„Der etwas andere Bildschirmarbeitsplatz“
Kristina Küpera, Nils-Alexander Simona, Alexander Witzkia, Manuela Andrea Hoffmanna
Zusammenfassung
Militärische Bildschirmarbeit ist durch hohe mentale Anforderungen geprägt: Soldatinnen und Soldaten müssen Bildschirm und Umgebung kontinuierlich im Blick halten, um schnell und flexibel auf Veränderungen reagieren zu können. Unter Zeitdruck und bei hoher Informationsunsicherheit müssen sie weitreichende Entscheidungen treffen und diese klar kommunizieren und parallel z.T. hochkomplexe auftragsrelevante Informationen im Gedächtnis behalten. Welche Auswirkungen diese Belastungen auf Gesundheit und Leistungsfähigkeit haben und wie sich Soldatinnen und Soldaten bestmöglich darauf vorbereiten lassen, untersucht das Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr (InstPrävMedBw).
Resilienz beschreibt die Fähigkeit, sich an Veränderungen anzupassen, sich Widrigkeiten zu stellen, sie zu bewältigen und aus ihnen zu lernen sowie an Rückschlägen zu wachsen. Der Soldatenberuf erfordert diese psychische Widerstandsfähigkeit in besonders hohem Maße, da die Auftragserfüllung oft durch enorme körperliche und mentale Belastungen erschwert wird. Im Einsatz sind Soldatinnen und Soldaten nicht nur der ständigen Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt, sondern auch von ihrer Familie und dem vertrauten Umfeld getrennt. Sie müssen sich an ungewohnte Umweltbedingungen wie extreme Hitze [1] oder Kälte [2] anpassen und gleichzeitig stets die hohen Anforderungen immer komplexer werdender militärischer Arbeitsumgebungen erfüllen.
So werden moderne Gefechte zunehmend computergestützt am Bildschirm geführt. Diese militärische Bildschirmarbeit bringt gänzlich andere Herausforderungen mit sich als es bei zivilen Bildschirmarbeitsplätzen der Fall ist. Fast alle militärischen Verwendungen beinhalten beobachtende Tätigkeiten und erfordern ein hohes Maß an Flexibilität, im Sinne einer schnellen Reaktion auf Veränderungen. Gleichzeitig muss militärisches Personal auftragsrelevante Informationen im Gedächtnis behalten, die z.T. hochkomplex sein können, und weitreichende Entscheidungen unter Zeitdruck treffen und kommunizieren ([3], Abbildung 1). Wie genau sich diese Anforderungen in unterschiedlichen Verwendungen gestalten und wie sie sich auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Soldatinnen und Soldaten auswirken, untersucht das Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr (InstPrävMedBw) als Ressortforschungseinrichtung des Sanitätsdienstes der Bundeswehr.
Abb. 1: Anforderungen und Belastungsfaktoren militärischer Bildschirmarbeit
Vor diesem Hintergrund haben im Februar 2024 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts die Infanterieschule und den SIRA-Stützpunkt (simulationsgestützte Rahmenübung) Hammelburg besucht. Ziel des vom Verbindungsstabsoffizier des Heeres am InstPrävMedBw initiierten Besuchs war es, unter realistischen Bedingungen einen Eindruck von den mentalen Anforderungen verschiedener militärischer Bildschirmarbeitsplätze zu gewinnen. Die Forscherinnen und Forscher nahmen dazu an der virtuellen Simulation eines Bataillonsgefechtsstandes teil und wurden mit der Fernbedienbaren Leichten Waffenstation (FLW) im Allschutz-Transport-Fahrzeug (ATF) Dingo sowie verschiedenen Nachtsichtgeräten vertraut gemacht. Das Kraftfahrausbildungszentrum Simulator Hammelburg demonstrierte die Kraftfahrausbildung am Simulator und mit eingeschränkter Sicht (unter Luke) im Gelände. Bei der ersten Vor-Ort-Sichtung dieser militärischen Aufgaben und der damit verbundenen Anforderungen lag das Hauptaugenmerk der Forschenden nicht auf taktischen Aspekten, sondern auf Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Informationsverarbeitung und Entscheidungsfindung.
So ist beispielsweise im Bataillonsgefechtsstand (Abbildung 2) eine zentrale Aufgabe die effiziente Aufnahme, Bewertung und Weitergabe von Informationen mit dem Ziel der erfolgreichen Führung im Gefecht. Eine effektive Kommunikation und Kooperation erfordert dabei das Ausblenden von zahlreichen Störreizen, wie z. B. Funksprüchen, Gesprächen innerhalb des Gefechtsstandes oder Gefechtsgeräuschen. Zudem müssen die Soldatinnen und Soldaten ihren Auftrag unter Zeitdruck und bei hoher Informationsunsicherheit (widersprüchliche bzw. fehlende Informationen) erfüllen.
Abb. 2: SIRA-Gefechtsstand. Bildquelle: Bundeswehr/InfS/Andrea Rippstein
Bei der Bildschirmarbeit in Bewegung, z. B. anhand der FLW, kommen erhöhte Anforderungen an Wahrnehmung und räumliches Vorstellungsvermögen hinzu. So müssen unterschiedliche Bewegungsrichtungen koordiniert und die virtuellen Wahrnehmungseindrücke der FLW mit der tatsächlichen Umgebungsansicht vereinbart werden. Lange Patrouillenfahrten stellen zudem hohe Anforderungen an Daueraufmerksamkeit und bergen die Gefahr der Ermüdung und des damit einhergehenden Leistungsabfalls. Bei Fahrten mit geschlossener Luke, zum Beispiel im Schützenpanzer Marder, kommen Dunkelheit, die beengte Umgebung und eingeschränkte Blickwinkel erschwerend hinzu.
Abb. 3: Bildschirm der FLW Dingo. Bildquelle: InstPrävMedBw
Militärische Bildschirmarbeit umfasst aber auch den Umgang mit Nachtsichtgeräten. So verstärken Restlichtverstärker mittels einer Elektronenröhre das schwache nächtliche Restlicht und projizieren es auf einen Leuchtschirm. Das so erzeugte Bild ist grün-schwarz und erzeugt somit einen stark veränderten Wahrnehmungseindruck der Umgebung, dessen Interpretation einige Übung erfordert. Wie bei anderen Formen militärischer Bildschirmarbeit müssen Soldatinnen und Soldaten zudem auch hier eine Einschränkung des Blickfelds sowie Informationsunsicherheit kompensieren.
Abb. 4: Blick durch ein Nachtsichtgerät (Bildquelle: Bundeswehr/InfS)
Die beim Besuch der Infanterieschule gewonnenen Eindrücke verdeutlichen die hohen Anforderungen, die komplexe militärische Bildschirmarbeitsplätze an die Resilienz von Soldatinnen und Soldaten stellen. Diese Erkenntnisse werden in zukünftige Forschungsprojekte des InstPrävMedBw einfließen, in denen u. a. ermittelt werden kann, wie Bundeswehrangehörige bestmöglich auf den Umgang mit diesen Herausforderungen vorbereitet werden können. Im Fokus der Forschung werden dabei unter anderem der Einfluss von individueller Resilienz auf die Gefechtsstandarbeit und präventivmedizinisch relevante Faktoren bei der Optimierung von Nachtsichtgeräten stehen. Ziel dieser Forschung ist die Leistungs- und Gesunderhaltung unserer Soldatinnen und Soldaten getreu dem Leitspruch des Instituts:
„Resilient im Einsatz. Gesund im Leben“.
Literatur
1. Glitz KJ, Rohde U, Sievert A, Richter M, Hoffmann MA: Managing heat stress: from science to practical implementation. In: British Army (Hrsg.): 6th International Congress on Soldiers’ Physical Performance London 2023: Programme Book. London: British Army 2023; 218–219
2. Hoffmann MA: Soldat und Kälte: Das Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr beim NATO HFM Symposium „Human Performance and Medical Treatment and Support During Cold Weather Operations!”. Wehrmed Mschr 2023; 67 (1–2): 46
3. Witzki A, Sievert A, Küper K, Leyk D, Nagler-Nitzschner UKJ: Generic military simulation of a complex workplace. A new tool for applied research in military settings. Mil Psychol 2024; 36 (1): 114–124
Für die Verfasser
Dr. Kristina Küper
Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr
Aktienstr. 87, 56626 Andernach
a Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr, Andernach/Koblenz
Erfolgreiches 4. Symposium für Tropenmedizin und Infektionskrankheiten in Hamburg
Welche Rolle spielen Infektionskrankheiten in Krisengebieten, wie können globale Gesundheitskrisen besser bewältigt werden und wie sieht klinisches Infektionsmanagement in Zeiten von Katastrophen und Kriegen aus? Diese und viele weitere Fragen wurden vom 28. bis 30. August 2024 auf dem 4. Symposium für Tropenmedizin und Infektionskrankheiten von den zahlreichen internationalen Teilnehmerinnen und Teilnehmer intensiv diskutiert.
Bereits zum vierten Mal hat sich das vom Bundeswehrkrankenhaus Hamburg organisierte Symposium als zentraler Treffpunkt für zivile und militärische Expertinnen und Experten auf dem Gebiet der Tropenmedizin und Infektionskrankheiten bewährt. Neben Teilnehmenden aus dem europäischen Ausland waren unter anderem auch Fachleute aus dem Senegal, Tunesien, der Demokratischen Republik Kongo und aus Brasilien anwesend. Insgesamt waren über 15 Nationen auf dem Symposium vertreten.
Abb. 1: Kommandeur und Ärztlicher Direktor des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg, Oberstarzt Dr. Thomas Harbaum, bei seiner Eröffnungsrede (alle Bilder: Bundeswehr/Kellermann)
Das diesjährige Symposium stand unter dem Motto „Klinisches Infektionsmanagement in Zeiten von Katastrophen und Kriegen“. In seiner Eröffnungsrede unterstrich der Kommandeur und Ärztliche Direktor des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg, Oberstarzt Dr. Thomas Harbaum (Abbildung 1), die Bedeutung des diesjährigen Themas: „Die Grenze zwischen tropischen und infektiologischen Erkrankungen verschwimmt zunehmend und wir beobachten, dass solche Erkrankungen auch außerhalb der Tropen immer häufiger auftreten. Nur durch transparentes Arbeiten, intensive Kooperation und gemeinsamen Austausch können wir diesen Herausforderungen in Zukunft begegnen“. (Übersetzung aus dem Englischen). Als Beispiel für eine gelungene Kooperation nannte Oberstarzt Dr. Harbaum auch die seit 20 Jahren bestehende Zusammenarbeit des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg mit dem Bernard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, die in Zukunft noch weiter ausgebaut werden soll.
Die im Anschluss an die Eröffnungszeremonie stattfindenden Sitzungen deckten ein breites Themenspektrum ab, das von der internationalen Infektionsepidemiologie über Möglichkeiten der Infektionskontrolle und -prävention bis hin zur Dermatologie in Krisensituationen reichte. Im Rahmen der Sitzung zu tropischen Krankheitserregern und Tuberkulose stand insbesondere der Vortrag der Delegation des senegalesischen Sanitätsdienstes im Mittelpunkt, der erfolgreiche Strategien und Ergebnisse der effektiven Zusammenarbeit zwischen zivilen und militärischen Akteuren bei der Malariabekämpfung im Senegal hervorhob. Ob Prävention hochpathogener Viren im Kosovo, robotergestützte Telemedizin zur Krisenintervention und Seuchenüberwachung in Großbritannien oder tropenmedizinische Herausforderungen in weltweiten Militäreinsätzen – die Vielfalt der Themen spiegelte die breite geographische und kulturelle Relevanz der Tropen- und Infektionsmedizin wider (Abbildung 2).
Abb. 2: Blick in den Hörsaal
Abb. 3-6: Konzentrierte Kongressatmosphäre
Nach dem diesjährigen Symposium steht fest: Eine kontinuierliche Fortführung dieser internationalen Austauschplattform ist von großer Bedeutung. Angesichts der wachsenden Bedrohung durch Infektionskrankheiten wird das Symposium auch in Zukunft eine zentrale Rolle bei der Entwicklung von Lösungen und der Stärkung internationaler Partnerschaften spielen, um gemeinsam für zukünftige Herausforderungen gewappnet zu sein.
Hauptmann Pascal Meiß
Bundeswehrkrankenhaus Hamburg