NEUROCHIRURGIE IM EINSATZ
Kranio-spinale Notfalleingriffe bei NATO-Kräften während des ISAF- und RS-Einsatzes im Einsatzlazarett Mazar-e Sharif von Juli 2007 bis Juni 2021
Darstellung der vollständigen Einsatzzahlen über einen zusammenhängenden Zeitraum von 14 Jahren
Cranio-spinal emergency interventions in NATO forces during ISAF and RS at the Bundeswehr Mazar-e Sharif field hospital from July 2007 to June 2021
Review of all emergency neurosurgical interventions over a continuous period of 14 years
Sonja Kellera, Uwe Max Mauera, Chris Schulza
a Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Klinik XII – Neurochirurgie
Zusammenfassung
Hintergrund: Bereits bei ersten Auswertungen der neurochirurgischen OP-Einsatzzahlen im Einsatzlazarett (ELAZ) Mazar-e Sharif (MeS) zeigte sich im Gegensatz zu anderen NATO-Einrichtungen nur eine geringe Inanspruchnahme dieser Fachexpertise. Nach dem Ende des Einsatzes der International Security Assistance Force (ISAF) und der im August 2021 ebenfalls abgeschlossenen Resolute Support (RS)-Mission soll auf der Grundlage einer Auswertung aller neurochirurgischen OP-Einsatzzahlen die Notwendigkeit des Vorhaltens neurochirurgischer Vor-Ort-Expertise im 24/7-Modus für ähnlich geartete zukünftige Einsätze bewertet und alternative Konzepte im Sinne einer auch bei anderen Nationen praktizierten Damage-Control-Neurochirurgie diskutiert werden.
Methode: Ausgewertet wurden die operativen Fallzahlen zwischen Juli 2007 und Dezember 2014 (ISAF) sowie von Januar 2015 bis Juni 2021 (RS), untergliedert nach dringlichen Soforteingriffen, Eingriffen mit aufgeschobener Dringlichkeit und elektiven OP-Indikationen. Zudem wurde die Verteilung nach der Patientenherkunft (ISAF, ANSF, zivil) ausgewertet. Auch die Verteilung der zu Grunde liegenden Erkrankungs- und Verletzungsursachen für die akuten Kopf- und Wirbelsäuleneingriffe wurde untersucht.
Ergebnisse: Von Juli 2007 bis Dezember 2014 wurden – im engeren Sinne dem Auftrag entsprechend – 30 ISAF-Soldaten kranial und spinal operiert (9,7 % der Gesamtzahl der Eingriffe bzw. 0,33 Fälle/Monat). In 11 Fällen war dabei bei ISAF-Soldaten eine kraniale oder spinale Notfall-OP-Indikation gestellt worden (3,2 % der Gesamtzahl der Eingriffe bzw. 0,12 Eingriffe/Monat). Während der RS-Mission von Januar 2015 bis Juli 2021 wurden im ELAZ MeS keine vital indizierten neurotraumatologischen Notfalleingriffe bei NATO-Soldaten aus dem Einsatzgebiet des Train Advise Assist Command (TAAC) Nord erforderlich.
In beiden Einsatzzeiträumen (ISAF Juli 2007 bis RS Juni 2021) zusammen ergibt sich über eine Einsatzdauer von 14 Jahren somit eine operative Frequentierung mit Notfalleingriffen bei eigenen oder verbündeten NATO-Streitkräften von etwa 0,8 Eingriffen/Jahr, also etwa 1 Notfalleingriff alle 15 Monate.
Diskussion und Fazit: Die Rückführung des Role-2e-ELAZ auf die Ebene Role-2 mit Ende des ISAF-Einsatzes kann mit den realen Bedarfszahlen in MeS für die zu versorgenden Teile von RS gut unterlegt werden. Speziell für das Fachgebiet Neurochirurgie ergab sich auch für die RS-Mission kein faktisch begründbares Erfordernis eines fachärztlichen Anwesenheitsdienstes für die Versorgung von NATO-Soldaten im ELAZ MeS (insbesondere nicht für Bw-Angehörige) im Bereich TAAC Nord. Sanitätseinrichtungen in Ost- und Südafghanistan hatten hingegen hohe bis sehr hohe neurochirurgische Frequentierungen zu verzeichnen. Telemedizinische Unterstützung, verfügbare Verlegungs- und Repatriierungs-Optionen sowie die neurotraumatologischen Kompetenzen der anwesenden Einsatzchirurgen (mit vorheriger Teilnahme am Neurotrauma-Kurs) sind für die Auftragserfüllung auf dem in MeS vorgefundenen Niveau offensichtlich ausreichend und sollten als Basis zukünftiger Einsatzkonzepte weiter ausgebaut werden.
Schlüsselworte: Militärneurochirurgie, ISAF, Afghanistan, Neurotrauma, Damage Control Surgery, Einsatzchirurgie
Summary
Background: In contrast to other NATO medical facilities first evaluations of the neurosurgical operation figures in the German field hospital (ELAZ) Mazar-e Sharif (MeS) showed only a low request rate of this specialist expertise. After the end of the International Security Assistance Force (ISAF) and the in August 2021 finalized Resolute Support (RS) mission the need for providing on-site neurosurgical expertise in 24/7 mode for similar future missions can be evaluated on the basis of an evaluation of all neurosurgical operation figures. Alternative concepts regarding damage control neurosurgery, as also practiced by other nations, are to be discussed.
Methods: The number of surgical cases treated between July 2007 and December 2014 (ISAF) and from January 2015 to June 2021 (RS) was evaluated, subdivided into urgent procedures, procedures with deferred urgency, and elective neurosurgical indications. In addition, the distribution by patient origin (ISAF, ANSF, civil), and of underlying causes of illness and injury for acute head and spine procedures were also examined.
Results: Strictly according to the mission rules, from July 2007 to December 2014, 30 ISAF soldiers underwent cranial and spinal surgery (9.7% of the total number of procedures or 0.33cases/month). In 11 of these cases, ISAF soldiers had a cranial or spinal emergency surgical indication (3.2% of the total number of procedures or 0.12procedures/month). During the RS mission from January 2015 to July 2021, no emergency neurotraumatologic procedures with vital indication were required in NATO soldiers from the Train Advise Assist Command (TAAC) North area of operations in ELAZ MeS.
In both periods of deployment (ISAF July 2007 to RS June 2021) together, the operational frequency with emergency interventions for own or allied NATO forces is about 0.8interventions/year, i.e. about 1 emergency intervention every 15 months.
Discussion and conclusion: The decision of downsizing of the Role-2e field hospital to a Role-2 level at the end of the ISAF mission is well supported by the real requirement figures for the medical support during RS in MeS. Specifically there was no reason for the presence of a neurosurgeon to ensure medical care for NATO soldiers in the ELAZ MeS (especially not for Bw members) in the TAAC North area during the RS mission. In medical facilities in eastern and southern Afghanistan a high frequency of neurosurgical support was reported. Telemedical support, available transfer and repatriation options as well as the neurotrauma competencies of the attending mission surgeons (with prior participation in a neurotrauma course) are obviously sufficient for mission accomplishment with a casualty level similar to MeS. These results should be further developed as a basis for future mission concepts.
Keywords: military neurosurgery, ISAF, Afghanistan, neurotrauma, damage control surgery, mission surgery.
Hintergrund
Die sehr niedrigen Anforderungszahlen operativer neurochirurgischer Notfall-Kompetenz im ELAZ MeS während des ISAF-Einsatzes von 2007 bis 2014 waren bereits mehrfach publiziert worden [15][16][27][29]. In der Folge war nach Ende der ISAF-Mission der 24/7-Anwesenheitsdienst für einen deutschen Militärneurochirurgen aus dem ELAZ MeS heraus in das ELAZ Bagram Airfield (BAF) verlegt worden. Dort kam es in den ersten 6 Monaten der RS-Mission zu keinerlei Beanspruchung operativer Neurotraumatologie aus dem ehemaligen Einsatzgebiet Regional Command (RC) North bzw. später TAAC Nord. Demzufolge wurde diese „Sicherheitsoption“ in Bagram Airfield mangels erkennbarer Notwendigkeit ab Juli 2015 vorübergehend eingestellt; bis zum Ende der RS-Mission blieb jedoch ein operativ aktives amerikanisches Militärneurochirurgen-Team vor Ort in BAF. Seit diesem Zeitpunkt erfolgte bis zum Abzug der Bundeswehr keine Re-Aktivierung einer neurochirurgischen Fachkompetenz der Bw im RS-Einsatzgebiet mehr.
Indikation neurochirurgischer Eingriffe im Einsatz
Zweifelsohne bedingen schwere kraniale und spinale Verletzungen dann eine sofortige OP-Indikation, wenn vitale Gefährdungen abzuwenden sind. In vielfältigen aktuellen internationalen, teils sogar prospektiven und einigen meta-analysierenden Studien konnten jedoch für verschiedene kraniale oder spinale Notfalloperationen (insbesondere bei penetrierenden Verletzungen infolge von Schuss- oder Explosionseinwirkung) keine zweifelsfreien Vorteile einer sofort und unmittelbar im Einsatzland mit dem Ansatz einer definitiven chirurgischen „Ausversorgung“ durchgeführten operativen Therapie nachgewiesen werden.
Kranielle Traumata
Die Soforttherapie fokaler intrakranieller traumatischer Raumforderungen mit progredienten neurologischen Störungen (klassischerweise den akuten Epi- oder Subduralhämatomen) ist nicht in Frage zu stellen. Globale Hirnverletzungen mit bereits initial sehr schlechtem klinischem Status (z. B. bei ausgedehnten Kontusionierungen mit diffusem traumatischem Hirnödem) hingegen sind einer neurochirurgischen Therapie meist nicht mehr in einer sinnvollen Art und Weise zugänglich. So sind z. B. die invasive Hirndruckmessung oder eine daraus abgeleitete dekompressive Kraniektomie nach schwerem Schädel-Hirn-Trauma bei schlechtem Initialstatus bezüglich Mortalitätssenkung oder neurologischer Ergebnisverbesserung durchaus als kritisch zu sehen [4][7][11][23]. Das Gleiche gilt auch für die chirurgische Therapie der ausgedehnten kranialen Schussverletzung, die bei hoher Mortalitätsrate auch bei einer sofortigen komplexen neurochirurgischen Operation keine besseren neurologischen Ergebnisse zeigt [5][9][20][34].
Abb. 1: Punktion eines otogenen Hirnabszesses bei einer jungen Afghanin durch ein kleines Bohrloch: Die Eingriffsdauer betrug weniger als 30 min, der Befund heilte (nach operativer Sanierung des ipsilateralen Mastoids in gleicher Sitzung durch einen zu dem Zeitpunkt anwesenden Facharzt für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde) vollständig aus.
Die Anlage eines Bohrlochs zur Entlastung kann prinzipiell von Einsatzchirurgen vorgenommen werden. Wäre hier ein NATO-Soldat betroffen gewesen, hätte auch eine Verlegung/Repatriierung ohne Operation unter hochdosierter Antibiose und antiödematöser Medikation erfolgen können.
Wirbelsäulenverletzungen
US-amerikanische und britische Autoren berichten eine zunehmende Häufigkeit von Wirbelsäulen- und Rückenmark-Verletzungen der eigenen Truppen bei den Einsätzen in Afghanistan und im Irak mit einem Anteil von 5–15 % an allen muskulo-skelettalen Verletzungsfällen im Vergleich zu vorangegangenen Kriegen (z. B. 1–2 % der Fälle in Korea bzw. Vietnam) [1][8][24]. Insbesondere fiel eine Überpräsentation von Frakturen an der unteren LWS und am Sakrum sowie von explosions-assoziierten Verletzungen auf. Auch die typischen im Einsatzgebiet neurochirurgisch behandelten spinalen Notfallindikationen (penetrierende und stumpfe Verletzungen) zeigen jedoch in der narrativ-analysierten internationalen Literatur keine eindeutigen positiven Ergebnisse bei sofortiger definitiver chirurgischer Therapie im Einsatzgebiet im Vergleich zu einer zeitversetzten Behandlung [12][24]. Konsequenterweise wird international und auch von Sanitätsdiensten verbündeter Streitkräfte in deren Leitlinien keine sofortige Ausbehandlung von spinalen Verletzungen im Einsatz angestrebt/empfohlen.
Abb. 2: IED- und Schussverletzung eines afghanischen Sicherheitsbeamten mit multiplen über den Körper verteilten Fremdkörperpenetrationen (außer am Kopf und Hals; Bild oben), Hämato-/Pneumothorax, Bauch- und spinaler Penetrationsverletzung: Die Wunden wurden alle debridiert (beispielhaft für die links paramediane spinale oberflächliche Wunde am Übergang von der BWS zur LWS auf dem mittleren Bild zu sehen). Die WS-Verletzung wurde auch im Verlauf nicht weiter operativ behandelt, da trotz LWK-Fraktur nur sehr milde neurologische Störungen vorlagen. Es kam im weiteren Verlauf weder zu einer Liquorfistel noch zu einer Meningitis und auch zu keinen relevanten mechanischen Problemen der Wirbelkörperfraktur. Ein operatives Vorgehen an der WS hätte zu keiner Verbesserung der Situation geführt. Auch hier wäre für einen NATO-Soldaten eine Verlegung/Repatriierung nach Stabilisierung der thorakalen und abdominellen Verletzungen problemlos möglich gewesen.
Neurochirurgische Vor-Ort-Expertise obligat?
Im Widerspruch zu der dargestellten Datenlage wird von einigen Autoren in Vorträgen und Artikeln eine neurotraumatologische Unterversorgung deutscher Soldaten im ELAZ MeS in der ISAF-Folgemission postuliert und die ständige Vor-Ort-Expertise fachärztlicher Neurochirurgie gefordert [6][10].
Im Rahmen einer abschließenden Analyse der Einsatzdaten aus MeS für ISAF sowie für die deutschen Anteile an RS wird in dieser Arbeit überprüft, in welchem Umfang welche neurotraumatologischen Fähigkeiten in ähnlichen Einsatzszenarien für die Versorgung eigener Truppenteile erforderlich sind.
Material und Methoden
Die jährlichen Operationsstatistiken von Juli 2007 bis Dezember 2014 (ISAF) sowie unmittelbar anschließend bis Juni 2021 (RS) wurden anhand der dokumentierten OP-Protokolle und OP-Berichte aus MeS retrospektiv ausgewertet. Dabei erfolgten Gruppeneinteilungen in dringliche Soforteingriffe, Eingriffe mit aufgeschobener Dringlichkeit und elektive OP-Indikationen. Als „dringlich sofort“ wurden Eingriffe klassifiziert, die zur Abwendung einer akuten vitalen Bedrohung (z. B. bei intrakraniellen oder intraspinalen Raumforderungen mit hochgradigen neurologischen Ausfällen) vorgenommen wurden.
Zudem wurde die Verteilung nach der Patientenherkunft (ISAF, ANSF, zivil) ausgewertet. Auch die Verteilung der zu Grunde liegenden Erkrankungs- und Verletzungsursachen für die akuten Kopf- und Wirbelsäuleneingriffe wurde untersucht. Die Daten wurden deskriptiv analysiert. Den monatlichen Relativzahlen während der neurochirurgischen ISAF-Präsenzphase in MeS wurde eine Einsatzperiode von 90 Monaten zugrunde gelegt.
Ergebnisse
Im Einsatzzeitraum ISAF (2007–2014) war im ELAZ MeS ein Neurochirurg präsent. In dieser Zeit wurden insgesamt 341 neurochirurgische Eingriffe an Wirbelsäule, Schädel und peripheren Nerven durchgeführt.
Wirbelsäule
Der Schwerpunkt der neurochirurgisch-operativen Versorgung im ELAZ MeS während der Präsenzphase des ISAF-Einsatzes 2007 bis 2014 insgesamt lag mit 188 Eingriffen pro 90 Monaten an der Wirbelsäule (55,1 % von 341 neurochirurgischen Eingriffen; durchschnittlich etwa 2 Eingriffe/Monat). ISAF-Soldaten machten dabei mit 18 Fällen den kleinsten Anteil am spinalen Gesamt-OP-Kollektiv aus (9,6 % aller Wirbelsäuleneingriffe; durchschnittlich 0,2 Fälle/Monat, bzw. etwa 1 operativer ISAF-Fall pro Einsatz-Halbjahr).37 spinale Eingriffe erfolgten notfallmäßig sofort (19,7 % des gesamten spinalen OP-Kollektivs; 0,4 spinale Notfalleingriffe/Monat, bzw. ca. 1 spinaler Notfalleingriff im Quartal).
Unter den 37 Fällen mit sofortiger Behandlungsindikation fanden sich 8 Penetrationsverletzungen (3 zervikal, 2 thorakal und 3 lumbal), 23 Frakturen (6 zervikal, 12 thorakal, 5 lumbal) und 6 Fälle von degenerativen Erkrankungen (2 akute zervikale Myelopathien und 4 lumbale Bandscheibenmassenvorfälle mit Kauda-Syndrom). Es fand sich in der Gruppe der insgesamt 37 spinalen Soforteingriffe lediglich 1 ISAF-Soldat mit einer lumbalen Schuss-Fraktur, die isoliert dekomprimiert wurde (2,7 % des spinalen Notfall-Kollektivs; 0,01 spinale ISAF-Notfälle/Monat, bzw. etwa 1 spinaler ISAF-Notfall in ca. 7,5 Jahren).
Abb. 3: Spinalchirurgische Eingriffe mit sofortiger OP-Indikation nach Ursache und Lokalisiation
17 % der spinalchirurgischen Eingriffe erfolgten mit aufgeschobener Dringlichkeit (n = 32). Dabei handelte es sich um 7 Penetrationsverletzungen (2 zervikal, eine thorakal und 4 lumbal/sakral), 18 Frakturen (8 zervikal, 6 thorakal und 4 lumbal) sowie 7 Fälle mit degenerativen Erkrankungen (2 zervikale Bandscheibenvorfälle, eine thorakale Spinalstenose mit Myelopathie und 4 lumbale Bandscheibenvorfälle). In dieser Indikationsgruppe gab es 10 ISAF-Fälle: 4 Penetrationsverletzungen mit gering dislozierten Frakturen, sämtlich „nur“ oberflächlich debridiert (zervikal n = 1, lumbal n = 3), 3 Frakturstabilisationen (thorakal n = 2, lumbal n = 1), 3 dringliche Eingriffe bei lumbalen Bandscheibenvorfällen.
34/69 Patienten mit sofortiger oder aufgeschobener spinaler OP-Indikation hatten ihre Verletzung direkt kampfhandlungsassoziiert erworben. Hierbei überwogen geschlossene Frakturen nach stumpfen Traumen (19 Fälle) die penetrierenden Traumen (15 Fälle).
Die weit überwiegende Mehrzahl der spinalen Eingriffe (63,3 %) erfolgte jedoch elektiv (n = 119; hierunter befanden sich weitere 7 ISAF-Fälle). Während der RS-Mission 2014–2021 waren im ELAZ MeS keine wirbelsäulenchirurgischen Notfalleingriffe bei NATO-Soldaten aus dem TAAC Nord-Einsatzgebiet erforderlich.
Abb. 4: Spinalchirurgische Eingriffe mit aufgeschobener Dringlichkeit nach Ursache und Lokalisation
Tab. 1: Neurochirurgische Wirbelsäuleneingriffe im ELAZ MeS im Rahmen ISAF (07/2007–12/2014 = 90 Monate)
Kopf
Die zweithäufigste neurochirurgische Eingriffslokalisation nach der Wirbelsäule war mit insgesamt 122/341 Eingriffen der Kopf (35,8 % der Gesamteingriffe; durchschnittlich 1,3 Eingriffe/Monat). Im kranialen Kollektiv machte die Subgruppe der ISAF-Soldaten mit 12 Fällen den kleinsten Anteil aus (9,8 % aller kranialen Eingriffe; durchschnittlich 0,13 Fälle/Monat). 77 % der kranialen Eingriffe erfolgten sofort, 20,5 % mit aufgeschobener Dringlichkeit und in 2,5 % der Fälle elektiv. Es fanden demnach während des Gesamtzeitraums über das Gesamtkollektiv hinweg 94 kraniale Soforteingriffe statt. In der Gruppe der kranialen Soforteingriffe fanden sich lediglich 10 ISAF-Soldaten (8,4 % des Kollektivs; 0,11 Fälle/Monat). Die 10 Eingriffe des sofort operierten ISAF-Kollektivs betrafen sämtlich Kopf-Verletzungen, bei denen in 6 Fällen eine intraparenchymatöse Hirndrucksonde ohne weitere Anschlussoperation angelegt wurde.
In lediglich 4 Fällen während des analysierten ISAF-Einsatzzeitraumes wurden bei ISAF-Soldaten Kraniotomien durchgeführt (entsprechend ca. einem Fall alle 2 Jahre). Bei 2 dieser Fälle lagen gering dislozierte Frakturen ohne vitale Bedrohung vor. Ein Fall stellte sich als schweres SHT mit raumforderndem akuten Subduralhämatom heraus, in einem weiteren Fall lag ein SHT mit multiplen Kontusionsblutungen und raumforderndem Epiduralhämatom vor.
Somit gab es ca. alle 4 Jahre einen Fall mit vital bedrohlicher intrakranieller Raumforderung während der ISAF-Mission von 2007–2014. Während der RS-Mission 2014–2021 waren im ELAZ MeS keine neurochirurgisch-kranialen Notfalleingriffe bei NATO-Soldaten aus dem TAAC Nord-Einsatzgebiet erforderlich.
Tab. 2: Neurochirurgische Schädeleingriffe im ELAZ MeS im Rahmen ISAF (07/2007–12/2014 = 90 Monate)
Fasst man beide Einsatzzeiträume (ISAF Juli 2007 bis Dezember 2014 mit neurochirurgischer Präsenz und anschließend RS Juli 2021 ohne neurochirurgische Präsenz) zusammen, ergibt sich über eine Einsatzdauer von 14 Jahren somit eine operative Frequentierung mit kranio-spinalen Notfalleingriffen bei eigenen oder verbündeten NATO-Streitkräften von etwa 0,8 Eingriffen/Jahr (rechnerisch also etwa alle 15 Monate 1 Notfalleingriff). Betrachtet man ausschließlich tatsächliche vitale OP-Indikationen bei NATO-Soldaten in MeS, bleiben lediglich 2 Fälle in einem Zeitraum von 14 Jahren bestehen.
Abb. 5: Neurochirurgische Soforteingriffe bei ISAF-Soldaten im Bereich des Kopfes im Zeitraum 2007 bis 2014
Diskussion
Eingriffe am Schädel
Legt man als Maßstab für vital erforderliche neurochirurgische Eingriffe im ELAZ MeS während der Präsenzphase „ISAF-Soldaten mit akuten neurologischen Störungen bei intrakraniellen Raumforderungen“ fest, so ergibt sich, dass unter dieser Richtlinie nur 10 von insgesamt 341 dokumentierten Operationen (3,2 % der Gesamteingriffszahl oder 0,12 Fälle/Monat) im strengen Sinne auftragsgemäß erfolgten. Im Schnitt wurde also in etwa einmal pro Jahr ein Eingriff bei einem ISAF-Soldaten wegen eines kranialen Notfalls erforderlich, der sich – gemäß der Dokumentation des Operateurs – nicht verschieben ließ, also im Einsatzraum nicht verlegt oder ins Heimatland repatriiert werden konnte.
Abb. 6: Einlegen einer Hirndrucksonde (Pfeil) durch einen Frakturspalt bei einem jungen Afghanen: Bei dem Patienten imponierte in der Notaufnahme eine große Kopfplatzwunde, in deren Tiefe ein Frakturspalt zu sehen war. Ferner bestand der Verdacht einer Dura-Verletzung. Zur Sicherheit wurde hier vor Verschluss der Wunde eine intraparenchymatöse Hirndrucksonde unter Sicht direkt durch den Frakturspalt eingelegt. Die Versorgung erfolgte unmittelbar in der Notaufnahme ohne Transport/Umlagerung in den OP. Diese Maßnahme hätte auch jeder Einsatzchirurg (mit Neurotraumakurs) vor Verlegung/Repatriierung eines verletzten NATO-Soldaten durchführen können.
Die 10 sofort operierten Fälle des von uns analysierten ISAF-Kollektivs betrafen Kopf-Verletzungen, bei denen in 6 Fällen eine Hirndrucksonde angelegt wurde. In lediglich 4 Fällen während des gesamten Einsatzzeitraumes wurden bei ISAF-Soldaten sofort indizierte Kraniotomien durchgeführt, allesamt bei SHT-Fällen. Das entspricht ca. 1 Fall alle 2 Jahre. Bei 2 dieser Fälle bestanden gering dislozierte Frakturen ohne vitale Bedrohung, die zwar in MeS sofort operiert wurden, aber prinzipiell auch aufschiebbar gewesen wären (siehe hierzu AWMF-Leitlinie „Schädel-Hirn-Trauma im Erwachsenenalter“; www.awmf.org/leitlinien/detail/II/008–001.html).
Ein Fall stellte sich als schweres SHT mit raumforderndem akuten Subduralhämatom heraus, einschließlich bestehender Mydriasis. Bei einem weiteren Fall lagen bei einem SHT multiple Kontusionsblutungen und ein raumforderndes Epiduralhämatom vor. Beide letztgenannten Fälle können retrospektiv tatsächlich als vital bedrohliche Verletzungen angenommen werden. Beide Fälle hätten sehr wahrscheinlich aber auch von einem neurotraumatologisch geschulten Einsatzchirurgen soweit versorgt werden können, dass danach Transportfähigkeit für eine Weiterverlegung gegeben gewesen wäre. Die Versorgung gerade dieser klassischen Formen traumatischer intrakranieller Hämatome ist einerseits nicht hochkomplex und andererseits ein wesentlicher Bestandteil in allen uns bekannten internationalen militärchirurgischen neurotraumatologischen Ausbildungskursen (USA [19], UK [30], Frankreich [2], Schweden [31]), so auch im Neurotrauma-Kurs für die Einsatzchirurgen der Bundeswehr [16].
Eingriffe an der Wirbelsäule
Legt man als Maßstab für vital erforderliche spinale Eingriffe im ELAZ MeS „NATO-Soldaten mit akuten neurologischen Störungen bei intraspinalen Raumforderungen“ an, so ergibt sich, dass unter dieser Richtlinie nur eine dokumentierte Wirbelsäulen-Operation streng auftragsgemäß erfolgte. Es wurde also lediglich einmal während des gesamten Einsatzzeitraumes ein sofortiger Eingriff bei einem ISAF-Soldaten wegen eines spinalen Notfalls erforderlich, der sich (gemäß der Dokumentation des Operateurs) aufgrund einer angegebenen vitalen Bedrohlichkeit nicht verschieben, verlegen oder repatriieren ließ. Dabei handelte es sich nach Auswertung der Dokumentation um eine lumbale Schussfraktur, deren lebensbedrohendes Potenzial (selbst bei konservativer Therapie) regelhaft nicht besonders ausgeprägt ist.
Selbst bei Addition der Eingriffe mit aufgeschobener Dringlichkeit ergeben sich im ELAZ MeS lediglich 11 spinale Nicht-Elektiv-Eingriffe bei ISAF-Personal (0,12 Eingriffe/Monat, bzw. weniger als 1,5 nicht elektive Wirbelsäuleneingriffe/Jahr). Ob dieses Niveau der Beanspruchung, eine 24/7 Dauerinstallation eines neurochirurgischen Facharztes (inkl. der neurochirurgischen Spezialgeräte und OP-Instrumente) rechtfertigt, ist kritisch zu hinterfragen. Die Primärversorgung spinaler Frakturen erfolgt in vielen Fällen (insbesondere im internationalen Umfeld) durch Unfallchirurgen und orthopädische Chirurgen; entsprechende Kenntnisse und Fähigkeiten sind bei einer Reihe von Einsatzchirurgen der Bw auch ohne Teilnahme am Neurotrauma-Kurs bereits vorhanden.
Behandlungsqualität
Nach dem Ergebnis unserer Analyse der dokumentierten Fälle wurde während und insbesondere nach dem Ende von ISAF kein deutscher Soldat auf neurotraumatologischem Gebiet im Ergebnis schlechter als im Heimatland behandelt.
Dabei muss auch immer wieder betont werden, dass die Morbiditäts- und Mortalitätsrate von schweren SHT selbst in Maximalversorgungskliniken unter optimalen Konditionen nicht 0 % beträgt, sondern sich im höheren zweistelligen Prozentbereich bewegt, auch mit sofortiger Verfügbarkeit neurochirurgischer Expertise und mit optimal ausgestatteter Intensivstation [15].
Auch schwer Rückenmark-Verletzte (insbesondere mit penetrierenden Verletzungen) mit bereits initial bestehenden hochgradigen Querschnitt-Ausfällen profitieren klinisch-neurologisch kaum von einer sofortigen und definitiven operativen Prozedur – selbst wenn diese von erfahrenen Neurochirurgen vorgenommen wird [13][38].
Es gibt einige (wenngleich methodisch angreifbare) Hinweise dafür, dass die Kurzzeit-Ergebnisse bei schweren Neurotraumen im militärischen Bereich im Falle einer Behandlung durch Neurochirurgen besser sind als Behandlung durch Nicht-Neurochirurgen [3]. Daher halten wir es weiterhin für erforderlich, neben Allgemein- und Unfallchirurgen mit neurotraumatologischer Basisausbildung auch spezialisierte Militärneurochirurgen zur durchgehenden Sicherstellung telemedizinischer Remote-Unterstützung der Einsatzchirugen sowie für Einsätze mit großer Truppenstärke und hoher Gefährdungslage/Kampfaktivität (wie es von verbündeten Streitkräften im Osten und Süden Afghanistans berichtet wurde) auch im 24/7-Vor-Ort-Modus vorzuhalten. Bei einer solchen Konstellation wird man nach den im Irak (OEF) und Süd-Afghanistan (ISAF) gewonnenen Erfahrungsberichten militärischer Neurochirurgen aus den USA, Großbritannien und Kanada damit rechnen müssen, dass das Vorhalten von insgesamt umfangreicheren einsatzchirurgischen Kapazitäten notwendig wird, zu denen dann auch ein mit einem breiten Spektrum an operativen Fähigkeiten und viel Erfahrung ausgestatteter Neurochirurg im Einsatzland gehören sollte.
Damage-Control-Konzept auch in der Neurochirurgie
Für die meisten (und in den bisherigen Einsätzen eben selten auftretenden) vital bedrohlichen kranio-spinalen Akutsituationen sind jedoch auch technisch einfache, kurzdauernde und leicht erlernbare operative Lösungsansätze verfügbar. Mit diesen kann unkompliziert und ressourcenschonend eine effektive stabilisierende Erstversorgung gewährleistet werden. Das Damage-Control-Konzept gilt auch für die Neurotraumatologie. Dieses wurde bereits 2004 durch ROSENFELD et al. [21] und KOSSMANN et al. [14] vorgestellt. Die Autoren erörtern die hinter dem Konzept liegenden Überlegungen. RUBIANO et al. beschreiben die Anwendbarkeit militärischer Erfahrungen zur Damage-Control-Neurochirurgie auch in zivilen Settings, wenn es zu einer Limitierung von Ressourcen kommt [22]. TEFF weist 2010 nach, dass durch spezielle Neurotrauma-Damage-Control-Surgery-Kurse die Ergebnisse der Behandlung von Neurotraumata durch Allgemeinchirurgen im Irak-Einsatz verbessert werden können [32]. KUNZ, MAUER et al. stellten auch in Deutschland 2012 und 2013 entsprechende limitierte bzw. abgestufte Behandlungsstrategien bei Schussverletzung des Kopfes [26] bzw. der Wirbelsäule [28] vor.
Auch für Damage-Control-Neurochirurgie gilt: Der operative Eingriff muss schnell erfolgen, kurz dauern, so klein wie möglich und effektiv sein – Stabilisierung und Verlegung in eine spezialisierte Neurochirurgie sind das Ziel. So wurden seitens der US-Neurochirurgen beim ISAF-Einsatz in Bagram bei eigenen und verbündeten NATO-Soldaten grundsätzlich nur Eingriffe im Sinne von Damage-Control durchgeführt und die Patienten – wenn eine Stabilität für 8–10 h zu erwarten war – nach Landstuhl verlegt oder in die USA repatriiert.
Die Ergebnisse bei zeitversetzter spezieller neurochirurgischer Weiter- oder Ausversorgung auf höheren Versorgungsebenen stehen jenen bei primären definitiven Eingriffen in der Initialphase dabei nicht nach, sie wiesen im weiteren Verlauf sogar ein eher geringeres Risiko für die Notwendigkeit weiterer (Revisions-) Eingriffe auf [25]. Die Vorteile abgestufter chirurgischer Konzepte liegen auf der Hand, die Bündelung spezieller materieller und personeller neurochirurgischer Kompetenzen auf höherer Versorgungsstufe eröffnet zudem die Möglichkeit, der auch in der Neurochirurgie zunehmend beobachtbaren Subspezialisierung (u. a. kraniale, spinale, vaskuläre, onkologische und pädiatrische Neurochirurgie) flexibel begegnen zu können.
Leitlinie für die Zukunft?
Eine verbindliche prospektiv anwendbare Leitlinie zur Identifikation der Notwendigkeit einer neurochirurgischen Expertise vor Ort im 24/7-Modus für alle denkbaren Einsatzszenarien kann aus unseren Zahlen in seriöser Form nicht generiert werden. Wir können lediglich retrospektiv sagen, dass diese für die bisherigen robusteren Einsätze der Bw (KFOR/EUFOR, ISAF/RS, MALI, Nordirak) nicht erforderlich gewesen wäre/ist. Britische und kanadische Militärneurochirurgen wurden in den ISAF-Lazaretten Südafghanistans (Lashkar Gah und Kandahar) hingegen phasenweise mit einer wesentlich höheren operativen Beanspruchung als in MeS konfrontiert (26–75 OP-Fälle pro Monat; davon 80–90 % neurotraumatologische Akutfälle und 90–95 % ISAF-Soldaten).
Einsätze mit höherer Truppenstärke, Gefährdungslage und Kampfaktivität können also perspektivisch die Daueranwesenheit eines Neurochirurgen im Einsatzgebiet notwendig machen. Darauf muss man vorbereitet sein, und die Bw-Neurochirurgie ist dies auch. Die Notwendigkeit zur 24/7-Anwesenheit eines Neurochirurgen für anders geartete Einsätze wird sich hingegen immer erst retrospektiv zweifelsfrei bestimmen lassen. Hierzu bedarf es zukünftig aber noch weiteren Erkenntnisgewinns.
Schlussfolgerung
Die Rückführung des Role-2+-ELAZ auf die Ebene Role-2 nach Ende des ISAF-Einsatzes ist mit den realen Bedarfszahlen gut unterlegt. Speziell für das Fachgebiet Neurochirurgie ergab sich auch für die RS-Mission kein faktisch begründbares Erfordernis eines fachärztlichen Anwesenheitsdienstes für die Versorgung von NATO-Soldaten (insbesondere nicht für Bw-Angehörige) in TAAC Nordafghanistan, ganz im Gegensatz zu den Einsatzgebieten im Osten und Süden des Landes. Defizite in Bezug auf die neurochirurgische Versorgung unserer Soldaten bestanden weder bei ISAF noch bei RS zu irgendeinem Zeitpunkt, auch wenn gelegentlich in Publikationen dieser Eindruck entstehen konnte [6][10].
Dass vorhandene neurotraumatologische Alternativkonzepte (Einsatzchirurg mit neurotraumatologischer Zusatzausbildung plus Tele-Neurochirurgie plus frühzeitige Verlegungsoption in höhere Versorgungsebene) funktionsfähig sind, kann anhand von durch deutsche Einsatzchirurgen erfolgreich versorgter Neurotraumata belegt werden. Die telemedizinischen Angebote, die verfügbaren Verlegungsmöglichkeiten innerhalb des RS-Einsatzraumes (speziell nach Bagram Airfield mit bis zur Hospitalauflösung ständig vor Ort verfügbarer amerikanischer Militärneurochirugie), die Repatriierungs-Optionen ins Heimatland sowie die operativen Basis-Kompetenzen von Teilnehmenden des „Ulmer Neurotrauma-Kurses“ für Notfall-Eingriffe vor Ort waren für das auftragsorientierte Patientenaufkommen während der RS-Mission offenkundig absolut ausreichend.
Die während ISAF und RS bereits stellenweise praktizierte flexible Überführung spezieller neurochirurgischer Fachkompetenz von weniger beanspruchten in operativ höher frequentierte Lazarette (wie Entsendung eines Bw-Neurochirurgen aus MeS nach BAF) sowie die international gemeinsame Besetzung neurochirurgisch stärker ausgelasteter Hospitäler (z. B. wechselseitig durch französische und deutsche Militärneurochirurgen in KIA) sind weitere und zukünftig ausbaufähige Konzepte zum konzentrierten Personal- und Materialeinsatz. Derartige Konstrukte wurden in der internationalen Community der Militärneurochirurgen bereits regelmäßig diskutiert, u. A. im Military Committee der World Federation of Neurosurgical Societies (WFNS). Die Konsiliargruppe (KG) „Neurochirurgie“ beschloss unabhängig davon seit Auslaufen der fachärztlich neurochirurgischen Vor-Ort-Expertise von Bw-Neurochirurgen in Afghanistan regelmäßig und mit den Stimmen aller Klinischen Direktoren der Neurochirurgischen Abteilungen aller Bundeswehrkrankenhäuser, dass bei entsprechender Anforderung eine Reaktivierung der Vor-Ort-Präsenz jederzeit über die KG Neurochirurgie sichergestellt wird. Zudem wurden (an den Planungen anderer NATO-Partner orientierte) angepasste Konzepte zur notfallmäßigen flexiblen Ad-hoc-Versendung bereits vorgestellt und deren Realisierung innerhalb der KG einstimmig befürwortet. Beides wurde nach dem Ende der ISAF-Mission jedoch nie angefordert. Die retrospektive vollständige Analyse der in dieser Arbeit präsentierten Einsatzzahlen belegt die Richtigkeit dieser Entscheidung.
Literatur
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Manuskriptdaten
Eingereicht: 21.12.2021
Nach Überarbeitung angenommen: 26. Januar 2022
Zitierweise
Keller S, Mauer UM, Schulz C: Kranio-spinale Notfalleingriffe bei NATO-Kräften während des ISAF- und RS-Einsatzes im Einsatzlazarett Mazar-e Sharif von Juli 2007 bis Juni 2021. WMM 2022; 66(4): 110-118.
Für die Verfasser
Flottillenarzt Priv.-Doz. Dr. Chris Schulz
Bundeswehrkrankenhaus Ulm
Klinik XII – Neurochirurgie
Oberer Eselsberg 40, 89081 Ulm
E-Mail: chrisschulz@bundeswehr.org
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-5
Manuscript data
Submitted: December 21, 2021
Accepted after revision: January 26, 2022
Citation
Cranio-spinal emergency interventions in NATO forces during ISAF and RS at the Bundeswehr Mazar-e Sharif field hospital from July 2007 to June 2021. WMM 2022; 66(4): 110-118.
For the authors
Commander (Navy MC) Assistant Professor Dr. Chris Schulz
Bundeswehr Hospital Ulm
Department XII – Neurosurgery
Oberer Eselsberg 40, D-89081 Ulm
E-Mail: chrisschulz@bundeswehr.org
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-5
Fallbeispiele: DCS bei Neurotrauma
Fallbeispiel 1
Bei einem Minenanschlag auf einen Konvoi während des 2. Golfkrieges erlitt ein US-Soldat im Irak ein Schädel-Hirn-Trauma. Neben mehreren kleinen Kontusionsblutungen fanden sich im CT ein schmales akutes subdurales Hämatom (aSDH) und eine traumatische Hirnödembildung in der linken Hemisphäre (Abbildung 1).
Abb. 1 (Fall1): Präoperatives CT: aSDH links temporal (roter Pfeil), Verdrängung der Mittelinie nach rechts bei linksbetontem Hirnödem
DCS in Bagdad
Im US-Feldlazarett erfolgte durch den dortigen Neurochirurgen eine Entlastungskraniektomie. Dieses ist das Standardverfahren der US-Streitkräfte bei einem aSDH bzw. traumatischem Hirnödem. Während des Eingriffs entdeckte der operierende Neurochirurg in der Tiefe des Operationssitus eine Veränderung, die für ihn als Aneurysma in atypischer Position imponierte. Dieses hatte jedoch akut noch nicht geblutet. Deshalb traf er die Entscheidung, den Entlastungseingriff nicht unnötig weiter auszudehnen, obgleich er eine definitive Versorgung des Aneurysmas prinzipiell für erforderlich hielt und eine solche Operation technisch auch vor Ort in Bagdad durchführbar gewesen wäre war. Er verzichtete auch auf eine postoperative CT-angiografische Darstellung, sondern ließ nur ein normales CT anfertigen (Abbildung 2).
Abb. 2 (Fall 1): Postoperatives CT: Großer Knochendefekt nach Kraniektomie, die Falx cerebri ist wieder annähernd mittelständig, Anteile der linken Hemisphäre sind nach extrakraniell gedrängt.
Endgültige Versorgung in Deutschland
Der Soldat wurde binnen 24 h in stabilem Zustand mit AirMedEvac nach Landstuhl geflogen. Weil zu diesem Zeitpunkt keine neuroradiologischen bzw. neurochirurgischen Fähigkeiten in Landstuhl verfügbar waren, erfolgte die Verlegung des Patienten zur neuroangiografischen Diagnostik in das Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz. Hier fand sich in vermuteter Lokalisation an der Arteria pericallosa ein Hirnarterienaneurysma, das die typischen Kriterien eines traumatischen Aneurysmas erfüllte. Die Behandlung erfolgte elektiv interventionell-neuroradiologisch durch endovaskuläres Coiling (Abbildung 3).
Abb. 3 (Fall 1): Angiografie vor dem Coiling: Der rote Pfeil zeigt auf das Aneurysma im Verlauf der Arteria Pericallosa. Die gelben Sternchen markieren die Klammern des Kopfschwartenverschlusses.
Fazit
Sowohl eine Erweiterung des Eingriffs in Bagdad zur definitiven Behandlung des Aneurysmas bei der Erstversorgung als auch eine Re-Kraniektomie zum Clipping hätten bei dem durch das Trauma bereits erheblich in Mitleidenschaft gezogenen Gehirn des verwundeten Soldaten zu einer vermeidbaren neuerlichen Manipulation des Hirnparenchyms geführt, die für den weiteren Genesungs- und Widerherstellungsprozess sicher nicht förderlich gewesen wäre. Eine schonendere Behandlung als durch das endvaskuläre Coiling gab es nicht. Dieses erfordert jedoch spezielle neuroradiologische und ggf. auch neurochirurgische Interventionsmöglichkeiten und Fachexpertise, die in einem Einsatzszenario nicht dauerhaft verfügbar sein können.
Der lebensrettende Eingriff (Entlastungs-Kraniektomie) in Bagdad wurde zwar von einem Neurochirurgen durchgeführt; er soll aber nach entsprechendem Training (Neurotrauma-Kurs) auch zum Repertoire eines Einsatzchirurgen gehören. Eine Aneurysma-Versorgung übersteigt einsatzchirurgisches Niveau hingegen in vielerlei Hinsicht. Der präsentierte Fall zeigt jedoch, dass eine zeitversetzte Sekundär-Diagnostik sowie -Versorgung zu keinem schlechteren Ergebnis führen muss.
Fallbeispiel 2
Ein ungarischer Soldat wurde beim einem IED Anschlag am 18. November 2014 in Afghanistan schwer an der HWS verletzt. Bereits beim Eintreffen des Patienten in Bagram Airfield (BAF) bestand ein vollständiger thorakaler sensomotorischer Querschnitt infolge einer Luxationsfraktur HW6/7. Röntgenaufnahmen von der Ausgangssituation liegen leider nicht vor.
DCS in Bagram
Die erste OP in BAF jedenfalls erfolgte umgehend nach Eintreffen am 18.11.2014. Zur Initialtherapie der Luxationsfraktur HW6/7 erfolgte eine dorsale Dekompression durch Laminektomie HW6 und nachfolgend eine Osteosynthese durch Massa-Lateralis-Verschraubung von HW5–7. Unmittelbar postoperativ erfolgte die Verlegung mit AirMedEvac in das Bundeswehrkrankenhaus Ulm, wo der Patient am 19. November 2014 – also in weniger als 24 h nach der Verwundung – eintraf.
Behandlung in Ulm
Abbildung 4 zeigt den Zustand nach der in BAF im Rahmen der DCS vorgenommenen dorsalen Dekompression und Osteosynthese, wie er bei der Aufnahme in Ulm bestand. Die thorakale Querschnittssymptomatik war (erwartungsgemäß) unverändert.
Abb. 4 (Fall 2): Ausgangsbefund nach Initialbehandlung in BAF: In der sagittalen Rekonstruktion (A) erkennt man die Laminektomie HW6 sowie eine noch bestehende leichte Subluxation. In der VRT-Rekonstruktion (B) sieht man den liegenden Fixateur sowie das Fehlen des Wirbelbogens HW6.
Innerhalb von 24 h nach Übernahme kam es klinisch zu einer kranialen Ausweitung des Querschnittes auf die C7-und teilweise die C6-Muskulatur. Im HWS-MRT fand sich als Ursache dafür Ursache eine progrediente Halsmarkschwellung kranial der Luxations-/Dekompressionshöhe (Abbildung 5).
Abb. 5 (Fall 2): Im MRT ist 24 h nach Übernahme des Patienten eine progrediente Halsmarkschwellung cranial der Luxation/Dekompression zu sehen.
Folgerichtig musste somit die Ausweitung der Dekompression erfolgen, um das weitere Voranschreiten der beginnenden sekundären Querschnittprogredienz (bei grundsätzlich noch bestehender Umkehrbarkeit dieser Situation) zu unterbrechen, wofür eine realistische Chance bestand. Da ohnehin eine ventrale Gegenabstützung der dorsal osteosynthetisch erstversorgten Segmente geplant war, wurde deshalb zusätzlich zur Gegenabstützung auch die erweiterte Dekompression des Spinalkanals von ventral erwogen.
Am 20. November 2014 erfolgte dazu die Wirbelkörperresektion von HWK6 (zur Dekompression) sowie die Fusion mit einem wirbelkörperersetzenden Kunststoff-Cage sowie einer ventralen Schrauben-Platten-Osteosynthese (Gegenosteosynthese) von HWK5–7 (Abbildung 6).
Abb. 6 (Fall 2): Intraoperative Röntgenaufnahme (oben) und postoperatives CT (unten)
Der Zweiteingriff verlief problemlos. Die CT-Aufnahmen zeigten die korrekte Implantatlage, ein postoperatives MRT (Abbildung 7) zeigte die suffiziente Dekompression des Spinalkanals. Die C6- und C7-Störungen bildeten sich wieder vollständig zurück, der tiefere Querschnitt persistierte jedoch. Am 30. November 2014 wurde der Patient per Lufttransport in ein ungarisches Querschnitt-Zentrum zur spezifischen Neuro-Rehabilitation verlegt.
Abb. 7 (Fall 2): Erfolgreiche Dekompression des Spinalkanals durch Resektion von HWK6, Einsatz eines Kunststoff-Cage und ventrale Plattenosteosynthese
Fazit
Eine zervikale Dekompression gehört nicht zwangsläufig zum Repertoire eines Einsatzchirurgen der Bundeswehr und ist auch nur theoretsicher Bestandteil des Neurotrauma-Kurses. Im BwKrhs Ulm werden beispielsweise alle Eingriffe an der HWS von Neurochirurgen vorgenommen, in anderen Kliniken erfolgt die Traumaversorgung der HWS jedoch gelegentlich auch durch Unfallchirurgen/Orthopäden. Diese Chirurgen sollten damit auch in der Lage sein, eine Laminektomie zur Dekompression an der HWS durchzuführen.
Es ist zu hinterfragen, ob ein primärer vollständiger Querschnitt unterhalb einer Läsionshöhe wirklich eine zwingende sofortige OP-Indikation (im Einsatz) bedingt. Die Ergebnisse der operativen Querschnitt-Therapie – selbst unter Idealbedingungen – und die aktuellen Leitlinien sprechen nicht unbedingt dafür. Dennoch wird in Deutschland nachvollziehbarerweise praktisch jede HWS-Fraktur mit neurologischen Störungen schnellstmöglich operativ dekomprimierend behandelt, wobei das Ziel jedoch weniger die Rückbildung bereits bestehender vollständiger Defizite ist als vielmehr im Verhindern einer weiteren sekundären Progredienz besteht. Die auf nicht starker Evidenz beruhenden AMWF-Leitlinien empfehlen diesbezüglich (anhand tierexperimenteller Studien und Meta-Analysen) die Dekompression bei progredienten neurologischen Störungen innerhalb von 24 h – was in diesem Fall mit einem Transport innerhalb eines Tages hätte eingehalten werden können.
Eine dorsale HWS-(Massa-Lateralis-)Osteosynthese hingegen ist definitiv kein Verfahren, das ein Einsatzchirurg beherrschen muss, weil es unserer Auffassung nach dafür keine zwingende primäre Indikation im Einsatz gibt. Eine ausreichende Primär-Therapie einer HWS-Verletzung kann nach Reposition einer Luxation und ggf. einer Dekompression kombiniert mit einer guten Narkose und einer suffizienten Hals-Orthese unter Vermeidung von Mobilisations- und Lagerungsmanövern der HWS gegeben sein. Dass zwei Neurochirurgen (wie im oben beschriebenen Fall) - wenn sie schon vor Ort sind, bei der Laminektomie den Situs vor sich haben und auch Material, Zeit usw. vorhanden sind – die dorsale Osteosynthese selbst vornahmen, ist verständlich. Allein – zwingend notwendig und neurologisch bedeutsam war Osteosynthese zu diesem Zeitpunkt nicht.
Die Entscheidung, vor Ort in BAF auf die Gegenstabilisierung von ventral zu verzichten, war richtig. Dafür bestand in der Situation ausschließlich eine elektive Indikation. Im Gegenteil, man hätte in BAF wahrscheinlich nur die Bandscheibenfächer HWK5/6 und 6/7 fusioniert, so wie es initial in Ulm auch geplant war. Die ventrale Dekompression wäre dann vor Ort in BAF nicht erfolgt, da man zu jenem Zeitpunkt den sekundär aufsteigenden Querschnitt noch nicht vor sich hatte. In der Konsequenz hätte dies u. U. also bedeutet, dass man die Fusion von ventral (wenn sie ohne zusätzliche Dekompression erfolgt wäre, wovon man ausgehen darf) bei Auftreten neuer neurologischer Defizite dann hätte revidieren müssen. So kam der Dekompressions- und Fusions-Eingriff von ventral genau richtig: an einem Ort, der dafür ideal ist, zu einem Zeitpunkt, der korrekt war sowie diagnostiziert und therapiert nach höchstmöglichem Standard mit maximaler Expertise dafür.
Fallbeispiel 3 und 4
Fall 3: Luxationsfraktur der BWS
Ein 23 Jahre alter Mann wurde 2022 in das Bundeswehrkrankenhaus Ulm eingeliefert, nachdem er bei Holzfällarbeiten von einem niederstürzenden Baum getroffen worden war. Präklinisch war er bereits intubiert worden.
Im Spiral-CT fand sich einer Rippenserienfraktur mit Lungenkontusionen und beidseitigem Hämato-/Pneumothorax, der die Anlage von 2 Thoraxdrainagen erforderte. Zudem lag eine Unterschenkel- und OSG-Fraktur vor, die zur Anlage eines externen Fixateurs führte (Abbildung 8).
Auf neurotraumatologischem Gebiet bestand eine massive spinale Luxation an der mittleren BWS, die im Grund zu einer kompletten Zerreißung des Rückenmarks geführt hatte (Abbildung 9).
Abb. 8 (Fall 3): Bei dem polytraumatisierten Patienten bestanden neben dem BWS-Trauma eine Unterschenkelfraktur (A), eine Sprunggelenksfraktur (B) und schwerste Lungenkontusionen mit einen beidseitigen Hämato-/Pneumothorax und Rippenfrakturen (C).
Abb. 9 (Fall 3): Im CT zeigt sich eine Luxationsfraktur BWK 8/9 mit ventraler Verschiebung von BWK 8 um mehr als eine halbe Wirbelkörperbreite (A). Im MRT ist die vollständige Zerreißung des Myelons erkennbar (B). Die a.p. Thoraxaufnahme auf der Intensivstation 2 Tage nach Trauma zeigt bipulmonale Verschattungen infolge von Lungenkontusionen und -ödem (C).
Die anästhesiologische Stabilisierung der pulmonalen Situation nahm mehrere Tage in Anspruch. Während dieser Zeit wurde der Patient in Intubationsnarkose gehalten und auf der Operativen Intensivstation nur mit en-bloc-Drehmanövern gelagert.
In diesem Fall dauerte es nach dem Primärtrauma 6 Tage, bis der Zustand des Patienten stabil genug für einen dorsalen Osteosynthese-Eingriff an der Wirbelsäule war. Das unmittelbar präoperativ angefertigte MRT (Abb. 9B) zeigte erwartungsgemäß eine Komplettruptur des Myelons, was sich auch intraoperativ bestätigte. Es erfolgte die Versorgung der Durazerreißungen sowie die Spondylodese von BWK5–11 einschließlich ventraler Fusion des Segmentes BWK8/9 (Abbildung 10).
Abb. 10 (Fall 3): Zustand nach multisegmentaler Spondylodese: (A) saggital, (B) koronar und in der postoperativen a.p. Thorax-Aufnahme
Fall 4: Hirnkontusion, Frontobasisfraktur und atlanto-axiales HWS-Trauma
Ein 17-jähriger Mann erlitt im Straßenverkehr als Rollerfahrer einen Auffahrunfall mit nachfolgendem Überrolltrauma. Präklinisch erfolgten bereits die Intubation und die Anlage von 2 Thoraxdrainagen.
Im Spiral-CT fand sich eine massive Kombinationsverletzung aller Körperhöhlen, mehrerer Extremitäten (Abbildung 11), des Schädels sowie der HWS (Abbildung 12).
Abb. 11 (Fall 4): Schwerstes Polytrauma mit Lungenkontusion links und Hämato-/Pneumothorax links (A), perihepatischer Flüssigkeitsansammlung und Milzruptur (B), und mehreren peripheren Frakturen, z. B. einer dislozierten Klavikulafraktur (C)
Abb. 12 (Fall 4): Neurotraumatologische Befunde bei dem polytraumatisierten 17-Jährigen: Frontale Hirnkontusion mit Frontobasisfraktur (A+B) und intraorbitalem Hämatom (C); die kleine intracerebrale Blutung (roter Pfeil) vergrößerte sich im Verlauf nicht. An der HWS zeigt sich eine Fraktur des Dens axis (D+E) und eine atlanto-axiale Band-/Kapsel-Verletzung (F)
Chirurgische Initial-Behandlung
Akut mussten zur Stabilisierung und Abwendung der unmittelbaren vitalen Bedrohung eine Splenektomie, ein Leber-Packing, die Versorgung einer Darmverletzung sowie die Anlage externer Fixateure mehrerer Extremitätenfrakturen und des Beckens erfolgen. Außerdem wurde ein Retrobulbärhämatom links entlastet. Kurz darauf wurde zudem eine transthorakale Perikardfensterung erforderlich.
Neurochirurgische Folge-Behandlung
Das Schädel-Hirn-Trauma mit Frontobasisfraktur und nicht raumfordernder frontaler Intracerebraler Blutung wurde konservativ therapiert und zeigte in der Bildgebung im Verlauf keine Verschlechterung. Eine initiale Liquorrhoe sistierte nach kurzer Zeit spontan, eine Hirndrucksonde wurde nicht angelegt, die Frontobasisfraktur blieb vorerst nicht operativ versorgt. Die Fraktur des Dens axis mit atlanto-axialer Verletzung war in der Summe zwar als instabil zu betrachten, jedoch wurde sie bei akzeptabler Fraktur-/Segmentstellung und angesichts des massiven Trauma-Loads zunächst nur mittels externer Orthese konservativ behandelt. Eine dislozierte Klavikulafraktur (Abbildung 11C) wurde zunächst ebenfalls nicht operiert.
In den darauffolgenden knapp 3 Wochen fanden bei dem zwischenzeitlich tracheotomierten Patienten mehrere Revisionseingriffe am Abdomen statt, zudem die schrittweise Umwandlung externer in interne Osteosynthesen. Eine Myelonverletzung fand sich im MRT der HWS nicht. Schließlich war die intensivmedizinische Situation am Tag 20 nach Primärtrauma ausreichend stabil für eine dorsale Osteosynthese von HWK1/2 (Abbildung 13).
Abb. 13 (Fall 4): Dorsale Schrauben-Stab-Osteosynthese des Atlas (A) und des Axis (B) mit norm-anatomischer Reposition der Densfraktur (C)
In den folgenden Wochen folgten zahlreiche weitere Eingriffe (u.a. Austausch mehrerer Fixateur externe durch geschlossene Osteosynthesen, u. a. des Beckens), sowie wiederholte Revisionen der schweren abdominellen Verletzungen. Status am 34 Tag nach dem Trauma: Mit der letzten internen Osteosynthese wurde eine Oberschenkelfraktur durch einen Marknagel versorgt, das Tracheostoma wurde verschlossen. Der Patient atmet suffizient spontan und hat ausreichende Schutzreflexe. Er kann einer Rehabilitationsbehandlung hoffnungsvoll entgegensehen.
Fazit der Fälle 3 und 4
An der neurologischen Situation war operativ keine Verbesserung zu bewirken (Fall 1 mit vollständiger, Fall 2 völlig ohne Rückenmarkverletzung). Ein spinaler Eingriff während der vulnerablen Initial-Phase hätte zu einer vital gefährdenden zusätzlichen Belastung in dieser Situation geführt. Die Durchführung der neurochirurgischen spinalen Eingriffe nach Stabilisierung des Allgemeinzustandes erfolgte zum richtigen Zeitpunkt, am richtigen Ort und unter situationsbezogen optimalen Bedingungen.
Auf die Situation im Einsatz bezogen bedeutet das:
Der Entschluss zur sofortigen definitiven „Ausversorgung“ der Wirbelsäule in einem Einsatzlazarett wäre – bei vergleichbarer klinischer Situation – eine Fehlentscheidung. Solche Patienten müssen anästhesiologisch und chirurgisch transportstabilisiert und zur Weiterversorgung an übergeordnete Zentren verlegt werden. Die operative Versorgung der Wirbelsäule ist in solchen Fällen nachrangig, selbst wenn es sich um eine instabile Verletzung handelt.
Eine Schädelbasisfraktur mit traumatischer Intrazerebralblutung und Liquorrhoe bedeutet nicht zwangsläufig eine sofortige Indikation zur Kopfoperation. Selbst eine ICP-Sonde ist nicht in jedem Fall zwingend erforderlich.
Bildquellen: Die Abbildungen 1 und 2 des Anhangs stammen aus dem US Field Hospital Bagram, die Angiografie in der Abbildung 3 wurde in der der Klinik für Radiologie des Bundeswehrzentralkrankenhauses Koblenz (Direktor: Oberstarzt Dr. Waldeck) angefertigt. Alle anderen Bilder im Anhang stammen aus der radiologischen Abteilung des Bundeswehrkrankenhauses Ulm (Direktor: Oberstarzt Dr. Efinger).
FIT FOR MISSION
Fitness and Activity Levels of German Military
Medical Personnel at the Bundeswehr Hospital Hamburg
Lorenz Scheita, Jan Schröderb, Kristina Helena Wolfa, Tony Hannes Richtera, Christian Buscha, Rüdiger Reerb
a Bundeswehr Hospital Hamburg, Department I – Internal Medicine
b University Hamburg, Faculty of Psychology & Movement Science
Summary
Introduction: Physical fitness is a crucial demand for all military units, but the use of fitness enhancing opportunities is difficult for Medical Service soldiers. This study aimed to evaluate fitness and physical activity in different occupational groups at the Bundeswehr Hospital Hamburg.
Materials and Methods: In a cross-sectional study, anthropometric (BMI, %body fat, waist circumference) and fitness parameters (Bundeswehr basic fitness test), and physical activity (1-week-monitoring: ActiGraph® accelerometer, IPAQ questionnaire) were assessed for 129 medical staff soldiers (physicians n = 45, 60 % female; nursing n = 42, 57 % female; administration n = 2, 50 % female).
Results: Occupational groups differed significantly in %body fat (physicians < administration, p = 0.010), basic fitness (physicians > administration, p = 0.003) and physical activity (IPAQ, nursing > physicians and administration, p < 0.001). Especially, female physicians presented as being fitter than female administration staff (p = 0.031).
Conclusions: Despite a lower physical activity, medical officers demonstrated a better body composition and physical fitness than other medical occupational groups.
Keywords: personnel, fitness, readiness, Bundeswehr, military, medical personnel
Introduction
For the current and future tasks of the Bundeswehr at home and abroad, all soldiers are expected to maintain a high level of physical fitness. These fitness requirements go beyond fitness for deployment abroad and include the everyday realities of working in a hospital and providing care to patients, such as high levels of stress, long periods of standing as well as moving, mobilizing and washing patients [23]. Basic physical fitness is part of every soldier’s individual basic skills and must be demonstrated annually by passing the standardized Basic Fitness Test (BFT). At the Bundeswehr Hospital Hamburg, opportunities for on-duty exercise (at least twice a week for 90 minutes), a fitness room and occupational health management measures are provided to ensure that personnel can maintain their physical fitness beyond recreational activities in their spare time [10]. ARVIDSON et al. showed that the level of physical activity is to be related to work ability and that an active lifestyle has a high relevance for improvement of future work ability for employees [3].
Personnel shortages, irregular work schedules and commitments in everyday life, however, often mean that some occupational groups at the hospital cannot participate in sports during working hours.
For example, a study by MACCKY et al. showed a nonsignificant change in individual fitness in medical students, which suggested a decrease in physical fitness during medical training [22]. The workload of physicians and nurses – with their sometimes more dynamic work conditions and medical backgrounds – is different from that of staff and administrative personnel – who tend to have more static work profiles and less medical knowledge – and would therefore suggest a different emphasis on fitness. Poor fitness and lack of exercise not only jeopardize the ability to perform as required in the field. Combined with increasingly sedentary work and independent of other physical activities, they also increase morbidity [29] and are a risk factor for many diseases such as susceptibility to infection [13], type 2 diabetes [30], cardiovascular disease [25], and mental illness [23].
Against this background, an initial cross-sectional analysis was conducted to determine whether physicians at the Bundeswehr Hospital Hamburg differed from a cross-unit population of 55,000 members of the Bundeswehr. This analysis revealed neither significant differences in BFT scores nor a difference in the constitutional parameter body mass index (BMI) compared to the general population of the same age. Waist circumference and body fat percentage were also within the normal range according to WHO criteria [28].
To further investigate correlations between fitness, physical activity and possible restrictions on fitness for duty, it seems reasonable to also include the nursing and administrative staff of the Bundeswehr Hospital in Hamburg. This is the starting point for this study.
The aim was to determine which differences or abnormalities in fitness, constitutional fitness parameters, and activity levels are occupational group specific. Given the different workloads, differences seemed likely not only in overall physical activity but also in associated constitutional or performance/fitness parameters.
Materials and Methods
Sample description
To recruit subjects, they were directly approached and contacted via the internal information system of the Bundeswehr Hospital Hamburg. Only military personnel of the hospital were recruited as subjects. They were informed about the aim of the study, the general conditions and the voluntary nature of their participation. They agreed to participate in the study and gave their consent to the publication of the data while maintaining the confidentiality of the data. The study was approved by the ethics committee of the University of Hamburg.
In addition to baseline anthropometric and cardiovascular data, participants were asked to provide fitness data from the BFT. For inclusion in the study, participants were also required to wear an accelerometer for objective recording of activity. They were also required to keep a complete log of their physical activity for one week. Data collection for the BFT, BMI, and accelerometer occurred over a 7-day period.
A total of 129 military personnel from the Bundeswehrkrankenhaus Hamburg (57 men, 72 women) were recruited, including physicians (n = 45, 18 men, 27 women), nurses (n = 42, 18 -men, 24 women), and administrative staff (n = 42, 21 men, 21 women). All participants were hospital volunteers.
Descriptive characteristics are presented in Table 1.
Data collection tools
BMI
BMI has been used as a health risk parameter, although a high BMI can be misinterpreted in people with an athletic and muscular body type if muscle mass is not taken into account [1]. A BMI between 18.5 and < 25 kg/m² is considered normal weight. BMI values below this range are defined as underweight. People with a BMI between 25 and 30 kg/m² are considered overweight (preadipose). A BMI of 30 kg/m² or more is classified as obesity [2].
Body fat
We used the caliper method according to Parizkova to determine body fat percentage based on skin folds at ten body sites [24]. With a sample population aged between 20 and 40 years, it can be assumed that the results of this method are comparable to those of bioelectrical impedance analysis [17]. Body fat percentages between 8 % and 20 % in men and between 21 % and 33 % in women were considered normal [9].
Waist circumference
Waist circumference is considered a diagnostic criterion for metabolic syndrome and is used in addition to BMI and body fat percentage to assess nutritional state and excess body weight. It was measured with a tape measure about 2 cm above the iliac crest in a standing position after expiration. A waist circumference of <80 cm in women and of <94 cm in men was considered normal [2].
Basic Fitness Test (BFT)
The measure of physical fitness used in this study was the results of the Basic Fitness Test (BFT), which is part of an annual assessment of individual basic abilities and is scored according to a point system. BFT results were required to be available no later than two months after biometric data collection. To account for gender differences in absolute fitness, the adjusted BFT score was used as the dependent variable instead of absolute scores in the test components (1,000-meter run, pull-up test, 11x10-meter sprint test) [8][11][18][21]. An overall score of 4.49 or lower is required to pass the BFT [4].
Accelerometry
An accelerometer (ActiGraph®, ActiLife6, FL, USA) was used to objectively measure cycles of physical activity and rest. Acceleration of the body or a body part (measured in 1-minute intervals, throughout the day, except when showering) serves as a biometric equivalent for physical activity. The ActiGraph® was attached to a belt worn on the hip for one week. Energy consumption (kcal per unit time) can be calculated from the signals. Total metabolic rate (basal metabolic rate plus activity metabolic rate) in kcal/24 hours was used as the dependent variable. Body mass was considered in the calculation of basal metabolic rate.
International Physical Activity Questionnaire (IPAQ)
The IPAQ (October 2002 version) is a simple international questionnaire designed to assess the subjective assessment of one’s physical activity in the past 7 days [15]. The test measures any activity lasting more than 10 minutes in four domains of daily life: physical activity at work, in traffic, in the home or family, and in leisure time or sports. The metabolic equivalent in minutes per week normalized to 60 kg body weight (METmin/week/60 kg) was used as the dependent variable [15]. The METmin/week represents the ratio of work metabolic rate (amount of energy expended during physical activity) to rest metabolic rate (amount of energy expended while sitting). In this study, the questionnaire referred to the week before the Actigraph® was worn.
Statistical methods
Data were described in terms of mean (M) and standard deviation (SD). After checking the application requirements (normal distribution, variance homogeneity), main effects (gender: male versus female; occupational groups: physicians versus nurses versus administrative staff) and their interaction effects were evaluated in an analysis of variance (two-factor analysis of variance, Bonferroni-corrected post hoc test). Effect size was calculated using partial eta² (eta²p). A probability of error of p ≤ 0.05 was accepted as significant.
Results
Sample characteristics (Table 1) revealed no age differences between men and women (F=0.035; p=0.852), but differences between occupational groups (F=5.100; p=0.007). Physicians were on average 4.8 years older than administrative staff (p=0.012). Naturally, men were taller than women (∆14 cm; F=147.639; p<0.001). There were no differences in height between occupational groups (F=0.846; p=0.432). The same was true for body weight, with men being heavier than women (∆16 kg; F=58.604; p<0.001); however, there were no differences between occupational groups (F=0.300; p=0.741). Men had slightly higher resting systolic blood pressure than women (∆7 mmHg; F=19.494; p<0.001), but again there were no differences between occupational groups (F=1.694; p=0.188). Differences related to diastolic blood pressure were similar (men: ∆3 mmHg; F=8.954; p=0.003; no differences between occupational groups: F=1.893; p=0.155). There were no differences between genders (F=0.063; p=0.802) or between occupational groups (F=0.092; p=0.913) in resting heart rate (Ø 71 bpm).
Table 1: Sample characteristics (mean and standard deviation)
Abbreviations: BP = blood pressure, sys = systolic, dias = diastolic, RHR = resting heart rate
Anthropometric, activity and fitness parameters
Differences between occupational groups in terms of activity or fitness parameters were differentiated by gender and are presented in Table 2.
Anthropometric-constitutional parameters showed no significant difference between occupational groups in terms of BMI (kg/m²) (F=1.144; p=0.322), but the average BMI of men was 1.3kg/m² higher than that of women (F=4.051; p=0.046), with no interaction between factors (F=0.105; p=0.900).
Table 2: Fitness, physical activity, anthropometric characteristics of the occupational groups and main and interaction effects determined by analysis of variance
Abbreviations: M = mean, SD = standard deviation, m= male, f = female
#women ≠ men (p < 0.05),*physicians < administrative personnel (p≤.01), +nurses > physicians, administrative personnel (p < 0.001)
#women ≠ men (p<.05), *physicians < administrative personnel (p ≤ 0.01), +nurses > physicians, administrative personnel (p < 0.001)
Females had a statistically significantly higher body fat percentage than males, although the difference did not appear to be significant (∆1.9%; F=7.457; p=0.007). There were differences between occupational groups in terms of body fat percentage (F=5.181; p=0.007), with physicians having an average of 2.8% less body fat than administrative staff personnel (p=0.010). However, there was no significant interaction between gender and occupational group factors (F=1.126; p=0.328), indicating that physicians had lower body fat percentage than administrative staff regardless of gender.
The average waist circumference (in cm) of male subjects was naturally 10 cm larger on average than that of female subjects (F=38.935; p<0.001), but there were no differences between occupational groups (F=0.214; p=0.808) or interactions (F=0.158; p=0.854).
The gender adjusted BFT score showed no overall gender differences (F=1.81; p=0.260), but there were differences between occupational groups (F=5.477; p=0.005), with physicians scoring significantly higher than administrative staff on average (p=0.003), explaining the significant interaction between factors (occupational group x gender) (F=3.589; p=0.031). Figure 1 shows that in particular female administrative staff had a worse fitness score than female physicians.
Although there were gender differences (F = 68.130; p < 0.001) in calorie expenditure (kcal/24h) as calculated on the basis of accelerometry, with women expending less energy due to their naturally lower body mass (∆577 kcal/24h), there were no differences between the occupational groups (F = 0.265; p = 0.768), and no interaction between the factors was observed (F = 0.447; p = 0.640) as shown in Figure 2.
No differences were found between men and women (F = 0.002; p = 0.966) regarding physical activity recorded over one week with the IPAQ questionnaire (METmin/week/60 kgBW), but there were differences between the occupational groups (F = 23.371; p < 0.001). Nurses were significantly more active (p < 0.001) than physicians (∆ 7679 METmin/week/60 kgBW; p < 0.001) and administrative staff (∆ 5988 METmin/week/60 kgBW; p < 0.001). There was no interaction of the factors (F = 0.322; p = 0.726), which means that the differences between occupational groups were not related to gender.
Figure 1: BFT grades of the individual occupational groups and standard deviations
Figure 2: ActiGraph total activity levels in kcal/24h of the individual occupational groups and standard deviations
Figure 3. Activity recorded with the IPAQ-questionnaire
Discussion
The purpose of this study was to determine the specific differences between occupational groups in physical fitness and activity during a typical work week.
Although the samples were small, an even gender and occupational distribution was achieved among the study populations. The subgroups did not differ in personal characteristics; only physicians were on average 4.8 years older than administrative staff, reflecting their long academic and clinical training periods.
For anthropometric fitness parameters, the only differences between men and women in BMI, waist circumference, and body fat percentage were naturally due to gender. Only body fat percentage showed a significant difference between occupational groups, with physicians having an average of 2.8 % less body fat than administrative staff.
Physical fitness, as measured by the BFT, was better among physicians than among administrative staff, which may be attributed to female physicians scoring better than female staff members. The poorer performance of female staff members in the pull-up test, pendulum sprint, and 1,000-meter run compared with female physicians could plausibly be explained by differences in body fat percentage, although motivational aspects may have played a role in addition to possibly poorer overall fitness. Systematic differences between men and women were due to gender differences in total body mass and muscle mass.
Although physicians and nurses work more hours per week than administrative staff and therefore presumably have less time for leisure activities, which may have a negative impact on physical activity (both leisure and on duty), this did not translate into poorer physical fitness. Overall, we found good BFT values and comparable activity calorie consumption across all occupational groups at the Bundes Hospital Hamburg.
Assuming that BFT reflects baseline physical fitness, these results suggest that soldiers at the hospital are taking sufficient measures to maintain their physical fitness and thus their mission readiness, regardless of their workload. Despite higher workloads, shift and weekend work, and fewer opportunities to exercise while on duty, in particular female physicians achieved better BFT scores than female administrative personnel. We can only speculate that perhaps the knowledge that as physicians they are more likely to be deployed overseas prompts them to take the initiative to work on their fitness outside of work. SARIDI et al. described in their study that lack of free time was cited as a reason for lack of physical activity by 58 % in a study group of 106 health professionals [27].
Reflecting our own preliminary research, these results suggest that military medical personnel in all occupational groups have baseline fitness levels comparable to members of other units [28].
Physical activity during a typical work week was determined using accelerometry and self-assessment [7][12][14]. Accelerometry measurements revealed no differences in physical activity between occupational groups. However, the IPAQ recall questionnaire for a single previous work week showed a gender-independent difference, with nurses recording more physical activity. This discrepancy may be due to methodological reasons: The results of the IPAQ recall questionnaire may be biased because subjects overestimate their own activity levels. Validity problems with moderate to intense activities are well known [14][19]. International studies on the IPAQ report overestimates of up to 40 % compared to objective accelerometric measurements, especially for intense and moderate activity [5][6][7][12][20][26]. However, it can be assumed that the daily work routine in nursing includes heavy physical work, whereas the work of administrative staff is predominantly sedentary and the work of physicians, although constantly stressful, is less physically demanding. These findings can be confirmed by the study of So YEON JUN, who describes significantly lower physical activity among physicians in a hospital compared to nurses on the support staff [16].
Limitations
Although the voluntary nature of participation in the study was essential, it is a limitation of the study results. Because of this bias, it is possible that primarily healthy, athletic military personnel volunteered to participate. Participation also involved some inconvenience due to always wearing an accelerometer and recording daily activities, which may also have introduced selection bias.
Conclusions
Our comparative analysis of fitness and activity parameters of medical personnel at the Bundeswehr Hospital Hamburg revealed no relevant differences between occupational groups. The gender-adjusted basic fitness test results were consistently positive. Against the background of our own preliminary investigations, there are no differences to other units regarding physical fitness. Independent of work profile-specific aspects, the fitness for duty and deployment of all occupational groups is not subject to any objectifiable practice-relevant limitations. In the context of our study, it can be stated that physicians achieve a significantly better BFT value than administrative staff.
Methodological limitations that resulted in small sample sizes limit the generalizability of our findings. Larger studies are needed in which additional parameters such as heart rate variability can be used to objectify autonomic stress parameters.
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Acknowledgement: Captain (MC) Jana Kellner, Bundeswehr Hopital Hamburg, contributed to the successful completion of this study by providing a variety of support to the study group.
Manuscript data
Submitted: October 4, 2021
Accepted after Revision: February 21, 2022
Citation
Scheit L, Schröder J, Wolf KH, Richter TH, Busch C, Reer R: Fitness and Activity Levels of German Military Medical Personnel at the Bundeswehr Hospital Hamburg. WMM 2022; 66(4): e3.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-7
For the authors
Lieutenant Colonel Dr. Lorenz Scheit, M.Sc.
Bundeswehr Hospital Hamburg
Department I – Internal Medicine
Lesser Str. 180, D-22049 Hamburg
E-Mail: lorenzscheit@bundeswehr.org">lorenzscheit@bundeswehr.org