Könnte es Malaria sein?
Fallbericht und Übersichtsartikel zur komplizierten Malaria tropica-Infektion mit hoher Parasitämie
Could it be Malaria?
Case Report and Review Article on Complicated Malaria Tropica Infection with High Parasitemia
Lorenz Wolfa, Laura Strekb, Nino Neumannc, Annette Müllera, Stefan Markhoffd, Rico Müllera
a Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Abt. XVI – Laboratoriumsmedizin,
b Sanitätsversorgungszentrum Berlin-Mitte
c Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Klinik I – Innere Medizin
d Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Klinik X – Anästhesiologie, Intensivmedizin, Schmerztherapie und Notfallmedizin
Zusammenfassung
An einem Fallbeispiel werden der Ablauf einer Malaria-Erkrankung sowie die zugehörigen Hintergründe erläutert. Die Malaria-Infektion ist in Deutschland durch Reisende und Familienheimkehrer eine relevante Differenzialdiagnose bei unklarem Fieber. Soldaten sind besonders durch Einsatzszenarien betroffen. Mit dem Beitrag soll die (truppen-)ärztliche Sensitivität für diese tropenmedizinische Erkrankung erhöht werden.
Schlüsselwörter: Malaria tropica, Kasuistik, Militärmedizin, Labormedizin, Tropenmedizin, Infektiologie
Summary
By a case report we illustrate the course of malaria disease and the associated background. In Germany, malaria infection is a relevant differential diagnosis in travelers and family members with unexplained fever. Soldiers are particularly affected by deployment scenarios. We are aiming to foster medical sensivity of the Bundeswehr unit physicians to this tropical disease.
Keywords: malaria tropica; case report; military medicine; laboratory medicine; tropical medicine; infectiology
Fallbeschreibung
Wir berichten von einer 50-jährigen deutschen Patientin, welche sich nach einem dreiwöchigen Aufenthalt in Nigeria primär in der ihr bekannten reise-/tropenmedizinischen ambulanten Sprechstunde Anfang Dezember 2023 mit länger bestehendem Fieber und gastrointestinalen Beschwerden vorstellte. Mit einem positivem Malaria-Schnelltest wurde die Patientin in die Notfallaufnahme des Bundeswehrkrankenhauses Berlin überwiesen.
Anamnese
Die Rückkehr aus Nigeria erfolgte drei Tage zuvor. Die Hintergründe der privaten Reise waren der Besuch von Freunden bzw. Verwandten (visiting friends and relatives, VFR), sowie touristischer Natur. Die Patientin besuchte mehrere abgelegene Gebiete, hielt sich jedoch auch in einer größeren Hotelanlage auf; im Anschluss verbrachte sie noch eine Woche in Lagos. Eine Malaria-Prophylaxe wurde aufgrund der individuellen Fehleinschätzung des Infektionsrisikos sowie aus Angst vor Nebenwirkungen nicht eingenommen. Eine immer wieder anekdotisch berichtete, laienhafte und gleichermaßen unzutreffende Risikonegation durch VFR scheint auch diesem Fall zugrunde zu liegen. Vektorenschutz sei durch handelsübliches Mückenspray erfolgt. Netze als Expositionsprophylaxe seien nicht genutzt worden.
Der Symptombeginn wurde durch die Patientin auf 11 Tage vor Aufnahme terminiert. Zu Beginn kennzeichnend wären abendliche Fieberschübe, Appetitlosigkeit, Erbrechen, Schüttelfrost, Durchfall (ca. dreimal pro Tag, wässrig, keine Blutbeimengungen, kein Teerstuhl) sowie Magenkrämpfe gewesen. Hautausschlag sei nicht erinnerlich. Die gastrointestinale Symptomatik habe für die Patientin im Vordergrund gestanden. Die Miktion gestalte sich unauffällig. Ungeschützter Geschlechtsverkehr wurde verneint, ebenso habe kein Süßwasser- oder Tierkontakt stattgefunden. Vorerkrankungen, Allergien oder eine Dauermedikation bestünden nicht.
Die Patientin habe die beschriebenen Symptome auf die Hitze und die ungewohnte Ernährung im Reiseland zurückgeführt. Nachdem ihr die ländlichen Gebiete Nigerias aufgrund der hygienischen Umstände nicht zugesagt hätten und sie eine Einlieferung in ein dortiges Krankenhaus vermeiden wollte, wäre Sie – auch um den Symptomen Rechnung zu tragen – in ihre Hotelanlage zurückgekehrt. Sie habe zwischen den Fieberepisoden massiv Appetit auf Früchte gehabt und es habe ein deutlich gesteigertes Durst- und orales Trockenheitsgefühl bestanden.
Klinisches Bild
Die Patientin zeigte sich bei Aufnahme wach, kooperativ und adäquat reagierend. Auffällig war der deutlich reduzierte Allgemeinzustand. Der initial beim niedergelassenen Arzt gemessene Blutdruck erwies sich als deutlich hypoton mit einer begleitenden Tachykardie und subfebrilen Temperaturen. Die Patientin erhielt aufgrund der Dehydration und Hypotonie bereits in der niedergelassenen Praxis eine Volumensubstitution mit 1000 ml einer 0,9 %-Natriumchlorid-Infusionslösung. Bei Vorstellung in unserer Notaufnahme zeigte sich eine minimal gebesserte Hypotonie und Tachykardie.
Die neurologisch-orientierende Untersuchung war unauffällig. Die Pupillenreaktion prompt und seitengleich. Auffallend waren weiterhin trockene Schleimhäute und stehende Hautfalten. Das Hautcolorit war leicht ikterisch. Das Herz auskultierte sich rhythmisch, tachykard und ohne pathologische Herzgeräusche. Über der gesamten Lunge konnte ein vesikuläres Atemgeräusch gehört werden. Das Abdomen tastete sich weich und ohne palpable Resistenzen. Es bestand kein Flankenklopfschmerz, jedoch ein Druckschmerz über allen vier Quadranten ohne pathologische Darmgeräusche. Die Milz war nicht tastbar. Die Leber war ohne Vergrößerung tastbar. Knöchelödeme bestanden nicht.
Diagnostik
Auf Basis des extern erhobenen positiven Malaria-Schnelltests erfolgte die initiale Diagnostik zunächst Erreger-fokussiert. In der Notaufnahme wurden die tropenmedizinische Notfall-Labordiagnostik (hier: Parasiten-Mikroskopie und immunchromatographischer Schnelltest), Blutkulturen sowie eine Röntgenuntersuchung des Thorax für den weiteren Verlauf veranlasst. Die weitere Labordiagnostik umfasste ein zunächst automatisiertes, großes Blutbild sowie Urinstatus, Elektrolyte und Serumchemie, erweiterte Infektions- und Entzündungsparameter, erweiterter Gerinnungsstatus und komplettierend, die molekularbiologische Diagnostik, wie MRSA-Screening und Influenza-/SARS-CoV-2-Diagnostik aus einem Rachenabstrich. Eine Auswahl initial erhobener Parameter und deren Verlauf ist in Tabelle 1 dargestellt. Gleichzeitig wurden manuelle Blutausstriche zur weiterführenden Stufendiagnostik angefertigt. Die spezielle Malaria-Diagnostik umfasste die Wiederholung des bereits ambulant erfolgten Schnelltests sowie die Anfertigung eines Giemsa-gefärbten Dicken Tropfens und eines Giemsa-gefärbten Blut-Ausstrichs. Für den Dicken Tropfen wie auch den Ausstrich wurde EDTA-Blut verwendet.
Tab. 1: Ausgewählte Laborparameter im zeitlichen Verlauf.
Während der Dicke Tropfen trocknete, konnte bereits nach 15 min das Ergebnis des Schnelltests (BinaxNOW®- Fa. Abbott Rapid Dx, Köln) als positiv ausgewertet werden (Abbildung 1).
Abb. 1: Durchgeführter Malaria-Schnelltest mit positivem Bandenmuster als Hinweis auf eine Infektion mit P. falciparum oder eine Mischinfektion: Die rosafarbene Bande auf Höhe des linksseitig dargestellten Buchstabens „C“ stellt die Kontroll-Bande dar. Diese ist ein Bestandteil der integrierten Qualitätssicherung des Schnelltests. Die neben T1 und T2 erscheinenden Banden geben einen ersten Hinweis auf das Ergebnis sowie einen groben Spezies-Hinweis bei positivem Ergebnis. Die Auswertung ist direkt unterhalb des Teststreifens in Form eines Piktogramms dargestellt und erleichtert die Interpretation.
Das hier dargestellte Banden-Bild kann somit als POSITIV gewertet werden und deutet auf eine Infektion mit Plasmodium falciparum oder eine Mischinfektion hin.
Der mikroskopische Blick in den Dicken Tropfen – hier dargestellt in Abbildung 2 – erhärtete die Verdachtsdiagnose und bestätigte das Ergebnis des Schnelltests. Das massive Vorhandensein von Parasiten, mit teils überlagerten Strukturen, ließ eine valide Zählung nur im peripheren Ausstrich zu.
Abb. 2: Dicker Tropfen aus EDTA-Blut. Deutlich erkennbar sind die Massen an Parasiten, welche sich als violetter Punkt mit teils graublauem Anhang darstellen.
Zu jedem Dicken Tropfen wird, wie bereits erwähnt, ein Giemsa-gefärbter Ausstrich angefertigt. Dieser bot in der manuellen Mikroskopie ebenfalls ein eindrucksvolles Bild (siehe Abbildung 3). Die hier ausgezählte Parasitämie belief sich auf 15 %. Wichtig hierbei ist, dass mehrfach befallene Erythrozyten nur einfach gezählt werden. Da im Schnelltest die Speziesbestimmung nicht eindeutig möglich ist, wurde hier final die Speziesdiagnose Plasmodium falciparum gestellt. Eine Mischinfektion mit einer zweiten Malaria-Spezies konnte mikroskopisch nicht dargestellt werden.
Abb. 3: Giemsa-gefärbter peripherer Blutausstrich. Deutlich erkennbar zeigen sich hier die ringförmigen P. falciparum-Parasiten in den Erythrozyten. Teilweise ist auch ein Doppelbefall erkennbar.
Unter der gezielten antiparasitären Therapie (siehe unten) zeigte die am Tag 2 durchgeführte Verlaufskontrolle nur noch eine im Dicken Tropfen zählbare Parasitämie von 0,028 %. Die Aufnahmen sind zum direkten Vergleich in Abb. 4 und Abb. 5 dargestellt. Die logarithmische Abnahme der Parasitämie ist eine verlässliche Erfolgskontrolle für die hochwirkungsvolle antiparasitäre Chemotherapie.
Abb 4: Verlaufskontrolle ca. 24 h nach oraler und intravenöser Gabe der beschriebenen Malariamedikation:
(A) Dicker Tropfen: Im gesamten Präparat ergab sich eine Parasitenanzahl von 12 Parasiten auf 111 Leukozyten, was einer Parasitämie von 0,028 % entspricht.
(B) Giemsa-gefärbter Blutausstrich: Die Berechnung der Parasitämie wurde aus Gründen der Anreicherung im Dicken Tropfen durchgeführt und belief sich auf 0,028 %.
Verlauf
Es erfolgte bereits initial bei Kenntnis der groben Patientenanamnese sowie des externen positiven Malaria-Schnelltests in unserer Notaufnahme der unverzügliche Beginn einer oralen Chemotherapie mit zunächst Riamet© 80/480 mg (Artemether/Lumefantrin 20/120 mg; 4 Tabletten). Durch die erhobenen Labor- und Vitalparameter sowie hoher initialer Parasitenlast von 15 % wurde die Diagnose einer komplizierten, potenziell lebensbedrohlichen Malaria tropica konkretisiert und die Therapie auf Artesunate Amivas© i.v. (Artesunat 10mg/ml) umgestellt (EMA-Zulassung erst seit November 2021, bis dato off-label use/compassionate use) [1]. Die erste i.v.-Gabe erfolgte unverzüglich noch in unserer ZINA durch den IvD (Internisten vom Dienst) mit telefonischer Unterstützung durch den tropenmedizinischen Hintergrunddienst. Die Patientin wurde anschließend zur weiteren Überwachung und Therapie auf die Intensivstation aufgenommen. Zwölf Stunden nach Übernahme erfolgte eine weitere i.v.-Dosis Artesunate©, gefolgt von einer weiteren Gabe der antiparasitären Medikation nach nunmehr insgesamt 24 h (0h–12h–24h).
Unbedingt erwähnenswert ist hier die deutliche Diskrepanz einer überaus hohen Parasitenlast bei dem subjektiv gering ausgeprägten Krankheitsgefühl der Patientin. Dieser Umstand darf keineswegs über die Gefährlichkeit einer Parasitämie in dieser Höhe hinwegtäuschen, sondern ist zu jedem Zeitpunkt als lebensbedrohlich einzustufen. Die Verschlechterung des klinischen Zustands der Patientin mit der Notwendigkeit einer intensivmedizinischen Maximaltherapie ist jederzeit möglich und anzunehmen.
Aufgrund der immunkompromitierenden Gesamtsituation bei deutlich erhöhten Entzündungsparametern wurde initial neben der antiparasitären Therapie – nach Asservierung von Blutkulturen und Umgebungsdiagnostik – eine antiinfektive Therapie mit Piperacillin/Tazobactam begonnen, um einer möglicherweise zusätzlich bestehenden bakteriellen Infektion kalkuliert Rechnung zu tragen. Gleichsam sind die erhöhten Entzündungsproteine auch alleinig durch die komplizierte Malaria sowie die
Reaktivierung des retikuloendothelialen Systems erklärlich. Letztlich fand sich im weiteren Verlauf kein Anhalt für eine Superinfektion, sodass die kalkulierte antiinfektive Therapie rasch beendet werden konnte. Die entnommenen Blutkulturen blieben ohne Wachstum.
Die Patientin präsentierte in den folgenden Stunden zunehmend Zeichen von Kreislaufinstabilität mit erhöhtem Volumen- sowie Katecholaminbedarf. Das Monitoring wurde um eine invasive Blutdruckmessung erweitert und es erfolgte die ZVK-Anlage. Im Röntgenbild der Lunge konnten keine Ergüsse sowie keine Infiltrate festgestellt werden. Der pulmonale Gasaustausch zeigte sich zu keinem Zeitpunkt bedeutsam eingeschränkt. Es erfolgte eine engmaschige Reevaluation einer assistierten Beatmungstherapie in Abhängigkeit des klinischen Bildes. Im weiteren Verlauf wurde keine Beatmungstherapie notwendig. Eine ausgeprägte Thrombozytopenie besserte sich mit einem Anstieg der Thrombozytenzahl von initial 39 000 auf > 60 000 am zweiten Behandlungstag.
Auf der Intensivstation erfolgte eine bedarfsadaptierte Korrektur des Flüssigkeitsdefizits unter regelmäßiger Evaluation des Flüssigkeitshaushalts durch bettseitige Sonographie der V. cava. Dabei wurde möglichst viel Flüssigkeit durch die Patientin selbst oral zugeführt. Nach Ausgleich des Flüssigkeitsdefizites wurde sich vorrangig für eine Katecholamintherapie zur Stabilisierung des Kreislaufs entschieden.
Der Katecholaminbedarf konnte im weiteren Behandlungsverlauf gesenkt werden. Am zweiten Behandlungstag und somit nach anfänglich einmalig oraler, dann dreimalig intravenöser antiparasitärer Medikation reduzierte sich die Parasitämie zügig auf 0,028 %, sodass eine Therapie-Deeskalation mit Umstellung (erneut) auf Riamet© p.o. erfolgte. Die orale Anschlusstherapie erfolgte für weitere drei Tage.
Bei symptomatischer Anämie mit anhaltendendem Katecholaminbedarf wurden bei einem Hb-Wert von 7,3 g/dl zwei Erythrozytenkonzentrate komplikationslos transfundiert (im Verlauf Anstieg des Hb auf 9,6 g/dl). Daraufhin konnte die kreislaufunterstützende Medikation rasch beendet werden, sodass die Patientin auf die internistische Normalstation verlegt werden konnte. Der weitere stationäre Verlauf gestaltete sich unkompliziert, die unter der Malariainfektion und -therapie initial erhöhten Transaminasen und Bilirubinwerte zeigten sich rückläufig. Die ergänzenden Serologien erbrachten keinen Nachweis von Hepatitis B, Hepatitis C oder HIV. Der Allgemeinzustand der Patientin besserte sich zunehmend, sodass die Patientin am Tag 6 in die ambulante Weiterbehandlung entlassen werden konnte.
In der poststationären Verlaufskontrolle zeigten sich die Hämolyse-Parameter nur noch geringfügig erhöht und der Hb-Wert blieb stabil. Die Patientin berichtete, dass sie im Alltag wieder gut zurechtkomme, jedoch in Träumen das Erlebte, insbesondere den ITS-Aufenthalt, noch verarbeite.
Aktueller Hintergrund zur Malaria
Vorkommen und Verbreitung
Malaria ist mit ca. 250 Mio. registrierten Fällen pro Jahr die global gesehen wichtigste Protozoeninfektion und weltweit eine der häufigsten Todesursachen [10]. Die Verbreitung findet insbesondere in den subtropischen und tropischen Regionen statt, ist jedoch mit über 85 Ländern weltweit ein globales Problem [13][14]. Hauptsächlich betroffen sind die in den Endemiegebieten lebende Bevölkerung sowie Reisende [10]. Auch Angehörige der Bundeswehr haben auf Basis verschiedenster Einsatzszenarien ein erhöhtes Expositionsrisiko für diese gefährliche tropenmedizinische Infektionserkrankung [9]. Besondere Risikogebiete stellen die sogenannten holoendemischen Regionen dar, in denen ohne relevante saisonale Unterschiede über die gesamte Jahresperiode ein gleichmäßig hoher Transmissionsdruck besteht.
Mit 27 % aller weltweit verzeichneten Malariafälle in 2021 ist Nigeria Spitzenreiter innerhalb der Malaria-Endemiegebiete [13][14]. Fast die Hälfte aller Malariafälle ging 2021 auf die Länder Nigeria, Demokratische Republik Kongo, Uganda und Mosambik zurück [13][14]. In Deutschland sind pro Jahr ca. 800 Fälle zu verzeichnen, wobei hiervon ca. 98 % auf Reisen nach Afrika zurückzuführen sind [6][13]. Zu den häufigsten Reiseanlässen zählte der Besuch von Freunden und Verwandten (visiting friends and relatives, VFR) mit 65 % aller gemeldeten Fälle, gefolgt von Tourismus sowie Reisen aus beruflichen Gründen [11].
Infektion und Krankheitsverlauf
Alle Formen der Malariainfektion werden durch die parasitären Erreger der Spezies Plasmodium ausgelöst. Vektor der Parasiten ist hierbei die Mücke der Gattung Anopheles. Die Anopheles-Mücke ist dämmerungs- und nachtaktiv und sticht i.d. R. zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang. Neun von zehn Malariainfektionen werden erfahrungsgemäß zwischen 18:00 Uhr und 2:00 Uhr erworben [2].
Die ersten Anzeichen einer Malaria sind eher unspezifisch. Prodromi können die klassischen Symptome eines grippalen Infekts bzw. einer Erkältung sein wie allgemeines Krankheitsgefühl, Abgeschlagenheit, Kopf- und Gliederschmerzen. Auch gastrointestinale Symptome wie Erbrechen, Durchfall und Appetitlosigkeit sowie ikterische Zustände sind sehr häufig beschrieben [3][9].
Bis zum definitiven Ausschluss ist dahingehend jede fieberhafte Erkrankung nach Aufenthalt in einem Endemiegebiet differenzialdiagnostisch als Malaria zu bewerten. Dies gilt auch dann, wenn die Chemoprophylaxe korrekt durchgeführt wurde oder eine andere Krankheit primär wahrscheinlicher erscheint [4][6][13]. Die Diagnostik zum Ausschluss einer Malaria darf auch hier nie ausbleiben [6]. Die meisten Vorstellungen erfolgen zwar innerhalb des ersten Monats nach der Rückkehr aus Endemiegebieten und somit im direkten zeitlichen Zusammenhang, jedoch sind auch spätere Erstvorstellungen möglich [6][10]. Auf Basis der eher unspezifischen Symptome ist jedes unklare Fieber in einem Zeithorizont von sieben Tagen nach Einreise bis zu 4 Monate nach Rückkehr aus einem Endemiegebiet potenziell als Malaria zu werten und kann nur durch den definitiven Ausschluss von Plasmodien im peripheren Blut negiert werden [6][10][13].
Die plötzlich einsetzenden Fieberattacken, teils mit Schüttelfrost, abgewechselt von Hitzeattacken sind zwar typisch für eine Malaria-Infektion, jedoch nicht spezifisch. Nach 6–12 Stunden folgt zumeist eine Entfieberung mit Schweißausbrüchen. Dieser periodische Wechsel zwischen fieberhaftem Stadium und Entfieberung wird in Lehrbüchern gern als „Wechselfieber“ bezeichnet, ist bei zeitiger Diagnosestellung in der Realität jedoch unterschiedlich stark ausgeprägt [6][10][13]. Am Anfang der Erkrankung ist die Periodik häufig gering oder kann komplett fehlen. Der pathophysiologische Hintergrund der Fieberattacke ist die Liberation der Merozoiten aus den befallenen Erythrozyten [10].
Auf Basis der Charakteristika der Fieberperiodik erfolgte die medizinische Bezeichnung der beobachteten Erkrankung. Die 48 Stunden-Periodik der P. vivax- und P. ovale-Infektion führte zur Nomenklatur der Malaria tertiana, die 72-stündigen Fieberanfälle der P. malariae-Infektion zur Malaria quartana. Diese beiden Formen sind aufgrund überdauernder Parasitenstadien (Hypnozoiten, Leberstadien) deutlich länger in der Lage, eine symptomatische Malaria zu induzieren, was sie auch Monate bis Jahre nach dem Aufenthalt in Endemiegebieten zu einer differenzialdiagnostischen Überlegung für unklares Fieber machen sollte [6][10][13].
Die häufig erwartete normozytäre, normochrome Anämie als symptomatisches Kriterium der Malaria ist ebenso nicht in jedem Fall obligat. In Abhängigkeit der Parasitämie sind insbesondere zu Beginn der Erkrankung die pathophysiologischen Hintergründe, welche zur anämischen Gesamtsituation beitragen, meist noch nicht voll ausgeprägt. Hier ist zu erwähnen, dass, anders als oftmals angenommen, nicht ausschließlich die parasitäre Lyse der befallenen Erythrozyten ursächlich für die Anämie ist, sondern additiv ein teilweise autoimmunologischer, Antikörper-vermittelter Prozess. Es werden zur Parasitenabwehr Antikörper gebildet, welche eigentlich gegen Plasmodien gerichtet sind, aber teils auch mit Oberflächenbestandteilen unbefallener Erythrozyten interagieren und so zur Hämolyse beitragen. Weiterhin sind u. a. proinflammatorische Zytokine, die dadurch bedingte Dyserythropoese sowie eine Sequestrierung von Eisen hintergründig [10] für die potenzielle anämische Gesamtsituation. Labordiagnostisch können Malaria-Patienten mitunter durch eine Thrombozytopenie bei fehlender Leukozytose, eine Hämolyse sowie erhöhten Entzündungsparametern auffallen [6].
Der Krankheitsverlauf einer Malaria gestaltet sich abhängig von der Plasmodien-Spezies unterschiedlich. Sowohl die Malaria tertiana, als auch die Malaria quartana verlaufen zumeist unkompliziert [6]. Die Malaria tropica hingegen kann nicht selten komplizierte und auch tödliche Verläufe nehmen. Hierbei sind die komplikativen Verläufe der zerebralen Malaria, die Pathophysiologie in allen gut vaskularisierten, parenchymatösen Organen sowie das komplexe, jedoch seltenere Schwarzwasserfieber hervorzuheben [9][10]. Als kompliziert stuft man eine Malaria tropica ein, sobald klinische oder labordiagnostische Hinweise für das Versagen eines Organs bestehen oder die Parasitämie mit Plasmodium falciparum die Fünf-Prozent-Schwelle erreicht bzw. übersteigt [6].
Die in Südostasien verbreitete Art Plasmodium knowlesi, welche natürlicherweise bei Makaken vorkommt, kann auf den Menschen übertragen werden und zu fulminanten Verläufen führen, die dem klinischen Bild einer Malaria tropica ähnlich sind. Sehr selten führen weitere zoonotische Plasmodienspezies (P. simium, P. cynomolgi) zu Malaria-Erkrankungen beim Menschen. Zuletzt konnte ein Plasmodien-Vorkommen in Brasilien 2017 per Genotypisierung Plasmodium simium zugeordnet werden. Hier erfolgte ebenfalls eine Übertragung von Affen über Mücken auf den Menschen [3][6].
Prophylaxe
Das Wissen über eine potenzielle Malaria-Infektion, Übertragungswege, Symptome und Verhaltensweisen ist wichtigste Grundlage für Exponierte in Endemiegebieten. Ein vollständiger Schutz vor einer Malaria-Infektion existiert nicht. Es lassen sich jedoch eine Reihe von Maßnahmen ergreifen, welche das Risiko einer Infektion minimieren. Zusammenfassend ist hier die Expositionsprophylaxe, die Chemoprophylaxe und die notfallmäßige Selbstbehandlung anzusprechen.
Die Expositionsprophylaxe kann und sollte bei Reisen in Endemiegebiete stets durchgeführt werden. Der Vermeidung von Insektenstichen durch gezielte Verhaltensweisen, Bekleidung und/ oder Schutzausstattung ist hierbei ein einfaches und wirksames Mittel, sich vor einer Plasmodien-Infektion zu schützen [13].
Die notfallmäßige Selbstbehandlung wie auch eine Chemoprophylaxe sind stets in Abhängigkeit des Reise-/Einsatzziels, der Aufenthaltsdauer sowie weiterer vielfältiger Einflussfaktoren zu verordnen [13].
Therapie
Die aktuellen Empfehlungen für Reisende und Soldaten in Endemiegebiete sind stets der gültigen Version der DTG-Leitlinien [6][13] zu entnehmen oder in einer truppenärztlichen/tropenmedizinischen Sprechstunde zu erfragen.
Bei unklarem Fieber im Reise-/Einsatzland ist unverzüglich ein Arzt aufzusuchen. Hier gilt es hervorzuheben, dass zur persönlichen Sanitätsausstattung eines Reisenden unbedingt ein Fieberthermometer zählen sollte [6][13]. Die Erhebung der Körpertemperatur bei einer truppenärztlichen Vorstellung im Einsatzland wird als Standard des Untersuchungsprocederes vorausgesetzt.
Sollte bei abgesetzten Truppenteilen bzw. Reisenden ohne direkte Möglichkeit eines Arztkontakts (innerhalb von 48 h) Fieber auftreten, ist eine notfallmäßige Selbstbehandlung durchzuführen [5][13]. Diese wird nach den aktuell geltenden Leitlinien von Tropenmedizinern/Truppenärzten vorab verordnet, die Einnahmemodalitäten werden erläutert.
Die Therapieregime für die komplizierte bzw. unkomplizierte Malaria sowie zwischen den einzelnen Plasmodienspezies unterscheiden sich und sind stets in enger Absprache mit tropenmedizinisch erfahrenem Personal durchzuführen [2][5][7][9][13][14].
Mit der Abnahme der Parasitämie ist eine klinische Besserung [6] zu erwarten, wohingegen die initiale Parasitenlast keineswegs kongruent zum Zustand des Patienten sein muss. Diese erfolgt jedoch zumeist zeitversetzt zur Elimination der Parasiten. Gründe hierfür sind zum einen die Hämolyse, zum anderen bei komplizierten Malaria-Verläufen mögliche immunologisch und/oder hämostaseologisch induzierte Komplikationen, insbesondere im Bereich der Mikrovaskularisation.
Weiterhin wird beobachtet, dass viele Patienten eine längere Erholungsphase von einigen Wochen benötigen, um das vorherige Leistungsniveau zu erreichen. Von einer Restitutio ad integrum kann nicht in jedem Fall ausgegangen werden, da zum einen Patienten, welche keine oder eine verzögerte Therapie erhielten, versterben oder Folgeschäden durch mögliche Organkomplikationen (z. B. durch ARDS oder Blutungskomplikationen) davontragen.
Artemisinin-Präparate sind wegen ihres schnellen Wirkeintritts insbesondere bei einer komplizierten Malaria bevorzugt einzusetzen. Im Anschluss an eine intravenöse Therapie muss eine dreitägige orale Therapie z. B. mit Riamet angeschlossen werden. Das enthaltene Lumefantrin beispielsweise hat eine verlängerte Halbwertszeit von zwei bis sechs Tagen und ist somit bedeutsam für eine sichere Elimination aller Parasiten [9][12].
Dem Flüssigkeitsmanagement kommt im Rahmen der intensivmedizinischen Therapie einer komplizierten Malaria eine besondere Bedeutung zu. Die üblichen Schemata der Sepsis-Leitlinien können nicht auf die komplizierte Malaria übertragen werden. Das intravaskuläre Volumen sollte hoch genug sein, um eine ausreichende Gewebeperfusion zu gewährleisten, andererseits muss jedoch eine Überwässerung streng vermieden werden. Die Entwicklung eines Lungenödems ist mit einer erhöhten Letalität assoziiert. Als mögliche Ursachen kommen sowohl Interaktionen zwischen den Plasmodien, Erythrozyten und der Kapillarmembran in Betracht, als auch eine erhöhte Membranpermeabilität im Rahmen einer komplizierten Malaria. Die Substitution von Flüssigkeit sollte dementsprechend niedriger sein als die Empfehlungen der Surviving Sepsis Campaign [7][9].
Immunität und protektive Faktoren
Ein vollständiger und bleibender Immunitätsstatus ist bei der Malaria tropica bis dato nicht beschrieben. In Endemiegebieten sind jedoch gehäuft Teilimmunitäten vorhanden. Diese Teilimmunität beruht auf wiederholten Infektionen mit P. falciparum und/ oder variablen Parasitenstämmen mit geringer Parasitämie ohne relevante Krankheitszeichen [10]. Wichtig hierbei ist eine wiederholte Re-Exposition gegenüber den Erregern, sodass bei Personen, welche die Endemiegebiete verlassen, die Teilimmunität zeitnah erlischt [6][10][13]. Dieser Umstand ist deutlich risikobehaftet, da Personengruppen mit familiären Wurzeln in Endemiegebieten o. ä. die nicht mehr vorhandene Immunkompetenz somit massiv unterschätzen bzw. überschätzen und die Infektionsgefahr hier durch fehlende Präventionsmaßnahmen bei Familienbesuchen o. ä. im Herkunftsland deutlich erhöht ist.
Protektiv sind neben der beschriebenen Teilimmunität ebenfalls Erythrozytenanomalien und Hämoglobinopathien wie manche Thalassämieformen, die (homozygote) Sichelzellanämie und der Glukose-6-Phosphat-Dehydrogase-Mangel [4]. Für die Malaria vivax ist zusätzlich das Fehlen der Duffy-Blutgruppenantigene als protektiv beschrieben [10]. Ein wirklicher physiologischer Benefit ergibt sich für die betroffenen Personen jedoch meist nicht.
Fazit
Die Malaria-Infektion ist für Soldaten und zivile Reisende eine ernstzunehmende Erkrankung, die zu fulminanten bis letalen Verläufen bei Patienten führen kann [9][13]. Das Risiko einer Ansteckung ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig. Die konsequente Expositionsprophylaxe auf Basis evidenzgesicherter Informationen ist für Einzelpersonen weiterhin die Grundlage einer soliden Prävention.
Das Wissen um die Malaria-Infektion, Symptome und Infektionszeiträume ist auch für Nicht-Tropenmediziner grundlegend zur Abklärung fieberhafter Erkrankungen [3]. Das Vorhandensein teils lebensbedrohlicher Parasitämien auch innerhalb Deutschlands bei Rückkehrern nach Auslandsaufenthalten wird durch die Präsentation des beschriebenen Patientenfalls deutlich.
Kernaussagen
- Bei unklarem Fieber und rezidivierenden Fieberschüben, v. a. bei/nach Aufenthalt in Endemiegebieten muss eine Malaria-(Ausschluss-)Diagnostik erfolgen.
- Nicht nur aktive bzw. unmittelbar zurückliegende Aufenthalte (z. T. Jahre!) in die Reiseanamnese mit einbeziehen, sondern auch an persistierende Parasitenformen denken.
- Die klassische Fieber-Symptomatik muss (noch) nicht bestehen. Auch gastrointestinale Beschwerden oder lediglich eine AZ-Minderung können auf eine Malariainfektion hindeuten.
- Die Malaria tropica ist eine potenziell lebensbedrohliche Erkrankung und sollte stets mit tropenmedizinischer/infektiologischer Mitbeurteilung behandelt werden.
- Ein negativer Malaria-Schnelltest ist kein sicherer Malaria-Ausschluss – eine mikroskopische Re-Evaluation bei klinischer Indikationskonstellation ist unabdingbar.
Literatur
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- Rote Liste - Lumefantrin Frankfurt/Main: Rote Liste® Service GmbH; 2024. , letzter Aufruf 31. Juli 2024. mehr lesen
- Rothe C, Veit O, Bühler S, et al: Empfehlungen zur Malariaprophylaxe. FTR 2023;3 0(04):1 68-208. mehr lesen
- World Health Organization: World malaria report 2023. , letzter Aufruf 31. Juli 2024. mehr lesen
Bilder: BwKrhsBerlin, Abt. XVI
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Manuskriptdaten
Zitierweise
Wolf L, Strek L, Neumann N, Müller A, Markhoff S, Müller R: Könnte es Malaria sein? Fallbericht und Übersichtsartikel zur komplizierten Malaria tropica-Infektion mit hoher Parasitämie. WMM 2024; 68(10): 433-439.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-358
Für die Verfasser
Stabsarzt Dr. rer. biol. hum. Lorenz Wolf
Bundeswehrkrankenhaus Berlin
Abteilung XVI– Laboratoriumsmedizin
Scharnhorststr. 13, 10115 Berlin
E-Mail: lorenzwolf@bundeswehr.org
Manuscript Data
Citation
Wolf L, Strek L, Neumann N, Müller A, Markhoff S, Müller R: [Could it be malaria? Case Report and Review Article on Complicated Malaria Tropica Infection with High Parasitemia.] WMM 2024; 68(10): 433-439.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-358
For the Authors
Captain (MC) Dr. rer. biol. hum. Lorenz Wolf
Bundeswehr Hospital Berlin
Department for Laboratory Medicine
Scharnhorststr. 13, D-10115 Berlin
E-Mail: lorenzwolf@bundeswehr.org