht nun auch die Nutzung von Smartphones, Tablets oder ähnlichen Geräten auf See. Social Media, Bewertungsportale und Fitnessapps gehören zum Alltag der Soldaten an Bord. So wird das Internet auch genutzt, um eventuelle Informationsdefizite nach dem Besuch beim Schiffsarzt zu recherchieren. Genau hier setzt das Konzept an. Der militärische Patient/Die militärische Patientin an Bord bekommt eine fortschrittliche und im Zivilen alltägliche Variante, um seine/ihre Anliegen mit dem Schiffsarzt/der Schiffsärztin zu kommunizieren. Dies bietet die Gelegenheit, der Asymmetrie der Arzt-Patient-Beziehung zu begegnen. Der Patient/Die Patientin erhält eine weitere Möglichkeit, außerhalb der Sprechzeit und der asymmetrischen direkten Situation im Arzt-Patient-Gespräch seine/ihre Anliegen zu adressieren.
Dieses Konzept hat das Potential, die Verbindung zwischen Arzt/Ärztin und Patient/Patientin zu stärken und der dargestellten Asymmetrie entgegen zu wirken. Der Patient/Die Patientin erhält die Möglichkeit, seine/ihre Anliegen ggf. anonym zu äußern und kann bei Abgabe der persönlichen Daten auch eine Rückmeldung zum Sachverhalt erhalten. So kann der Schiffsarzt/die Schiffsärztin bei Bedarf eine Anschlusskommunikation anbieten und persönlich mit dem Patienten/der Patientin über das Anliegen sprechen. Auf diese Weise lassen sich unter anderen Umständen ungeklärt gebliebene Konflikte auflösen.
Fazit und Ausblick
Die Sichtweise der Patienten/Patientinnen soll aktiv eingefordert werden, um diese wahrnehmen zu können, zu analysieren und auszuwerten. Mithilfe der gewonnenen Erkenntnisse können anschließend die Anliegen der Patienten/Patientinnen gelöst werden und Prozesse im Rahmen des Qualitätsmanagements angepasst werden. Auch Hinweise für materielle und konzeptionelle Anpassungen sind zu erwarten. Durch das Wahrnehmen des Patienten/der Patientin und das Lösen seiner/ihrer Anliegen erfährt der Patient/die Patientin, dass ihm/ihr zugehört wird und er/sie wertgeschätzt wird. Weiterhin bietet das Konzept für den Patienten/die Patientin Transparenz, da er/sie über das Ergebnis seiner/ihrer Anliegen informiert wird. Auf diese Weise kann die Arzt-Patient-Beziehung verbessert werden. Dies ist gerade an Bord, einer Totalen Institution, von großem Wert, um der ausgeprägten Asymmetrie zu begegnen.
Die Einführung als digitale Variante ist in der heutigen Zeit geboten, um die Akzeptanz der Patienten/Patientinnen zu erreichen, da es ansonsten, wie aufgezeigt, nicht angenommen werden würde. Durch das Angebot von zwei intuitiven Anwendungen (Webkomponente und App) ist dem Patienten/der Patientin jede Möglichkeit geboten, sein/ihr Feedback anzubringen. Bei Klärungsbedarf kann diese/r sogar eine personalisierte Rückmeldung abgeben, umso die Patienten-Arzt-Beziehung zu verbessern. Es muss unbedingt anwenderfreundlich und intuitiv nutzbar umgesetzt werden, damit das Angebot niedrigschwellig ist.
Rechtlich gesehen ist der Marinesanitätsdienst, nicht wie Krankenhäuser, dazu verpflichtet, ein Beschwerde- und Meinungsmanagement einzuführen, jedoch deutlich dazu unter Beachtung des Datenschutzes angewiesen.
Die Patientensicherheit wird dahingehend beeinflusst, dass die nun möglichen Prozessanpassungen die Sicherheit der Behandlung erhöhen. Auch die Verbesserung der Kommunikation zwischen Arzt/Ärztin und Patient/Patientin ist in der Lage die Patientensicherheit zu erhöhen, denn der Patient/die Patientin wird in die Lage versetzt, validere Entscheidungen für seine/ihre eigene Gesundheit zu treffen. Der Arzt/Die Ärztin erhält durch eine verbesserte Kommunikation von seinen/ihren Patienten/Patientinnen gegebenenfalls wichtige Informationen, die ihn/sie in der Diagnose und Therapieentscheidung wesentlich beeinflussen.
Dieser hier aufgezeigte kleine Bereich des Qualitätsmanagements für einen sehr kleinen Bereich der Marine zeigt auf, welche Vorteile aus einem umfassenden Qualitätsmanagement nicht nur für den Marinesanitätsdienst, sondern auch für die Marine entstehen können. Zufriedenes Personal, verbesserte Arbeitsbedingungen, verbesserte Kommunikation und somit gesteigerte Effizienz und Effektivität könnten dringend benötigte Ressourcen zur Erfüllung des Auftrages freisetzen.
Diese technische Variante kann nicht nur an Bord, sondern auch an Land eingesetzt werden. Wenn man den Fragebogen austauscht, kann jede Evaluation in der Bundeswehr auf diese Weise durchgeführt werden. Es muss jedoch die Möglichkeit geschaffen werden, digitale Innovationen, deren Nutzen experimentell bewiesen wurde, nach dem Pilotprojekt zügig und dauerhaft in der Bundeswehr einzuführen.
Infobox:
SoftWerk006: Digitales Beschwerde- und Meinungsmanagement
Startschuss für die Agile Coding Phase des SW006 mit dem Marinekommando ist August 2022. Das MVP soll bis Ende 2022 zum Testen der Nutzergruppe bereitgestellt werden.
Die Schmiede ist eine Innovationseinheit der BWI GmbH und entwickelt in drei bis sechs Monaten ohne extra Beauftragung einsatzfähige Software in Form eines MVPs. Die Use Case dafür kommen direkt von einem Nutzer/einer Nutzerin aus der Bundeswehr.
Kontakt zur Schmiede: www.schmiede.dev
Literaturverzeichnis
- Goffmann E: Asyle: Über die soziale Situation psychiatrischer Patienten und anderer Insassen. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1995.
- Kleve H: Die Wirklichkeit der Möglichkeit. In: Huber A, Fürst R (Hrsg.):Watzlawicks pragmatischer Konstruktivismus. , aufgerufen am 29. Juli 2022. mehr lesen
- Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr: C1–885/0–4004 Bereichsvorschrift Medizinische Qualitätssicherung für die ambulante und stationäre Patientenversorgung in Einrichtungen des Sanitätsdienstes der Bundeswehr. Koblenz: Kdo SanDstBw 2018.
- Walhalla Fachredaktion: Das gesamte Sozialgesetzbuch SGB I bis SGB XIV mit Durchführungsverordnungen und Sozialgerichtsgesetz (SGG). Regensburg: Walhalla Fachverlag 2022.
- Schrappe M: APS-Weißbuch Patientensicherheit. Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verkagsgesellschaft 2018.
- Siegrist J: Medizinische Soziologie, München: Urban & Fischer Verlag 2005.
- Watzlawick P: Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Wahn – Täuschung – Verstehen. München: Piper 1976.
- Wiesener TM: Qualitätsförderung durch Fehlervermeidung. Analyse von Behandlungsfehlerverläufen in der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (Magisterarbeit im Public-Health-Aufbaustudiengang). Düsseldorf: Heinrich-Heine-Universität 2004.
Manuskriptdaten
Zitierweise
Schröter M: Digitales Beschwerde- und Meinungsmanagement
im Marinesanitätsdienst. WMM 2022; 66(9-10): 352-355.
Verfasser
Oberstabsarzt Marika Schröter
Marinekommando
Marinesanitätsdienst
Referat Planung/Konzeption
Kopernikusstraße 1, 18057 Rostock
E-Mail: marikaschroeter@bundeswehr.org
Manuscript Data
Citation
Schröter M: Digital Appeal and Feedback Management in the Medical Service of the Navy. WMM 2022; 66(9-10): 352-355.
Author
Lieutenant Commander (Navy MC) Marika Schröter
Navy Command
Navy Medical Service
Department Planning and Concepts
Kopernikusstraße 1, D-18057 Rostock
E-Mail: marikaschroeter@bundeswehr.org
Die Arbeitsgemeinschaft Maritimes des Deutschen SanOA e. V.
Ein Beispiel gelungener Einbindung begeisterter Sanitätsoffizieranwärter*innen
Einleitung
Der Deutsche SanOA e. V. vertritt seit inzwischen über 30 Jahren die Interessen der Sanitätsoffizieranwärterinnen und -anwärter sowie jungen Sanitätsoffizieren aller vier Approbationsrichtungen. Eines der erklärten Ziele des Vereins ist die Aus- und Weiterbildung seiner Mitglieder in wehrmedizinischen Aspekten und die Förderung der Identifikation mit dem Berufsbild des Sanitätsoffiziers – der Blick über den Tellerrand des zivilen Studiums hinaus. Wichtiges Instrument, um dieses Ziel zu verwirklichen, sind die Arbeitsgemeinschaften des Deutschen SanOA e. V..
Hierbei handelt es sich um den Zusammenschluss von Kameradinnen und Kameraden mit einem gemeinsamen Interesse, sich intensiver mit einem bestimmten Bereich des Sanitätsdienstes der Bundeswehr zu beschäftigen. Aktuell gibt es im Deutschen SanOA e. V. fünf solcher AGs. Thematisch reichen diese Gruppen von allgemeiner militärischer Ausbildung in der AG Flecktarn über die AG Wehrpharmazie, die AG Internationale Zusammenarbeit, die AG Luftwaffe bis hin zur AG Maritimes.
Seit 2016 findet die Grundausbildung aller SanOA zentral im Sanitätsdienst statt. Immer wieder stellen wir fest, dass mit der Distanz zu den Uniformträgerbereichen das Bedürfnis nach Identifikation und Information wächst. Bemerkbar macht sich das unter anderem an unseren gut besuchten Veranstaltungen. Diese führen wir sowohl Online in Form einer Vorlesungsreihe als auch in Präsenz in Form der Jahrestagung, den Standortvertreterversammlungen oder thematisch spezifischeren Veranstaltungen wie beispielsweise den Ausbildungswochenenden Marine oder Taktische Verwundetenversorgung durch. Um Ihnen einen Einblick in unsere Arbeit zu geben, dürfen wir im Folgenden die Arbeitsgemeinschaft Maritimes vorstellen.
Die Arbeitsgemeinschaft Maritimes
Die AG Maritimes gibt es schon so lange im Deutschen SanOA e. V., wie es marineinteressierte SanOA gibt, also praktisch seit Gründung des Vereins. Bestreben dieser AG war es stets, Möglichkeiten für interessierte Kameradinnen und Kameraden zu schaffen, einen Einblick in die Marine und den Marinesanitätsdienst zu gewinnen. Das Augenmerk legen wir dabei nicht nur auf spezielle Aspekte des Sanitätsdienstes, sondern auch auf ein allgemeines Verständnis für den Auftrag und die Traditionen der Marine. Über die Wissensvermittlung hinaus möchte die Arbeitsgemeinschaft als Plattform des Austausches dienen. Dabei sind alle SanOA unabhängig von Uniformträgerbereich, Approbationsrichtung und Studienfortschritt willkommen.
Um diese Ziele zu erreichen, führt die AG Maritimes eine Reihe an Projekten durch: Ein bewährtes Format für Aus- und Fortbildung ist ein jährlich stattfindendes Ausbildungswochenende, welches wir in Zusammenarbeit mit dem Marinesanitätsdienst nun schon zum wiederholten Male durchführen konnten. Gerne folgen wir darüber hinaus der Einladung des Admiralarztes der Marine zur jährlichen Arbeitstagung der Marineoffiziere im Sanitätsdienst der Bundeswehr oder nehmen als Verwundetendarstellerinnen und -darsteller an der Übung Schneller Delphin teil. Im Zuge der Online-Vorlesungsreihe des Deutschen SanOA e. V. vermitteln Vortragende aus dem Marinesanitätsdienst regelmäßig maritime Inhalte. Und zu guter Letzt können wir inzwischen mit dem Handbuch Bordfamulatur den Kameradinnen und Kameraden eine Hilfestellung auf dem Weg zu einer Famulatur auf einer seegehenden Einheit bieten.
Das Ausbildungswochenende Marine
In Kiel am Schifffahrtmedizinischen Institut legten wir 2018 nach längerer Pause den Grundstein für ein seither stetig wachsendes Interesse von SanOA an einer zukünftigen Verwendung im Marinesanitätsdienst. Wichtig bei der Durchführung unserer Veranstaltungen ist uns immer zu zeigen, wie vielfältig die Marine und ihr Sanitätsdienst sind. So durften wir in den darauffolgenden Jahren unter Federführung des Marinekommandos in Rostock das Einsatzausbildungszentrum Schadensabwehr der Marine in Neustadt (Holstein) und die Marinetechnikschule in Parow besuchen. Zuletzt öffnete vom 22. – 26. September 2021 die Marineoperationsschule in Bremerhaven (MOS) ihre Kasernentore für uns. Im Zeichen der Fragestellung „Was macht ein Schiff zu einem Kriegsschiff?“ durften wir drei Tage Marine in Theorie und Praxis erfahren und erleben. Hierfür reisten 23 SanOA aus 10 Standorten an. Den ersten Abend starteten wir traditionsgemäß mit einem „Icebreaker“. Begegnen sich junge Offizieranwärter aus Standorten von München im Süden bis Kiel im Norden und von Köln-Wahn im Westen bis Weißenfels im Osten, gibt es einiges auszutauschen. Nicht nur der Dialog untereinander ist hier möglich, auch erste Gespräche mit den Projektoffizieren aus dem Marinekommando oder der Leitung der AG Maritimes bieten eine Gelegenheit für Informationsaustausch in beide Richtungen.
Am nächsten Morgen eröffnete ein Vortrag über das Tätigkeitsfeld des Schiffsarztes das Tagesprogramm, bevor wir im Anschluss in die Schwimmhalle der MOS verlegten. War ursprünglich geplant, dem Hallenausbildungsabschnitt des Überleben See Trainings der Marineflieger lediglich vom Beckenrand aus beizuwohnen, hatte man nicht mit der Wissbegierde der jungen Kameradinnen und Kameraden gerechnet. Um nachvollziehen zu können, was auf unsere zukünftigen Patienten zukommt, wollten wir diesen Ausbildungsabschnitt selbst durchlaufen. Innerhalb kürzester Zeit standen alle Kameradinnen und Kameraden in Fliegerkombi am Beckenrand, sprangen vom Turm ins Wasser, wurden wieder hoch gewinscht, versuchten sich daran, sich in eine gekenterte Rettungsinsel zu retten oder bekamen den Modular Egress Training Simulator (METS) erklärt. Mit leuchtenden Augen wechselten wir nachmittags in den Brückensimulator und in das Ausbildungsgerät U-Jagd und Sonar (AGUS). Dabei erfuhren wir zum einen, welch großer Unterschied zwischen der direkten Steuerung eines KFZ und der durch Strömung beeinflussten Steuerung einer seegehenden Einheit besteht. Und zum anderen, wie viel Konzentration und Fingerspitzengefühl die U-Jagd mit Radar und Sonar erfordert.
Am Morgen des zweiten Tages durften wir den Admiralarzt der Marine, Herrn Admiralarzt Dr. Apel, bei der Morgenmusterung begrüßen. Nach einem Vortrag im Hörsaal des Taktikzentrum der Marine (TZM) über die Entwicklungsgeschichte der Marineoperationsschule wurden wir auch hier wieder selbst tätig. Im Laufe verschiedenster Simulationsverfahren gewannen wir einen Eindruck davon, was unsere operativ zur See fahrenden Kameraden täglich leisten. Erstaunlich für alle SanOA war dabei die Tatsache, dass die komplexe Ausbildung im TZM von allen Dienstgradgruppen bis hin zum Admiral durchlaufen werden muss. So waren sich am Ende des dienstlichen Teils alle einig, wie wichtig solche Ausbildungsabschnitte für das gegenseitige Verständnis zwischen Schiffs- oder Geschwaderarzt und der taktischen Führung einer Einheit sind.
Abgerundet wurde das Ausbildungswochenende durch einen Tag im Zeichen der politischen Bildung. Im Deutschen Auswandererhaus durchlebten wir, wie Menschen unterschiedlichster Schichten zivile Seefahrt vor über hundert Jahren erfahren haben. Die Hafenbusrundfahrt verdeutlichte, wie groß der Warenumschlag über Seewege ist und welche Aufgaben hieraus für den Auftrag der Marine abgeleitet werden können. Und der Besuch im Klimahaus verbildlichte eindrücklich, vor welche Herausforderungen uns der Klimawandel stellt. Abschließend frischten wir unsere Kenntnisse über Stil und Form auf und genossen ein festliches Abendessen in der Offiziermesse. Bei einem Glas Sherry nutzen wir nochmals unsere Gelegenheit für interessante Gespräche mit dem Admiralarzt, bevor sich ein erlebnisreiches Wochenende dem Ende zuneigte.
Marineübung Schneller Delphin 2021
Nach pandemiebedingtem Ausfall durften letztes Jahr wieder SanOA als Verwundetendarstellerinnen und -darsteller an der Übung Schneller Delphin teilnehmen. Die 5 verfügbaren Plätze waren schnell ausgebucht. Nach Anreise und dem Beziehen der Unterkunft startete das Programm mit einer Führung über den Marinestützpunkt Kiel. Staunend und etwas ehrfürchtig betrachteten wir die an der Pier liegenden grauen Einheiten. Die Abendverpflegung nahmen wir im Anschluss direkt auf dem Tender Rhein ein, eines der beiden Boote, mit dem wir in den kommenden Tagen auch üben durften. Wie selbstverständlich wurden wir freundlich in der Offiziermesse willkommen geheißen. Für den Großteil der anwesenden SanOA, die zuvor noch nie an Bord gespeist hatten, eine außergewöhnliche Premiere.
Um für den Schnellen Delphin so gut wie möglich gerüstet zu sein, stand der nächste Tag im Zeichen von Vorträgen über MANV-Lagen, Besprechungsrunden und dem Besichtigen der Rettungsstation inklusive OP-Einheit. Zum Mittagessen überraschte uns Admiralarzt Dr. Apel mit einem Besuch und einer kleinen Gesprächsrunde. Interessiert tauschten wir die Erwartungshaltungen für die Übung aus. Nachmittags widmeten wir uns dem Studium unserer Rollenkarten, nicht ohne zu überlegen, wie wir selbst reagieren würden, wenn wir uns plötzlich mit so einem Verletzungsmuster auseinandersetzen müssten.
Früh begann der nächste Morgen mit dem Vorbereiten der Verwundeten. Fleißig wurde Kleidung geschnitten, zerrissen und Kunstblut verteilt. Nachdem alle Verwundeten an ihren Einsatzort verbracht waren, begann der Schnelle Delphin. Die nächsten Stunden vergingen wie im Flug. Souverän arbeiteten die Besatzungen die gestellten Aufgaben ab, sodass am Ende des Tages bis auf wenige vorgeplante Ausfälle, alle Verletzten fachgerecht versorgt waren. Zwei Punkte waren für uns spannend zu beobachten: Zum einen, wie sich die Übergaben an den Schnittstellen zum weiteren Transport und der Versorgung in der Rettungsstation gestalteten. Zum anderen, die ungewöhnliche Erfahrung aus Sicht eines Patienten an einer sanitätsdienstlichen Übung teilzunehmen. Und obwohl wir damit eigentlich schon genug für einen Tag erlebt hatten, durften wir zum Abschluss auf der gerade frisch eingelaufenen Rheinland-Pfalz eine Führung durch den Schiffsarzt genießen.
6. Arbeitstagung der Marineoffiziere im Sanitätsdienst der Bundeswehr
Im Frühjahr 2022 wurden wir durch den Admiralarzt der Marine, Admiralarzt Dr. Apel, zur 6. Arbeitstagung der Marineoffiziere im Sanitätsdienst der Bundeswehr eingeladen. Nach der virtuellen Konferenz im letzten Jahr haben wir uns wieder in Präsenz dem Thema „Zeitgemäßes Führungsverhalten und Führungsstile“ gewidmet. Neben Vorträgen, die sich der Materie aus wissenschaftlicher Sicht näherten, kamen Vertreterinnen und Vertreter der unterschiedlichen Führungsstile und -generationen zu Wort. Der Diskurs wurde durch die vielfältigen Erfahrungen von aktiven Angehörigen des Marinesanitätsdienstes einerseits als auch von SanOA, Militärseelsorge, ehemaligen Militärangehörigen und zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern belebt. Trotz zum Teil konträrer Ansichten verlief der Austausch zu jedem Zeitpunkt wertschätzend und auf Augenhöhe. Die Erfahrung, sich aktiv in die Zukunftsgestaltung des Marinesanitätsdienstes einbringen zu können und dabei über Dienstgradgruppengrenzen hinweg offen zu diskutieren, war für uns als SanOA beeindruckend.
Fazit
Wie wichtig der beschriebene Austausch für uns SanOA ist, zeigt sich deutlich an der regen Beteiligung an den oben vorgestellten Veranstaltungen. Darüber hinaus verzeichnen wir eine kontinuierlich größer werdende Zahl an Famulaturen oder Truppenpraktika, die überall dort absolviert werden, wo der Marinesanitätsdienst tätig wird. Das rege Interesse an den Dienstpostenporträtierungen im Rahmen der Online Vorlesungsreihe des Deutschen SanOA e. V. bestärkt uns ebenfalls darin, dass wir mit dem gewählten Kurs den richtigen gesetzt haben. Nicht unerwähnt lassen möchten wir in diesem Zuge nochmals die Wahrnehmung, die wir als Nachwuchs während der Arbeitstagungen der Marineoffiziere im Sanitätsdienst der Bundeswehr erfahren und die uns einen weiteren Blick aus einer anderen Perspektive auf zukünftige Aufgaben und Herausforderungen ermöglicht hat.
Besonders bedanken möchten wir uns an dieser Stelle bei Herrn Admiralarzt Dr. Apel. Seit 2018 hat er es sich in keinem Jahr nehmen lassen, den direkten Dialog mit uns jungen Sanitätsoffizieranwärterinnen und -anwärtern zu suchen. Ob an den Ausbildungswochenenden, den Übungen, den Arbeitstagungen oder den Jahrestagungen des Deutschen SanOA e. V. Egal wie weit der Weg war, von München bis Warnemünde oder Kiel, stets konnten wir uns auf seine Unterstützung verlassen. Mit seinem Einsatz und seinen Bemühungen hat er bei vielen SanOA einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Die Teilnahme an den Veranstaltungen des Deutschen
SanOA e. V. war dabei nicht nur durch seine Wahrnehmung und das Interesse am Offiziersnachwuchs gekennzeichnet. Admiralarzt Dr. Apel war immer mittendrin statt nur dabei. Und so wird man sich unter den SanOA noch Jahre später erzählen, wie man mit dem Admiralarzt für die praktische Rettungsmittelausbildung in die Ostsee gesprungen ist.
Abschließend möchten wir diese Gelegenheit nutzen, um uns darüber hinaus bei allen Akteuren, die die AG Maritimes in den letzten Jahren begleitet haben, zu bedanken. Aus unserer Sicht hat es die Führung des Marinesanitätsdienstes in den letzten Jahren verstanden, das Interesse und das Engagement begeisterter SanOA zu fördern und sie in ihren Vorhaben wertschätzend zu unterstützen. Wir hoffen auch zukünftig auf eine fruchtbare Zusammenarbeit mit spannenden Einblicken in den Marinesanitätsdienst.
Verfasser
Leutnant z.S. (SanOA) Sarah Koch
Leitung AG Maritimes
E-Mail: sarah.koch0013@gmail.com
Leutnant z.S. (SanOA) Bela Haraszti
Vorsitzender Dt. SanOA e.V.
E-Mail: belaharaszti@sanoaev.de