Rezidiv eines Knotens am Vorfuß
bei einem jungen Mann aus dem Sudan
Recurrent Nodi of the Forefoot in a Young Man from Sudan
Andrea Vanegas Ramireza, Marcel Rosworaa, Marcellus Fischera
a Bundeswehrkrankenhaus Hamburg, Klinik III – Dermatologie, Venerologie und Allergologie
Zusammenfassung
Wir berichten über den Fall eines 29-jährigen Dorfbewohners aus dem Sudan, der sich mit dem Rezidiv einer Knotenbildung am Vorfuß nach einer vor drei Jahren erfahrenen Primärexzision eines Eumyzetoms vorstellte. Es erfolgte eine operative Sanierung des Lokalrezidivs am rechten Vorfuß in unserer Klinik mit einer anschließenden antimykotischen Therapie mittels Itraconazol für ein Jahr.
Tiefe Mykosen bei Madurella mycetomatis müssen sowohl operativ als auch konservativ behandelt werden. Verlaufskontrollen sind bei möglichen Lokalrezidiven sogar noch über viele Jahre notwendig.
Schlüsselwörter: Eumyzetom, Madurella mycetomatis, Rezidiv, Itraconazol
Summary
We report a case regarding a 29-year-old person from Sudan with recurring nodules on the right forefoot after surgical removement of an eumycetoma three years ago. We treated the local recurrence by surgical removal of the nodules followed by a year of antifungal therapy using itraconazole.
It is important to treat deep mycoses caused by Madurella mycetomatis by both surgical and conservative procedures, and regular follow-up appointments over several years are necessary to detect any local recurrences.
Keywords: eumycetoma; Madurella mycetomatis; recurrence; itraconazole
Hintergrund
Myzetome sind chronische Haut- und Weichteilinfektionen durch tropische Bakterien oder Pilze. Diese sind aufgrund des langwierigen Krankheitsverlaufs mit Komplikationen eine große Herausforderung in der Tropenmedizin. Bei Einsätzen in Tropengebieten soll das Myzetom bei chronischen Entzündungen insbesondere im Bereich der unteren Extremität als Differenzialdiagnose berücksichtigt werden.
Falldarstellung
Anamnese
Die Vorstellung des Patienten erfolgte über unsere tropendermatologische Sprechstunde am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin bei Rezidiv eines Knotens am rechten Vorfuß. Bei dem aus dem Sudan stammenden Patienten wurde bereits vor 3 Jahren ambulant eine noduläre Hautveränderung am Vorfuß exzidiert. In dem histopathologischen Befund zeigte sich eine chronisch abszedierende, granulomatöse Entzündungsreaktion um schwarz pigmentierte Granula, vereinbar mit einem Eumyzetom. Bei einer vollständigen reizlosen Abheilung des Befundes erfolgte keine weitere Therapie. Drei Jahre nach operativer Sanierung entwickelte der Patient erneut einen langsam wachsenden, exophytischen, schmerzhaften Knoten im Bereich der Narbe am rechten Vorfuß. Es bestanden keine Vorerkrankungen, keine weitere Medikamenteneinnahme oder bekannte Allergien.
Befund
Der 29-jährige Patient mit einem Hauttyp VI nach Fitzpatrick ist in gutem Allgemein- und normalem Ernährungszustand. Am rechten Fuß zeigen sich an der proximalen Phalanx des Dig. I medial bis zum Interdigitalraum I-II ziehend einzelne gruppiert stehende, ulzerierte, exophytische Nodi mit aufgelagerten Serokrusten in einem ca. 2 x 1 cm messenden Areal (Abbildung 1). Vergrößerte Lymphknoten sind nicht palpabel, das restliche Integument ist unauffällig.
Abb. 1: Aufnahmebefund: vereinzelt gruppierte, ulzerierte, exophytische Knoten mit aufgelagerten Serokrusten in einem ca. 2 x 1 cm messenden Areal (Bild: BwKrhs Hamburg)
Therapie und diagnostische Aufarbeitung
Es erfolgte die interdisziplinäre operative Sanierung des Hautbefundes in Lokalanästhesie gemeinsam mit den Kollegen der Allgemeinchirurgie des Bundeswehrkrankenhauses (BwKrhs) Hamburg (Abbildung 2). Anschließend wurde eine langfristige antimykotische Therapie über ein Jahr mit Itraconazol (Dosierung 200 mg/Tag) unter regelmäßiger klinischer Befundkontrolle durchgeführt.
Abb. 2: Operative Sanierung im BwKrhs Hamburg. Dargestellte schwarze Granula i. S. von Kolonien von Madurella mycetomatis, bis in das subkutane Fettgewebe reichend (Bild: BwKrhs Hamburg)
Histologie (Dermatohistopathologisches Labor Dr. Günzl, Hamburg)
Stärkergradiges Entzündungsinfiltrat und Fibrosierungen sowie eingeschlossen granulomähnliche dichte granulozytäre Entzündungsinfiltrate; im Zentrum größere Granula mit Hyphen in einer bräunlichen Matrix
PAS-Histochemie: Pilzelemente nachgewiesen; Exzidat basalwärts nicht im Gesunden (Abbildungen 3 und 4).
Abb. 3: Stärkergradiges Entzündungsinfiltrat und Fibrosierungen sowie eingeschlossen granulomähnliche, dichte, granulozytäre Entzündungsinfiltrate (Bild: Dermatohistopathologie Dr. Günzl, Hamburg)
Abb. 4: Große Granula mit Hyphen in einer bräunlichen Matrix (Bild: Dermatohistopathologie Dr. Günzl, Hamburg)
Pilzkultur des Hautmaterials nach operativer Sanierung (Hautlabor der Klinik für Dermatologie, BwKrhs Hamburg)
Wachstum von dunklen Kolonien passend zur Madurella mycetomatis (Abbildung 5). PCR-Sequenzierung und Kulturergebnis (Labor für medizinische Mikrobiologie, Prof. Dr. P. Nenoff, Dr. C. Krüger, Rotha OT Mölbnis): Madurella mycetomatis. Resistenztestung: Terbinafin: resistent (MHK >8), Itraconazol: sensibel (0,006 MHK)
Abb. 5: Langsames Wachstum von dunklen Kolonien passend zu Madurella mycetomatis. (Mykologisches Labor, Klinik für Dermatologie, BwKrhs Hamburg)
Infektionsserologie
Hepatitis-B-Virus, Hepatitis-C-Virus, Treponema pallidum, Strongyloides, Schistosoma: negativ, HIV 1/2: nicht reaktiv
Bewertung der Befunde
Die durchgeführte PCR-Diagnostik mit Sequenzierung des gesamten „internal transcribed spacer“ (ITS)-Bereiches der rDNS und ein Datenbankvergleich ergaben eine 100 %ige Übereinstimmung mit Madurella mycetomatis. In einer parallel veranlassten kulturellen Pilzuntersuchung bei 28° C und 37° C wuchsen langsam dunkle Schimmelpilzkolonien (Abbildung 5). In der Resistenztestung zeigten sich diese sensibel gegenüber Itraconazol und resistent gegenüber Terbinafin.
Weiterer Verlauf
Wir beobachteten den Patienten über 14 Monate ambulant weiter und führten über 12 Monate die antimykotische orale Therapie mit Itraconazol (200 mg täglich) fort. Der Hautbefund zeigte sich stabil mit einer reizlosen Narbe (Abbildung 6). Regelmäßige klinische Kontrollen sind nach Therapieende notwendig, um ein mögliches Rezidiv rechtzeitig zu identifizieren. In Zusammenschau der Befunde ist von einem Rezidiv des Eumyzetoms durch Madurella mycetomatis nach primär ausschließlich operativer Behandlung ohne begleitende antimykotische Therapie auszugehen.
DiskussionundFazit
Prävalenz
Aufgrund ihres chronisch progressiven Wachstums sind Diagnostik und Behandlungen von Myzetomen eine besondere Herausforderung [1]. Es wird hierbei zwischen Infektionen durch Bakterien (Actinomyzetome) und jenen durch Pilze (Eumyzetome) unterschieden. Der Begriff Myzetom stammt aus dem griechischen “mykes” (Pilz) und “oma” (Tumor). Myzetome werden gemäß der WHO-Klassifikation unter den Neglected Tropical Diseases geführt. Verlässliche Daten zur Prävalenz liegen nicht vor. Schätzungen belaufen sich auf 3,49 und 1,81 Fälle pro 100 000 Einwohner in Mauretanien und im Sudan [5]. Die überwiegende Mehrheit der Betroffenen sind männliche Bauern im Alter von 15–30 Jahren, die in abgelegenen Regionen Afrikas leben [5][6].
Erreger und Infektionsweg
Unter den Eumyzetomen sind Infektionen durch Madurella mycetomatis die weltweit häufigsten und kommen überwiegend in den ariden Klimazonen Ostafrikas (Trocken- oder Wüstenklima, sog. Myzetomgürtel) und Indien vor [6]. Im Sinne einer Inokulationsmykose gelangt der Erreger durch Verletzungen beim Barfußlaufen, z. B. durch Dornen, unter die Haut und breitet sich in tiefer liegenden Gewebsschichten aus, sodass neben chronischen, eitrigen, fistulierenden und granulomatösen Entzündungsreaktionen der Kutis und Subkutis auch eine Mitbeteiligung ossärer Strukturen möglich ist, die häufig zu Deformitäten von Extremitäten bis zu notwendigen Amputationen führt [5][6]. Durch das Barfußlaufen treten über 65 % der Infektionen im Bereich der distalen unteren Extremität auf [5]. Somit gilt das Tragen von festem Schuhwerk als wichtigstes Präventionsmittel.
Diagnostik
Diagnostisch stehen mikroskopische Untersuchungen, kulturelle Anzüchtungen und die PCR-Diagnostik von Biopsaten zur Verfügung [3]. Mykologische Kulturen aus Eumyzetomen lassen sich anhand der Kolonienfarbe gut unterscheiden. Die PCR-Diagnostik ist in Endemiegebieten in der Regel nicht verfügbar. Häufig sind zur kulturellen Anzucht des Erregers mehrfache Probebiopsieentnahmen notwendig.
Therapie
Bei der Behandlung der Eumyzetome ist stets eine Kombinationstherapie aus operativer Sanierung und langandauernder systemischer antimykotischer Therapie erforderlich. Hierbei ist bei Terbinafinresistenz Itraconazol (200–400 mg/Tag) über mehrere Monate bis 1,5 Jahre die erste Wahl. Alternativ stehen Azole wie Posakonazol, Voriconazol oder das sich aktuell in klinischen Studien befindliche Fosravuconazol zur Verfügung [4].
Regelmäßige klinische und laborchemische Kontrollen sind aufgrund unerwünschter Arzneimittelwirkungen und der hohen Resistenzlage der Erreger obligat. Aufgrund des langen Behandlungszeitraums zeigt sich jedoch die Patientencompliance häufig deutlich erniedrigt.
Forschungslage
Neben fehlenden epidemiologischen Daten und diagnostischen Mitteln in Endemiegebieten ist auch die Forschungslage hinsichtlich der Myzetome limitiert. Die WHO etablierte 2021 eine Myzetombekämpfungsstrategie, gemäß der bis 2030 eine Überwachung und Meldung von Krankheitsfällen ermöglicht und diagnostische Maßnahmen und Behandlungsmethoden in Endemiegebieten etabliert werden sollen [2].
Fazit
Myzetome sind eine große tropenmedizinische Herausforderung. Unter wehrmedizinischen Aspekten muss im Zusammenhang mit Einsätzen im Tropengebiet das Myzetom bei chronischen Entzündungen v. a. an der unteren Extremität als Differenzialdiagnose berücksichtigt werden. Neben der Prävention sind bei Myzetomen frühzeitige Diagnosestellung und Therapieeinleitung nach Risikoexposition in Endemiegebieten obligat, um schwerwiegende Folgen mit Mobilitätseinschränkungen bis hin zum Extremitätenverlust zu vermeiden.
Literatur
- Agarwal P, Jagati A, Rathod SP et al: Clinical Features of Mycetoma and the Appropriate Treatment Options. Res Rep Trop Med 2021; 12: 173-179. mehr lesen
- Global report on neglected tropical diseases 2023. WHO. Jan 2023. www.who.int/teams/control-of-neglected-tropical-diseases/global-report-on-neglected-tropical-diseases-2023, letzter Aufruf 30 .April 2023. mehr lesen
- Nenoff P, van de Sande WWJ, Fahal AH et al: Eumycetoma and actinomycetoma-an update on causative agents, epidemiology, pathogenesis, diagnostics and therapy. J Eur Acad Dermatol Venereol 2015; 29: 1873-1883. mehr lesen
- Scolding P, Fahal A, Yotsu RR: Drug therapy for Mycetoma. Cochrane Database. Version published: 26 July 2018. , letzter Aufruf 30, April 2023. mehr lesen
- Van de Sande WWJ: Global burden of human mycetoma: a systematic review and meta-analysis. PLoS Negl Trop Dis. 2013 Nov 7;7(11): e2550. mehr lesen
- Zijlstra EE, van de Sande WWJ, Welsch O et al.: Mycetoma: a unique neglected tropical disease. Lancet Infect Dis 2016; 17: 493-502. mehr lesen
Manuskriptdaten
Zitierweise
Vanegas Ramirez A, Roswora M, Fischer M: Rezidiv eines Knotens am Vorfuß bei einem jungen Mann aus dem Sudan. WMM 2023; 67(7-8); 293-296.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-169
Für die Verfasser
Oberfeldarzt Dr. Andrea Vanegas Ramirez
Bundeswehrkrankenhaus Hamburg
Klinik III – Dermatologie, Venerologie und Allergologie
Lesserstraße 180, 22049 Hamburg
E-Mail: andreavanegasramirez@bundeswehr.org
Manuscipt Data
Citation
Vanegas Ramirez A, Roswora M, Fischer M: [Recurrent Nodi of the Forefoot in a Young Man from Sudan]. WMM 2023; 67(7-8): 293-296.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-169
For the Authors
Lieutenant Colonel (MC) Dr. Andrea Vanegas Ramirez
Bundeswehr Hospital Hamburg
Department III – Dermatology, Venerology und Allergology
Lesserstraße 180, D-22049 Hamburg