Mobile Dentistry & Radiology: Aktueller Stand der mobilen zahnärztlichen Versorgung im militärischen und zivilen Bereich
Bis ins hohe Alter eine gute Mundhygiene und angemessene zahnärztliche Versorgung zu gewährleisten, ist Selbstverständlichkeit und Herausforderung zugleich. Die Qualitätsstandards bei der zahnärztlichen Versorgung sind im internationalen Vergleich sehr unterschiedlich: Die Länder Japan, USA oder Schweden zeigen uns, dass es möglich ist, ohne fachliche Qualitätseinbußen Zahnarztbesuche auch bei Immobilität der Patienten durchzuführen und die Mundgesundheit zu verbessern.
Am 19. Oktober 2023 fand in Ulm im Rahmen des 54. Jahreskongresses der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie (DGWMP e. V.) die zweite internationale Hybrid-Tagung „Mobile Dentistry & Radiology“ unter der wissenschaftlichen Leitung von Univ.-Prof. Dr. Margrit Geibel, MME, statt. In dem gut frequentierten Workshop wurden praxisrelevante Inhalte aufgezeigt und mögliche Versorgungskonzepte diskutiert, wie und warum „Mobile Dentistry“ intensiviert, umgesetzt und verstärkt etabliert werden kann.
Abb. 1: Oberstarzt Dr. Sandra Chmieleck und Flottillenarzt Christiane Bornemann bei ihrem Referat
Oberstarzt Dr. Sandra Chmieleck und Flottillenarzt Christiane Bornemann vom Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr präsentierten die fachliche Leitlinie für sanitätsdienstliche Einsatzversorgung von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr besonders unter den Aspekten der zahnärztlichen Versorgung. Neben der zahnärztlichen Notfallbehandlung und Unterstützung der Erstversorgung von Kiefer- und Gesichtsverletzungen, einschließlich der Durchführung von Maßnahmen zur Herstellung der Transportfähigkeit, bestehen die Schwerpunkte aus zahnärztlich-chirurgischer Grundversorgung, aus dringlich konservierenden bzw. parodontologischen Versorgungen sowie ggf. präventiver Maßnahmen zur schnellen Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit im Einsatzszenar.
Rechtliche Fallstricke bei der „Mobile Dentistry-Behandlung – Aktuelle Entwicklungen in Deutschland“ waren das Thema des Medizinjuristen Dr. Karl-Heinz Schnieder (KWM LAW, Münster, Abbildung 2). Er wies darauf hin, dass seit dem 01.01.2019 die Pflicht für Pflegeeinrichtungen besteht, im Bedarfsfall „Kooperationsverträge“ mit Vertragsärzten abzuschließen. Bis dato sei die Zahnmedizin nicht ausreichend vertreten. Die Qualität im mobilen Einsatz müsse allerdings aus medizinrechtlicher Sicht der Qualität in der ambulanten Zahnarztpraxis entsprechen.
Abb. 2: Rechtsanwalt und Medizinjurist Dr. Karl-Heinz Schnieder
Dr. Dr. Constanze Keutel (Klinik für MKG-Chirurgie, Universität Tübingen) informierte über Indikationen zur mobilen Radiologie im MKG-chirurgischen und zahnärztlichen Konsiliardienst einer Universitätsklinik (Abbildung 3). Im Konsiliardienst treten häufig Fragestellungen hinsichtlich Infektionsgeschehen, Ursachensuche bei Beschwerdeangaben der Patienten oder Traumata mit dentaler Beteiligung auf, die zahnärztliche Bildgebung verlangen. Steht eine leitliniengerechte intraorale Aufnahme mit einem dentalen Tubusgerät nicht zur Verfügung, basieren Therapieentscheidungen allein auf der klinischen Untersuchung, evtl. ergänzt durch vorangegangene Röntgendiagnostik.
Abb. 3: Dr. Dr. Constanze Keutel
Prof. Dr. Margrit-Ann Geibel, Leitung Dento-maxillofaciale Radiologie, Klinik für MKG-Chirurgie, Universität Ulm, markierte Qualitätsanforderungen an die mobile Radiologie, die den Standards der intraoralen Radiologie in der zahnärztlichen Praxisroutine entsprechen. Dies betreffe sowohl die Bildqualität als auch die Dosisaspekte. Schilddrüsenschutz und Haltersysteme seien auch im mobilen radiologischen Einsatz verwendbar, befundungsrelevante Qualitätsmängel gering und in der Häufigkeit vergleichbar mit der intraoralen Röntgentechnik in der Zahnarztpraxis. Der praxisreife Einsatz der „handhold Radiologie“ werde in internationalen Studien belegt. Ihr Nutzen für die zahnärztliche Untersuchung im mobilen Einsatz sei unbestritten, zumal auch die Anzahl der im Zahnfilm-Röntgen gefundenen Nebenbefunde für ihn sprechen. Ziel müsse es sein, Standards aus der ambulanten Zahnarztpraxis in das mobile Setting übertragen zu können und den diagnostischen Anforderungen an die Orale Medizin gerecht zu werden.
Den besonders praxisorientierten Akzent setzte der Sachverständige für Prüfungen von Röntgeneinrichtungen und Störstrahlern, Dr. Jürgen Westhoff, Leiter der Arbeitsgruppe Röntgen (AG X), vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie Kassel, der sich mit den verschiedenen behördlichen Zulassungsverfahren und Auflagen zum Betrieb dentaler intraoraler Röntgensysteme und ihrer Anwendungspraxis beschäftigte. Der Referent gab hilfreiche und wertvolle Tipps und Hinweise darüber, was es vor und während der Anschaffung eines mobilen intraoralen Röntgensystems für interessierte Zahnmediziner und Betreiber zu beachten gilt. Ein Problem bei der Zulassung scheint zu sein, dass es auf Länderebene vom zuständigen Bundesministerium für Umwelt (BMU) im Rahmen des Fachausschusses Strahlenschutz (32.Sitzung) und nach § 114 Abs.1 Nr. 2 StrlSchV nicht beabsichtigte Interpretationsspielräume zu geben scheint, die die Zulassung der mobilen Röntgengeräte für die zivilen Zahnarztpraxen erschweren.
Im Vortrag „InSEMaP-Studie – Erkenntnisse bei den Hausbesuchen“ referierte Dr. Lydia von Palubitzki (Universitätsklinik Eppendorf, Parodontologie) aus der Arbeitsgruppe von Prof. Petra Schmage (Abbildung 4). In einer umfangreichen Studie wird in Hamburg seit 2021 in Kooperation von DAK, Gemeinsamer Bundesausschuss, Universitätsklinik Hamburg und HAW Hamburg die ambulante Pflege untersucht. Ausgewertet werden in einer retrospektiven Kohortenstudie und in einer Analyse die Inanspruchnahme zahnärztlicher Leistungen nach Eintritt der Pflegebedürftigkeit von Patienten, die älter als 60 Jahre sind. Die Interventionsgruppe erfasst 6 000 Patienten und die Kontrollgruppe umfasst 30 000 Patienten. Die klinische Beobachtungsstudie ist eine Stichprobe von 400 Patienten.
Erste Ergebnisse konnten auf dem Workshop präsentiert werden: Die Pflege findet meist zu Hause statt, der überwiegende Teil mit 90 % hat den Pflegegrad 2. Von Palubitzki konnte anschaulich klarstellen, dass die Ansprüche hinsichtlich der Lebensqualität steigen und dass mehr eigene Zähne bei den jüngeren Senioren vorhanden sind. Statt mit herausnehmbarem Zahnersatz sehen sich die aufsuchenden Zahnmediziner mit immer mehr eigenen Zähnen und damit anderen Fragestellungen/Anforderungen konfrontiert. Nur noch ein geringer Teil der Patienten weise völlige Zahnlosigkeit vor. Damit verbunden sei eine Zunahme der oralen Erkrankungen zu beobachten mit der Gefahr von lokalen und periapikalen Entzündungen und entsprechender Verschlechterung von systemischen Erkrankungen wie z. B. Diabetes oder Asthma. Immer mehr Patienten haben festsitzenden Zahnersatz auf Implantaten und stellen damit verbunden höhere Anforderungen an die Prophylaxe und zahnärztlicher Nachsorge zur Vermeidung von Komplikationen wie Periimplantitis.
Am Ende der Pilotveranstaltung war man sich darüber einig, dass zukünftig der Austausch und die Zusammenarbeit zum Thema Mobile Dentistry & Radiology enger werden muss, um die Qualität der Angebote und die Umsetzung im Sinne einer bedarfsgerechten oralen Medizin zu erfüllen.
Hintergrund und Fakten über mobile Radiologie im Rahmen der mobilen Zahnärztlichen Versorgung
Für eine sichere Diagnosestellung ist Röntgendiagnostik auch im mobilen Einsatz notwendig. In Deutschland gehört die Röntgendiagnostik zur vertragszahnärztlichen Versorgung, wenn die klinische Untersuchung für eine Diagnose nicht ausreicht. Die weltweit vertriebenen Geräte, die für den intraoralen Einsatz entwickelt worden sind, werden „handheld“ angewendet.
Im internationalen Vergleich sind die Zulassungsbedingungen für mobile Röntgengeräte sehr unterschiedlich. Insbesondere in Ländern wie den USA, den Niederlanden oder Schweden hat sich seit Jahrzehnten das Gerät Nomad Pro 2 der Firma Envista etabliert.
Aufgrund der demografischen Entwicklung ist für die kommenden Jahre mit einem weiteren Anstieg von Menschen zu rechnen, welche zu Hause oder in Alters- und Pflegeheimen Betreuung benötigen. Bei immobilen, schwer kranken oder behinderten Patienten ist es oft schwierig bis unmöglich, eine zahnärztlich radiologische Diagnostik durchzuführen.
Mit einem mobilen dentalen Tubusgerät muss es möglich sein, ggf. auch in der Mehrbettzimmersituation einer Einrichtung vollständige dentale Diagnostik zu gewährleisten. Ein mobiles Röntgengerät könnte so dem behandelnden Zahnarzt eine schnellere Einschätzung der Notwendigkeit chirurgischer oder aufwändigerer zahnärztlicher Maßnahmen und eine präzise Therapieplanung ermöglichen. Damit sind die Bedingungen im mobilen zahnärztlichen Einsatz den Qualitätsstandards in der ambulanten zahnärztlichen Praxis gleichgestellt.
In den Studien [2][4][5][7] konnte kein Unterschied der Qualität der Röntgenbilder zwischen dem Nomad Pro 2 (Envista) im Vergleich zu der wandmontierten Einheit Heliodent Plus (Sirona) festgestellt werden. In diesen Studien wurden sowohl Bissflügelaufnahmen als auch Aufnahmen im Molaren- und Prämolarenbereich verglichen.
In der Studie von Nietschke et al. [4] wird der Nomad Pro 2 vor allem für schwer kranke, behinderte und immobile Patienten unter anderem zur dentalen Fokussuche empfohlen. Beim oralen Fokus in der Medizin handelt es sich vorwiegend um akute oder chronische Entzündungen der Schleimhäute oder des Kieferknochens sowie der angrenzenden Strukturen. Von diesen geht eine potenzielle Gefahr der Fernwirkung für den gesamten Organismus aus [3]. Problematisch ist aus zahnärztlicher Sicht in Deutschland, dass die Untersuchung der Patienten vor Ort in der Regel derzeit überwiegend ohne radiologische Basisdiagnostik erfolgen muss.
Ziel des Einsatzes des Handheld-Röntgen-Gerätes ist es, dem behandelnden Zahnarzt unter Einhaltung des Kontrollbereichs auch ggf. in einer Mehrbettensituation eines Pflegeheimes, eine genauere Zahn-, Mund-, kieferheilkundliche Diagnostik am Krankenbett zu ermöglichen. Die Dosisaspekte in der mobilen Handheld-Radiologie sind international untersucht und kommen alle zum gleichen Ergebnis: dass die effektive Dosis in der mobilen Radiologie mit der Dosis der Wandgeräte vergleichbar ist, bzw. die effektive Dosis sogar unterschreiten kann.
In den Studien von Goren et al. [4] und Rottke et al. [6] wurde ebenfalls die Strahlenexposition für den Untersucher in der mobilen Radiologie gemessen. Die Exposition blieb bei dem Handheld-Gerät bei allen Untersuchern unter der vorgegebenen Maximaldosis.
Die zahnärztliche Versorgung in Pflegeheimen oder auch der häuslichen Pflege steht im Hinblick auf eine orale präventive Medizin vor großen Herausforderungen.
Insbesondere chirurgische Eingriffe ohne zahnärztliches Röntgen sind juristisch anfechtbar und sowohl fachlich als auch ethisch abzulehnen. Um in der mobilen zahnärztlichen Versorgung den gleichen qualitativen Standard wie im ambulanten zahnärztlichen Setting zu erfüllen, ist die mobile intraorale Röntgendiagnostik unabdingbar.
LIteratur
1. Nitschke J, Schorn L, Holtmann H, et al: Image quality of a portable X-ray device (Nomad Pro 2) compared to a wall-mounted device in intraoral radiography. Oral Radiology 2021; 37: 224–230.
2. Ulusu T, Bodur H, Odabaş ME. In vitro comparison of digital and conventional bitewing radiographs for the detection of approximal caries in primary teeth exposed and viewed by a new wireless handheld unit. Dentomaxillofac Radiol 2010; 39(2): 91–94.
3. Rottke D, Gohlke L, Schrodel R, et al: Operator safety during the acquisition of intraoral images with a handheld and portable X-ray device. Dentomaxillofac Radiol 2018; 47(3): 20160410.
4. Reinier C. Hoogeveen, Bram R. Meertens and W. Erwin R. Berkhout, Precision of aiming with a portable X-ray device (Nomad Pro 2)compared to a wall-mounted device in intraoral radiography, Dentomaxillofacial Radiol 2019; 48: 20180221.
5. Goren A, Bonvento M, Biernacki J, Colosi D: Radiation exposure with the NOMADTM portable X-ray system. Dentomaxillofacial Radiol 2008; 37: 2.
6. https://www.zwp-online.info/fachgebiete/oralchirurgie/komplikationsmanagement/management-oraler-foki (letzter Aufruf 31.08.2022).
7. Hellstern F, Geibel MA: Quality assurance in digital dental radiography-justification and dose reduction in dental and daxillofacial Radiology, Int J Comput Dent 2012;15: 35–44.
Verfasserin:
Prof. Dr. Margrit-Ann Geibel
Leitung Dentomaxillofaciale Radiologie
Klinik für MKG-Chirurgie
Universitat Ulm
Auch international bestens vernetzt: Das Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr beim 6th ICSPP in London
Alexander Sievert, Manuela Andrea Hoffmann
Ursprünglich konzipiert als internationaler Fachkongress mit dem Schwerpunkt auf militärspezifischer körperlicher Leistungsfähigkeit hat sich der im 3-Jahres-Rhythmus stattfindende International Congress of Soldiers‘ Physical Performance (ICSPP) zu der weltweit führenden Veranstaltung im Bereich „Military Human Performance“ entwickelt. Das Themenfeld der Konferenz wurde über die Jahre anhand der Bedarfe der Teilnehmenden kontinuierlich erweitert und deckt mittlerweile die verschiedensten Facetten wehrmedizinischer und wehrpsychologischer Fragestellungen von militärspezifischer Prävention über präventivmedizinische Gesundheits- und Leistungsaspekte bis hin zu Umweltfaktoren ab.
Abb. 1: Die Delegation des Instituts für Präventivmedizin der Bundeswehr beim 6th ICSPP in London:
v.l.n.r: Regierungsdirektor Sievert, Oberfeldarzt Priv.-Doz. Dr. Hoffmann, Oberstarzt Dr. Rohde, Regierungsdirektor Dr. Witzki, Oberregierungsrätin Dr. Richter. Nicht im Bild: Regierungsdirektor Dr. Glitz
(Bild: InstPrävMedBw/A. Sievert)
Die Themen des 6th ICSPP, der vom 12. - 14. September 2023 in London stattfand, erstreckten sich über Verletzungsprävention, Genderaspekte von Gesundheit und Leistung, Umwelteinflüsse (Hitzeprävention, Kälteprävention, Höhe etc.), Bekleidung bis hin zu Resilienz, Ernährung, Gesundheitsverhalten und militärische Gesundheitsversorgung. Insgesamt wurden über drei Veranstaltungstage hinweg 600 Beiträge präsentiert.
Für die Ressortforschung des Instituts für Präventivmedizin der Bundeswehr (InstPrävMedBw) ist der ICSPP eine wichtige internationale wissenschaftliche Plattform zur Präsentation eigener Arbeiten und für den Austausch mit führenden zivilen und militärischen Experten.
Mit insgesamt fünf wissenschaftlichen Beiträgen, die alle auf reges Interesse stießen, war das InstPrävMedBw auch dieses Mal wieder vor Ort:
Oberstarzt Dr. Ulrich Rohde präsentierte unter dem Titel „A new categorization tool for physical fitness (CT-PF): Efficient and valid assessment of physical performance in personnel recruitment and military medical assessments“ ein auf langjährigen Vorarbeiten im InstPrävMedBw basierendes Konzept zur Kategorisierung körperlicher Leistung anhand weniger und bereits routinemäßig erfasster Parameter.
Regierungsdirektor Alexander Sievert stellte die präventiven und epidemiologischen Vorteile und Möglichkeiten der AVU-IGF als Regeluntersuchung in seinem Beitrag “The AVU-IGF: Ensuring medical and operational readiness by means of a regular and comprehensive health assessment” dar.
Mit dem Vortrag „Heat stress in armored vehicles: challenges and solutions” von Oberregierungsrätin Dr. Maria Richter und dem Beitrag „Managing heat stress: from science to practical implementation” von Regierungsdirektor Dr. Karl Jochen Glitz präsentierte das InstPrävMedBw seine Ergebnisse aus der Hitzepräventionsforschung und zeigte Wege auf, wie Informationen an die entscheidenden Stellen weitergegeben werden können und dort auch nachhaltig zur Verfügung gestellt werden.
Abgerundet wurde das Portfolio des InstPrävMedBw durch die Präsentation leistungspsychologischer Forschungsergebnisse im Beitrag „Effects of heat stress in armored vehicles on cognitive performance and their mitigation due to individual cooling: Preliminary results of a pilot study“ von Regierungsdirektor Dr. Alexander Witzki.
Neben dem InstPrävMedBw war die Universität der Bundeswehr mit einem Vortrag zu: „Functional fitness training for the German mountain infantry“ vertreten. Ein Vertreter des Zentrums für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe trug zum Thema „A classification model for musculoskeletal injuries risk factors in the military“ vor.
Die Institutsleiterin des InstPrävMedBw, Oberfeldarzt Priv.-Doz. Dr. Dr. Manuela Andrea Hoffmann nahm als Chefwissenschaftlerin des Instituts, Seniorautorin aller Beiträge und als Delegationsleiterin ebenfalls an der Veranstaltung teil und nutzte den Besuch des 6th ICSPP, um vor Ort den wissenschaftlichen Austausch national und international zu fördern und um Kooperationen mit NATO-Partnern zu schließen.
Abb. 2: COMEDS Chair Brigadier General Hodgetts bei der Closing Speech des 6th ICSPP.
(Bild: InstPrävMedBw/A. Witzki)
Im Rahmen der Veranstaltung konnten so bestehende Kontakte vertieft und neue Kontakte zu Vertreterinnen und Vertretern aus Israel, Österreich, den Niederlanden, Kanada, den USA, Norwegen, Großbritannien, Finnland, Singapur, Neuseeland und Frankreich geknüpft werden.
Hier besonders hervorzuheben ist die angestrebte Zusammenarbeit des InstPrävMedBw mit Dr. Amy Adler vom Walter Reed Army Institute of Research. Sie berichtete im Rahmen der Veranstaltung von einem zusammen mit den norwegischen Streitkräften durchgeführten Projekt, in dem ein Operational Readiness Training entwickelt und in die Ausbildung von ukrainischen Sanitätskräften integriert wurde. Das Projekt wird nun auch im InstPrävMedBw wissenschaftlich begleitet, da es ganz besonders in den Scope des Instituts passt, dessen Leitspruch seit Oktober 2022 „Resilient im Einsatz. Gesund im Leben.“ lautet. Priv.-Doz. Dr. Hoffmann konnte Frau Dr. Adler als Kooperationspartnerin gewinnen und erste Abstimmungsgespräche mit Oberstarzt Busch, Direktor Ausbildung und Lehre Gesundheitsversorgung an der Sanitätsakademie der Bundeswehr, führen. Ziel ist es, mit der deutschen Beteiligung eine noch fehlende Kontrollgruppe für die Studie aufzubauen und das Training auch in der Bundeswehr einzuführen. Darüber hinaus ergibt sich so die Möglichkeit, die Ausbildung der ukrainischen Sanitätssoldaten in Deutschland zu verbessern und dies wissenschaftlich zu belegen. Mit den entscheidenden Playern in Norwegen, USA und Deutschland erfolgte hier bereits eine Kontaktaufnahme.
Auch im Bereich Kälteprävention war das InstPrävMedBw weiter erfolgreich tätig: Im Rahmen der Konferenz wurden auch Ergebnisse des NATO HFM Symposium 349 „Human Performance and Medical Treatment and Support During Cold Weather Operations“ zusammen mit neuen und ergänzenden Erkenntnissen präsentiert. Die breit aufgestellten internationalen Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten unterstreichen die weiterhin hohe Relevanz des Themenkomplexes „Kälte“ für die Streitkräfte. Die inhaltliche Neuausrichtung des InstPrävMedBw mit einer ganzheitlichen präventivmedizinischen Betrachtung unserer Soldaten und Soldatinnen, um ihre Gesundheit und ihre Resilienz und Einsatzfähigkeit zu erhalten bzw. zu stärken, liegt hier am Puls der Zeit. Basierend auf den Gesprächen vor Ort mit den kanadischen Kollegen Prof. Dr. Guido Simonelli der Universität Montreal und Prof. Dr. Francois Haman der Universität Ottawa, beides ausgewiesene Kälteexperten, wurden gemeinsame wissenschaftliche Studien und eine zukünftige Zusammenarbeit skizziert. Prof. Dr. Haman besuchte das InstPrävMedBw im Oktober 2023. Es ist geplant, den ganzheitlichen Ansatz im Rahmen der (Kälte-)Resilienz im Verbund mit dem InstPrävMedBw weiter zu erforschen und weiterzuentwickeln.
In langen und intensiven Austauschen der Teilnehmenden aus dem InstPrävMedBw mit Vertretern und Vertreterinnen aus den USA, ISR, NLD und GBR, die über jahrzehntelange Erfahrungen als Wissenschaftler bzw. Wissenschaftlerinnen und teilweise auch als Soldat bzw. Soldatin verfügen (bis zu > 40 Jahren), kristallisierte sich bezüglich der wissenschaftlichen Forschung für Soldatinnen und Soldaten eine gemeinsame Einschätzung der Lage heraus: Wichtige Kernprobleme präventivmedizinischer Aspekte des Soldatenberufs sind weiterhin ungelöst.
An den zahlreichen Beispielen im Spannungsfeld Belastung und Beanspruchung des Soldaten/der Soldatin wurde zudem die Nichtübertragung von Wissen in die Anwendung („Schließen der Wirkungskette“) als ein wesentliches Handlungsfeld identifiziert. Die Gründe für den ausbleibenden Transfer waren vielgestaltig:
- Die Komplexität militärtypischer Verwendungen mit immer mehr Anforderungen, aber auch möglichen technischen Lösungen (der Industrie),
- Nutzung von Lösungen ohne vorhandene Problemstellung,
- Ignorieren der humanen medizinischen und psychophysischen Grenzen der Belastbarkeit sowie
- Unwissenheit der Entscheidungsträger über das vorhandene Wissen durch unvollständige oder gerichtete bzw. unrealistische Beratung – auch von außerhalb des Ressorts
waren immer wieder genannte Faktoren.
Einigkeit bestand darin, dass die Natur des Soldatenberufs besondere und vor allem hohe Risiken für die Gesundheit als prägendes Merkmal in sich trägt und dass die Forschung auf den Themenfeldern der Konferenz die Eigenschaften ressortspezifisch, problemorientiert und anwendungsorientiert sein muss. Sie muss die „Saat des Umsetzbaren“ in sich tragen, um eine Chance zu haben, Verbesserungen zu bewirken.
Unter anderem diskutierte Ansatzpunkte für eine verbesserte Resilienz und Einsatzbereitschaft des Personals waren neben Material die Optimierung der Personalauswahl hinsichtlich physischer (wie vom InstPrävMedBw vorgestellt) und psychologischer Merkmale, verbesserte Ausbildung durch qualifiziertere Ausbilder, eine Stärkung des Prinzips „Führen nach Auftrag“, die Beseitigung des Ressourcenfressers Bürokratie mit Stärkung der Ressource Zeit für zielorientierte Ausbildung sowie die Stärkung der Anerkennung durch „Fördern und Fordern“. Als ebenso wichtige Bedingung wurde nicht nur die Stärkung der Identifikation mit dem Arbeitgeber „Streitkräfte“ genannt, sondern auch die Verbesserung des Ansehens des Soldatenberufs im Allgemeinen sowie dessen positiver Verankerung in Staat und Gesellschaft.
Das InstPrävMedBw kann in der Rückschau ein rundheraus positives Fazit aus der Teilnahme ziehen: Mit insgesamt fünf Beiträgen konnte sich das Institut und damit auch der Sanitätsdienst der Bundeswehr als der primäre deutsche Vertreter bei der bedeutenden internationalen wissenschaftlichen Konferenz im Kontext soldatischer Leistungsfähigkeit, Gesundheit, Prävention und Resilienz präsentieren. Das InstPrävMedBw führt mit dem diesjährigen Besuch die bruchfreie und vor allem aktive Teilnahme an allen Iterationen dieser Konferenz fort. Trotz des auf den ersten Blick großen Personalaufwands kann der Besuch des 6th ICSPP in London damit erneut als Erfolg gewertet werden. Neben der Präsentation der eigenen Forschungsergebnisse wurden nicht nur die zum Teil seit Jahrzehnten bestehenden internationalen Kontakte des InstPrävMedBw erhalten, intensiviert und gefestigt, sondern auch ein Abgleich mit den derzeit wichtigen Forschungsthemen auf internationaler Ebene vollzogen. Die Wissenschaftler bzw. Wissenschaftlerinnen des InstPrävMedBw konnten darüber hinaus in den neuen präventivmedizinischen Forschungsschwerpunkten zur Resilienz, Kälteprävention und Versorgungsforschung wichtige neue Kontakte knüpfen, die für die zukünftigen wissenschaftlichen Aufgaben des Instituts unter Berücksichtigung des neuen Leitspruches
„Resilient im Einsatz. Gesund im Leben.“
von ganz besonderer Bedeutung sind.
Für die Verfasser
Regierungsdirektor Alexander Sievert
Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr
Aktienstraße 87, 56626 Andernach
E-Mail: alexandersievert@bundeswehr.org