Editorial
Sehr geehrte Leserin,
sehr geehrter Leser,
es ist mir als Admiralarzt der Marine und Inspizient für Schifffahrtmedizin sowie Tauch- und Überdruckmedizin der Bundeswehr eine besondere Ehre, dieses der maritimen Medizin gewidmete Themenheft einleiten zu dürfen.
Immer wieder wird mir die Frage gestellt, was denn eigentlich nun genau Maritime Medizin ist. Nach mehr als 40 Jahren ärztlicher Tätigkeit im maritimen Umfeld ist meine eher pragmatische Antwort: Medizin im maritimen Umfeld ist, wie Expeditions- oder Flugmedizin, die praktische Umsetzung der Medizin in dem besonderen Umfeld auf/unter/in der See und damit eine Tätigkeit, die durch die besonderen Umgebungsfaktoren bestimmt, von anderen Umgebungen abweichende Verfahren und Grundsätze aufweisen muss.
Wir haben daher in der Auswahl der Beiträge versucht, genau dieses deutlich zu machen und spannen deswegen einen extrem weiten Bogen sowohl über die Approbationen als auch die Arbeitsfelder in der Marine bis hin zur „Architektur“ von Sanitätseinrichtungen an Bord seegehender Einheiten. Da insbesondere auf See medizinisches Handeln nur im interprofessionellen Team erfolgreich wirksam werden kann, ist hier auch unser Fachpersonal thematisch mit einbezogen. Die Artikel spiegeln dabei insbesondere die Breite der Medizin an Bord wieder, die neben der Sekundärprävention insbesondere die Primärprävention in maritimer Umgebung umfasst und sich nolens volens auch mit Psychologie im weitesten Sinne beschäftigen muss.
Und auch unseren fachlichen Nachwuchs haben wir in Umsetzung des Antoine de Saint-Exupéry zugeschriebenen Zitats: „Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer“ eingeschlossen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen beim Lesen das Entstehen der Sehnsucht, die mich mehr als 46 Jahre begleitet hat und verabschiede mich zugleich offiziell aus dem Sanitätsdienst der Bundeswehr.
Ihr
Stephan Apel
Admiralarzt der Marine und Abgänger
Rückkehr in den aktiven Taucherdienst nach durchgemachter Infektion mit SARS-CoV-2
Eine klinische Beobachtungsstudie an Tauchern und Kampfschwimmern der Bundeswehr
Medical Examination before Return to Diving after Infection with SARS-CoV-2 – Clinical Observation
Study on Divers and Combat Swimmers of the Bundeswehr
Luisa Grauea, Sebastian Klapab, Wataru Kählerb, Bente Riegerb, Maike Körnera, Andreas Kochb
a Abteilung II – Tauch- und Überdruckmedizin, Schifffahrtmedizinisches Institut der Marine
b Abteilung III – Forschung und Lehre, Schifffahrtmedizinisches Institut der Marine
Zusammenfassung
Einleitung: Die Studie startete im Mai 2020 nach dem Auftreten eines positiven Antikörpertests/PCR für SARS-CoV-2 bei Soldaten. Erste Veröffentlichungen postulierten signifikante Kurz- und Langzeitwirkungen auf für Taucher relevante Organfunktionen. Viele Taucher und Tauchärzte machten sich Sorgen über das möglicherweise steigende Risiko von Tauchunfällen. Wir haben eine spezielle Untersuchung etabliert, der sich alle Taucher nach einer COVID-19-Infektion unterziehen mussten, bevor sie zum Tauchen zurückkehren konnten. Die Untersuchungsbefunde der Probanden konnten mit den Ergebnissen der Voruntersuchungen verglichen werden, da die Soldaten regulär spätestens 3-jährlich zur Tauglichkeitsuntersuchung ans Institut kommen und ihre Akten archiviert werden. Somit konnten auch kleine Veränderungen festgestellt werden.
Methoden: Alle Taucher, Kampfschwimmer und U-Bootfahrer der Bundeswehr nach COVID-19-Infektion wurden eingeschlossen (n=68; 9 Frauen, 59 Männer; Alter: 33,9±9,4 Jahre). Zeitpunkt der Begutachtung war mindestens 4 Wochen nach Verschwinden der Symptome oder Testnegativität. Erhebung einer ausführlichen Anamnese bezüglich COVID-19 Vorgeschichte, subjektivem Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit. Bestimmung der kardiovaskulären Leistungsfähigkeit mit Echokardiographie und Spiroergometrie; Bodyplethysmographie mit CO-Diffusion und orientierendem Lungenultraschall; Labor mit Herzenzymen (Trop I, proBNP).
Ergebnisse: Ende September 2021 konnte 39 Probanden die volle Tauglichkeit bescheinigt werden; 2 Probanden wurden eingeschränkt tauglich und 2 Probanden wurden vorübergehend untauglich. Bei allen untersuchten Tauchern konnten wir keine signifikanten Veränderungen in der Lungenfunktion oder in der Leistungsfähigkeit (PWC 170, PWC max, VO2max) feststellen. Die beiden Probanden, die untauglich wurden, fielen mit einem subjektiven Leistungsabfall in der Anamnese auf. Bei beiden besteht der Verdacht, an Long-COVID erkrankt zu sein. Bis Februar 2022 wurden 25 weitere Taucher untersucht. Diese Klientel weicht deutlich von den bisher untersuchten Tauchern ab: Die Durchimpfungsrate war in dieser Gruppe nahezu vollständig und die Omikron-Variante dürfte überwogen haben. Alle 25 Taucher hatten einen sehr milden Verlauf, fast keiner hatte nach negativem Test relevante Restsymptome. In allen Fällen konnte die volle Tauchtauglichkeit wiedererlangt werden.
Schlussfolgerungen: Die gerätegestützten Methoden der üblichen Tauchtauglichkeitsuntersuchung liefern keine zielführenden Ergebnisse. Eine genaue Anamnese mit ggf. weiterführender Diagnostik wie Echokardiographie ist angezeigt, um mögliche Residuen nach einer Corona-Infektion aufzudecken. Die laufend aktualisierten Empfehlungen zum Wiedereinstieg ins Tauchen nach Covid in Deutschland basieren zum Teil auf diesen Ergebnissen.
Schlüsselwörter: Tauchen, SARS-CoV-2, Tauglichkeit, Genesenenstatus
Abstract
Introduction: The study started in May 2020 after the occurrence of positive antibody test/PCR for SARS-CoV-2 in soldiers. Initial publications postulated significant short-term and long-term effects on organ functions relevant to divers. Many divers and diving physicians became concerned about the possible increasing risk of diving accidents. We established a special assessment, which all divers after COVID-19 infection had to undergo before return to diving. The results of the individual tests of each proband could be compared with data archived at the institute for many years. Even small changes could be detected.
Methods: All scuba divers, combat swimmers and submariners of the Bundeswehr after COVID-19 infection were included (n=68; 9 females, 59 males; age: 33,9±9,4 yrs). Time of assessment was at least 4 weeks after symptoms disappeared or test negativity. Detailed anamnesis regarding COVID-19 history, subjective wellbeing and performance. Determination of cardiovascular performance with echocardiography and spiroergometry; body plethysmography with CO-diffusion and orientating lung ultrasound; Laboratory testing included cardiac markers (Trop I, per BNP).
Results: At the end of September 2021, 39 persons could be certified fit for diving; 2 persons were fit under special conditions and 2 subjects were certified temporarily unfit. In all examined divers we did not see significant changes in the lung function or in the parameters of the cardiac performance (PWC 170, PWC max, VO2max). The two persons who were certified unfit were detected because of a loss of performance in the anamnesis. Both were suspected to have Long-COVID. Until February 2022, 25 more divers had been examined. This clientele differs significantly from the divers examined up to that point: the vaccination rate in this group was almost complete and the omicron variant likely predominated. All 25 divers had a very mild course, almost none had relevant residual symptoms after the test was negative. In all cases, full fitness to dive could be regained.
Conclusions: The apparatus-based methods of the usual fitness to dive assessment do not provide pointing results. A precise anamnesis with, if necessary, further diagnostics such as echocardiography is indicated to reveal possible residuals after corona infection. Current recommendations for return to diving after Covid in Germany are partly based on these results.
Keywords: Diving, SARS-CoV-2, fitness, recovery
Hintergrund
Vor Aufnahme des aktiven Taucher- und Ubootfahrerdienstes und danach in regelmäßigen Abständen wird die/der betreffende Soldat/in im Rahmen der Taucher-, Ubootfahrer- und Kampfschwimmerverwendungsfähigkeitsuntersuchung (TUKV) hinsichtlich ihrer/seiner körperlichen Eignung für diese fordernden Verwendungen untersucht.
Im Folgenden wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet.
Wenn ein Soldat dieser Verwendungen eine relevante Erkrankung durchmacht, dann erfolgt eine erneute Untersuchung bei uns im SchiffMedInstM hinsichtlich der möglichen Wiederaufnahme des Taucher- oder Ubootdienstes.
Im April 2020 gab es die ersten Taucher und Ubootfahrer innerhalb der Bundeswehr, die sich mit SARS-CoV-2 infizierten, und wir stellten uns die Frage, ab wann diese wieder sicher ihren Dienst aufnehmen können.
Bekannt war aus ersten Veröffentlichungen v. a. aus Asien, dass nicht nur die Lunge befallen wird, sondern auch andere Organe betroffen sein können, wie das kardiovaskuläre System, das zentralnervöse System und das Gerinnungssystem [1–3]. In einer Studie gab es Hinweise darauf, dass Lungenveränderungen auch bei subjektiver Beschwerdefreiheit über einen längeren Zeitraum persistieren können [4]. Im Zuge der SARS Epidemie 2002/2003 beobachtete man bei betroffenen Patienten, dass diese auch zwei Jahre nach Infektion noch eine verringerte Diffusionskapazität und eine reduzierte Leistungsfähigkeit zeigten [5]. Zudem gab es erste Beobachtungen über COVID-typische Lungenveränderungen in der Computertomografie (CT) bei asymptomatischen Patienten [6. Im zweiten Quartal 2020 wurde dann eine Weisung des zur Durchführung einer spezifischen Zwischenuntersuchung auf TUKV für genesene Soldaten herausgegeben.
Diese Zwischenuntersuchung auf TUKV wurde als klinische Beobachtungsstudie geplant und durchgeführt. Etwa zur gleichen Zeit begannen mehrere Studien zur Rückkehr zum Wettkampfsport oder in den aktiven Dienst, wobei in der Regel bei diesen Athleten keine oder nur lückenhafte Vorergebnisse aus früheren Untersuchungen vorlagen, die zum Vergleich geeignet waren.
Der Vorteil der Zwischen-TUKV am SchiffMedInstM liegt darin, dass bei jedem Taucher oder Ubootfahrer vollständige Voruntersuchungen vorliegen, mithin also ein sehr guter Vergleich zu Ausgangswerten möglich ist, noch dazu mit identischer Gerätetechnik.
Dies bildete die Kernfragestellung der Beobachtungsstudie: finden sich bei Zustand nach durchgemachter SARS-CoV-2-Infektion Residuen besonders in der kardio-pulmonalen Fitness, die die Wiederaufnahme der Tätigkeiten Taucher/Ubootfahrer infrage stellen könnten?
Wie entwickeln sich die entsprechenden Befunde, insbesondere der Bodyplethysmographie mit DLCO (Kohlenmonoxid-Diffusionskapazität) und der Spiroergometrie im vor/nach-Vergleich?
Gibt es Hinweise auf pulmonale Residuen, die das Risiko für das Auftreten von Tauchunfällen erhöhen?
Methodik
Für diese Studie wurde ein positives Votum der Ethikkommission der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel eingeholt.
Probanden: Taucher, Druckkammerpersonal und Ubootfahrer (n=68) mindestens vier Wochen nach durchgemachter SARS-CoV-2-Infektion vor Wiederaufnahme der entsprechenden Tätigkeit.
Umfang der Zwischen-TUKV: körperliche Untersuchung, Spiroergometrie mit peripherer Sauerstoffsättigung (Abb. 1), Bodyplethysmographie mit DLCO-Messung, Laboruntersuchung einschließlich Troponin I und NT-proBNP, Echokardiographie (Abb. 2) und orientierende Lungensonographie beidseits laterobasal.
Abb. 1: Spiro-Ergometrie in der TUKV-Abteilung des SchiffMedInstM (alle Abb: privat A. Koch)
Abb. 2: Echokardiographie im Rahmen der erweiterten Covid-Nachuntersuchung
Ergebnisse
Zum besseren Verständnis der Ergebnisse muss vorausgeschickt werden, dass während des ersten Erhebungszeitraumes zwischen Januar und September 2021 zum Teil noch der Wildtyp des Virus relevant war und danach von der Delta-Variante abgelöst wurde.
Ab September 2021 bis Februar 2022 herrschte dann die Omikron-Variante von SARS-CoV-2 vor, wenn auch für die jeweiligen Patienten keine Subtypanalysen vorlagen.
Der Impfstatus der Betroffenen war spätestens ab dem dritten Quartal 2021 vollständig.
Erster Erhebungszeitraum Januar bis September 2021 (Wildtyp und Delta-Variante):
Hier wurden 43 Soldaten mit Z.n. SARS-CoV-2-Infektion untersucht. Es fanden sich 11 komplett asymptomatische Verläufe, Nachweis hier durch PCR-Test oder AK-Nachweis im Blut. Teilweise wurde die Infektion nicht bemerkt. 30 Soldaten boten mild-symptomatische ambulante Verläufe, und bei 2 Soldaten kam es zur vorübergehenden Hospitalisierung für wenige Tage ohne schwerwiegende Komplikationen.
Nach der Zwischen-TUKV konnte in 39 Fällen die uneingeschränkte Tauchtauglichkeit wieder bescheinigt werden, in zwei Fällen konnte vorübergehend keine Tauchtauglichkeit gegeben werden, bei zwei weiteren Patienten musste der dringende Verdacht auf ein Long-Covid-Syndrom gestellt werden, was die Erteilung der TUKV ausschloss und weitere Diagnostik wie Cardio-MRT nach sich zog.
In drei von vier auffälligen Fällen war die direkte Befragung des Patienten hinsichtlich Befindlichkeit und Restbeschwerden wegweisend, wohingegen die apparative Diagnostik, insbesondere die Parameter der Spiroergometrie, der Bodyplethysmographie und der DLCO-Messung, wenig Hinweise ergab (Abb. 3). Bei einer Probandin zeigte sich sowohl im Labor als auch im EKG der Verdacht auf das Vorliegen einer Myokarditis ohne jegliche Auffälligkeiten in der Anamnese. Hierbei erfolgte der Nachweis jedoch nur durch einen positiven Antikörpertest. Wann die Infektion war, ist unklar, und damit auch der Zusammenhang zwischen der Coronainfektion und der nachgewiesenen Myokarditis.
Abb. 3: VO2max-Werte [ml/(kg*min)] in der Spiro-Ergometrie der untersuchten Soldaten vor und nach SARS-CoV-2-Infektion; farblich markiert die Daten der auffälligen Soldaten
Zweiter Erhebungszeitraum von September 2021 bis April 2022
In diesem Zeitraum wurden weitere 25 Soldaten vollständig untersucht. In allen Fällen lag ein guter Impfstatus vor, und es darf davon ausgegangen werden, dass bei diesen Betroffenen nunmehr die Omikron-Variante ganz überwiegend zur Erkrankung geführt hatte. In allen Fällen war ein sehr milder Verlauf vorausgegangen, und nahezu niemand klagte über Restsymptome nach Erreichen der Testnegativität.
So fanden sich auch bei diesen Soldaten ohne Ausnahme unauffällige und nahezu unveränderte Befunde in der apparativen Diagnostik im vor/nach-Vergleich, ebenso in der Echokardiographie und den erhobenen Laborparametern.
Alle Soldaten erlangten die uneingeschränkte Tauchtauglichkeit wieder.
Diskussion
Eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Erreger kann eine breite Varianz der Symptomatik nach sich ziehen, von nahezu asymptomatischen Verläufen bis hin zu schweren Erkrankungen [7][8].
Nach Genesung stellt sich die Frage, ob und wann eine uneingeschränkte Rückkehr in den Dienst möglich ist, insbesondere bei körperlich belastenden Tätigkeiten mit besonderer pulmonaler Komponente wie beim Tauchen oder dem Tragen von schwerem Atemschutz.
Die hier vorgestellte Beobachtungsstudie ist unseres Wissens die erste, die Genesene untersucht hat, von denen in der Regel nicht länger als ein Jahr zurückliegende präzise Vorinformationen zur kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit, der Lungenfunktion und CO-Diffusionskapazität sowie relevanten Laborparametern vorlagen.
Die vorhandenen Vorinformationen über den Soldaten erlaubten einen vor/nach-Vergleich relevanter Daten, was für die medizinische Entscheidung einen erheblichen Vorteil darstellte.
Fasst man die sequenziell erhobenen Daten zusammen so lässt sich folgern, dass weder die Parameter der Lungenfunktion einschließlich der CO-Diffusionskapazität noch die Daten der Ergospirometrie nach Genesung von der SARS-CoV-2-Infektion relevant voneinander abwichen, also weder messbare pulmonale Auffälligkeiten bestanden noch eine Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Hierbei muss man allerdings die vier Patienten gesondert betrachten, die entweder vorübergehend eingeschränkt waren bzw. bei denen sich letztlich der Verdacht auf Long Covid erhärtete: hier fanden sich im Einzelfall vor allem in den pulmonalen Parametern Auffälligkeiten im Vergleich mit den individuellen Vorwerten und in zwei Fällen auch weiter abklärungsbedürftige Auffälligkeiten in der Echokardiographie.
Darüber hinaus zeigten die Ergebnisse, dass neben dem individuellen Gesundheitszustand des Einzelnen und dem jeweiligen Impfstatus ganz besonders auch der zu einem bestimmten Zeitpunkt vorherrschende Virenstamm ganz entscheidend dazu beizutragen scheint, ob im Individualfall lediglich eine möglicherweise sogar asymptomatisch verlaufende Infektion stattfindet oder der Verlauf der Erkrankung schwerwiegender sein wird [9][10][11][12].
So zeigte sich in der vorgestellten Erhebung, dass insbesondere ab September 2021 Genesene, die allesamt vollständig geimpft waren, zwar häufig eine Schnupfen-artige Symptomatik durchgemacht hatten, aber danach praktisch keine Restbeschwerden aufwiesen. Es darf vermutet werden, dass ab diesem Zeitpunkt die Omikron-Variante für die gutartigen Verläufe verantwortlich war, was sich allerdings aufgrund fehlender Subtypisierungsdaten nicht verifizieren ließ [11][12].
Für den Dienstherrn, der die Entscheidung zur Wiedererlangung der uneingeschränkten Tauchtauglichkeit zu fällen hat, stellt die beobachtete Dynamik in Impfquote und vorherrschendem Virenstamm eine besondere Herausforderung dar: es muss jeweils in Abhängigkeit der sich ändernden Rahmenbedingungen eine „best practice“ gefunden werden, die die Sicherheit des Soldaten mit den dienstlichen Anforderungen bestmöglich ausbalanciert. Standen am Anfang der Pandemie relativ wenige Coronafälle mit dem Wildtyp oder der schwierigen Deltavariante bei noch im Aufbau befindlichem Impfstatus im Fokus, so fanden sich später hohe Infektionszahlen mit einem gutartigeren Virenstamm bei gutem Impfstatus.
Am Anfang erwies sich ein mindestens einmonatiger Abstand zwischen Beschwerdefreiheit und erster Möglichkeit der Zwischenuntersuchung als sinnvoll, um das Risiko für den Soldaten möglichst gering zu halten. Auch der terminliche und der Reiseaufwand zur Zwischenuntersuchung war vertretbar, da nur wenige Soldaten betroffen waren. Im späteren Verlauf änderten sich die Bedingungen, da bei hohen Betroffenenzahlen und nun notwendiger längerfristiger Terminvergabe die Einsatzbereitschaft der Einheiten zu leiden drohte.
Als Konsequenz aus den hohen Betroffenenzahlen, aber auch vor dem Hintergrund der ermunternden Ergebnisse des aktuelleren Erhebungszeitraumes bot sich deshalb eine Modifizierung der Empfehlungen zur Rückkehr in das aktive Tauchen an. Diese wurden dann im Frühjahr im Rahmen einer abgestimmten Empfehlung mit der Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin e. V. (GTÜM), dem Verband Deutscher Sporttaucher e. V. (VDST) und der Deutsche Lebensrettungsgesellschaft e. V. (DLRG) auch in der Marine umgesetzt (https://www.gtuem.org//images/download/covid19/20200424-gemeinsame-stellungnahme-tauchen-und-covid19-gtuem-dlrg-vdst.pdf).
Im Zentrum der derzeit aktuellen Empfehlung steht diejenige Gruppe der genesenen Taucher, die nach Ende der Isolierung komplett beschwerdefrei ist: diesen Soldaten wird einen Monat nach Symptomfreiheit die Wiederaufnahme des Tauchens nach tauchärztlicher Untersuchung vor Ort wieder ermöglicht, wenn sich anamnestisch keine Hinweise auf protrahierte Beschwerden ergeben haben und die gegebenenfalls symptomorientierte Untersuchung unauffällig blieb.
Dieses pragmatische Vorgehen hat sich zwischenzeitlich bewährt und die Notwendigkeit der Nachuntersuchung am SchiffMedInstM deutlich reduziert.
Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass im Zuge der aktuell immer noch aktiven Pandemie auch diese Empfehlungen regelmäßig überprüft und bei Notwendigkeit an aktuelle Entwicklungen angepasst werden sollten. Im Februar 2022 hat das Diver Medical Screen Committee (DMSC) in Zusammenarbeit mit DAN, dem World Recreational Scuba Training Council (WRSTC), der Undersea Hyperbaric Medical Society (UHMS) und dem Ausbildungsverband CMAS ihre Empfehlungen zum Thema Tauchen nach COVID angepasst. Taucher mit asymptomatischen und oligosymptomatischen Krankheitsverläufen wird hierbei empfohlen, frühestens 7 Tage nach Genesung wieder mit Tauchen zu beginnen [13]. Eine medizinische Untersuchung wird nur dann empfohlen, wenn der Verdacht besteht, dass die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit noch nicht wiederhergestellt ist.
Auch ein Blick in die Sportmedizin zeigt momentan die Tendenz zu progressiverem Vorgehen hinsichtlich dem Return to Play. Die Expertengruppe des American College of Cardiology erachtet bei asymptomatischen Athleten mit positivem COVID-19 Test eine lediglich 3-tägige Sportpause für ausreichend, Sportler mit milden Beschwerden sollten so lange mit dem Trainingsbeginn warten, bis die Symptome verschwunden sind. Kardiologische Diagnostik wird nur bei Vorliegen kardiopulmonaler Symptome empfohlen [14].
Inwieweit sich die Vorschriften der Bundeswehr zur Rückkehr in den Taucherdienst nach COVID dementsprechend anpassen werden, wird abzuwarten sein.
Literatur
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Manuskriptdaten
Zitierweise
Graue L, Klapa S, Kähler W, Rieger B, Körner M, Koch A: Rückkehr in den aktiven Taucherdienst nach durchgemachter Infektion mit SARS-CoV2 - Eine Klinische Beobachtungsstudie an Tauchern und Kampfschwimmern der Bundeswehr. WMM 2022; 66(9-10): 318-322.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-43
Für die Verfasser
Flottenarzt Prof. Dr. med. Andreas Koch
Sektion Maritime Medizin am
Institut für Experimentelle Medizin des UKSH
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
c/o Schifffahrtmedizinisches Institut der Marine
Kopperpahler Allee 120, 24119 Kronshagen
E-Mail: a.koch@iem.uni-kiel.de
Manuscript Data
Citation
Graue L, Klapa S, Kähler W, Rieger B, Körner M, Koch A: Medical Examination before Return to Diving after Infection with SARS-CoV2 – Clinical Observation Study on Divers and Combat Swimmers of the Bundeswehr. WMM 2022; 66(9-10): 318-322.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-43
For the Authors
Captain (Navy MC) Prof. Dr. med. Andreas Koch
Christia-Albrechts-University in Kiel
Institute for Experimental Medicinde
Department Maritime Medicine
c/o Naval Institute of Maritime Medicine
Kopperpahler Allee 120, D-24119 Kronshagen