Wehrmedizinische Monatsschrift

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Zentrale molekulare Gewebediagnostik im Systemverbund der Bundeswehrkrankenhäuser – erste Auswertung und Erfahrungsbericht




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Mitteilungen der DGWMP e.​ V.​
Geburtstage November 2024
Editorial PDF

Editorial

Sehr geehrte Leserin,

sehr geehrter Leser!

Das Fachgebiet Pathologie durchlief in den letzten Jahrzehnten einen tiefgreifenden Wandel. Während zuvor überwiegend morphologische Methoden im Fokus standen, wird unsere Diagnostik heute um Einblicke in die molekularen Grundlagen von Erkrankungen ergänzt. Mit der Möglichkeit, das Ansprechen auf zielgerichtete Therapien durch umfassende molekulare Diagnostik präzise vorhersagen zu können, wird die aktive Rolle von Pathologinnen und Pathologen in Tumorboards und als Ansprechpartner für die klinischen Kolleginnen und Kollegen signifikant gestärkt. Die Zeiten der „postmortalen Besserwisserei“ sind endgültig vorbei!

Die Behandlung maligner Tumorerkrankungen ist ein wesentlicher Stützpfeiler für die Aufrechterhaltung chirurgischer, aber auch konservativ-medizinischer und diagnostischer Expertise im Sanitätsdienst der Bundeswehr. Nicht nur die jüngste Einführung von Mindestmengen für die chirurgische Behandlung von Bauchspeicheldrüsen- und Lungenkrebs hat gezeigt, dass an den Bundeswehrkrankenhäusern eine starke interdisziplinäre Krebsmedizin auf dem Niveau von zertifizierten Organkrebszentren vorzuhalten ist. Die im Systemverbund bestehenden Zentren für Darmkrebs, urologische Tumoren und Kopf-Hals-Tumoren beweisen, dass dieses Ziel erreichbar ist.

In der interdisziplinären Krebsmedizin kommt der Pathologie eine zentrale Rolle zu, und eine qualitätsgesicherte und umfassende molekulare Diagnostik ist Bestandteil der aktuellen S3-Leitlinien fast aller Tumorerkrankungen. Aktuell werden viele dieser Leistungen bei nicht einheitlichen Qualitäts- und Datenschutzstandards und verbunden mit hohen Kosten im zivilen Bereich erbracht. Während wir vor einiger Zeit an dieser Stelle dazu aufriefen, diese Leistungen zentral an der akkreditierten Pathologie und Molekularpathologie am BwKrhs Ulm zu bündeln, können wir in der aktuellen Ausgabe eine erste Auswertung der extern übersandten Gewebeproben vorlegen. Die Ergebnisse zeigen aus unserer Sicht deutlich, dass eine zentrale, umfassende und qualitätsgesicherte Molekularpathologie zu einer Verbesserung der Diagnosesicherheit und damit auch der klinischen Versorgung im Systemverbund der Bundeswehrkrankenhäuser führt – auf einem Niveau, dass eine nahtlose Integration unserer Befunde in molekulare Tumorboards (z. B. der Charité oder des Comprehensive Cancer Center Ulm) ermöglicht, und zu einem Bruchteil der bisherigen Kosten.

Die synergistische Nutzung gemeinsamer Strukturen ist für mich beispielgebend für das Zusammenwirken im Systemverbund der Bundeswehrkrankenhäuser. Ich möchte Sie dazu einladen, gemeinsam mit den Pathologinnen und Pathologen der Bundeswehr den Weg in die „morpho-molekulare“ Zukunft zu gehen und die interdisziplinäre Versorgung der uns anvertrauten Patientinnen und Patienten weiter zu verbessern.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen nun viel Freude bei der Lektüre dieser Ausgabe Ihrer WMM.

Ihr

Prof. Dr. Dr. Konrad Steinestel

Oberstarzt

Bundeswehrkrankenhaus Ulm

Klinischer Direktor Abt. XIII - Pathologie, Molekularpathologie

Molekulare Medizin PDF

Zentrale molekulare Gewebediagnostik im Systemverbund der Bundeswehrkrankenhäuser – erste Auswertung und Erfahrungsbericht

Centralized Molecular Tissue Diagnostics in the Joint Network of the Bundeswehr Hospitals – First Evaluation and Results

Konrad Steinestela, Hanno Witteb, Daniel Gagiannisc, Nicole Müllerd, Thomas Cramere Atakan Jordanf, Staffan Vanderseef, Christian Buschg, Thomas Heinigg, Tanja Vetterh, Annette Arndta

a Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Abteilung XIII – Pathologie und Molekularpathologie

b Klinik I – Innere Medizin – Hämatologie/Onkologie

c Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Klinik I – Innere Medizin, Pneumologie,

d Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Klinik I – Innere Medizin

e Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Klinik V – Hals-, Nasen- und OhrenHeilkunde

f Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Klinik III – Dermatologie

g Bundeswehrkrankenhaus Hamburg, Klinik I – Innere Medizin

h Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Zentrales Klinisches Management Z5 – Forschung und Wissenschaft,

Zusammenfassung

Die Bedeutung molekular zielgerichteter Therapien in der Versorgung von Krebserkrankungen nimmt stetig zu. Da die fächerübergreifende Behandlung dieser Erkrankungen wesentlich für den Erhalt konservativer und chirurgischer Expertise im Sanitätsdienst der Bundeswehr ist, muss eine qualitätsgesicherte molekulare Gewebediagnostik für die Patientinnen und Patienten der Bundeswehrkrankenhäuser sichergestellt sein.

Nach einem im vergangenen Jahr in dieser Zeitschrift publizierten Aufruf zur zentralen Erbringung dieser Leistungen wurden durch die akkreditierte Molekularpathologie des Bundeswehrkrankenhauses Ulm im Laufe des Jahres 2023 molekularpathologische Untersuchungen an 123 extern eingesandten Gewebeproben durchgeführt. Die häufigsten zugrundeliegenden malignen Diagnosen waren kolorektale Karzinome bzw. sonstige Adenokarzinome des Gastrointestinaltrakts (40 % bzw. 12 %), gefolgt von nicht kleinzelligen Lungenkarzinomen (10 %), Tumoren der Kopf-/Hals-Region (6 %) und malignen Melanomen (4 %). In 28 % der Fälle wurden Gewebeproben des GI-Trakts mit entzündlichen Veränderungen auf mögliche Infektionserreger hin untersucht. In allen Fällen mit einer Ausnahme (99 %) war die Analyse technisch möglich bzw. auswertbar, in 75 % der Fälle konnten ein oder mehrere diagnostische bzw. prädiktive Biomarker nachgewiesen werden. Die Bearbeitungsdauer (Probeneingang zu Befund) betrug im Median 10 Werktage (Spanne: 3–32). Für die durchgeführten Untersuchungen, die nur einen Teil der im Systemverbund tatsächlich anfallenden Diagnostikleistungen repräsentieren, ergab sich eine Einsparung von ca. EUR 250 000/Jahr gegenüber der externen Vergabe. Als Nachteil sind Verzögerungen beim Probenversand zu nennen, die durch die Erarbeitung einer Standard Operating Procedure (SOP), den Versand der Proben direkt durch die klinischen Abteilungen und die Beauftragung eines professionellen Kurierdienstleisters minimiert werden konnten. Zusammenfassend ist die zentrale Erbringung molekularpathologischer Untersuchungsleistungen ein Beispiel für eine effektive, qualitätsgesicherte und ressourcenschonende Nutzung von Synergien innerhalb des Systemverbundes der Bundeswehrkrankenhäuser, die bei konsequenter Bündelung Einsparungen in Millionenhöhe realisieren könnte.

Schlüsselwörter: Pathologie, Molekularpathologie, Probenversand, zentrale Untersuchung, SOP, Kostenreduzierung

Summary

The significance of molecular-targeted therapies in the treatment of cancer is steadily increasing. Since the interdisciplinary care of these diseases is essential for maintaining internal oncology and surgical expertise within the medical services of the Bundeswehr, quality-assured molecular tissue diagnostics must be ensured for the patients of the Bundeswehr hospitals. Following a call for centralized provision of these services published at this site last year, molecular pathological examinations were performed on 123 externally submitted tissue samples by the accredited Molecular Pathology Department of the Bundeswehr Hospital Ulm throughout 2023. The most common underlying malignant diagnoses were colorectal carcinomas or other adenocarcinomas of the gastrointestinal tract (40 % and 12 %, respectively), followed by non-small cell lung carcinomas (10 %), tumors of the head/neck region (6.5 %), and malignant melanomas (4 %). In 23 % of the cases, tissue samples from the GI tract with inflammatory changes were examined for possible infectious agents. The analysis was technically feasible and evaluable in all but one case (99 %); in 75 % of the cases, one or more diagnostic or predictive biomarkers could be detected. The median processing time (from sample receipt to report) was ten working days (range: 3–32). For the conducted examinations, which represent only a part of the diagnostic services occurring within the system network, there was a cost saving of approximately EUR 250,000 per year compared to external commissioning. A significant disadvantage, however, was delays in sample shipping, which were minimized by developing a standard operating procedure (SOP), direct shipping of samples by the clinical departments, and commissioning a professional courier service provider. In summary, the centralized provision of molecular pathological examination services is an example of effective, quality-assured, and resource-efficient use of synergies within the system network of Bundeswehr hospitals, which could achieve savings in the millions if consistently consolidated.

Keywords: pathology; molecular pathology; sample transport; centralized examination; SOP; cost reduction

Einleitung

Die interdisziplinäre Behandlung von Tumorerkrankungen ist eine der Grundlagen für die Erlangung und Aufrechterhaltung von Fachexpertise in den Gebieten Viszeral- und Thoraxchirurgie, Neurochirurgie, MKG- bzw. Kopf-Hals-Chirurgie, der urologischen und dermatologischen Chirurgie, der Inneren Medizin und in den diagnostischen Fachgebieten (Radiologie, Nuklearmedizin, Pathologie) im Sanitätsdienst der Bundeswehr. Der hohe fachliche Nutzen onkologisch-chirurgischer Operationsverfahren für die Ausbildung und In-Übung-Haltung von (Einsatz-)Chirurgen wurde zuletzt in einer Auswertung französischer Militärkrankenhäuser im Raum Paris bestätigt [3]. Die leitliniengerechte Diagnostik maligner ­Tumoren beinhaltet neben der klassischen histopathologischen Gewebediagnostik zunehmend molekulare Analyseverfahren, die Aussagen über Entität, Prognose oder das Ansprechen auf molekular zielgerichtete Therapien geben können (prädiktive Molekularpathologie) [1][5][6][14]. Diese molekulare Gewebediagnostik sollte hierbei schnell, umfassend und qualitätsgesichert erfolgen.

Während die kostenintensiven molekularpathologischen Untersuchungsleistungen in den vergangenen Jahren häufig durch zivile, kommerzielle Labordienstleister erbracht wurden, etablierten wir am Bundeswehrkrankenhaus (BwKrhs) Ulm ein leistungsfähiges Zentrum für molekulare Gewebediagnostik, welches mit dem Gesamtinstitut im Jahr 2021 nach der DIN EN ISO 17020 akkreditiert wurde. Darauf aufbauend publizierten wir an dieser Stelle vor einem Jahr einen Aufruf zur vertieften Zusammenarbeit und boten an, diese Leistungen künftig qualitativ hochwertig und ressourcenschonend innerhalb des Systemverbundes der Bundeswehrkrankenhäuser zu erbringen [13]. Diesem Aufruf wurde von einzelnen Kliniken innerhalb des Systemverbundes (zunächst probeweise) gefolgt.

Ziel der hier vorliegenden Analyse ist nun, die innerhalb eines Jahres erbrachten Leistungen hinsichtlich ihres Umfangs, ihres klinischen Nutzens und ihrer Wirtschaftlichkeit zu überprüfen. Hieraus soll abgeleitet werden, ob eine Verstetigung und/oder Vertiefung der Zusammenarbeit sinnvoll ist und an welchen Stellen ggf. Verbesserungen notwendig sind.

Ergebnisse

Untersuchungsumfang

Insgesamt erreichten die Abt. XIII Pathologie und Molekularpathologie des BwKrhs Ulm im Jahr 2023 123 Untersuchungsaufträge für molekularpathologische Analysen aus externen Krankenhäusern und Behandlungseinrichtungen. Innerhalb des Systemverbundes waren zunächst die Kliniken für Innere Medizin, Dermatologie und Hals- Nasen-Ohren-Heilkunde des BwKrhs Berlin und die Klinik für Innere Medizin des BwKrhs Hamburg unserem Aufruf gefolgt. Weitere Untersuchungsleistungen wurden für regionale Sanitätseinrichtungen sowie (im Rahmen freier Kapazitäten) für zivile Einrichtungen erbracht. Abbildung 1zeigt den schematischen Ablauf von Probentransport, Untersuchung und Befundübermittlung.

Abb. 1: Schematischer Ablauf von Probentransport, Untersuchung und Befundübermittlung

Befunde

Die häufigste Tumorentität (40 %) stellten kolorektale Adenokarzinome dar, an denen eine leitliniengerechte Bestimmung des RAS/BRAF-Mutationsstatus sowie (in einem Teil der Fälle) eine Analyse der Mikrosatellitenstabilität vorgenommen wurde (Abbildung 2 A). Andere Adenokarzinome des Gastrointestinaltraktes (Magen bzw. gastroösophagealer Übergang, Dünndarm, Appendix) wurden in weiteren 12 % der Fälle analysiert. Nicht kleinzellige Lungenkarzinome (10 %) wurden leitliniengerecht auf onkogene Treibermutationen hin untersucht, bei Speicheldrüsenkarzinomen und Plattenepithelkarzinomen des Kopf-Hals-Bereichs (6,5 %) standen neben der Identifikation potenzieller therapeutischer Zielstrukturen auch eine definitive Entitätszuordnung bei ungewöhnlich differenzierten Malignomen im Fokus. In knapp 28 % der Fälle wurden Gewebeproben des GI-Trakts mit entzündlichen Veränderungen auf mögliche Infektionserreger hin untersucht, die häufigste Untersuchung hiervon war der Nachweis von H. pylori-DNA einschließlich des Nachweises spezifischer Resistenz-vermittelnder Mutationen gegen antimikrobielle Wirkstoffe (Abbildung 2 A).

Abb. 2: (A) Häufigkeitsverteilung der untersuchten Entitäten bzw. Fragestellungen, (B) Ergebnisse der molekularpathologischen Untersuchungen im Hinblick auf gewebebasierte prädiktive und/oder diagnostische Biomarker

In 92 von 123 Fällen (75 %) konnten prädiktive und/oder diagnostische Biomarker nachgewiesen werden. Während von diesen in 76 % die entsprechenden molekularen Alterationen in der unmittelbar durchgeführten Primärdiagnostik (gezielte Sequenzierung, RT-PCR-basierte Verfahren oder Hybridisierungstechnik) identifiziert werden konnten, wurde in 24 % eine erweiterte NGS-Diagnostik angeschlossen (Abbildung 2 B). Diese konnte in weiteren 73 % der verbleibenden Fälle zusätzliche Biomarker identifizieren, lediglich in 27 % war keine abschließende diagnostische oder prädiktive Aussage möglich. In drei Fällen konnte über einen Nachweis molekularer Tumoreigenschaften eine ursprüngliche Diagnose korrigiert bzw. eine Metastasenzuordnung getroffen werden (Tabelle 1 und Abbildung 3). In allen Fällen mit einer Ausnahme (99 %) war die Analyse technisch durchführbar, in besagtem Fall lag eine nicht ausreichende Qualität der isolierten DNA vor.

Tabelle 1: Präzisierung onkologischer Diagnosen durch umfassende tumorgenetische Charakterisierung
 
Abb. 3: Sicherung der Diagnose eines seltenen Lungentumors durch Molekularpathologie: (A) myxoider und spindelzelliger Tumor mit der externen Diagnose „kleinzelliges Lungenkarzinom“ (Probe aus dem Hauptbronchus), (B) Nachweis eines Bruchereignisses (separiertes grünes und rotes Farbsignal) im EWSR1-Gen, diagnostisch beweisend für ein primär pulmonales myxoides Sarkom mit EWSR1-Alteration
 
 

Untersuchungsdauer

Die mediane Bearbeitungsdauer (Probeneingang zu Befund) betrug 10 Werktage (Spanne: 3–32 Werktage), wobei eine Überschreitung von 10 Werktagen zumeist auf die Notwendigkeit einer erneuten Analyse oder weiterer Untersuchungen zurückzuführen war.

Kosten

Durch die zentrale Leistungserbringung im Systemverbund der Bundeswehrkrankenhäuser unter Nutzung der vorhandenen personellen und materiellen Ressourcen konnte (gemäß den Abrechnungsempfehlungen des Bundesverbandes Deutscher Pathologen) innerhalb eines Jahres ein Betrag von 250 000 € eingespart werden. In diesem Zusammenhang wird erneut darauf hingewiesen, dass im besagten Zeitraum aus dem Systemverbund zunächst nur die Kliniken für Innere Medizin, Dermatologie und Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde des BwKrhs Berlin und die Klinik für Innere Medizin des BwKrhs Hamburg Proben für die Diagnostik übersandten. Die Beteiligung weiterer Kliniken des Systemverbundes der BwKrhs würde in erheblichem Maße zusätzliche finanzielle Ressourcen einsparen.

Diskussion

Molekularpathologische Analysen von Gewebeproben nehmen einen immer größeren Stellenwert bei der Diagnostik und Therapie maligner Erkrankungen, aber auch beim Nachweis von Infektionserregern ein. Für die Aufrechterhaltung interdisziplinärer Expertise im Sanitätsdienst der Bundeswehr ist eine leitliniengerechte Behandlung von Tumorpatienten unabdingbar [3], idealerweise in Form von fächerübergreifenden, durch die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) zertifizierten Organkrebszentren.

Das Institut für Pathologie und Molekularpathologie am BwKrhs Ulm hat im Jahr 2023 insgesamt 123 molekularpathologische Untersuchungsaufträge von externen Kliniken und Behandlungseinrichtungen entgegengenommen. Insgesamt wurden einschließlich der Anforderungen aus dem BwKrhs Ulm 899 molekularpathologische Untersuchungsaufträge bearbeitet, wobei ein Großteil der Untersuchungen mehrere Methoden (PCR, Sequenzierung, Hybridisierung) beinhaltete. Bei Tumorerkrankungen wurden nicht nur die in den jeweiligen S3-Leitlinien bzw. ESMO-Guidelines enthaltenen molekularen Zielstrukturen, sondern zahlreiche weitere Gene sowie die pangenomischen Marker Tumormutationslast (tumor mutational burden, TMB) und Mikrosatelliteninstabilität (MSI) untersucht [5][6][9][12][14].

Die Möglichkeit, bei gleichzeitiger signifikanter Ressourceneinsparung eine solche umfassende Charakterisierung prädiktiver tumorgenetischer Eigenschaften (comprehensive genomic profiling) zu erhalten, ist ein absolutes Alleinstellungsmerkmal für die klinische Versorgung im Sanitätsdienst der Bundeswehr. In einem Großteil der Fälle konnten diagnostische bzw. prädiktive Biomarker identifiziert werden, in drei Fällen wurde eine externe Diagnose korrigiert bzw. präzisiert. Die genetischen Daten der Patientinnen und Patienten verblieben – im Gegensatz zur Leistungserbringung im zivilen Bereich – innerhalb der geschützten IT-Infrastruktur der Bundeswehr.

Probenlaufzeit

Die mediane Laufzeit von Probeneingang zu Befund betrug 10 Tage und lag damit innerhalb des von den entsprechenden Fachgesellschaften vorgegebenen Rahmens [10]. Verzögerungen beruhten in den meisten Fällen auf dem Intervall zwischen der klinischen Anforderung und dem Versand durch zivile Leistungserbringer oder dem Postversand, zudem mussten Befundergebnisse zumeist per Fax oder Brief übermittelt werden. Die Erstellung einer Standard Operating Procedure(SOP) zum Probenversand und die Beauftragung eines zivilen Transportdienstleisters ermöglichen mittlerweile eine Bearbeitung der Proben 1–2 Tage nach der klinischen Anforderung, während die geplante Anbindung der Bundeswehrkrankenhäuser des Systemverbundes in Zukunft die Voraussetzungen für ein digitales Anforderungsmanagement und den digitalen Befundexport in die jeweiligen Krankenhausinformationssysteme schafft. Eine optimierte IT-Infrastruktur ist auch Voraussetzung für eine Entscheidungsfindung in Molekularen Tumorboards unter Einbeziehung von Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI), die beispielsweise bei der Analyse großer Mengen von Sequenzierdaten zum Einsatz kommen kann [4].

Finanzielle Ressourcen

Die bisher belegte Einsparung finanzieller Ressourcen ist auch vor dem Hintergrund der zunehmenden klinischen Bedeutung der molekularen Diagnostik zu bewerten. Anzahl und Umfang molekularer Untersuchungen werden künftig noch deutlich zunehmen. Als Beispiele sind hier die molekulare Diagnostik aus Körperflüssigkeiten (liquid biopsy), methylombasierte Klassifikation von Tumorentitäten oder das Sequenzieren von Exomen (whole exome sequencing, WES) bzw. Genomen (whole genome sequencing, WGS) zu nennen [7][8][11]. Es ist davon auszugehen, dass vor diesem Hintergrund durch eine noch stärkere Fokussierung der molekularen Diagnostik innerhalb des Systemverbundes und durch die Implementierung der entsprechenden Technologien innerhalb des Sanitätsdienstes der Bundeswehr noch weitere Einsparpotentiale realisiert werden können.

Translationale Forschungsaspekte

Neben dem klinischen Nutzen eröffnet die Etablierung der Tiefensequenzierung in der Routinediagnostik zahlreiche Möglichkeiten für translationale Forschung. So wird am BwKrhs Ulm derzeit im Rahmen eines Sonderforschungsprojektes (45K3-S-54–2224) der Einsatz großer NGS-Panels für den Nachweis von Genaberrationen untersucht, welche auf eine vorangehende Strahlenexposition zurückzuführen sind und/oder ein Ansprechen auf molekular zielgerichtete Therapien vorhersagen. Hierbei konnte bei einem ehemaligen Soldaten mit anaplastic lymphoma kinase (ALK)-transloziertem Lungenkarzinom, welcher während seiner Dienstzeit radar-exponiert gewesen war, eine neue Resistenzmutation gegen Crizotinib erstmalig beschrieben und im Zellkulturmodell unabhängig verifiziert werden [1][2].

Limitation

Als Limitation des hier vorgestellten Ansatzes ist zu nennen, dass für die zentrale Erbringung molekularpathologischer Diagnostik auch innerhalb des Systemverbundes finanzielle und personelle Ressourcen erforderlich sind. Allerdings fallen diese auch unter Einbeziehung der Kosten für Transport und vermehrtes Verbrauchsmaterial gegenüber der Leistungserbringung im zivilen Bereich deutlich geringer aus. Ein weiterer kritischer Punkt ist die auch im Rahmen der Zertifizierung von Organkrebszentren geforderte Teilnahme von (Molekular)pathologinnen und -pathologen an interdisziplinären Tumorboards. Diese wird durch die räumliche Distanz erschwert, allerdings nimmt die Pathologie des Bundeswehrkrankenhauses Ulm schon heute im Rahmen von Videokonferenzen an mehreren virtuellen Tumorboards externer Krankenhäuser teil. Solche virtuellen Tumorboards ­wären auch im Systemverbund der Bundeswehrkran­kenhäuser technisch problemlos zu realisieren, ein ­molekulares Tumorboard für den Systemverbund der Bundeswehrkrankenhäuser befindet sich als Leuchtturmprojekt derzeit im Aufbau.

Fazit

Die qualitätsgesicherte zentrale Durchführung der molekularpathologischen Analysen stellt zusammenfassend eine Verbesserung der Versorgungsqualität von Patientinnen und Patienten der Bundeswehrkrankenhäuser dar und trägt den Charakter eines Alleinstellungsmerkmals unseres Systemverbundes, ohne fachliche oder qualitative Abstriche in Kauf zu nehmen. Ganz im Gegenteil konnte an bereits drei Beispielen innerhalb eines Jahres ein Gewinn an Diagnosesicherheit gezeigt werden. Das Potenzial fachlicher Schwerpunktsetzungen sollte künftig in noch stärkerem Maße genutzt werden, um eigene ­klinisch-fachliche und wissenschaftliche Exzellenz zu fördern und gerade in Zeiten angespannter Haushaltslage eine optimale Ressourcenauslastung sicherzustellen.

Literatur

  1. Arndt A, Neumann C, Riecke A, et al.: Genomic profiling and 3D-molecule reconstructions for treatment guidance in ALK-EML4 rearranged NSCLC acquiring a novel ALK resistance mutation. Oncol Res Treat 2023; 46: 228. mehr lesen
  2. Arndt A, Neumann C, Riecke A, et al. Molecular tumor board: molecularly adjusted therapy upon identification and functional validation of a novel ALK resistance mutation in a case of lung adenocarcinoma. Oncologist 2024: oyae143. mehr lesen
  3. Giudicelli X, Aoun O, Perchoc A, et al.: Learning trauma surgery through cytoreductive surgery. Injury 2023; 54: 1330-1333. mehr lesen
  4. Hamamoto R, Koyama T, Kouno N, et al.: Introducing AI to the molecular tumor board: one direction toward the establishment of precision medicine using large-scale cancer clinical and biological information. Expl Hematol Oncol 2022; 11: 82. mehr lesen
  5. Hoge JC, Schadendorf D: Update der S3-Leitlinie zum malignen Melanom. best practice onkologie 2017; 12: 110-1199. mehr lesen
  6. Junker K, Büttner R, Langer T, Ukena D: Pathologisch-anatomische Diagnostik gemäß S3-Leitlinie Lungenkarzinom 2018. Pathologe 2018; 39: 589-603. mehr lesen
  7. Koelsche C, von Deimling A: Methylation classifiers: Brain tumors, sarcomas, and what's next. Genes, Chromosomes and Cancer 2022; 61: 346-355. mehr lesen
  8. Lone SN, Nisar S, Masoodi T, et al.: Liquid biopsy: A step closer to transform diagnosis, prognosis and future of cancer treatments. Molecular Cancer 2022; 79: 1-22. mehr lesen
  9. Mosele F, Remon J, Mateo J, et al.: Recommendations for the use of next-generation sequencing (NGS) for patients with metastatic cancers: a report from the ESMO Precision Medicine Working Group. Ann Oncol 2020; 31: 1491-1505. mehr lesen
  10. Ossowski S, Neeman E, Borden C, et al.: Improving Time to Molecular Testing Results in Patients With Newly Diagnosed, Metastatic Non–Small-Cell Lung Cancer. JCO Oncol Practice 2022; 18: e1874-e1884. mehr lesen
  11. Ramarao-Milne P, Kondrashova O, Patch A-M, et al.: Comparison of actionable events detected in cancer genomes by whole-genome sequencing, in silico whole-exome and mutation panels. ESMO open 2022; 7: 100540. mehr lesen
  12. Schmiegel W, Buchberger B, Follmann M, et al.: S3-Leitlinie–kolorektales Karzinom. Z Gastroenterol 2017; 55: 1344-1498. mehr lesen
  13. Steinestel K, Witte H, Riecke A, et al.: Molekulare Diagnostik im Systemverbund der Bundeswehrkrankenhäuser - Aufruf zur Zusammenarbeit in einem Netzwerk für personalisierte Medizin. WMM 2023; 67(1-2): 15-21. mehr lesen
  14. Thomas C, Schrader A: Neue S3-Leitlinie Prostatakarzinom 2021 (Version 6.2)–Was hat sich beim fortgeschrittenen Prostatakarzinom geändert? Urologie 2022; online 1-5. mehr lesen

Anmerkung

Teile dieser Arbeit wurden durch das Sonderforschungsprojekt 45K3-S-54–2224 unterstützt

Manuskriptdaten

Zitierweise

Steinestel K, Witte H, Gagiannis D, Müller N, Cramer T, Jordan A, Vandersee S, Busch C, Heinig T, Vetter T, Arndt A: Zentrale molekulare Gewebediagnostik im Systemverbund der Bundeswehrkrankenhäuser – erste Auswertung und Erfahrungsbericht. WMM 2024; 69(10): 406-411.

DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-356

Für die Verfaser

Oberstarzt Prof. Dr. Dr. Konrad Steinestel

Bundeswehrkrankenhaus Ulm

Abteilung XIII – Pathologie und Molekularpathologie

Oberer Eselsberg 40, 89081 Ulm

E-Mail: konradsteinestel@bundeswehr.org">konradsteinestel@bundeswehr.org

Manuscript Data

Citation

Steinestel K, Witte H, Gagiannis D, Müller N, Cramer T, Jordan A, Vandersee S, Busch C, Heinig T, Vetter T, Arndt A: [Central molecular tissue diagnostics in the joint network of the Bundeswehr Hospitals – first evaluation and results.]WMM 2024; 69(10): 406-411.

DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-356

For the Authors

Colonel (MC) Prof. Dr. Dr. Konrad Steinestel

Bundeswehr Hospital Ulm

Department XIV – Pathology, Molecular Pathology

Oberer Eselsberg 40, D-89081 Ulm

E-Mail: konradsteinestel@bundeswehr.org

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