Trinkwasserhygiene an Bord –
gewinnen Vibrio-Spezies zukünftig an Bedeutung?
Drinking Water Hygiene on Ships – will Vibrio Species Become more Important in the Future?
Monique Löwea; Susanne Fleischmannb; Jörg Schulenburga; Thomas Alterb
a Zentrales Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Kiel Abteilung A Veterinärmedizin
b Freie Universität Berlin Fachbereich Veterinärmedizin, Institut für Lebensmittelsicherheit und -hygiene
Zusammenfassung:
Die Sicherstellung von unbedenklichem Trinkwasser an Bord von schwimmenden Einheiten der Deutschen Marine nimmt einen hohen Stellenwert zum Schutz der Gesundheit der Soldaten und Soldatinnen ein. Humanpathogene Vibrio-Spezies gewinnen unter anderem durch die Erhöhung der Oberflächentemperatur der Meere zunehmend an Bedeutung. Kommt es zu Defekten in den technischen Anlagen der Frischwassererzeuger der schwimmenden Einheiten, könnte dies zu einer Kontamination des aufbereiteten Trinkwassers mit humanpathogenen Mikroorganismen, wie Vibrio parahaemolyticus oder Vibrio vulnificus führen. Folglich steigt das Risiko für die Besatzung an Infektionen wie Gastroenteritiden zu erkranken. Dementsprechend sollte aufgrund des fortschreitenden Klimawandels und den damit einhergehenden Auswirkungen auf das marine Ökosystem eine Erweiterung des mikrobiologischen Untersuchungsspektrums bei technischen Defekten von Frischwassererzeugern in Betracht gezogen werden.
Schlüsselwörter: Veterinärmedizin, Trinkwasserhygiene, Schiffe, Klimawandel, Deutsche Marine
Summary:
Ensuring safety of drinking water on German Navy ships is of high importance for the protection of soldiers’ health. Human pathogenic Vibrio species are of increasing importance, due to rising surface temperatures of oceans, among others. Technical damages of fresh water generators of navy ships could lead to a contamination of drinking water with human pathogenic microorganisms, such as Vibrio parahaemolyticus or Vibrio vulnificus. Consequently the risk of infections such as gastroenteritis increases for the crew. Accordingly, due to the ongoing climate change and the associated effects on the marine ecosystem, an upgrade of the microbiological examination spectrum in case of technical defects of fresh water generators should be considered.
Keywords: veterinary medicine, drinking water hygiene, ships, climate change, German Navy
Einleitung
Der wesentliche Baustein unserer Existenz ist Wasser. Dementsprechend ist Trinkwasser das mit am bedeutsamste und unentbehrlichste Gut, dessen Qualität und Verfügbarkeit es zu schützen gilt. Aus diesem Grund ist die Versorgung der Soldaten und Soldatinnen mit unbedenklichem Trinkwasser das oberste Ziel aller hierbei beteiligten Fachbereiche. Schwimmende Einheiten der Marine sind nahezu alle mit Frischwassererzeugern ausgestattet. Diese sind in der Lage, aus dem salzhaltigen Meerwasser durch spezielle Umkehrosmoseanlagen (RO-Anlagen) in mehreren Aufbereitungsschritten Trinkwasser zur Nutzung herzustellen und dieses in den sogenannten Frischwasserzellen (FrWaZe) an Bord zu speichern. Das so gewonnene Trinkwasser wird vielfältig genutzt, z. B. zur Zubereitung von Lebensmitteln oder zur Körperhygiene. Die mikrobiologische Qualität des gewonnenen Trinkwassers wird regelmäßig und risikoorientiert durch das Zentrale Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Kiel Abteilung A – Veterinärmedizin (ZInstSanBw Kiel Abt A VetMed) untersucht. Die mikrobiologischen Untersuchungen werden gemäß den strengen Vorgaben der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) [1] durchgeführt. Das an Bord aufbereitete und gespeicherte Trinkwasser wird auf das Vorhandensein von mikrobiologischen Parametern (z. B. Escherichia (E.) coli, Enterokokken, Pseudomonas (P.) aeruginosa) und Indikatorparametern (z. B. Coliforme Bakterien, Koloniezahl kultivierbarer Mikroorganismen bei 22 °C und 36 °C) untersucht. Die regelmäßige Überprüfung der technischen Anlagen zur Wasseraufbereitung sowie die Kontrolle der Trinkwasserhygiene sind essentiell, da zum einen Meerwasser natürlicherweise Mikroorganismen beinhaltet, zum anderen Schiffe außerhalb der 12-Seemeilen-Zone in viel befahrenen Wasserstraßen ihre Abwässer unbehandelt einleiten dürfen. Diese können unter Umständen eine Quelle für Infektionskrankheiten wie Virushepatitis, Cholera und Typhus sein [2]. Die Klimaerwärmung stellt uns nicht nur international, sondern auch immer häufiger national vor empfindliche Herausforderungen. Ein durch den Klimawandel verursachter Anstieg der Meeresoberflächentemperatur wird nicht nur in den großen Weltmeeren verzeichnet [3], sondern auch für die Oberflächentemperatur des Wassers der Ostsee wird ein Anstieg von voraussichtlich 4–5 °C in den kommenden Jahrzehnten prognostiziert [4]. In diesem Zusammenhang rücken zunehmend Nicht-Cholera-Vibrionen in den Vordergrund, wobei das Infektionsrisiko im Wesentlichen von der Wassertemperatur sowie von dem darin enthaltenen Salzgehalt abhängt [5]. Tabelle 1 gibt einen Überblick über einen Teil der Vibrio-Spezies, die im Zusammenhang mit einem Infektionsgeschehen beim Menschen stehen [6].
Tab. 1: Manifestationsformen von ausgewählten humanpathogenen Vibrio-Spezies.
Zu diesen gehören beispielsweise Vibrio (V.) parahaemolyticus-Stämme, denen zahlreiche Virulenzfaktoren zugeordnet werden, die Bestandteil eines komplexen Pathogenitätssystems sind [7]. Zu den wichtigsten Virulenzfaktoren zählen unter anderem das thermostabile direkte Hämolysin (TDH), das TDH- verwandte Hämolysin (TRH) und die Typ III-Sekretionssysteme (T3SS1 und T3SS2) [8]. Durch die nahe immunologische Verwandtschaft von TRH und TDH ergeben sich gemeinsame biologische Eigenschaften wie Hämolyse, Enterotoxizität und Zytotoxizität [9]. V. parahaemolyticus bedingte Gastroenteritiden stehen vor allem im Zusammenhang mit der Aufnahme von rohen und unzureichend gegarten Meeresfrüchten. Eine weitere Vibrio-Spezies, die häufig im Zusammenhang mit einem Infektionsgeschehen beim Menschen steht, ist V. vulnificus. Dabei handelt es sich um einen komplexen Mikroorganismus, der mit Wund- und Ohrinfektionen, primären Septikämien und mit Gastroenteritiden einhergehen kann. Die extraintestinalen Infektionen werden häufig durch direkten Hautkontakt mit V. vulnificus-haltigem Meerwasser bei der Ausübung von Freizeitsport an den Küstenregionen, z. B. Baden in den Sommermonaten, verursacht. Auch V. vulnificus besitzt vielfältige Virulenzfaktoren, wie die Bildung einer Polysaccharidkapsel, ein spezifisches Hämolysin (VvhA), Zytotoxizität, Säureneutralisation, Motilität und Expression von Proteinen, die an der Anheftung und Adhäsion beteiligt sind [10].
Abb. 1: Anzahl gemäß Trinkwasserverordnung beanstandeter und nicht beanstandeter Trinkwasserproben aus Frischwasserzellen (FrWaZe) und Umkehrosmoseanlagen (RO-Anlagen) auf schwimmenden Einheiten der Marine aus den Jahren 2016 bis 2019.
Somit stellt sich die Frage, ob durch die Klimaerwärmung und die daraus resultierenden Veränderungen des maritimen Ökosystems die mikrobiologischen Untersuchungen gemäß der Trinkwasserverordnung für schwimmende Einheiten zukünftig ausreichen, um Einträge von anderen gesundheitsschädlichen Mikroorganismen, wie humanpathogenen Vibrio-Spezies im Fall einer insuffizienten Trinkwasseraufbereitung, zu detektieren. Das Ziel dieser Arbeit ist, erste Erkenntnisse über eine mögliche Korrelation zwischen dem Vorkommen von Indikatorbakterien und Vibrio-Spezies in RO-Anlagen und FrWaZe an Bord schwimmender Einheiten der Marine zu erhalten.
Material und Methoden
Die aus dem Labor-Informations-Management-System (WinLIMS) des ZInstSanBw Kiel gespeicherten Trinkwasserergebnisse von schwimmenden Einheiten der Marine aus den Jahren 2016 bis 2019 wurden gemäß den Vorgaben der Trinkwasserverordnung ausgewertet [1]. In die Betrachtung wurden nur die Ergebnisse von Trinkwasserproben (n = 1500) aus RO-Anlagen (n = 574) sowie FrWaZe (n = 926) einbezogen. Für die mikrobiologischen Untersuchungen sind die gemäß § 15 der Trinkwasserverordnung festgelegten Verfahren angewendet worden. Zusätzlich wurde ein Teil der genannten Trinkwasserproben (n = 196) aus den Jahren 2018 und 2019 und Wasserproben aus der Nord- bzw. Ostsee (n = 79) auf das Vorkommen von Vibrio-Spezies untersucht. Bei den Probenahmestellen aus der Nord- bzw. Ostsee handelt es sich um Proben aus dem direkten Umfeld der schwimmenden Einheiten. Um jedoch keine Rückschlüsse auf die einzelnen Standorte der schwimmenden Einheiten zuzulassen, sind sie hier unter den Begriffen „Nord- bzw. Ostsee“ zusammengefasst.
In Bezug auf den Nachweis von Vibrionen in Trinkwasser oder Wasser wurde im Allgemeinen das Verfahren der DIN EN ISO 21872–1:2017–10 „Bestimmung von potentiell enteropathogenen Vibrio-Spezies in Lebensmittel“ auf die Matrix Wasser übertragen und angewandt. Basierend auf der Untersuchung von Trinkwasser sind hohe Herstellungs- und / oder Lagerkapazitäten von Anreicherungsmedium notwendig, die im Einsatz oft nicht vorhanden sind. Um Herstellungs- und Lagerkapazitäten einzusparen, wurde als alternativer Ansatz zur Untersuchung von Trinkwasser bzw. Meerwasser die Methode modifiziert. Hierfür wurde zweimal je 100 ml derselben Wasser- bzw. Trinkwasserprobe membranfiltriert. Anschließend wurde einer der beiden Membranfilter direkt auf Selektivagar (Thiosulfate-Citrate-Bile (Salts)Sucrose Agar (TCBS-Agar)) bei 37°C für 24 h inkubiert. Der zweite Membranfilter wurde zunächst auf einem mit 1,5 ml alkalischem Peptonwasser getränkten Pad derselben Größe aufgelegt und für 18 h bei 37 °C zur selektiven Anreicherung von Vibrionen vorinkubiert. Anschließend wurde dieser Membranfilter auf TCBS-Agar aufgebracht und für weitere 24 h bei 37 °C inkubiert. Präsumtive Vibrio-Isolate wurden anschließend mittels MALDI-MS System autoflex speed der Firma Bruker bestätigt. Die so gewonnenen Isolate von V. parahaemolyticus wurden zusätzlich mit Hilfe der Multiplex-PCR nach HOSSAIN et al. [11] auf den spezies-spezifischen Gen-Marker groEL und die beiden Virulenzmarkergene tdh und trh molekularbiologisch untersucht. Des Weiteren wurden unter Verwendung der PCR nach CAMPBELL et al. [12] die Isolate von V. vulnificus auf das Vorhandensein eines spezifischen Hämolysingens (vvhA) untersucht.
Ergebnisse
Die Auswertungen der Ergebnisse der mikrobiologischen Untersuchung von Wasser- und Trinkwasserproben (n = 1500) aus den Probenahmestellen RO-Anlage (n = 574) und FrWaZe (n = 926) aus den Jahren 2016 bis 2019 sind in Abbildung 1 dargestellt. Von den untersuchten Proben aus FrWaZe wurden 180 (19,4 %) und aus RO-Anlagen wurden 257 (44,8 %) beanstandet. Hauptursache für Beanstandungen waren bezogen auf die gesamte Trinkwasserprobenanzahl die Überschreitung der Koloniezahl kultivierbarer Mikroorganismen bei 36 °C (Koloniezahl bei 36 °C) bei 235 Proben (15,7 %) und der Nachweis von P. aeruginosa in 239 Proben (15,9 %). Der Nachweis von E. coli, Enterokokken, Coliformen Bakterien oder eine Überschreitung der Koloniezahl bei 22 °C führte in weniger als 5 % der Wasserproben zu Beanstandungen. Die detaillierte Verteilung der mikrobiologischen Parameter und Indikatorparameter der Jahre 2016 bis 2019, die zu einem beanstandeten Ergebnis von FrWaZe und RO-Anlagen gemäß den Vorgaben der TrinkwV geführt haben, können der Abbildung 2 entnommen werden.
In den Trinkwasserproben aus den RO-Anlagen (n = 85) und den FrWaZe (n = 109) konnten keine Vibrio-Spezies nachgewiesen werden. In den Meerwasserproben hingegen konnten wiederholt Vibrio-Spezies nachgewiesen werden (Abb. 3). In 2 Proben, die aus dem Zulauf zur RO-Anlage einer schwimmenden Einheit entnommen wurden, konnten ebenfalls Vibrio-Spezies nachgewiesen werden (Tabelle 2).
Die Verteilung der nachgewiesenen Vibrio-Isolate (n = 131) ist in Tabelle 3 dargestellt. Hierbei ist hervorzuheben, dass die enteropathogenen Vibrio-Spezies V. parahaemolyticus einen Anteil von 29 % und V. vulnificus von 3,8 % der detektierten Isolate ausmachten, wobei aus einigen Proben der Nachweis von mehreren Vibrio-Spezies möglich war. Mit Hilfe der Multiplex-PCR nach HOSSAIN et al. [11] wurden die V. parahaemolyticus Isolate (n = 33) auf das Vorhandensein von Virulenzfaktoren untersucht. Hierbei konnten in 5 Isolaten trh nachgewiesen werden. Die bei den V. vulnificus Isolaten (n = 4) verwendete PCR [12] detektierte in allen Isolaten das Hämolysingen vvhA.
Tab. 3: Darstellung der Häufigkeit der aus Wasserproben (n = 50) detektierten Vibrio-Spezies in Isolaten (n = 131).
Schlussfolgerung und Diskussion
Die Auswertungen der Untersuchungsergebnisse aus den Jahren 2016 bis 2019 unterstreichen die Bedeutung einer stetigen Überwachung der mikrobiologischen Trinkwasserqualität an Bord von schwimmenden Einheiten. Aufgrund der Anzahl an Beanstandungen im Hinblick auf die Grenzwertüberschreitungen der Koloniezahlen bei 36°C und von P. aeruginosa wird deutlich, dass der Nachweis der „klassischen fäkalen Indikatorbakterien“ wie E. coli oder Enterokokken in den Bereichen der Umkehrosmoseanlagen und Frischwasserzellen eine untergeordnete Rolle spielen. Als Koloniezahl bei 36 °C wird die Zahl von sichtbaren Kolonien bezeichnet, die sich bezogen auf ein festgelegtes Untersuchungsvolumen, mit Hilfe eines spezifischen Nährmediums und innerhalb einer bestimmten Bebrütungszeit entwickeln. Das Pathogenitätspotential der mit diesem Verfahren detektierten Mikroorganismen wird jedoch für gewöhnlich nicht untersucht. Hingegen zählt P. aeruginosa zu den fakultativ pathogenen Krankheitserregern mit großer Bedeutung im Bereich der nosokomialen Infektionen und geht häufig mit Resistenzen gegenüber Antibiotika einher [13]. Durch den eingangs erwähnten Klimawandel und die Erhöhung der Oberflächentemperatur der Meere, könnten zukünftig wasserassoziierte Infektionserreger wie humanpathogene Vibrio-Spezies zunehmend eine wesentliche Rolle für die Trinkwasserhygiene spielen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) vermutet in seiner Stellungnahme vom 13. April 2022, dass Vibrio-Infektionen bis 2020 aufgrund der fehlenden Meldepflicht unterdiagnostiziert waren, auch weil es an belastbaren Surveillance-Daten fehlte [14]. Seit dem 01.03.2020 besteht in Deutschland nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) eine Meldepflicht für den direkten oder indirekten Nachweis von humanpathogenen Vibrio-Spezies, vorausgesetzt die Nachweise deuten auf eine akute Infektion hin [15]. Auch der Arbeitskreis der auf dem Gebiet der Lebensmittelhygiene und der Lebensmittel tierischer Herkunft tätigen Sachverständigen (ALTS) setzt sich zunehmend mit humanpathogenen Vibrio-Spezies auseinander und beurteilt in seiner Empfehlung vom Januar 2021 verzehrfertige Lebensmittel, in denen TDH- und/oder TRH-positive V. parahaemolyticus nachgewiesen werden, als gesundheitsschädlich im Sinne des Artikels 14 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 [16].
Aufgrund der gewonnenen Untersuchungsergebnisse ist grundsätzlich eine sichere Trinkwasseraufbereitung auf den schwimmenden Einheiten gegeben und demnach ein Eintrag von Infektionserregern aus dem Meerwasser bei leistungsfähigen und intakten Umkehrosmoseanlagen nicht zu erwarten. Gleichwohl wurde aufgrund der eigenen Untersuchungen festgestellt, dass das zur Aufbereitung verwendete Meerwasser der Nord- und Ostsee mit potentiell pathogenen Vibrio-Spezies belastet ist. Dieser Umstand wird durch die Folgen des Klimawandels und der damit verbundenen Zunahme der Meeresoberflächentemperatur in den kommenden Jahren voraussichtlich noch verstärkt werden [5]. Folglich ist bei technischen Defekten in den Anlagen der Frischwasseraufbereitung eine Kontamination des Trinkwassers mit humanpathogenen Mikroorganismen wie V. parahaemolyticus oder V. vulnificus möglich. Vor allem bei gleichzeitig auftretender Gruppenerkrankung an Bord sollten neben anderen Erregern auch humanpathogene Vibrio-Spezies als Infektionserreger in Betracht gezogen werden. In diesem Fall sollten vollumfängliche Probenahmen und mikrobiologische Untersuchungen des Wasserverteilungssystems durchgeführt werden. Wegen der zunehmenden Belastung des Meerwassers mit Vibrionen sollte auch zukünftig zum Schutz der Soldaten und Soldatinnen die Wasserqualität einen hohen Stellenwert einnehmen und engmaschig kontrolliert werden.
Fazit
- Leistungsfähige und intakte Umkehrosmoseanlagen sorgen grundsätzlich für eine sichere Trinkwasseraufbereitung auf den schwimmenden Einheiten der Marine.
- Bei Defekten in den technischen Anlagen der Frischwassererzeuger ist eine Kontamination des Trinkwassers mit humanpathogenen Vibrio-Spezies möglich.
- Beim Verdacht lebensmittelbedingter Gruppenerkrankungen an Bord sollte zusätzlich eine umfassende Trinkwasseruntersuchung angestrebt werden.
- Eine Sensibilisierung des medizinischen Personals über das Vorkommen humanpathogener Vibrio-Spezies im Meerwasser und ihrer Manifestationsformen (wie Gastroenteritiden, Wund-/Ohrinfektionen, primäre Septikämien) sollte erfolgen.
Literatur
- Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasserverordnung - TrinkwV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. März 2016 (BGBl. I S. 459), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 22. September 2021 (BGBl. I S. 4343) geändert worden ist. , letzter Aufruf 29. Juli 2022. mehr lesen
- Arslan Ö, Uflaz E, Incaz S: International convention for the prevention of pollution from ships, 1973, as modified by the protocol of 1978 relating thereto and by the protocol of 1997 (marpol). Oil Spill along the Turkish Straits 2018: 342-355. mehr lesen
- Alexander MA, Scott JD, Friedland KD et al.: Projected sea surface temperatures over the 21st century: Changes in the mean, variability and extremes for large marine ecosystem regions of Northern Oceans. Elementa: Science of the Anthropocene 2018; 6: 9. mehr lesen
- Semenza JC, Trinanes J, Lohr W et al.: Environmental suitability of Vibrio infections in a warming climate: an early warning system. Environmental health perspectives 2017; 125(10): 107004. mehr lesen
- Baker-Austin C, Trinanes J, Gonzalez-Escalona N, Martinez-Urtaza J: Non-cholera vibrios: The microbial barometer of climate change. Trends in microbiology 2017; 25(1): 76–84. mehr lesen
- Euopean Commission - SCVPH: Opinion of the scientific committee on veterinary measures relating to public health on Vibrio vulnificus and Vibrio parahaemolyticus (in raw and undercooked seafood). EUC 2001; , letzter Aufruf 29. Juli 2022. mehr lesen
- Ceccarelli D, Hasan NA, Huq A, Colwell RR: Distribution and dynamics of epidemic and pandemic Vibrio parahaemolyticus virulence factors. Frontiers in cellular and infection microbiology 2013; 3: 97. mehr lesen
- Makino K, Oshima K, Kurokawa K et al.: Genome sequence of Vibrio parahaemolyticus: a pathogenic mechanism distinct from that of V cholerae. The Lancet 2003; 361(9359): 743–749. mehr lesen
- Park KS, Ono T, Rokuda M et al.: Cytotoxicity and enterotoxicity of the thermostable direct hemolysin-deletion mutants of Vibrio parahaemolyticus. Microbiology and immunology 2004; 48(4): 313–318. mehr lesen
- Jones MK, Oliver JD: Vibrio vulnificus: disease and pathogenesis. Infect Immun 2009; 77(5): 1723–1733. mehr lesen
- Hossain MT, Kim YO, Kong IS: Multiplex PCR for the detection and differentiation of Vibrio parahaemolyticus strains using the groEL, tdh and trh genes. Molecular and cellular probes 2013; 27(5–6): 171–175. mehr lesen
- Campbell MS, Wright AC: Real-time PCR analysis of Vibrio vulnificus from oysters. Appl Environ Microbiol 2003; 69(12): 7137–7144. mehr lesen
- Murray CJ, Ikuta KS, Sharara F et al.: Global burden of bacterial antimicrobial resistance in 2019: a systematic analysis. The Lancet 2022; 399(10325): 629–655. mehr lesen
- Bundesinstitut für Risikobewertung: Bakterielle Lebensmittelinfektionen durch Vibrionen: Gesundheitliche Bewertung zum Vorkommen von Vibrio spp. (Nicht-Cholera-Vibrionen) in Lebensmitteln: Stellungnahme Nr. 011/2022 des BfR vom 13. April 2022. BfR 2022; , letzter Aufruf 20. Juli 2022. mehr lesen
- Bundesminsterium für Gesundheit: Infektionsschutzgesetz vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 18. März 2022 (BGBl. I S. 473). , letzter Aufruf 29. Juli 2022. mehr lesen
- ALTS-AG: Empfehlungen zur Einstufung bedenklicher Keime als wahrscheinlich gesundheitsschädlich i. S. des Artikels 14 Abs. 4 oder als inakzeptable Kontamination i. S. des Artikels 14 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 2021. Berlin: BVL 2021. mehr lesen
Manuskriptdaten
Zitierweise
Löwe M, Fleischmann S, Schulenburg J, Alter T: Trinkwasserhygiene an Bord – gewinnen Vibrio-Spezies zukünftig an Bedeutung? WMM 2022; 66(9-10): 336-341.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-42
Für die Verfasser
Oberstabsveterinär Monique Löwe
Zentrales Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Kiel
Abteilung A – Veterinärmedizin
Kopperpahler Allee 120, 24119 Kronshagen
E-Mail: moniqueloewe@bundeswehr.org
Manuscript Data
Citation
Löwe M, Fleischmann S, Schulenburg J, Alter T: Drinking Water Hygiene on Ships – will Vibrio Species Become more Important in the Future? WMM 2022; 66(9-10): 336-341.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-42
For the Authors
Major (VC) Monique Löwe
Central Institute of the Bundeswehr Medical Service Kiel
Division A – Veterinärmedizin
Kopperpahler Allee 120, D-24119 Kronshagen
E-Mail: moniqueloewe@bundeswehr.org
Einfluss der technischen Einstellung von Frischwassererzeugeranlagen auf die
Trinkwasserqualität bei der Aufbereitung von Meerwasser
Influence of the Technical Setting of Fresh Water Generator Systems on the Drinking Water Quality in the Treatment of Sea Water
Christoph Mertensa, Petra Ufermanna, Hauke Petersena
a Zentrales Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Kiel, Abt B – Lebensmittel- und Ökochemie
Zusammenfassung
Die Laborgruppe Trinkwasser-/Ökochemie am ZInstSanBw Kiel ist u. a. für die amtliche Untersuchung der Trinkwasserqualität an Bord schwimmender Einheiten der Marine zuständig. Schiffe und Boote, die über bordeigene Frischwassererzeugeranlagen verfügen, können Meerwasser in einem mehrstufigen Prozess zu Trinkwasser aufbereiten, das den Anforderungen der TrinkwV unterliegt und dahingehend geprüft wird. Meerwasser wird über Vorfilter und Umkehrosmoseanlagen von Verunreinigungen und gelösten Salzen befreit. Das demineralisierte Permeat wird anschließend nach Begasung mit Kohlendioxid über Calciumcarbonat-haltige Entsäuerungsfilter aufgehärtet. Das Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht bildet hierfür die chemische Grundlage und dient der Beurteilung der korrosionschemischen Eigenschaften des erzeugten Trinkwassers anhand der Calcitlösekapazität. Falsch eingestellte Frischwassererzeuger führen regelmäßig zur Beanstandung der untersuchten Proben hinsichtlich der rechtlichen Vorgaben der TrinkwV. Im Berichtsjahr 2021 konnten lediglich in jeder sechsten Probe optimale Einstellungen hinsichtlich der Aufbereitung festgestellt werden.
Schlüsselworte: Frischwassererzeuger, Trinkwasserverordnung, Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht, Korrosion,; Trinkwasseraufbereitung
Summary
The laboratory group drinking water/ecochemistry at the ZInstSanBw Kiel is responsible for the official examination of the drinking water quality on board of federal german ships of the Navy. Ships and boats that have on-board fresh water generator systems can prepare seawater in a multi-stage process to make drinking water, which is subject to the requirements of the Drinking Water Ordinance and is checked accordingly. Seawater is freed from impurities and dissolved salts by pre-filters and reverse osmosis systems. After gassing with carbon dioxide, the demineralized permeate is then hardened via deacidification filters containing calcium carbonate. The lime-carbonic acid balance forms the chemical basis for this and is used to assess the corrosion-chemical properties of the drinking water produced based on the calcite dissolving capacity. Incorrectly set fresh water generators regularly lead to complaints about the samples examined with regard to the legal requirements of the Drinking Water Ordinance. In the 2021 reporting year, optimal settings with regard to processing could only be determined in every sixth sample.
Keywords: fresh water generator; Drinking Water Ordinance; lime-carbonic balance; corrosion; drinking water treatment
Einleitung
Das Zentrale Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr (ZInstSanBw) Kiel ist neben vielen weiteren Aufgaben auch für die amtliche chemische und mikrobiologische Untersuchung der Trinkwasserqualität an Bord schwimmender Einheiten der Marine zuständig. Die chemischen Anteile von der Probenahme über die Untersuchung bis zur Beurteilung hinsichtlich der Anforderungen der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) [1] werden durch die Laborgruppe Trinkwasser-/Ökochemie (LabGrp TWÖ) durchgeführt.
Schiffe und Boote, die über bordeigene Frischwassererzeugeranlagen verfügen, sind in der Lage, aus Meerwasser in einem mehrstufigen Prozess Trinkwasser zu generieren und in Frischwasserzellen vorzuhalten. Dadurch sind die Einheiten auch in den Einsatzgebieten unabhängig von Frischwasserübernahmen in Ländern, in denen das Trinkwasser in mikrobiologischer und chemisch-physikalischer Hinsicht nicht immer den Anforderungen der TrinkwV genügt.
In den Frischwassererzeugeranlagen besitzen verschiedene Bau- und Steuerungselemente einen Einfluss auf die Qualität des produzierten Trinkwassers. Falsch eingestellte Frischwassererzeuger führen regelmäßig zur Beanstandung durch die Sachverständigen der LabGrp TWÖ.
Funktionsweise der Frischwassererzeugeranlagen
Die Gewinnung von Trinkwasser durch Frischwassererzeugeranlagen ist in drei Hauptverfahrensschritte aufgeteilt. Im ersten Schritt wird das Meerwasser auf Kies- und Aktivkohlefilter als Vorfiltrationsmodule geleitet, die in erster Linie dazu dienen, das Meerwasser von Schwebstoffen und organischen Verunreinigungen zu befreien, bevor das Wasser im zweiten Schritt auf Umkehrosmosemodule (Reverse Osmosis, RO-Module), die zentralen Filtrationselemente der Anlagen, gelangt.
Abb. 1: Frischwassererzeugeranlage auf FGS „Bayern“ mit A Vorfilter B RO-Filter C CO2 Begasung D Entsäuerungsfilter
Die Filtration erfolgt bei einem Betriebsdruck von bis zu 60 bar und führt durch die sehr geringe Porengröße der Membranen zu einem weitgehend demineralisierten, hochreinen und keimfreien Permeat. Der Wirkungsgrad der RO-Anlagen ist im Wesentlichen abhängig von der Anzahl der eingesetzten Filtermodule, dem Betriebsdruck der Anlage, dem Salzgehalt des eingesetzten Meerwassers, dessen Temperatur und dem Alter der Filtermembranen. Eine regelmäßige Wartung und ein Austausch von gealterten Modulen ist demnach für die Filtrationsleistung der Anlage unabdingbar.
Abschließend erfolgt die Aufbereitung des Permeats zu Trinkwasser. Dazu wird es zunächst unter Druck mit Kohlendioxid (CO2) versetzt und anschließend über einen mit Calciumcarbonat-haltigem Filterkies beladenen Entsäuerungsfilter geleitet, in dem das Wasser teilweise remineralisiert wird. Das Permeat ist abhängig von seinem CO2-Gehalt in der Lage, Calciumcarbonat (Calcit) aus dem Filtermaterial zu lösen (Abb. 2 Gleichung (2)), was zum Anstieg der Wasserhärte führt.
Abb. 2: Reaktionen im Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht
Die beiden Teilschritte werden zusammenfassend als „Aufhärtung“ des Wassers bezeichnet. Der Grad der Aufhärtung wird anhand der Anzeigen für pH-Wert und Leitfähigkeit verfolgt und manuell gesteuert.
Chemische Grundlagen: Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht
Die richtige Dosierung von CO2 ist für die sachgerechte Aufhärtung des Permeats entscheidend. Das scheinbar einfache Verfahren der Aufhärtung basiert auf einem komplexen Gleichgewichtssystem von in Wasser gelöstem CO2, freier Kohlensäure, der Dissoziation der Kohlensäure zu Hydrogencarbonat und Carbonat (vgl. Abb. 2 Gleichung (1)), der Calciumionenkonzentration, dem pH-Wert sowie der Temperatur [2]. Das dadurch beschriebene Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht ist die Grundlage zur Bestimmung der Calcitlösekapazität, die ein zentraler Parameter zur Beurteilung der korrosionschemischen Eigenschaften des aufbereiteten Trinkwassers ist.Die Calcitlösekapazität beschreibt das Verhalten eines Wassers gegenüber der Calciumcarbonat-Modifikation Calcit. Mit der Zufuhr von CO2 sinkt der pH-Wert im Permeat durch die Bildung freier Kohlensäure. Ein Überschuss an CO2 im Permeat führt abhängig von Höhe dieses Überschusseszur Lösung von Calciumcarbonat aus dem Filter und damit verbunden zu einem Anstieg des pH-Werts („Entsäuerung“). Bis zur Einstellung des Gleichgewichts liegt ein calcitlösendes Wasser vor. Da calcitlösende Wässer die Korrosion metallischer Werkstoffe fördern, begrenzt die TrinkwV die zulässige Calcitlösekapazität auf 5 mg/L [1].
In der Praxis wird die Calcitlösekapazität mit Hilfe von Rechenprogrammen auf Grundlage der DIN 38404–10:2012–12 ermittelt, die die vorhandenen Analysendaten nutzen. Zur Berechnung müssen folgende Parameter qualitätsgesichert vorliegen [3]:
- Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasserverordnung - TrinkwV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. März 2016 (BGBl. I S. 459), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 22. September 2021 (BGBl. I S. 4343) geändert worden ist. , letzter Aufruf 29. Juli 2022. mehr lesen
- Nießner R (Hrsg), Höll K: Wasser- Nutzung im Kreislauf: Hygiene, Analyse und Bewertung (10. Auflage). Berlin/Boston: Walter de Gruyter GmbH 2020.
- DIN 38404–10:2012–12: Deutsche Einheitsverfahren zur Wasser-, Abwasser- und Schlammuntersuchung – Physikalische und physikalisch-chemische Stoffkenngrößen (Gruppe C) – Teil 10: Berechnung der Calcitsättigung eines Wassers (C 10). Berlin: Beuth-Verlag 2012.
- EN ISO 10304–1:2009: Deutsche Einheitsverfahren zur Wasser-, Abwasser- und Schlammuntersuchung – Physikalische und physikalisch-chemische Stoffkenngrößen (Gruppe D) Bestimmung von gelösten Anionen mittels Flüssigkeits-Ionenchromatographie – Teil 1: Bestimmung von Bromid, Chlorid, Fluorid, Nitrat, Nitrit, Phosphat und Sulfat (ISO 10304–1). Berlin: Beuth-Verlag 2009.
- DIN EN ISO 14911:1999: Deutsche Einheitsverfahren zur Wasser-, Abwasser- und Schlammuntersuchung – Physikalische und physikalisch-chemische Stoffkenngrößen (Gruppe E) Bestimmung der gelösten Kationen Lithium, Natrium, Ammonium, Kalium, Mangan, Calcium, Magnesium, Strontium und Barium mittels Ionenchromatographie. Berlin:Beuth-Verlag 1999.
- Umweltbundesamt: Bekanntmachung der Liste der Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren gemäß § 11 der Trinkwasserverordnung - 23. Änderung, Dezember 2021. mehr lesen
Die in Abb. 2 (Gleichung (1)) beschriebenen Gleichgewichtsreaktionen zwischen gelöstem CO2, freier Kohlensäure, Hydrogencarbonat und Carbonat bilden im Wasser ein komplexes Puffersystem, das analytisch durch das Verhalten gegenüber Säuren und Basen beschrieben wird. Hierfür werden die Säurekapazität durch Titration mit verdünnter Salzsäure bis zu einem pH-Wert von 4,3 sowie die Basekapazität durch Titration mit verdünnter Natronlauge bis zu einem pH-Wert von 8,2 bestimmt. Bei pH 4,3 ist das Gleichgewicht der Reaktion aus Abb. 2 (Gleichung (1)) vollständig auf die Seite des freien CO2 verschoben, bei einem pH-Wert von 8,2 liegt hingegen kein freies CO2 mehr vor. Anhand der Säurekapazität lässt sich somit die Konzentration an Hydrogencarbonat, anhand der Basekapazität die Konzentration an gelöstem CO2 im untersuchten Wasser berechnen.
Probenahme und Vor-Ort-Analytik
Die Beprobung der Frischwassererzeugeranlagen wird im laufenden Betrieb von zertifizierten Probenehmern des ZInstSanBw Kiel durchgeführt. Hierbei werden Proben des Rohwassers (Meerwasser), des Permeats und des Frischwassers nach Filter für die Laboranalytik entnommen. Die Probenahme umfasst auch die Vor-Ort-Messung der Parameter, die bereits während des Transports zum Labor einer zu großen Veränderung unterliegen. Nach der sorgfältigen Vorbereitung der Probenahmestelle werden pH-Wert, Leitfähigkeit und Sauerstoffgehalt erhoben. Weiterhin erfolgt die Messung der Trübung sowie eine organoleptische Prüfung in Hinblick auf Aussehen, Geruch und Geschmack. Vom Permeat und vom Frischwasser wird auch die Basekapazität (Abb. 3) vor Ort bestimmt.
Abb. 3: Bestimmung der Basenkapazität vor Ort
Untersuchungsumfang im Labor
Der Untersuchungsumfang der Proben orientiert sich an der Probenart und an der individuellen Fragestellung und kann angepasst werden, wenn Besonderheiten bei der Probenahme dies erforderlich machen. Zur Bewertung der Funktion von Frischwassererzeugeranlagen werden die bereits genannten und die nicht vor Ort bestimmbaren Parameter Säurekapazität sowie anorganische Salze analysiert.
Der Gehalt an Mineralsalzen wird mittels Ionenchromatographie gemäß den Vorgaben der DIN EN ISO 14911 [4] sowie der DIN EN ISO 10304–1 [5] bestimmt. Besondere Relevanz hat hierbei der Parameter Calcium zur Beurteilung des Aufhärtungsgrades.
Für die Beurteilung der Funktion der Frischwassererzeugeranlagen ist darüber hinaus das Element Bor von Bedeutung. Durch gealterte und beschädigte Membranen kann Bor den Filter passieren, so dass die Borkonzentration im Permeat Rückschlüsse auf den Zustand der RO-Module zulässt. Die Analytik erfolgt mittels ICP-MS (Inductively Coupled Plasma Mass Spectrometry) nach den Vorgaben der DIN EN ISO 17294–2.
Gesetzliche Grundlagen, Beanstandungen und Diskussion
Die TrinkwV stellt die gesetzliche Grundlage zur Beurteilung der Trinkwasserqualität an Bord seegehender Einheiten dar. Trinkwasser, das aus den Frischwassererzeugeranlagen gewonnen wird, wurde einem Aufbereitungsverfahren unterzogen, weshalb hierbei auch die Vorgaben gemäß § 11 der TrinkwV i. V. m. der Liste der Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren des Umweltbundesamtes beachtet werden müssen. Dies betrifft erneut den zentralen Parameter Calcium, dessen Zugabe im Rahmen der Aufbereitung gemäß Teil I b Lfd. Nr. 9 dieser Liste auf 100 mg Calciumcarbonat pro Liter Wasser – gleichbedeutend mit 40,08 mg/L Calcium – begrenzt wird [6].
Abb. 4: Calciumgehalt von Trinkwasserproben aus Frischwassererzeugeranlagen (n=65)
Abbildung 4 zeigt die Verteilung des Aufhärtungsgrades der im Jahr 2021 entnommenen Proben zur Beurteilung der Funktion von Frischwassererzeugeranlagen verschiedener seegehender Einheiten. Bei optimalen Einstellungen der Frischwassererzeuger soll die Calciumkonzentration bei einem pH-Wert zwischen 7,7 und 8,2 zwischen 20 und 40 mg/L liegen. Dieser Bereich wurde jedoch lediglich in jeder sechsten Probe ermittelt. Dieser Umstand ist über die Berichtsjahre betrachtet konstant und zeigt damit die Notwendigkeit der regelmäßigen Untersuchung.
In etwa zwei Drittel der Proben ist der Calciumgehalt nach der Aufbereitung zu niedrig. Gleichung (2) aus Abb. 2 zeigt, dass Calciumcarbonat nur bei ausreichender Anwesenheit von gelöstem CO2 aus dem Aufhärtungsfilter gelöst werden kann. Ein zu niedriger Calciumgehalt ist damit die Folge einer zu geringen Zufuhr an CO2 vor der Aufhärtung. Aufgrund des Mangels an CO2 im Frischwasser liegt zudem das Gleichgewicht der Reaktion nach Abb. 2 Gleichung (1) auf der Seite von Hydrogencarbonat und Carbonat bei pH-Werten, die in einigen Fällen die Obergrenze für den zulässigen pH-Wert in Trinkwasser gemäß Anlage 3 der TrinkwV von 9,5 überschreiten.
Bei zu hoher Zufuhr von CO2 geht hingegen zu viel Calciumcarbonat in Lösung. Im Frischwasser werden wegen des Restgehalts an CO2 leicht saure pH-Werte verbunden mit einer hohen Basekapazität ermittelt. Im Labor wird anschließend ein Gehalt an Calcium festgestellt, der zur Beanstandung der Probe führt. Dies ist bei etwa 15 % der untersuchten Proben der Fall.
Die Zufuhr von CO2 wird wie erwähnt durch eine sorgfältige Kontrolle des pH-Werts im Permeat gesteuert. Die korrekte Anzeige des pH-Werts im Frischwasser ist essentiell, um den Aufbereitungsprozess zuverlässig steuern zu können. Bei schlecht eingestellten Frischwassererzeugeranlagen werden häufig Differenzen von mitunter +/- 1,5 pH-Einheiten zwischen den Messwerten der Anlagen und den kalibrierten und gewarteten Geräten des ZInstSanBw Kiel festgestellt. Zumeist kann dies unmittelbar auf den Pflege- und Wartungszustand der bordeigenen Mittel zurückgeführt werden. Dadurch wird der Beratungs- und Schulungsbedarf für das Bordpersonal verdeutlicht, der zur Schärfung des Problembewusstseins angezeigt ist.
Die beschriebenen Aufbereitungsmängel führen nicht zu einer unmittelbaren Gefährdung der Gesundheit des Bordpersonals. Gering mineralisiertes Wasser hat jedoch abhängig vom pH-Wert ungünstige korrosionschemische Eigenschaften, was zu Schäden an den Frischwasserzellen und am Leitungssystem führen kann. Die Korrosion der Werkstoffe kann wiederum wegen der Freisetzung metallischer Komponenten einen nachteiligen Einfluss auf die Trinkwasserqualität ausüben. Um potentielle Gefahren zu minimieren, müssen die Frischwassererzeugeranlagen auch in Zukunft regelmäßig durch sanitätsdienstliches Fachpersonal und Sachverständige überprüft werden. Dadurch wird für das Bordpersonal ein nennenswerter Beitrag zum vorbeugenden Gesundheitsschutz gewährleistet.
Literatur
- Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasserverordnung - TrinkwV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. März 2016 (BGBl. I S. 459), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 22. September 2021 (BGBl. I S. 4343) geändert worden ist. <https://www.gesetze-im-internet.de/trinkwv_2001/BJNR095910001.html>, letzter Aufruf 29. Juli 2022.
- Nießner R (Hrsg), Höll K: Wasser- Nutzung im Kreislauf: Hygiene, Analyse und Bewertung (10. Auflage). Berlin/Boston: Walter de Gruyter GmbH 2020.
- DIN 38404–10:2012–12: Deutsche Einheitsverfahren zur Wasser-, Abwasser- und Schlammuntersuchung – Physikalische und physikalisch-chemische Stoffkenngrößen (Gruppe C) – Teil 10: Berechnung der Calcitsättigung eines Wassers (C 10). Berlin: Beuth-Verlag 2012.
- EN ISO 10304–1:2009: Deutsche Einheitsverfahren zur Wasser-, Abwasser- und Schlammuntersuchung – Physikalische und physikalisch-chemische Stoffkenngrößen (Gruppe D) Bestimmung von gelösten Anionen mittels Flüssigkeits-Ionenchromatographie – Teil 1: Bestimmung von Bromid, Chlorid, Fluorid, Nitrat, Nitrit, Phosphat und Sulfat (ISO 10304–1). Berlin: Beuth-Verlag 2009.
- DIN EN ISO 14911:1999: Deutsche Einheitsverfahren zur Wasser-, Abwasser- und Schlammuntersuchung – Physikalische und physikalisch-chemische Stoffkenngrößen (Gruppe E) Bestimmung der gelösten Kationen Lithium, Natrium, Ammonium, Kalium, Mangan, Calcium, Magnesium, Strontium und Barium mittels Ionenchromatographie. Berlin:Beuth-Verlag 1999.
- Umweltbundesamt: Bekanntmachung der Liste der Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren gemäß § 11 der Trinkwasserverordnung - 23. Änderung, Dezember 2021.
Manuskriptdaten
Zitierweise
Mertens C, Ufermanna P, Petersen H: Einfluss der technischen Einstellung von Frischwassererzeugeranlagen auf die Trinkwasserqualität bei der Aufbereitung von Meerwasser. WMM 2022; 66(9-10): 342-346.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-41
Für die Verfasser
Oberstabsapotheker Christoph Mertens
Zentrales Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr
Abteilung B – Lebensmittel- und Ökochemie
Kopperpahler Allee 120, 24119 Kronshagen
E-Mail: christophmertens@bundeswehr.org
Manuscript Data
Citation
Mertens C, Ufermanna P, Petersen H: Influence of the Technical Setting of Fresh Water Generator Systems on the Drinking Water Quality in the Treatment of Sea Water. WMM 2022; 66(9-10): 342-346.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-41
For the authors
Major (MC pharm) Christoph Mertens
Central Institute of the Bundeswehr Meeical Service Kiel
Division B – Food and Ecological Chemistry
Kopperpahler Allee 120, D-24119 Kronshagen
E-Mail: christophmertens@bundeswehr.org