Zurück ins Leben – Sport ist Therapie!
Die INVICTUS Games als Teil von Rehabilitation
Back to Life – Sport is Therapy! The INVICTUS Games as Part of Rehabilitation
aRainer Schubmann
a Mitglied im 16. Beirat zu Fragen der Inneren Führung am Bundesministerium für Verteidigung
Zusammenfassung
Körperliche Aktivitäten und Sport sind bei Prävention und Rehabilitation von Zivilisationskrankheiten nachweislich wirksam. Weniger bekannt ist der erhebliche Einfluss von beidem auf emotionale Prozesse und kognitive Funktionen. In einer bereichsübergreifenden Kooperation zwischen zwei Dienststellen der Bundeswehr, dem Zentrum für Sportmedizin und der Sportschule (beide in Warendorf in der gleichen Liegenschaft) wird der integrative Ansatz von „Gesundheit durch Bewegung“ und „Heilung durch Bewegung“ in die tägliche Arbeit umgesetzt. Besondere Bedeutung hat diese rehabilitative Therapie durch das Training von Verwundeten, Verletzten und erkrankten Soldaten, die in der „Gruppe Sporttherapie nach Einsatzschädigung“ der Sportschule in engem Schulterschluss mit den Sport- und Rehabilitationsmedizinern in Warendorf durchgeführt wird.
In diesem Beitrag wird die Betreuungskonzeption dieser Teams insbesondere im Rückblick auf die „INVICTUS Games for Wounded Warriors“ im September 2023 in Düsseldorf vorgestellt. Auf die möglichen Wirkfaktoren von Sport und körperlicher Aktivität als Therapieform wird unter kurzer Darstellung der aktuellen medizinischen Fachliteratur eingegangen. Dieses Kooperationsmodell könnte für umfassendere Therapieansätze (comprehensive care) auch in zivilen Gesundheitseinrichtungen beispielgebend sein.
Schlüsselworte: Sport, Verwundetenversorgung, Rehabilitation, INVICTUS, PTBS, Bundeswehr
Summary
Physical activities and sports have been proven effective in preventing and rehabilitating lifestyle diseases. Less known is their significant influence on emotional processes and cognitive functions. In cross-departmental cooperation between two Bundeswehr departments, the Center for Sports Medicine and the Sports School (both in Warendorf on the same property), the integrative approach of “health through exercise” and “healing through exercise” is incorporated into daily work. This rehabilitative therapy is vital due to training wounded, injured, and sick soldiers, which is carried out in the “Sports Therapy After Combat Injury Group” at the sports school in close collaboration with the sports and rehabilitation medical doctors in Warendorf.
This article presents the support concept for these teams, particularly with a look back at the “INVICTUS Games for Wounded Warriors” in September 2023 in Düsseldorf. The possible impact factors of sport and physical activity as a form of therapy are discussed with a brief presentation of the current medical literature. This cooperation model could also serve as an example for more comprehensive therapeutic approaches in civilian health facilities. This publication aims to show that the INVICTUS Games are more than just a sporting competition.
Keywords: sport; wounded warrior; rehabilitation; INVICTUS; PTSD; Bundeswehr
Einleitung und Hintergrund
Das Weltgeschehen zeigt es uns aktuell: Überall in der Welt wurden und werden Konflikte zwischen Staaten und unterschiedlichen Interessengruppen wiederkehrend militärisch brutal ausgetragen. Die Ereignisse und Erlebnisse während der Erfüllung ihrer soldatischen Aufträge – oft auch im weltweiten Einsatz – bedeuten für die Beteiligten fast immer eine außergewöhnliche Dimension der menschlichen Erfahrung. In oft noch höherem Maße ist die jeweilige Zivilbevölkerung betroffen. Diese Erlebnisse können zu sichtbaren und unsichtbaren Verwundungen führen, die nach den modernsten medizinischen und psychotherapeutischen Therapieleitlinien behandelt werden müssen.
116 Soldaten und Soldatinnen der Bundeswehr haben in Auslandseinsätzen oder Missionen ihr Leben verloren, eine sehr viel höhere Anzahl kämpft mit den Folgen einer körperlichen oder seelischen Verletzung, die sie im Einsatz erlitten haben.
Zurzeit werden u. a. über 1 000 ukrainische Soldaten in deutschen Krankenhäusern und Bundeswehrkrankenhäusern behandelt. Auch auf die Zivilgesellschaften weltweit werden erhebliche medizinische und psychotherapeutische Herausforderungen zukommen.
Bei der Behandlung einsatzbedingter Schädigungen spielt – neben der körperlichen oft lebenslangen Rehabilitation – die Behandlung posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS) eine erhebliche Rolle [4][9]. Es wird von einer PTBS-Inzidenz von etwa 1–3 % inklusive Dunkelziffer bei der Bundeswehr ausgegangen [11].
Gemäß ICD-10 (F43.1) wird die posttraumatischen Belastungsstörung wie folgt definiert [2]:
„Die PTBS ist eine mögliche Folgereaktion eines oder mehrerer traumatischer Ereignisse die an der eigenen Person, aber auch an fremden Personen erlebt werden können. In vielen Fällen kommt es zum Gefühl von Hilflosigkeit und durch das traumatische Erleben zu einer Erschütterung des Selbst- und Weltverständnisses.“
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es aufzuzeigen, dass gerade die INVICTUS Games im Rahmen der Behandlung und vor allem der Rehabilitation bei Einsatzschädigungen eben deutlich mehr sind als sportliches Wettkampfereignis.
INVICTUS Games – die Idee
Im September letzten Jahres fand in der Merkur-Spielarena in Düsseldorf ein einzigartiges Sportereignis für verwundete, verletzte und erkrankte Soldaten über acht Tage hinweg statt, die Invictus Games Düsseldorf 2023. In paralympischen Wettkämpfen (10 Sportarten wie z. B. Indoor-Rudern, Leichtathletik, Bogenschießen, Tischtennis, Rollstuhl-Rugby und -Basketball) traten etwa 500 Soldatinnen und Soldaten aus 21 Nationen gegeneinander an. Unter anderem waren Teams aus Israel und der Ukraine dabei. Je nach Verletzung und Einschränkung starteten die Teilnehmenden in verschiedenen Kategorien, die Festlegungen erfolgten bereits mit der Anmeldung zu den Wettkämpfen. Begleitet wurden die Wettkampfteilnehmer von etwa 1 500 Familienangehörigen und Freunden im Sinne einer psychosozialen Unterstützung [7].
Die Invictus Games fanden 2023 zum ersten Mal in Deutschland statt. Die „IG“ begannen 2014 in London, dann folgten weitere Ereignisse 2016 in Orlando, 2017 in Toronto, 2018 in Sidney und 2022 in Den Haag. Vorgesehen war ein 2-Jahres Rhythmus, der durch die Corona Pandemie gestört wurde. Die nächsten „Spiele“ werden 2025 wieder in Kanada (Vancouver und Whistler) stattfinden – erstmalig mit Wintersport-Anteilen.
Die Idee für die paralympischen Wettkämpfe stammt von Prinz Harry, dem Duke of Sussex, entwickelt nach seinen Erfahrungen und Erlebnissen als Soldat und Hubschrauberpilot im Afghanistaneinsatz. Er nahm im Jahre 2013 als Mitglied eines Teams von britischen Soldaten an den sog. US-Warrior Games in den USA teil, was ihn auf die Idee brachte, eine ähnliche Veranstaltung in Großbritannien zu initiieren. Getragen werden die Sportereignisse im Wesentlichen von der INVICTUS Games Foundation [3].
Das Wort INVICTUS stammt aus dem Lateinischen und bedeutet unbesiegt/unbezwungen. Insgesamt gehörten 37 Personen zum deutschen Athleten-Team für Düsseldorf, darunter auch erstmals einige versehrte und erkrankte Polizisten und Feuerwehrleute als sogenannte „Blaulicht-Fraktion“ im Sinne eines Pilotprojektes.
Abb. 1: Logo der INVICTUS Games 2023
Sporttherapie nach Einsatzschädigung
Zur Erweiterung der integrierten bio-psycho-sozialen Rehabilitation und Reintegration von verwundeten, verletzten und erkrankten Soldaten wurde im Jahre 2012 in enger Kooperation zwischen dem Zentrum für Sportmedizin der Bundeswehr und der Sportschule der Bundeswehr in Warendorf die Gruppe „Sporttherapie nach Einsatzschädigung“ ins Leben gerufen. Dies ermöglichte die Entwicklung eines interdisziplinären Rehabilitationsprogramms im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention [4][7]. Regelmäßige ambulante Untersuchungen und Beratungen, Intensiv-Rehabilitationsmaßnahmen und zwei- bis dreiwöchige sporttherapeutische Trainingsphasen für Soldatinnen und Soldaten mit sichtbaren und unsichtbaren Verwundungen, Verletzungen und Erkrankungen sind die wesentlichen Inhalte dieses Programms. Zusätzlich hat sich im Laufe der Jahre ein sogenanntes „Netzwerk der Hilfe“ im dienstlichen und auch außerdienstlichen Kontext entwickelt. Unter anderem wurde der „Förderverein zur Unterstützung der Arbeit mit Versehrten am Standort Warendorf“ (www.fuav.de) gegründet, der vielerlei Unterstützungen finanziert, die im offiziellen Budget nicht abgebildet werden.
Ziel: Vollständige dienstliche Rehabilitation
Patienten mit seelischen Traumafolgestörungen und gleichzeitig bestehenden somatischen Risikofaktoren (z. B. Adipositas, Hypertonie, eingeschränkter kardiopulmonaler Leistungsfähigkeit, chronischen Schmerzen des Bewegungsapparates) können nach einer ambulanten Erstbegutachtung am Zentrum für Sportmedizin in Warendorf und vorheriger Empfehlung durch einen Facharzt für Psychiatrie der Bundeswehr im Rahmen der bereitstehenden Kapazitäten in das Rehabilitationsprogramm aufgenommen werden. Ziel ist die vollständige soziale und dienstliche Rehabilitation im Sinne einer Wiedereingliederung auf einen militärischen Arbeitsplatz.
Wesentlicher Bestandteil: Gruppenerlebnis
Die sporttherapeutischen Trainingseinheiten stellen für diese heterogenen Patientengruppen einen Kernbestandteil des Rehabilitationsprogramms dar. Die Sporttherapie kann das Wiedergewinnen von Selbstwirksamkeit, Achtsamkeit und Teilhabe ermöglichen und trägt damit zur Unterstützung des Krankheitsbewältigungsprozesses bei. Das Gruppenerlebnis als wesentlicher Bestandteil sporttherapeutischer Interventionen steigert das Gefühl sozialer Eingebundenheit und ist geeignet, Gefühle von Einsamkeit und Hilflosigkeit abzubauen. Das Motto der letztjährigen Invictus Games lautete darum auch „A Home for Respect“ – die gesamte Öffentlichkeit und Aufmerksamkeit als Dokumentation von Respekt und sozialer Anerkennung.
Sondervorhaben als Motivationsfaktor
Von den Teilnehmenden des komplexen Reha-Programmes wird erwartet, dass sie im Alltag (in Freizeit und Beruf) körperlich aktiv bleiben, an ihren persönlichen Zielen arbeiten, Trainingsnachweise dokumentieren und zur Auswertung in Warendorf vorlegen. Die Soldaten, die ihre individuellen Trainingsziele erreichen (z. B. Aufhören zu rauchen, Gewicht verlieren, Muskeln aufbauen, Leistungstestergebnisse verbessern usw.) und auch im Verlauf zu Hause ihre persönlichen Zielvereinbarungen erfüllen, können sich bei entsprechender Eignung für die Teilnahme an sportlichen Sondervorhaben bewerben. Diese Möglichkeit stellt einen besonderen Motivationsfaktor für die Bewältigung des eigenen Schicksals dar und belegt den Willen zum Fortschreiten im Reha-Prozess. Für die Teilnahme an derartigen Sondervorhaben stehen jeweils nur eine begrenzte Zahl von Plätzen zur Verfügung. Ein herausragendes Sondervorhaben stellen die „Invictus Games“ dar.
Der Bedeutungsgehalt der Wettkämpfe zeigt sich schon in dem Titel INVICTUS: Die Teilnehmer sind trotz ihres Schicksals unbesiegt und unbezwungen! Am Leben weiter teilhaben, sich Ziele stecken und erreichen, einen schwierigen Weg weitergehen ist Programm. Entscheidend ist nicht, Medaillen von den Wettkämpfen mit nach Hause zu bringen (auch wenn das natürlich ein Ziel sein kann...), sondern die Teilnahme als solche ist schon Motivation und Belohnung. Sich unbezwungen zu erleben – „auf dem Wege sein“ – ist schon Teil der komplexen psychosozialen Rehabilitation.
Fallbeispiel
Äußerlich ist der Soldat D.S. unversehrt – ihm ist selten anzumerken, was er hinter sich hat. Nach mehreren Einsätzen in Afghanistan ist für ihn nichts mehr, wie es war. In den Supermarkt kann er oft nur in Begleitung und mit Kopfhörern gehen. Das Schlagen einer Autotür ist nur schwer zu ertragen. Durchschlafen gelingt selten. Er leidet an einer PTBS. Wochen verbrachte er im Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz, lange Zeit in einer Trauma-Spezialklinik. Aufenthalte in der Psychosomatischen Abteilung der Klinik Möhnesee folgten.
Dann erfolgte seine Teilnahme an den Invictus Games in Orlando 2016. Die Therapien und der Sport haben den Soldaten wieder in ein lebenswertes Alltagsleben zurückgebracht. Ein weiterer wichtiger Meilenstein ist die Teilnahme am Bogenschießen bei den INVICTUS Games in Düsseldorf. Er sagt, wenn er am Wettkampftag an der Schießlinie steht, dann hat er für sich den Kampf schon gewonnen.
Mögliche Wirkfaktoren der Sporttherapie
Gut beschrieben wird das dramatische Auf und Ab von Emotionen bei Lebenskrisen in einem Gedicht von William Ernest Henley (1849–1903). Die letzten beiden Zeilen des Gedichtes sind bei allen Invictus Games allgegenwärtig:
I am the master of my fate:
I am the captain of my soul.
Ob und wie ein traumatisierendes Ereignis bewältigt werden kann, hängt oft von den persönlichen und psychosozialen Ressourcen und Unterstützungssystemen ab. Wenig ist bisher über die neurobiologischen modifizierenden Effekte von Sport als integrativem Therapiebestandteil bei Schmerzsyndromen nach Verwundung oder Verletzung oder bei der Behandlung von Traumafolgestörungen bekannt. Gut erforscht und beschrieben hingegen wurde die Negativspirale von Emotion und Kognition bei der Chronifizierung einer Traumafolgestörung.
Wichtige Hinweise auf die möglichen Wirkfaktoren und Zusammenhänge von körperlicher Aktivität und psychischer Gesundheit geben zwei publizierte Übersichtsarbeiten [5][10]. In der im Bundesgesundheitsblatt veröffentlichten Arbeit [10] wird dargestellt, dass körperliches Training bei Depressionen ähnlich wirksam ist wie eine medikamentöse Therapie. Aerobes Ausdauertraining wirkt deutlich reduzierend auf das Ausmaß von Ängstlichkeit, sogar stärker als andere Formen der anxiolytischen Behandlung wie Entspannungsverfahren, Stressmanagement, Gruppentherapie oder Yoga.
Auch zu der Fragestellung, wie denn neurobiologische Mechanismen bei körperlichen Aktivitäten modifiziert werden, gibt diese Arbeit einen Hinweis. Heute wird angenommen, dass bei Depressionen eine verminderte Veränderungsfähigkeit von Synapsen, Nervenzellen oder gar ganzen Hirnarealen vorliegt (verminderte Neuroplastizität). Für die neuronalen Neubildungs- und Veränderungsprozesse benötigen wir sogenannte Neurotrophine, z. B. den Brain-Derived Neurotrophic Factor (BDNF). Dieser Faktor ist im Körper ubiquitär vorhanden. Bei Depressiven liegen wohl verminderte BDNF-Konzentrationen vor, antidepressive Medikamente gleichen den Mangel aus. Und körperliches Training führt zum Ansteigen dieses Neurotrophin-Spiegels im peripheren Blut!
Möglicherweise weist auch eine Pilotstudie aus dem Department of Veterans Affairs der USA [8] einen weiteren Weg zum besseren Verständnis der neurobiologischen Prozesse bei sportlichen Aktivitäten: Ein höheres Maß an Fitness bei weiblichen Veteranen zeigte auch höhere Konzentrationen von Neuropeptid Y sowie von Pregnanolon und Allopregnanolon. Dies wiederum war korreliert mit einer niedrigeren Schmerzsensitivität. Allerdings sind viele Wirkfaktoren noch nicht genau identifiziert, weitere Forschungsprojekte sollen folgen.
Sportpsychologische Aspekte
Die Übersichtsarbeit von Schulz et al. [10] zeigt zusätzlich noch den aktuellen sportpsychologischen Forschungsstand auf:
- Sport führt bei Erwachsenen zu einer leichten, aber signifikanten Verbesserung des globalen Selbstwertgefühles.
- Körperliche Aktivität (KA) führt zu einer Stärkung der Selbstwirksamkeitserwartung.
- Sport führt zu einer Verbesserung des physischen Selbstkonzeptes.
Auf die Bedeutung von körperlicher Aktivität im Rahmen der Therapie von PTBS weist die Metaanalyse von Rosenbaum et al. [5] ausführlich hin. In vier randomisierten und kontrollierten Studien (seit dem Jahre 2014 veröffentlicht), die den Einschlusskriterien entsprachen, konnten folgendes gezeigt werden:
- Körperliche Aktivität reduziert PTBS-Symptome in höherem Maße als in Kontrollgruppen ohne Aktivitäten.
- Durch körperliche Aktivität werden Symptome von Depression stärker reduziert als in Kontrollgruppen ohne diese Aktivitäten.
- Es zeigten sich keine negativen Auswirkungen von vermehrter körperlicher Aktivität.
- Die Daten waren nicht aussagefähig in Hinblick auf Messdaten wie z. B. Körpergewicht.
Die Auswirkungen von aerobem Ausdauertraining auf die Symptome von PTBS untersuchte eine Studie von Fetzner und Asmundson [1] aus Kanada: Nach einem nur zweiwöchigem Interventionsprogramm berichteten die 33 Studienteilnehmer über eine klinisch signifikante Verringerung der Symptomatik.
Abb. 2: Impressionen von den INVICTUS Games 2023 (Bildquelle: R. Schubmann)
Wettkämpfe als Meilenstein der Rehabilitation
Erfahrungsgemäß und auch durch Wissenschaft und Forschung belegt können sportliche Herausforderungen therapeutisch auf vielen Ebenen wirksame Prozesse veranlassen und fördern. Sporttherapie gezielt eingesetzt ist Ressourcenaktivierung! Und dabei stellen natürlich besondere sportliche Ereignisse wie die Invictus Games einen wichtigen Meilenstein im persönlichen Erleben der Betroffenen dar. Das Erringen von Medaillen war definitiv nicht das Hauptziel bei der Teilnahme, dennoch war das Erringen von 5 x Gold, 9 x Silber und 7 x Bronze eine begleitende Erfolgsgeschichte für das deutsche Team.
Abb. 3: Prinz Harry inmitten der Sports Community (Bildquelle: R. Schubmann)
Die Warrior Care Conference
Als wissenschaftliches Begleitprogramm fand vom 6. bis zum 7. September 2023 in den Tagen vor den eigentlichen Wettkämpfen die Warrior Care Conference statt. 250 direkt vom damaligen Inspekteur des Sanitätsdienstes, Generaloberstabsarzt Dr. Ulrich Baumgärtner, eingeladene internationale Gäste verschafften sich einen Überblick über den aktuellen wehrmedizinischen Wissensstand und tauschten sich in fünf Workshops aus. Für den Bereich Rehabilitation war der Workshop mit dem Titel „Reintegration, Rehabilitation and Recovery“ der relevanteste. In der international besetzten Diskussionsrunde und unter der Moderation von Oberstarzt Dr. Andreas Lison, dem Leiter vom Zentrum Sportmedizin der Bundeswehr in Warendorf, wurde nach zwei Impulsvorträgen die besondere Bedeutung von Partnerschaften und Kindern für den Weg zurück ins Leben nach Einsatzschädigung herausgearbeitet. Das Ergebnis war die „Düsseldorf Declaration“, die im Anhang zu finden ist. Sie wurde erarbeitet und veröffentlicht unter der Idee eines weiter in die Zukunft wirkenden Invictus Spirit.
Fazit und Ausblick
Jeder Teilnehmende der INVICTUS Games – sei es nationaler oder internationaler Besucher, Athlet, Angehöriger oder Betreuer, brachte etwas von dem „Invictus Spirit“ mit nach Hause zurück – es bleibt ein besonderes emotionales Erlebnis („We are Invictus“). Es gab ein hohes Maß an Gastfreundschaft, die allen 21 Teams, deren Angehörigen und allen Besuchern zuteilwurde und die alle Teilnehmer zutiefst bewegte! Die professionelle Organisation der Stadt Düsseldorf und der Bundeswehr, aber auch das unerwartet hohe Medieninteresse – was nicht zuletzt durch den ausgesprochen freundlichen und authentischen Umgang des Schirmherrn der Veranstaltung, Prinz Harry, mit allen Teams entstand – trugen entscheidend dazu bei, auf das Schicksal der Betroffenen und deren außergewöhnlichen Weg zurück ins Leben aufmerksam zu machen.
Über den Verfasser
Dr. med. Rainer Schubmann, Internist mit Zusatzbezeichnungen Sportmedizin, Psychotherapie und Rehabilitationswesen, war über zwei Jahrzehnte ärztlicher Leiter an der Klinik Möhnesee, einer Rehabilitationsklinik für Kardiologie, Psychokardiologie und Psychosomatik. Bis zum Erreichen der Altersgrenze war er als Reserveoffizier im Zentrum Sportmedizin der Bundeswehr in Warendorf eingeplant und in dieser Funktion als Oberstarzt d. R. auch Teamarzt des deutschen Bundeswehrteams bei den Invictus Games 2016 in Orlando. In Düsseldorf im September 2023 bei den Invictus Games eingesetzt als Medical Volunteer in der Funktion als stv. Leiter der Medical Clinic in der Invictus Area. Er ist Mitglied im 16. Beirat zu Fragen der Inneren Führung am Bundesministerium der Verteidigung.
Literatur
- Fetzner MG, Asmundson GJ: Aerobic exercise reduces symptoms of posttraumatic stress disorder: A randomized controlled trial. Cogn Behav Ther 2015; 44(4): 301-313. mehr lesen
- Flatten G, Gast U, Hofmann A, et al: S3–Leitlinie Posttraumatische Belastungsstörung. Trauma Gewalt 2011; 3: 202-205. mehr lesen
- Invictus Games Foundation: , letzter Aufruf 23. September 2024. mehr lesen
- Lison D, Schaffranek-Mondroch A, Lison A: Back to Life – Die Abteilung Interdisziplinäre Rehabilitation. Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2023; 2: 14-15. mehr lesen
- Rosenbaum S, Vancampfort D, Steel Z, et al: Physical activity in the treatment of post-traumatic stress disorder: A systematic review and meta-analysis. Psych Research 2015; 230: 130-136. mehr lesen
- Sack M, Gromes B: Ressourcenorientierte Behandlungsstrategien in der Traumatherapie. Autonomie und Handlungskompetenz zurückgewinnen. FortschrNeurolog Psych 2013; 81(5): A7-A8. mehr lesen
- Schnadthorst PG, Holtherm C, Lison A: Als Teamarzt bei den Invictus Games 2022 – ein Erfahrungsbericht. WMM 2022; 66(11): 379-386. mehr lesen
- Scioli-Salter E, Forman D, et al: Potential neurobiological benefits of exercise in chronic pain and posttraumatic stress disorder: Pilot study. J Rehab Res Develop 2016; 53: 95-106. mehr lesen
- Schubmann R: Konfrontation mit Gewalt und fremder Kultur – Psychosomatische Rehabilitation von Soldaten nach Auslandseinsätzen. In: Muthny FA, Bermejo I (Hrsg): Interkulturelle Medizin. Köln 2009; Dtsch Ärzte-Verlag: 121-137. mehr lesen
- Schulz K-H, Meyer A, Langguth N: Körperliche Aktivität und psychische Gesundheit. Bundesgesundheitsbl 2012; 55: 55-65. mehr lesen
- Wittchen HU, Schönfeld S, Kirschbaum C. et al: Traumatic experiences and posttraumatic stress disorder in soldiers following deployment abroad: how big is the hidden problem? Dtsch Arztebl Int 2012; 109(35–36): 559–568. mehr lesen
Manuskriptdaten
Zitierweise
Schubmann R: Zurück ins Leben – Sport ist Therapie! Die INVICTUS Games als Teil von Rehabilitation. WMM 2024; 68(10): 448-454.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-352
Verfasser
Oberstarzt d. R. Dr. med. Rainer Schubmann
Schnappweg 2, 59519 Möhnesee
E-Mail: cr.schubmann@t-online.de
Manuscript Data
Citation
Schubmann R: [Back to life – sport is therapy! The INVICTUS Games as part of rehabilitation.] WMM 2024; 68(10): 448-454.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-352
Author
Colonel (MC Reserve) Dr. med. Rainer Schubmann
Schnappweg 2, D-59519 Möhnesee
E-Mail: cr.schubmann@t-online.de
Düsseldorf-Declaration of the Warrior Care Conference 2023 on the role of partnership and childhood in Rehabilitation
Determination
Recognizing that
- rehabilitation must recognize and alleviate the biological, psychological and social consequences of permanent impairments,
- psychosocial stress can be a disease-causing factor, and
- chronic stress can endanger rehabilitation and recovery
this declaration represents the spirit of the Invictus idea showing a commitment to the necessary involvement and support of family members for the rehabilitation and recovery of wounded, injured and sick servicemen and women.
It is based on the modern concept of disability and contributes to raising awareness according to the Legacy of the Invictus Games for Rehabilitation and Recovery.
Situation
During the rehabilitation of those wounded, injured or sick, family members can be an essential supporting factor on the way “to a new life” with the best possible participation. Family members can provide strength and orientation during stressful life situations that affects the personality of the individual going through rehabilitation. Family members can address their loved one with empathy and closeness, put things into an appropriate form of words thereby giving support, and they can also stop them from dysfunctional behaviour when necessary.
When a single or an accumulation of events changes everything, partners and children are inevitably exposed to increased risks to their physical and mental health and their wellbeing. This can include the occurrence of chronic diseases later in life and shortened life expectancy.
Positive impacts on the rehabilitation process can be expected from those with resilient attachment figures who have good mental and physical health. However, resilience and mental health can only succeed if family members themselves receive evidencebased support in order to take care of their own health and resources to maintain (or regain) them in the best possible way.
The States Parties to the Convention on the Rights of Persons with Disabilities therefore conclude in the preamble that „... persons with disabilities and members of their families should receive the necessary protection and support to enable families to contribute to the full and equal enjoyment of the rights of persons with disabilities...“.
Mission
According to the UN-Convention on the Rights of Persons with Disabilities, we are obliged to raise awareness and point out the understanding of risks and chances for partnership and childhood for the rehabilitation process of wounded, injured and sick servicemen and woman.
This includes
- sharing knowledge about the facilitators and barriers to growth in partnership and childhood,
- giving partners and children a voice in order to learn from their stresses, needs and experiences,
- exchanging experiences with support measures for partners and children and to critically evaluate them in an interdisciplinary approach,
- further developing appropriate services with the involvement of those affected, and
- promoting the provision of support measures in existing rehabilitation services and care systems.
Vision
This declaration will contribute to the development of structures and processes in rehabilitation with regard to the active involvement and support of partnership and childhood. Beyond the power of sport for rehabilitation, family members are perceived as a central part of the rehabilitation process. They are sustainably strengthened to support the recovery of their loved ones while preserving their own health so that partnership and childhood grow and flourish. It expresses the Invictus Games‘ legacy of showing respect and appreciation for Families and Friends beyond the Games.