Medical Biodefense Conference 2023 des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr
Zum 18. Mal fand vom 22. bis. 25.Oktober 2023 die Medical Biodefense Conference (MBDC) des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr in München statt.
Seit der ersten Veranstaltung, die im Jahre 1994 unter dem Namen „Medizinische B-Schutztagung“ firmierte, hat sich die Konferenz von einem überwiegend nationalen und militärisch geprägten Treffen zu einem internationalen zivil-militärischen Wissenschaftsforum entwickelt. Mittlerweile zählt diese Tagung zur größten auf dem Gebiet des medizinischen B-Schutzes. Nachdem das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr im Jahr 2021 pandemiebedingt eine eingeschränkte on-site- bzw. online-Teilnahme ermöglichen konnte, fand der Kongress 2023 wieder vollumfänglich in Präsenz statt.
In 13 Sitzungen mit 73 Fachvorträgen und über 130 Postern präsentierte die internationale Expertengemeinsaft ihre Beiträge zu aktuellen Fragestellungen des medizinischen B-Schutzes. Wissenschaftlich leitete Professor Lisa Hensley vom US Institute of Health die Konferenz mit einer Neubewertung des „dreckigen Dutzend“ ein: „Old Agents New Risks – the Dirty Dozen Reassessed“. In ihrem Vortrag diskutierte Professor Hensley die unterschiedlichen international existierenden Listen des „Dirty Dozen“und stellte einzelne biologische Agenzien der Listen zur Disposition. In den folgenden zweieinhalb Tagen wurden aktuelle Themenkomplexe des Medizinischen B-Schutzes adressiert:
Abb. 1: Professor Lisa Hensley vom US Institute of Health leitet die Konferenz mit einer Neubewertung des „dreckigen Dutzend“ ein: Old Agents New Risks – the Dirty Dozen Reassessed.
Im Bereich der Proteomik als Nachweismethode für Infektionserreger entwickelte eine europäische Forschergruppe unter Verwendung der Shotgun Proteomics eine Methode, um Viren auch in komplexen Matrices zu detektieren. Besonders für die Aufklärung bisher unbekannter biologischer Bedrohungen könnte diese Diagnostikplattform einen wichtigen Beitrag leisten. Im Bereich der mikrobiellen Genomik präsentierte ein Vertreter der US-amerikanischen Streitkräfte die Entwicklung eines Amplicon Sequencing Assays, das einen höheren Durchsatz an Proben aus biologischen Gefahrenlagen im Vergleich zu herkömmlichen Methoden ermöglicht.
Technologische Neuerungen wurden u. a. vom Kompetenzzentrum für Militärmedizin der NATO aus Budapest vorgestellt. Das Zentrum entwickelte ein neues Instrument zur Near Real Time Surveillance, das bereits auf NATO-Missionen erfolgreich getestet wurde. Die Kombination aus App und Smart Device ermöglicht, Krankheitsausbrüche schnell zu erkennen und Schutzmaßnahmen umgehend umzusetzen. Niederländische Entwickler stellten ihr autonomes Luftüberwachungssystem zur Früherkennung biologischer Bedrohungen vor. Der in Zusammenarbeit mit dem niederländischen Verteidigungsministerium entwickelte Prototyp kombiniert eine neuartige Luftprobenahme-Technologie und computergesteuerter Fluoreszenz-in situ-Hybridisierung (C-FISH).
Auch der Einsatz von Bakteriophagen in der Diagnostik wird zunehmend für den medizinischen B-Schutz erforscht. Für einen schnellen und eindeutigen Nachweis von z. B. Bacillus anthracis und Yersina pestis entwickelte eine zivil-militärische Forschungskooperation rekombinante fluoreszenzmarkierte Bindeproteine auf Basis von wirtsspezifischen Bakteriophagen. Die hohe Spezifität der Bindeproteine ermöglicht einen schnellen Nachweis der Krankheitserreger in unterschiedlichen diagnostischen Proben.
Abb. 2: Um das breite Spektrum des medizinischen B-Schutz abzudecken, fanden Parallelsessions im Audimax (Bild) und der Garden Hall statt.
Auch politisch-strategische Inhalte fanden in verschiedenen Sessions ihren Platz: Die WHO berichtete über den aktuellen Bearbeitungsstand zur Definition von Mindestanforderungen für die Entwicklung und dem internationalen Einsatz von Rapid Response Mobile Laboratories (RRML). Erste Ergebnisse zur praktischen Prüfung der Interoperabilität verschiedener internationaler Box-basierter mobilen Labore wurde auf der MBDC präsentiert. Im Rahmen der United Nations Secretary-General’s Mechanism for Investigation of Alleged Use of Chemical and Biological Weapons (UNSGM) gab das Robert Koch-Institut einen Überblick über die Capstone Exercise, die 2020 und 2022 in Berlin durchgeführt wurde. In der Capstone Exercise probten internationale Expertenteams die Untersuchung eines mutmaßlichen Einsatzes chemischer und biologischer Waffen. Das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr unterstützte die UNSGM-Übung in beratender Funktion und stellte notwendige Ausrüstung sowie Ausbildungspersonal für die Übung zur Verfügung.
Bereits zum vierten Mal bot die MBDC dem Referat für Abrüstung biologischer und chemischer Waffen dem auswärtigen Amt die Gelegenheit, in einer eigenen Session die internationale Zusammenarbeit im Rahmen seines Deutschen Biosicherheitsprogramms vorzustellen. Das Deutsche Biosicherheitsprogramm ist Teil der präventiven Sicherheitspolitik der Bundesregierung und ein deutsches Engagement in der G7 Global Partnership against the Spread of Weapons and Materials of Mass Destruction.
Session-übergreifend war Dual-use Reserach of Concern weiterhin ein hochaktuelles Thema auf der Konferenz. Ein europäisches Konsortium der EU Joint Action-Initiative zeigte in einer Metaanalyse, dass die bisher eingesetzten Biosicherheitsmaßnahmen nicht auf die zunehmende Komplexität und Verfügbarkeit der synthetischen Biologie vorbereitet sind. Das Zentrum für Naturwissenschaft und Friedensforschung der Universität Hamburg unterstützte die Ergebnisse des europäischen Konsortiums zur veränderten globalen Bedrohungslage. Gleichzeitig zeigte die Studie am Beispiel einer Bedrohung durch Bacillus anthracis, dass die sich immer schneller entwickelnden Technologien für eine wirksame Vorbereitung und notwendige Anpassung der Biosicherheitsarchitektur genutzt werden sollte.
Abb. 3: Roundtable Discussion: in der moderierten Runde diskutierten internationalen Expertinnen aus der Risikokommunikation, der Friedensforschung und dem Gebiet der Verteidigungsanalysen mit einer Vertreterin des Auswärtigen Amtes über Risiken und Auswirkungen von Miss- und Desinformation.
Neu im Programm war erstmalig eine Roundtable Discussion. In einer moderierten Runde diskutierten internationale Expertinnen aus der Risikokommunikation, der Friedensforschung und dem Gebiet der Verteidigungsanalysen mit einer Vertreterin des Auswärtigen Amtes über Risiken und Auswirkungen von Mis- und Desinformation im Bereich der zivilen und militärischen Forschung.
Den wissenschaftlichen Abschluss der Tagung bildeten zoonotische Infektionskrankheiten mit dem inhaltlichen Schwerpunkt auf die Überwachung von Arthopoden-übertragbaren Infektionserreger in den Gebieten Osteuropas, Zentralasiens und Westafrikas.
Mit über 450 Fachleuten aus 50 Nationen konnte die MBDC auch 2023 ihre international hohe Relevanz demonstrieren. Das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr brachte wieder wichtige Vertreterinnen und Vertreter aus militärischen und zivilen Forschungseinrichtungen, dem Sicherheits- und Gesundheitssektor sowie dem politischen und privatwirtschaftlichen Umfeld zusammen, um über aktuelle globale Herausforderungen bei der Prävention von und Reaktion auf biologische Gefahrenlagen im Gespräch zu bleiben.
Abb. 4: Über 130 wissenschaftliche Poster präsentierten Vertreterinnen und Vertreter aus militärischen und zivilen Forschungseinrichtungen sowie dem Sicherheits-, Gesundheits- und Privatsektor.
Verfasser
Oberregierungsrat Dr. Gordon Wilke
Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr
Neuherbergstr. 11, 80937 München
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