Schwerer Wundinfekt mit drohendem Beinverlust – Fallbericht
Severe Wound Infection with Risk of Limb Loss – Case Report
Dorin Sach-Schranka,b, Miriam Voslooa,b, Christian Willyb
a Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Interdisziplinäres Wundzentrum
b Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Klinik XIV – Unfallchirurgie, Orthopädie und septisch-rekonstruktive Chirurgie
Zusammenfassung
Wir berichten über einen 55-jährigen Patienten, der im interdisziplinären Wundzentrum des Bundeswehrkrankenhauses Berlin mit einem phlegmonösen Weichgewebsinfekt, ausgehend vom rechten Unterschenkel, stationär behandelt wurde. Die schwere Weichgewebsinfektion bestand vorwiegend auf dem Boden einer Infektion durch Streptococcus pyogenes (Streptokokken der Gruppe A) und erforderte mehrere ausgiebige und großflächige Debridements, um den Beinerhalt zu gewährleisten. Die Deckung des Defektareals erfolgte mittels Spalthauttransplantation.
Schlüsselwörter: schwerer Wundinfekt, Phlegmone, Beinverlust, chronische Wunde, Streptococcus pyogenes
Summary
We report the case of a 55-year-old male patient treated at the interdisciplinary wound center of the Bundeswehr Hospital Berlin who presented a severe phlegmon in his right lower leg. The severe wound infection was caused by Streptococcus pyogenes (alpha streptococcus) and required numerous extensive debridements to save the lower leg. The skin defect was covered using a split-skin graft.
Key words: severe wound infection; phlegmon; limb loss; chronic wound; streptococcus pyogenes
Fallbericht
Wir berichten von einem 55-jährigen Mann, welcher im Januar 2023 über unsere Rettungsstelle aufgenommen wurde. Der Patient war zu diesem Zeitpunkt wohnungslos und auf die Hilfe karitativer Hilfsorganisationen angewiesen.
Anamnese und Befund
Bei Aufnahme berichtet der Patient von einer seit mehreren Wochen bestehenden Problematik im Bereich des rechten Unterschenkels, welche in den letzten drei Wochen von einer progredienten Schwellung und Rötung gezeichnet gewesen sei. Zwei kleinere Abszesse waren von ihm selbst bereits eröffnet worden. In einem anderen Krankenhaus waren wenige Tage vor unserer Konsultation bereits eine einfache Abszessinzision mit Spülung der Wundhöhle und Primärverschluss erfolgt. Das Nahtmaterial war noch in situ.
Zum Zeitpunkt der Aufnahme zeigten sich Ober- und auch Unterschenkel deutlich gerötet und geschwollen. Zwei von außen sichtbare Abszessformationen am Unterschenkel entleerten sich bereits auf manuellen Druck. Es fanden sich deutlich sichtbar insgesamt drei münzgroße Abszesse (Abbildung 1). Sonografisch fanden sich diffuse Flüssigkeitsstraßen im Subkutangewebe. Interessanterweise fanden sich im Aufnahmelabor die Leukozyten lediglich dezent erhöht mit 9,2 x 109/l (Referenz: 4,23–9,07 x 109/l) bei einem CRP von 204,3 mg/l (Referenz: 0–5 mg/l). Im Zuge der gefäßchirurgischen Umfelddiagnostik ergaben sich keine Anhalte für einen Diabetes mellitus oder eine relevante arterielle Durchblutungsstörung. Nach Asservierung von Blutkulturen und tiefen Wundabstrichen wurde nach Hausstandard eine kalkulierte intravenöse antimikrobielle Therapie mit Piperacillin/Tazobactam und Clindamycin begonnen.
Abb. 1: Aufnahmebefund mit diffuser Rötung und Schwellung und teilweise bereits eröffneten Abszessen
Stationärer Verlauf
Intraoperativ präsentierte sich beim Debridement das gesamte Infektionsausmaß. Das subkutane Fettgewebe war nekrotisch und es fanden sich multiple Einschmelzungen. Es war eine großzügige Gewebeinzision vom dorsolateralen Oberschenkel beginnend über die Kniekehle bis zur Malleolengabel erforderlich. Schließlich wurden aufgrund der Tiefe des Infektes eine partielle Fasziektomie am Unterschenkel und ein großflächiges Wunddebridement an Ober- und Unterschenkel notwendig mit großflächiger Resektion von Haut und Unterhautgewebe (Abbildung 2). Es kam noch während der Operation zur Kreislaufdepression infolge septischer Einschwemmung, sodass der Patient intubiert und mit medikamentöser Kreislaufunterstützung direkt auf unsere Intensivstation übernommen werden musste.
Abb. 2: Intraoperativer Befund nach erstem Debridement mit Resektion aller massiv entzündlich veränderten und untergegangenen Gewebsareale
In der mikrobiologischen Untersuchung fanden sich im Wundabstrich und in den intraoperativ entnommenen Gewebeproben führend Streptococcus pyogenes also Streptokokken der Gruppe A sowie ein Enterobacter cloacae. Die Antibiotikatherapie wurde resistogrammgerecht auf Ampicillin/Sulbactam und Ciprofloxacin umgestellt. Bei mehrfachem Nachweis von Corynebacterium striatum sowohl in den Blutkulturen als auch nach Anreicherung in den Wundabstrichen wurde Linezolid ergänzt. So gelang die zügige Stabilisierung des Patienten, sodass eine Extubation und am vierten Tag die Verlegung auf unsere gefäßchirurgische Normalstation möglich wurden.
Im weiteren Verlauf erfolgten programmierte Re-Look-Operationen mit wiederholten Debridements der Wunden. Zur temporären Wundabdeckung wurde eine Vakuumversiegelungstherapie begonnen, welche im Zuge der Operationen entsprechend gewechselt wurde. Insgesamt waren elf Wechsel des Vakuumverbandes notwendig. Aufgrund einer Arrosionsblutung bei derangierter Gerinnungssituation im Zuge des septischen Krankheitsbildes war weiterhin eine Hämatomausräumung erforderlich. Im Verlauf zeigten sich die Wundverhältnisse daraufhin zunehmend gebessert, die antimikrobielle Therapie konnte schließlich nach 14 Tagen beendet werden. Aufgrund eines Re-Infektes mit Corynebacterium striatum kam es zu einer erneuten Abszedierung in der Muskelloge des dorsalen Oberschenkels, welche chirurgisch saniert werden musste. Schließlich gelang uns 4 Wochen nach der primären Operation die großflächige Spalthauttransplantation zur Defektdeckung der Wundflächen, wobei der kontralaterale Ober- und auch Unterschenkel als Spenderareal genutzt werden mussten. Die Meshdeckung erfolgte in einer Vergrößerung von 1:6, wie es sonst bei Verbrennungspatienten üblich ist (Abbildung 3).
Abb. 3: Klinischer Befund nach Abnahme der Vakuumtherapie, 5. Postoperativer Tag nach Meshgraft-Deckung
Wegen der umfangreichen Gewebedefekte am gesamten rechten Bein wurde der Patient zur Kontrakturprophylaxe physiotherapeutisch beübt. Er konnte uns nach 11 Wochen dauerndem stationärem Aufenthalt schließlich verlassen (Abbildung 4). Dank der Zusammenarbeit mit dem Sozialdienst gelang die Unterbringung des Patienten in einem Wohnheim einer gemeinnützigen Hilfsorganisation mit integriertem Pflegestützpunkt zur Gewährleistung der weiteren fachgerechten Wundversorgung. Auch konnten wir die Wiederaufnahme in eine gesetzliche Krankenkasse sowie die Meldung beim Jobcenter durchsetzen.
Abb. 4: Aufnahmen mit zunehmend einheilender Meshgraft zum Entlassungszeitpunkt
Diskussion
Auch wenn eine kutane Entzündung prima vista klein erscheint, können diese schweren Phlegmonen der Weichteile eine zunächst von außen nicht sichtbare Ausdehnung annehmen. Die wahre Größe wird häufig erst während der Exploration im Operationssaal erkennbar [4]. Teils imponiert das Infektgeschehen zu Beginn wie ein Erysipel, sodass es zu einer verzögerten operativen Sanierung kommen kann [3]. Insbesondere eine Infektion mit Streptococcus pyogenes verursacht schwerwiegende Weichgewebsinfekte der Extremitäten, nicht selten bis an das Faszienniveau reichend.
Therapeutisch ist eine radikale chirurgische Sanierung mit Entfernung aller infizierten Areale essenziell [5]. Als Ultima ratio muss ggf. auch eine (partielle) Fasziektomie oder sogar die Amputation der Extremität durchgeführt werden, um das Leben der Patienten zu retten. Dieses Erkrankungsbild hat auch in Zeiten der modernen Medizin weiterhin eine nicht geringe Letalität [1].
Auch klein erscheinende Abszesse der Extremitäten sollten korrekt chirurgisch saniert werden. Eine primäre Naht eines unzureichend sanierten Abszesses darf nicht erfolgen. Neben der primär chirurgischen Therapie muss die resistenzgerechte, hochdosierte antimikrobielle Therapie zwingend beachtet werden. Hier ist eine gute Kooperation mit einer leistungsstarken Mikrobiologie wichtig. Goldstandard bei Streptococcus pyogenes-Infektionen ist weiterhin die parenterale Gabe von Penicillin oder Ampicillin bzw. die zusätzliche Gabe von Clindamycin zur Toxinbildungshemmung bei schweren septischen Verläufen [2]. Die alleinige antimikrobielle Therapie ersetzt jedoch niemals die Operation.
Insbesondere Personen aus dem Milieu der Obdachlosigkeit oder Drogenabhängigkeit fallen wiederholt durch das Raster des Gesundheitssystems. Wir sehen sie häufig erst zu einem sehr späten Zeitpunkt der Erkrankung. Unzureichende Sprachkenntnisse, die überdurchschnittlich häufig begleitende Polytoxikomanie oder der begleitende Alkoholmissbrauch erleichtern den Umgang mit ihnen nicht. Die unzureichende bzw. häufige nicht vorhandene Kostenübernahme erschweren vielen Krankenhäusern die Versorgung von obdachlosen Menschen, sodass aufgrund des Kostendruckes trotz bestehender medizinischer Indikation meist keine ausreichend lange Behandlung möglich ist.
In unserem Fall gelang die Reintegration des Patienten in das GKV-System. Diese sollte – wenn immer möglich – in Zusammenarbeit mit dem Sozialdienst angestrebt werden. Eine gültige Krankenversicherung erleichtert die Behandlung dieses speziellen Klientels erheblich.
Fazit
Tiefreichende und schwere Wundinfektionen sind weiterhin eine große Herausforderung im chirurgischen Alltag. Lokalisierte Abszesse lassen sich oft durch kleine Inzisionen adäquat behandeln. Anders stellt es sich bei den Phlegmonen der Weichteile der Extremitäten dar. Hier findet sich nicht selten ein von außen unterschätztes Infektgebiet, welches ein radikales Debridement erfordert. Die Ausdehnung der Infektion zeigt sich teilweise erst intraoperativ in vollem Ausmaß, sodass plötzlich ungeplante, großflächige Schnitterweiterungen, insbesondere in die Tiefe der Gewebe, auch unterhalb des Faszienniveaus, erforderlich werden können. Ein radikales, schichtenübergreifendes Debridement in Kombination mit einer resistogramm-gerechten antimikrobiellen Therapie sind Kernelemente der Behandlung dieses unterschätzten Erkrankungsbildes. Ursächlich findet sich meist eine Infektion mit Streptococcus pyogenes.
Es ist wahrscheinlich, dass sich unter den Bedingungen eines militärischen Konflikts vergleichbare Wundinfektionen wie im vorgestellten Fall gehäuft finden werden.
Bildquellen
Abbildungen 1-4: BwKrhs Berlin
Literatur
- Lamagni TL, Darenberg J, Luca-Harari B et al: Strep-EURO Study Group; Jasir A. Epidemiology of severe Streptococcus pyogenes disease in Europe. J Clin Microbiol.; 46(7): 2359-2367. mehr lesen
- Robert Koch-Institut: RKI-Ratgeber Streptococcus pyogenes-Infektionen. , letzter Aufruf 6. Juni 2023. mehr lesen
- Rodrigues MA, Caetano M, Amorim I et al: Dermo-Hipodermites Bacterianas Agudas Não Necrotizantes: Erisipela e Celulite Infeciosa [Non-Necrotizing Acute Dermo-Hypodermal Infections: Erysipela and Infectious Cellulitis]. Acta Med Port 2021; 34(3): 217-228. mehr lesen
- Rongisch R, Fabri M. Weichgewebeinfektionen [Soft tissue infections]. Hautarzt. 2022; 73(3): 223-233. Erratum in: Hautarzt. 2022 May; 73(5):398. mehr lesen
- Veyssier-Belot C, Lejoyeux-Chartier F, Bouvet et al: Cellulites et autres infections cutanées sévères à Streptococcus pyogenes [Erysipelas, cellulitis and other severe Streptococcus pyogenes skin infections]. Presse Med. 1999; 28(35): 1959-1965. mehr lesen
Manuskriptdaten
Zitierweise
Sach-Schrank D, Vosloo M, Willy C: Schwerer Wundinfekt mit drohendem Beinverlust – Fallbericht. WMM 2023; 67(7-8): 289-291.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-171
Für die Verfasser
Oberstabsarzt Dorin Sach-Schrank,
Bundeswehrkrankenhaus Berlin
Klinik XIV – Unfallchirurgie, Orthopädie und septisch-rekonstruktive Chirurgie, Fachbereich Gefäßchirurgie
Scharnhorststraße 13, 10115 Berlin
E-Mail: dorinsach@bundeswehr.org
Manuscript Data
Citation
Sach-Schrank D, Vosloo M, Willy C: [Severe Wound Infection with Risk of Limb Loss – Case Report]. WMM 2023; 67(7-8): 289-291.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-171
For the Authors
Major (MC) Dorin Sach-Schrank
Bundeswehr Hospital Berlin
Department XIV –Trauma Surgery, Orthopedics, Reconstructive Surgery – Section Vascular Surgery
Scharnhorststraße 13, D-10115 Berlin
E-Mail: dorinsach@bundeswehr.org
Rezidiv eines Knotens am Vorfuß
bei einem jungen Mann aus dem Sudan
Recurrent Nodi of the Forefoot in a Young Man from Sudan
Andrea Vanegas Ramireza, Marcel Rosworaa, Marcellus Fischera
a Bundeswehrkrankenhaus Hamburg, Klinik III – Dermatologie, Venerologie und Allergologie
Zusammenfassung
Wir berichten über den Fall eines 29-jährigen Dorfbewohners aus dem Sudan, der sich mit dem Rezidiv einer Knotenbildung am Vorfuß nach einer vor drei Jahren erfahrenen Primärexzision eines Eumyzetoms vorstellte. Es erfolgte eine operative Sanierung des Lokalrezidivs am rechten Vorfuß in unserer Klinik mit einer anschließenden antimykotischen Therapie mittels Itraconazol für ein Jahr.
Tiefe Mykosen bei Madurella mycetomatis müssen sowohl operativ als auch konservativ behandelt werden. Verlaufskontrollen sind bei möglichen Lokalrezidiven sogar noch über viele Jahre notwendig.
Schlüsselwörter: Eumyzetom, Madurella mycetomatis, Rezidiv, Itraconazol
Summary
We report a case regarding a 29-year-old person from Sudan with recurring nodules on the right forefoot after surgical removement of an eumycetoma three years ago. We treated the local recurrence by surgical removal of the nodules followed by a year of antifungal therapy using itraconazole.
It is important to treat deep mycoses caused by Madurella mycetomatis by both surgical and conservative procedures, and regular follow-up appointments over several years are necessary to detect any local recurrences.
Keywords: eumycetoma; Madurella mycetomatis; recurrence; itraconazole
Hintergrund
Myzetome sind chronische Haut- und Weichteilinfektionen durch tropische Bakterien oder Pilze. Diese sind aufgrund des langwierigen Krankheitsverlaufs mit Komplikationen eine große Herausforderung in der Tropenmedizin. Bei Einsätzen in Tropengebieten soll das Myzetom bei chronischen Entzündungen insbesondere im Bereich der unteren Extremität als Differenzialdiagnose berücksichtigt werden.
Falldarstellung
Anamnese
Die Vorstellung des Patienten erfolgte über unsere tropendermatologische Sprechstunde am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin bei Rezidiv eines Knotens am rechten Vorfuß. Bei dem aus dem Sudan stammenden Patienten wurde bereits vor 3 Jahren ambulant eine noduläre Hautveränderung am Vorfuß exzidiert. In dem histopathologischen Befund zeigte sich eine chronisch abszedierende, granulomatöse Entzündungsreaktion um schwarz pigmentierte Granula, vereinbar mit einem Eumyzetom. Bei einer vollständigen reizlosen Abheilung des Befundes erfolgte keine weitere Therapie. Drei Jahre nach operativer Sanierung entwickelte der Patient erneut einen langsam wachsenden, exophytischen, schmerzhaften Knoten im Bereich der Narbe am rechten Vorfuß. Es bestanden keine Vorerkrankungen, keine weitere Medikamenteneinnahme oder bekannte Allergien.
Befund
Der 29-jährige Patient mit einem Hauttyp VI nach Fitzpatrick ist in gutem Allgemein- und normalem Ernährungszustand. Am rechten Fuß zeigen sich an der proximalen Phalanx des Dig. I medial bis zum Interdigitalraum I-II ziehend einzelne gruppiert stehende, ulzerierte, exophytische Nodi mit aufgelagerten Serokrusten in einem ca. 2 x 1 cm messenden Areal (Abbildung 1). Vergrößerte Lymphknoten sind nicht palpabel, das restliche Integument ist unauffällig.
Abb. 1: Aufnahmebefund: vereinzelt gruppierte, ulzerierte, exophytische Knoten mit aufgelagerten Serokrusten in einem ca. 2 x 1 cm messenden Areal (Bild: BwKrhs Hamburg)
Therapie und diagnostische Aufarbeitung
Es erfolgte die interdisziplinäre operative Sanierung des Hautbefundes in Lokalanästhesie gemeinsam mit den Kollegen der Allgemeinchirurgie des Bundeswehrkrankenhauses (BwKrhs) Hamburg (Abbildung 2). Anschließend wurde eine langfristige antimykotische Therapie über ein Jahr mit Itraconazol (Dosierung 200 mg/Tag) unter regelmäßiger klinischer Befundkontrolle durchgeführt.
Abb. 2: Operative Sanierung im BwKrhs Hamburg. Dargestellte schwarze Granula i. S. von Kolonien von Madurella mycetomatis, bis in das subkutane Fettgewebe reichend (Bild: BwKrhs Hamburg)
Histologie (Dermatohistopathologisches Labor Dr. Günzl, Hamburg)
Stärkergradiges Entzündungsinfiltrat und Fibrosierungen sowie eingeschlossen granulomähnliche dichte granulozytäre Entzündungsinfiltrate; im Zentrum größere Granula mit Hyphen in einer bräunlichen Matrix
PAS-Histochemie: Pilzelemente nachgewiesen; Exzidat basalwärts nicht im Gesunden (Abbildungen 3 und 4).
Abb. 3: Stärkergradiges Entzündungsinfiltrat und Fibrosierungen sowie eingeschlossen granulomähnliche, dichte, granulozytäre Entzündungsinfiltrate (Bild: Dermatohistopathologie Dr. Günzl, Hamburg)
Abb. 4: Große Granula mit Hyphen in einer bräunlichen Matrix (Bild: Dermatohistopathologie Dr. Günzl, Hamburg)
Pilzkultur des Hautmaterials nach operativer Sanierung (Hautlabor der Klinik für Dermatologie, BwKrhs Hamburg)
Wachstum von dunklen Kolonien passend zur Madurella mycetomatis (Abbildung 5). PCR-Sequenzierung und Kulturergebnis (Labor für medizinische Mikrobiologie, Prof. Dr. P. Nenoff, Dr. C. Krüger, Rotha OT Mölbnis): Madurella mycetomatis. Resistenztestung: Terbinafin: resistent (MHK >8), Itraconazol: sensibel (0,006 MHK)
Abb. 5: Langsames Wachstum von dunklen Kolonien passend zu Madurella mycetomatis. (Mykologisches Labor, Klinik für Dermatologie, BwKrhs Hamburg)
Infektionsserologie
Hepatitis-B-Virus, Hepatitis-C-Virus, Treponema pallidum, Strongyloides, Schistosoma: negativ, HIV 1/2: nicht reaktiv
Bewertung der Befunde
Die durchgeführte PCR-Diagnostik mit Sequenzierung des gesamten „internal transcribed spacer“ (ITS)-Bereiches der rDNS und ein Datenbankvergleich ergaben eine 100 %ige Übereinstimmung mit Madurella mycetomatis. In einer parallel veranlassten kulturellen Pilzuntersuchung bei 28° C und 37° C wuchsen langsam dunkle Schimmelpilzkolonien (Abbildung 5). In der Resistenztestung zeigten sich diese sensibel gegenüber Itraconazol und resistent gegenüber Terbinafin.
Weiterer Verlauf
Wir beobachteten den Patienten über 14 Monate ambulant weiter und führten über 12 Monate die antimykotische orale Therapie mit Itraconazol (200 mg täglich) fort. Der Hautbefund zeigte sich stabil mit einer reizlosen Narbe (Abbildung 6). Regelmäßige klinische Kontrollen sind nach Therapieende notwendig, um ein mögliches Rezidiv rechtzeitig zu identifizieren. In Zusammenschau der Befunde ist von einem Rezidiv des Eumyzetoms durch Madurella mycetomatis nach primär ausschließlich operativer Behandlung ohne begleitende antimykotische Therapie auszugehen.
DiskussionundFazit
Prävalenz
Aufgrund ihres chronisch progressiven Wachstums sind Diagnostik und Behandlungen von Myzetomen eine besondere Herausforderung [1]. Es wird hierbei zwischen Infektionen durch Bakterien (Actinomyzetome) und jenen durch Pilze (Eumyzetome) unterschieden. Der Begriff Myzetom stammt aus dem griechischen “mykes” (Pilz) und “oma” (Tumor). Myzetome werden gemäß der WHO-Klassifikation unter den Neglected Tropical Diseases geführt. Verlässliche Daten zur Prävalenz liegen nicht vor. Schätzungen belaufen sich auf 3,49 und 1,81 Fälle pro 100 000 Einwohner in Mauretanien und im Sudan [5]. Die überwiegende Mehrheit der Betroffenen sind männliche Bauern im Alter von 15–30 Jahren, die in abgelegenen Regionen Afrikas leben [5][6].
Erreger und Infektionsweg
Unter den Eumyzetomen sind Infektionen durch Madurella mycetomatis die weltweit häufigsten und kommen überwiegend in den ariden Klimazonen Ostafrikas (Trocken- oder Wüstenklima, sog. Myzetomgürtel) und Indien vor [6]. Im Sinne einer Inokulationsmykose gelangt der Erreger durch Verletzungen beim Barfußlaufen, z. B. durch Dornen, unter die Haut und breitet sich in tiefer liegenden Gewebsschichten aus, sodass neben chronischen, eitrigen, fistulierenden und granulomatösen Entzündungsreaktionen der Kutis und Subkutis auch eine Mitbeteiligung ossärer Strukturen möglich ist, die häufig zu Deformitäten von Extremitäten bis zu notwendigen Amputationen führt [5][6]. Durch das Barfußlaufen treten über 65 % der Infektionen im Bereich der distalen unteren Extremität auf [5]. Somit gilt das Tragen von festem Schuhwerk als wichtigstes Präventionsmittel.
Diagnostik
Diagnostisch stehen mikroskopische Untersuchungen, kulturelle Anzüchtungen und die PCR-Diagnostik von Biopsaten zur Verfügung [3]. Mykologische Kulturen aus Eumyzetomen lassen sich anhand der Kolonienfarbe gut unterscheiden. Die PCR-Diagnostik ist in Endemiegebieten in der Regel nicht verfügbar. Häufig sind zur kulturellen Anzucht des Erregers mehrfache Probebiopsieentnahmen notwendig.
Therapie
Bei der Behandlung der Eumyzetome ist stets eine Kombinationstherapie aus operativer Sanierung und langandauernder systemischer antimykotischer Therapie erforderlich. Hierbei ist bei Terbinafinresistenz Itraconazol (200–400 mg/Tag) über mehrere Monate bis 1,5 Jahre die erste Wahl. Alternativ stehen Azole wie Posakonazol, Voriconazol oder das sich aktuell in klinischen Studien befindliche Fosravuconazol zur Verfügung [4].
Regelmäßige klinische und laborchemische Kontrollen sind aufgrund unerwünschter Arzneimittelwirkungen und der hohen Resistenzlage der Erreger obligat. Aufgrund des langen Behandlungszeitraums zeigt sich jedoch die Patientencompliance häufig deutlich erniedrigt.
Forschungslage
Neben fehlenden epidemiologischen Daten und diagnostischen Mitteln in Endemiegebieten ist auch die Forschungslage hinsichtlich der Myzetome limitiert. Die WHO etablierte 2021 eine Myzetombekämpfungsstrategie, gemäß der bis 2030 eine Überwachung und Meldung von Krankheitsfällen ermöglicht und diagnostische Maßnahmen und Behandlungsmethoden in Endemiegebieten etabliert werden sollen [2].
Fazit
Myzetome sind eine große tropenmedizinische Herausforderung. Unter wehrmedizinischen Aspekten muss im Zusammenhang mit Einsätzen im Tropengebiet das Myzetom bei chronischen Entzündungen v. a. an der unteren Extremität als Differenzialdiagnose berücksichtigt werden. Neben der Prävention sind bei Myzetomen frühzeitige Diagnosestellung und Therapieeinleitung nach Risikoexposition in Endemiegebieten obligat, um schwerwiegende Folgen mit Mobilitätseinschränkungen bis hin zum Extremitätenverlust zu vermeiden.
Literatur
- Agarwal P, Jagati A, Rathod SP et al: Clinical Features of Mycetoma and the Appropriate Treatment Options. Res Rep Trop Med 2021; 12: 173-179. mehr lesen
- Global report on neglected tropical diseases 2023. WHO. Jan 2023. www.who.int/teams/control-of-neglected-tropical-diseases/global-report-on-neglected-tropical-diseases-2023, letzter Aufruf 30 .April 2023. mehr lesen
- Nenoff P, van de Sande WWJ, Fahal AH et al: Eumycetoma and actinomycetoma-an update on causative agents, epidemiology, pathogenesis, diagnostics and therapy. J Eur Acad Dermatol Venereol 2015; 29: 1873-1883. mehr lesen
- Scolding P, Fahal A, Yotsu RR: Drug therapy for Mycetoma. Cochrane Database. Version published: 26 July 2018. , letzter Aufruf 30, April 2023. mehr lesen
- Van de Sande WWJ: Global burden of human mycetoma: a systematic review and meta-analysis. PLoS Negl Trop Dis. 2013 Nov 7;7(11): e2550. mehr lesen
- Zijlstra EE, van de Sande WWJ, Welsch O et al.: Mycetoma: a unique neglected tropical disease. Lancet Infect Dis 2016; 17: 493-502. mehr lesen
Manuskriptdaten
Zitierweise
Vanegas Ramirez A, Roswora M, Fischer M: Rezidiv eines Knotens am Vorfuß bei einem jungen Mann aus dem Sudan. WMM 2023; 67(7-8); 293-296.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-169
Für die Verfasser
Oberfeldarzt Dr. Andrea Vanegas Ramirez
Bundeswehrkrankenhaus Hamburg
Klinik III – Dermatologie, Venerologie und Allergologie
Lesserstraße 180, 22049 Hamburg
E-Mail: andreavanegasramirez@bundeswehr.org
Manuscipt Data
Citation
Vanegas Ramirez A, Roswora M, Fischer M: [Recurrent Nodi of the Forefoot in a Young Man from Sudan]. WMM 2023; 67(7-8): 293-296.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-169
For the Authors
Lieutenant Colonel (MC) Dr. Andrea Vanegas Ramirez
Bundeswehr Hospital Hamburg
Department III – Dermatology, Venerology und Allergology
Lesserstraße 180, D-22049 Hamburg