Fit für den Einsatz?
Fitness- und Aktivitätsvergleich von Sanitätspersonal im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg (Kurzfassung)1
Lorenz Scheita, Jan Schröderb, Kristina Helena Wolfa, Tony Hannes Richtera, Christian Buscha, Rüdiger Reerb
a Bundeswehrkrankenhaus Hamburg, Klinik I – Innere Medizin
b Universität Hamburg, Arbeitsbereich Sport- und Bewegungsmedizin, Institut für Bewegungswissenschaft, Fakultät für Psychologie & Bewegungswissenschaft
Einleitung
Bei Sanitätspersonal der Bundeswehr werden im In- und Auslandsdienst hohe Anforderungen an die Fitness gestellt. Zum Erhalt der physischen Fitness stehen auch dem Personal eines Bundeswehrkrankenhauses (BwKrhs) wöchentlich 90 min Dienstsport während der Arbeitszeit zu [2]. Der Nachweis einer ausreichenden physischen Fitness wird jährlich im Rahmen der individuellen Grundfertigkeiten (IGF) mit Hilfe des Basis-Fitness-Tests (BFT) überprüft. Allerdings stellen die Anforderungen des klinischen Alltags (Patientenregelversorgung mit Stressoren durch Zeitdruck, Überstunden und Nachtschichten) Einflussfaktoren dar, die sich negativ auf die physische Fitness auswirken können. Eigene Daten lieferten Hinweise dafür, dass der Dienstsport von Sanitätsoffizieren des BwKrhs Hamburg in der Regel nicht wahrgenommen werden konnte [6]. Dennoch wurden für die Sanitätsoffiziere im Vergleich mit Referenzdaten von etwa 55 000 Truppensoldaten – als repräsentative Stichprobe für das Gesamtkollektiv der Bundeswehr – keine signifikanten Unterschiede im BFT beobachtet und ihre biometrisch-konstitutionellen Merkmale unterschieden sich nicht von altersadjustierten Referenzwerten der Normalbevölkerung [6]. Offenbleiben musste, ob sich diese Befunde für unterschiedliche Berufsgruppen des BwKrhs Hamburg verallgemeinern lassen.
In der vorliegenden Arbeit sollten daher etwaige Unterschiede im Fitness- und ergänzend im Aktivitätslevel der verschiedenen Berufsgruppen des BwKrhs Hamburg geprüft werden.
Methoden
Für eine punktuelle Querschnittsanalyse wurden insgesamt 129 Soldatinnen und Soldaten, bzw. zivile Angestellte (57 Männer, 72 Frauen) aus den Berufsgruppen des ärztlichen Dienstes (n = 45, 18 Männer, 27 Frauen), des Pflegedienstes (n = 42, 18 Männer, 24 Frauen) und aus dem Stab (n = 42, 21 Männer, 21 Frauen) rekrutiert.
Die körperliche Leistungsfähigkeit wurde im Vorfeld der prospektiven Datenerhebungen dieser Studie über den Basis-Fitness-Test (BFT) der Bundeswehr operationalisiert (11 x 10 m-Pendellauf, Klimmhangtest, 1000 m-Lauf), wobei die absoluten Ergebnisse (Zeiten) alters- und geschlechtsadjustiert in die korrespondierenden standardisierten Punktwerte und Benotungen transformiert wurden.
Zur Abbildung der körperlich-konstitutionellen Fitness wurde mit Beginn der Studie (nach Information, Aufklärung und Einverständniserklärung) der Body Mass Index (BMI) aus Körperhöhe und Körpermasse errechnet, der Taillenumfang gemessen, sowie der Körperfettanteil kalipermetrisch (10-Punkt-Methode nach Parizkova) bestimmt.
Die körperliche Aktivität über eine Woche wurde einerseits prospektiv akzelometrisch mit Hilfe eines Wearables (ActiGraph®) erfasst, das über 7 Tage annähernd ganztägig getragen werden musste. Als Bruttokriterium der körperlichen Aktivität wurde unter Berücksichtigung des körpergewichtsabhängigen Grundumsatzes und des Aktivitätsumsatzes der Tageskaloriengesamtumsatz (kcal/24 h) herangezogen.
Zusätzlich wurde die körperliche Aktivität retrospektiv als Selbsteinschätzung im Erinnerungsprotokoll für die Vorwoche vor dem Start der Studienteilnahme mit Hilfe des International Physical Activity Questionnaire (IPAQ) erhoben. Hierfür wurde das durchschnittliche Zeitbudget verschiedener Aktivitäten des täglichen Lebens (Freizeit, Arbeitswege, Arbeitszeit) standardisiert verrechnet, um als Bruttokriterium den Wochenkalorienverbrauch über das metabolische Äquivalent (MET) unterschiedlich intensiver Tätigkeiten normalisiert auf eine 60 kg Körpermasse zu ermitteln (MET min/Woche/60 kg).
Zur statistischen Auswertung wurden jeweils Mittelwert und Standardabweichung bestimmt; die Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen wurden durch Varianzanalyse analysiert (F-Test). Eine Fehlerwahrscheinlichkeit von p ≤ 0,05 wurde als signifikant bewertet.
Ergebnisse
Anthropometrisch-konstitutionelle
Fitness-Kennwerte
Bei den anthropometrisch-konstitutionellen Kennwerten ergab sich im BMI (kg/m²) kein signifikanter Unterschied zwischen den Berufsgruppen (F = 1,144; p = 0,322), aber Männer hatten einen um 1,3 kg/m² höheren BMI als Frauen (F = 4,051; p = 0,046), wobei die Faktoren nicht interagierten (F = 0,105; p = 0,900). Frauen wiesen nur leicht höhere Werte im Körperfettanteil (%) auf als Männer (∆ 1,9 %; F = 7,457; p = 0,007), und es gab Berufsgruppenunterschiede (F = 5,181; p = 0,007), wobei die Ärzteschaft 2,8 % weniger Körperfett aufwies als der Stab (p = 0,010). Die Faktoren interagierten jedoch nicht signifikant (F = 1,126; p = 0,328). Männer hatten einen um 10 cm größeren Taillenumfang als Frauen (F = 38,935; p < 0,001), während es weder Berufsgruppenunterschiede (F = 0,214; p = 0,808) noch Interaktionen gab (F= 0,158; p = 0,854).
Basis-Fitness-Test (BFT)
In der geschlechteradjustierten BFT-Note wurden zwar keine Geschlechterunterschiede beobachtet (F = 1,281; p = 0,260), aber es zeigten sich Berufsgruppenunterschiede (F = 5,477; p = 0,005) mit signifikant schlechteren Fitness-Noten der Stabmitarbeiter im direkten Vergleich mit der Ärzteschaft (p = 0,003), was inhaltlich die signifikante Interaktion der Faktoren „Berufsgruppe x Geschlecht“ erklären kann (F = 3,589; p = 0,031), die ihrerseits insbesondere durch die schlechteren Fitness-Noten der weiblichen Stabmitarbeiterinnen im Vergleich mit den Ärztinnen begründet wird (Abbildung 1).
Abb. 1: Berufsgruppendifferenzierte alters- und geschlechtsadjustierte BFT-Gesamtnoten für Sanitätsoffiziere, Pflegepersonal und Stabsangehörige
Akzelerometrie
Für Frauen wurde akzelerometrisch ein geringerer Tageskalorienumsatz (∆ 577 kcal/24 h) ermittelt als für Männer (F = 68,130; p < 0,001), jedoch ohne dass Berufsgruppenunterschiede (F = 0,265; p = 0,768) oder Interaktionen zwischen den Faktoren (F = 0,447; p = 0,640) vorlagen.
International Physical Activity Questionnaire (IPAQ-Fragebogen)
Für die Erfassung der körperlichen Aktivität mit Hilfe des IPAQ-Fragebogenprotokolls über eine Woche (METmin/Woche/60 kg) wurden keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen gefunden (F = 0,002; p = 0,966), aber zwischen den Berufsgruppen (F = 23,371; p < 0,001). Das Pflegepersonal wies eine signifikant höhere Aktivität (p < 0,001) auf als die Ärzteschaft (∆ 7679 METmin/Woche) oder der Angehörigen des Stabes (∆ 5988 METmin/Woche). Eine Interaktion der Faktoren lag jedoch nicht vor (F = 0,322; p = 0,726).
Korrelationsanalysen
Die per Fragebogen und Akzelerometer erfasste körperliche Aktivität korrelierten signifikant (r = 0,79; p < 0,01; r² = 0,63) und klärten 63 % der gegenseitigen Varianz auf. Die Leistung (BFT) korrelierte nur mäßig (r = -0,25; p < 0,01; r² = 0,06) mit der IPAQ-Aktivität, sodass sich die Merkmalsausprägungen nur zu 6,3 % gegenseitig erklärten. Ein Zusammenhang zwischen BFT-Leistung und ActiGraph-Aktivität lag nicht vor (r = 0,06; p > 0,05; r² = 0,003).
Eine gute Note im BFT-Leistungstest korrelierte mit einem niedrigen BMI (r = 0,45; p < 0,01; r² = 20 %), einem geringen Fettanteil (r = 0,65; p < 0,01; r² = 42 %) und einem kleinen Taillenumfang (r = 0,39; p < 0,01; r² = 15 %), während die Aktivität (ActiGraph) weniger mit den konstitutionellen Fitness-Kennwerten korrelierte (BMI: r = 0,32; p < 0,01; r² = 20 %; Fettanteil: r = 0,07; p > 0,05; r² = 0,4 %; Taillenumfang: r = 0,41; p < 0,01; r² = 15 %) und die Aktivität (IPAQ) gar keinen Zusammenhang damit hatte (BMI: r = -0,04; p>0,05; r² = 0,2 %; Fettanteil: r = -0,09; p>0,05; r² = 0,7 %; Taillenumfang: r = 0,14; p > 0,05; r² = 1,9 %).
Diskussion
Ausgehend von unserer Zielsetzung konnten wir im Hinblick auf Fitnesskennwerte nur geringfügige Unterschiede zwischen den Berufsgruppen des BwKrhs HH ermitteln. Begründet durch die ausreichend gute aber im Vergleich zu den Ärztinnen schlechtere BFT-Note der weiblichen Stabsmitarbeitergruppe ergab sich hier eine statistische Signifikanz zugunsten der Sanitätsoffiziere. Dieser Fitnessvorteil für die Ärzteschaft im Vergleich mit dem Stab bildete sich ebenfalls im Körperfettanteil, aber nicht im BMI oder im Taillenumfang ab. Die Bedeutung des Körperfettanteils zur Bewertung der körperlichen Leistungsfähigkeit wird durch die hochsignifikante Varianzaufklärung von mehr als 40 % der BFT-Note untermauert, während BMI und Taillenumfang als konstitutionelle Fitnesskennwerte weniger als 20 % der BFT-Note aufklärten.
Vor dem Hintergrund der dienstrechtlich eingeräumten Fitness-Trainingsmöglichkeit, aber oftmals hinderlicher Dienstumstände, diese Möglichkeit zu nutzen [2][6], wurde versucht, die körperliche Aktivität als potenzielle Quelle zum Fitness-Erhalt, bzw. zur Fitness-Verbesserung akzelerometrisch zu erfassen, ohne dass hier eine Differenzierung der Aktivitäten im Sinne von Sport und Training möglich war. Apparativ wurden keine Berufsgruppenunterschiede in der Alltagsaktivität gefunden und einen Zusammenhang mit dem Körperfettanteil als konstitutionellem Fitnesskennwert gab es ebenfalls nicht.
Die zusätzlich anhand eines standardisierten Fragebogens (IPAQ) erhobene körperliche Aktivität ergab eine signifikant höhere Aktivität des Pflegepersonals im Vergleich mit Ärzten oder Stabsmitarbeitern, ohne dass dies zu besseren Fitnesskennwerten in der körperlichen Leistung oder Konstitution geführt hätte. Die recht hohe gegenseitige Varianzaufklärung von mehr als 60 % für die per Akzelerometrie und Fragebogen erhobene Aktivität findet sich in Studien zur externen Validierung derartiger Erhebungsinstrumente wieder [1][3] und wird als Rechtfertigung dafür interpretiert, die körperliche Aktivität sowohl konservativ per Erinnerungsprotokoll (IPAQ) als auch apparativ biomechanisch per Wearable (ActiGraph) zu erheben, um Limitationen der beiden Zugänge möglicherweise besser begegnen zu können. Allerdings muss selbstkritisch eingeräumt werden, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen körperlicher Leistung und körperlicher Aktivität nur oberflächlich betrachtet als plausibel angenommen werden durfte, was sich in den nicht vorhandenen Korrelationen zwischen IPAQ- und BFT-Daten abbildete, die lediglich eine Varianzaufklärung von etwa 6 % ergab, während der Zusammenhang von akzelerometrisch ermittelter körperlicher Aktivität mit der Leistungsfähigkeit im BFT noch viel geringer war und die gegenseitige Varianzaufklärung nur 0,3 % betrug. Für alle Korrelationsanalysen mit den BFT-Noten muss jedoch berücksichtigt werden, dass die BFT-Noten allesamt auf hohem Niveau lagen und dass die Varianz der Noten nur gering ausgeprägt war, was formalstatistisch hohe Korrelationskoeffizienten erschwert.
Stärken und Schwächen der Studie
Die vorliegende Studie hat Stärken und Schwächen. Es darf als Stärke der Arbeit betrachtet werden, dass es für das medizinische Personal in BwKrhs kaum differenzierte Daten zur Fitness und zu berufsgruppenspezifischer körperlicher Aktivität gibt. Die mit 129 Probanden relativ kleine Stichprobe kann zwar nicht als repräsentativ interpretiert werden, zeigte aber eine gleichmäßige Verteilung der Personenmerkmale innerhalb des Kollektivs, sodass sich hieraus keine Verzerrungen für Berufsgruppenvergleiche ergeben mussten. Allerdings kann die unverzichtbare Freiwilligkeit zur Teilnahme an der Studie dazu geführt haben, dass sich vor allem sportlich aktive und gesunde Personen motiviert sahen, an der Studie teilzunehmen. So haben sich ungünstige konstitutionelle Verhältnisse im Körperfettanteil, beim Taillenumfang und im BMI innerhalb der untersuchten Berufsgruppen nicht bemerkbar gemacht. Für Selbsteinschätzungsverfahren wie den IPAQ können Erinnerungsverzerrungen und insbesondere Überschätzung der eigenen Aktivität (Wunschverhalten) nie ausgeschlossen werden. Die Validität des IPAQ ist grundsätzlich von der Intensität körperlicher Belastung abhängig und kurz andauernde oder moderate Aktivitäten werden nicht valide erfasst [4][5]. Immerhin werden fast 40 % der körperlichen Aktivität (IPAQ) nicht durch konkurrierende Akzelerometrie (ActiGraph) erfasst. Umgekehrt konnte auch die Verpflichtung zum annähernd ganztägigen Tragen des Akzelerometers – mit allen Unbequemlichkeiten – für einen Bias sorgen, indem erst gar nicht an der Studie teilgenommen wurde.
Schlussfolgerung
Insgesamt zeigten sich über alle Berufsgruppen des BwKrhs Hamburg gute BFT-Noten mit vergleichbarem akzelerometrisch erhobenem Kalorienverbrauch, sodass bei der Annahme, dass der BFT die körperliche Basis-Fitness widerspiegelt, davon ausgegangen werden kann, dass die Soldatinnen und Soldaten unabhängig von ihrem körperlichen Arbeitspensum, das sich vermutlich eher im IPAQ abbildet, eine gute körperliche Fitness aufweisen. In Bezug auf die Fitness müssen am BwKrhs Hamburg berufsgruppenübergreifend keine Einschränkungen für die Einsatzfähigkeit angenommen werden.
Literatur
- Ekelund U, Sepp H, Brage S et al.: Criterion-related validity of the last 7-day, short form of the International Physical Activity Questionnaire in Swedish adults. Public Health Nutr 2006; 9(2): 258-265. mehr lesen
- Generalinspektuer der Bundeswehr: ZDv 3/10 - Sport in der Bundeswehr (Neudruck 2010). mehr lesen
- Grimm EK, Swartz AM: Comparison of the IPAQ-Short Form and accelerometry predictions of physical activity in older adults. J Aging Phys Act 2012; 20(1): 64-79. mehr lesen
- Helmerhorst HJF, Brage S, Warren J: A systematic review of reliability and objective criterion-related validity of physical activity questionnaires. Int J Behav Nutr Phys Act 2012; 9: 103. mehr lesen
- Kurtze N, Rangul V, Hustvedt BE: Reliability and validity of the international physical activity questionnaire in the Nord-Trøndelag health study (HUNT) population of men. BMC Med Res Methodol 2008; 8: 63. mehr lesen
- Scheit L, Schröder J, Brandenstein S et al.: Fitnessevaluierung von Sanitätsoffizieren am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg. WMM 2020; 64(5): 170-175. mehr lesen
Die vollständige englischsprachige Studie sowie weitere Abbildungen werden unter dem Titel „Fitness and Activity Levels of German Military Medical Personnel at the Bundeswehr Hospital Hamburg“ im E-Paper dieser Ausgabe veröffentlicht.
Diese steht unter https://doi.org/10.48701/opus4-7
auch zum Download zur Verfügung.
Für die Verfasser
Oberfeldarzt Dr. Lorenz Scheit, M.Sc.
Bundeswehrkrankenhaus Hamburg
Klinik I – Innere Medizin
Lesser Str. 180, 22049 Hamburg
E-Mail: lorenzscheit@bundeswehr.org
1 Die vollständige englischsprachige Studie sowie weitere Abbildungen werden unter dem Titel „Fitness and Activity Levels of German Military Medical Personnel at the Bundeswehr Hospital Hamburg“ im E-Paper dieser Ausgabe veröffentlicht.
17. Medical Biodefense Conference 2021 im hybriden Format
Bereits seit Jahren zählt die vom Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr veranstaltete Medical Biodefense Conference zum weltweit führenden medizinischen Forum auf dem Gebiet der biologischen Gefahrenabwehr.
Mit mehr als 450 Teilnehmenden – teils in München, teils im World Wide Web – war die zweieinhalbtägige Medical Biodefense Conference 2021 (29. September–1. Oktober 2021) des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr trotz der Widrigkeiten durch die Corona-Pandemie ein großer Erfolg.
Ursprünglich geplant bereits für das Jahr 2020, musste die Veranstaltung aufgrund der pandemischen Lage auf Herbst 2021 verschoben werden. Um Planungssicherheit zu erreichen wurde bereits früh entschieden, erstmals auf ein Hybrid-Konzept zu setzen: Eine Präsenzveranstaltung für eine begrenzte Zahl an Teilnehmern, um wieder einen wissenschaftlichen Diskurs mit persönlichen Gesprächen aufleben zu lassen, aber auch eine Online-Teilnahme, um allen Interessierten ortsunabhängig die Möglichkeit zu geben, der Veranstaltung beizuwohnen und aktiv daran teilzunehmen.
Letztendlich konnten sich mehr als 450 Teilnehmende, u. a. aus der EU, den USA, Großbritannien, Mali und der Ukraine, in 16 wissenschaftlichen Sitzungen bei mehr als 95 Fachvorträgen über die Neuigkeiten im wehrmedizinischen B-Schutz und in angrenzenden Bereichen informieren. Das Spektrum der Vorträge reichte dabei von Antimicrobials, Bakteriophagen und Bioforensik über Dual-Use-Research of Concern bis hin zu Outbreak Management einschließlich Zoonosen.
Etwa die Hälfte der Teilnehmenden waren tatsächlich unter einem strengen Hygieneregime in München vor Ort anwesend, die anderen nahmen virtuell an den Sitzungen teil. Ebenfalls etwa die Hälfte der Vorträge wurden von extern eingespielt, Online-Zuhörer nahmen an der Diskussion rege teil. Debatten und „Networking“ verliefen dagegen im Vergleich zu einer reinen Präsenzveranstaltung aufgrund der reduzierten Präsenzteilnehmer deutlich ruhiger ab. Das Konferenzdinner, zur Einhaltung der Abstandsregeln im Festzelt im bayrischen Stil, war allerdings ein voller Erfolg. Ein ausgefeiltes Hygienekonzept während der Tagung sorgte für maximale Sicherheit der Anwesenden.
In einem waren sich daher am Ende alle einig: Es war richtig mit dem hybriden Format der Tagung einen Schritt in Richtung Normalität zu gehen und den Blick nach vorne zu richten. So konnte man auch mit Themen jenseits der Pandemie wieder in einen wissenschaftlichen internationalen Austausch mit Kollegen treten und Ideen austauschen.
Einige ausgewählte Abstracts von Vorträgen werden im E-Paper dieser Ausgabe in deutscher Übersetzung vorgestellt. Der vollständige Abstract-Band steht unter <https://military-medicine.com/media/article/4183/attachment-1635335703.pdf> zum Downlaod zur Verfügung.
Für das Organisationsteam
Priv.-Doz. Dr. Markus Antwerpen
Flottiilenarzt Priv.-Doz. Dr. Joachim J. Bugert
E-Mail: institutfuermikrobiologie@bundeswehr.org
17. Medical Biodefense Conference –
ausgewählte Abstracts
Nachfolgend werden ausgewählte Vortrags-Abstracts der 17. Medicial Biodefense Conference in deutscher Übersetzung vorgestellt. Einen Schwerpunkt bilden dabei Vorträge im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie. Weitere Themenblöcke befassen sich mit Pest und Milzbrand, Tierseuchen, aktuellen klinischen Aspekten der Infektionsbekämpfung und der Entwicklung auf dem Gebiet des therapeutischen Einsatzes von Bakteriophagen. Den Abschluss bilden ausgewählte Abstracts zu internationalen Aspekten der Biosicherheit und der sicherheitstrelevanten Forschung.
Der vollständige englischsprachige Abstractband steht unter <https://military-medicine.com/media/article/4183/attachment-1635335703.pdf> zum Download zur Verfügung.
SARS-COV-2
Labor des US Army Public Health Center: Pilot-Abwasserüberwachung auf SARS-CoV-2
R von Tersch, S Yerramilli, W Kowallis, A Gutierrez
US Army Public Health Center, Aberdeen Proving Ground, USA
SARS-CoV-2/COVID-19 entwickelte sich schnell von einem regionalen Ausbruch zu einer globalen Pandemie, bevor Wissenschaft, Medizin und Regierungen reagieren konnten. Hochinfektiöse Krankheiten wie COVID-19, potenziell waffenfähige Mikroben/Viren und antimikrobiell resistente Erreger sind allesamt Beispiele für biologische Bedrohungen, die die militärische Einsatzfähigkeit schnell beeinträchtigen können.
Es besteht ein dringender Bedarf an Ansätzen zur Überwachung der öffentlichen Gesundheit in größeren Militärgemeinschaften, die individuelle Diagnosetests ergänzen können, insbesondere dann, wenn groß angelegte individuelle Tests logistisch umständlich werden und medizinische Behandlungseinrichtungen überlastet sind. Die Untersuchung von Abwässern bietet ein nicht-invasives Mittel, um das Vorhandensein dieser Bedrohungen in einer Bevölkerung zu Beginn eines Ausbruchs ohne direkten Patientenkontakt oder individuelle Tests festzustellen. Dieser Ansatz wäre von besonderem Wert für Bevölkerungsgruppen, die sich auf engem Raum aufhalten, wie z. B. in Militäranlagen und -einrichtungen, in denen ein erhöhtes Risiko für eine schnelle Ausbreitung der Ansteckung besteht. Die jüngste Literatur deutet darauf hin, dass das SARS-CoV-2-Virus in hohen Titern im Abwasser nachgewiesen werden kann, und zwar durch fäkale Ausscheidungen von Personen, die noch keine klinischen Symptome aufweisen, und von asymptomatischen Trägern, einschließlich bereits geimpfter Personen.
Daher kann die quantitative Überwachung dieses Erregers im Abwasser als Frühwarnindikator für die Verbreitung dieses Virus dienen und das Wiederauftreten der Infektion und die Ausbreitung erkennen, bevor symptomatische Fälle auftreten. Es können dann umgehend Strategien zur Eindämmung der Auswirkungen und der Ausbreitung in der Bevölkerung entwickelt werden, um Störungen des Betriebs zu vermeiden. Die Abwasserüberwachung mit Hilfe empfindlicher molekularer Methoden bietet ein hocheffektives Mittel zum Nachweis und zur Quantifizierung von SARS-CoV-2 und anderen Krankheitserregern, die in menschlichen Abfällen ausgeschieden werden.
Wir haben ein präzises und hochempfindliches Verfahren entwickelt, mit dem sich das Virus in Abwasserproben nachweisen lässt, die vor der Einleitung in die Kläranlagen von Armeeeinrichtungen gesammelt wurden. Diese Methode ist auf aktuelle und künftige Krankheiten anwendbar, die in menschlichen Abwässern vorkommen können, indem eine quantitative Polymerase-Kettenreaktion (qPCR) eingesetzt wird. Zusätzlich kann die Methode zum Nachweis anderer pathogener Mikroben/Viren genutzt sowie auf die Testung anderer Matrices, die eine biologische Gefährdung für Soldaten darstellen können, angepasst werden. Schließlich werden in dieser Studie die für die Einführung einer dauerhaften Fähigkeit in allen Einrichtungen und Anlagen erforderlichen Ressourcen ermittelt.
Die Rolle des mobilen Labors bei der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie in der Region von Timbuktu, Mali
B Kouribaa, A Sangarea, B Traorea, E Sogodogoa, J Ouedraogoa, A Maigaa, Z Doumbiab, C Darac, D Kassoguéc
a Centre d’Infectiologie Charles Merieux-Mali, Bamako, Mali
b Regionales Gesundheitsamt von Timbuktu, Timbuktu, Mali
c Krankenhaus von Timbuktu, Timbuktu, Mali
Am 25. März 2020 wurde Mali offiziell von der Covid-19-Pandemie erfasst. Die Epidemie entwickelte sich rasch mit einer intensiven Übertragung in der Bevölkerung und mit diagnostischen Schwierigkeiten, da nur vier Labors in Bamako, der Hauptstadt Malis, Kapazitäten bereitstellen konnten. Vor diesem Hintergrund brach die Epidemie insbesondere in der Stadt Timbuktu im Norden Malis aus, die mehr als 1 000 km von Bamako entfernt liegt. Um auf diesen Ausbruch zu reagieren, hatte das malische Gesundheitsministerium den Einsatz des 2014 vom Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr(IMBw)am Centre d´Infectiologie Charles Mérieux (CICM) eingerichteten mobilen Labors in Timbuktu erbeten, um eine Diagnose vor Ort zu ermöglichen.
Vom 29. Mai bis zum 6. Juli 2020 stellte das CICM-Einsatzteam das mobile Labor in Timbuktu auf. Die Tests wurden innerhalb von 4 Stunden nach Erhalt der Proben durchgeführt und die Ergebnisse übermittelt. Patienten mit einem positiven Test wurden systematisch isoliert und im Zentrum behandelt. Diese Strategie des „Testens und Isolierens der Positiven“ mit Rückverfolgung der Kontaktpersonen verringerte Ansteckungsgefahr und Sterblichkeit deutlich.
Vor dem Einsatz des mobilen Labors wurden die Proben zweimal wöchentlich von UNHAS (United Nation Humanitarian Air Service) oder MINUSMA (United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali) nach Bamako geflogen. Die Ergebnisse wurden 72 Stunden später zurückgeschickt, wobei einige Proben aufgrund von Schwierigkeiten bei der Datenverarbeitung oder aufgrund von Probenverlusten ausgelassen wurden. Innerhalb einer Woche gab es im Krankenhaus von Timbuktu acht Todesfälle aufgrund von Atemnot, was auf die Behörden und die Bevölkerung der in einer unsicheren Zone gelegenen Stadt destabilisierend wirkte. Das Fehlen einer Diagnostik vor Ort führte zu einer Verzögerung bei der Behandlung von Patienten, die mit COVID-19 infiziert waren.
Mit dem Einsatz des mobilen Labors und der frühzeitigen Diagnose ging die Sterblichkeit deutlich zurück. Die Dynamik des Ausbruchs änderte sich und die Zahl der Ansteckungen, Krankenhausaufenthalte und Todesfälle durch COVID-19 in Timbuktu ging während der ersten Welle in Mali deutlich zurück.
Insgesamt wurden 1 516 Personen getestet, von denen 440 positiv waren, was einer Prävalenz von 29 % entspricht. Die Patienten wurden entweder im Krankenhaus oder in ihren Wohnungen isoliert. Während des Einsatzes, der 43 Tage dauerte, wurden nur 3 Todesfälle verzeichnet. Dieser Einsatz des mobilen Labors in einer epidemischen Situation war eine Gelegenheit, die Kompetenz des CICM-Mali-Teams zu testen, nachdem Experten des (IMBw) im Rahmen des Projekts „Enable and Enhance Initiative“ des deutschen Außenministeriums mehrere Schulungen durchgeführt hatten.
Lessons learned: Großer SARS-CoV2-„Tönnies“-Ausbruch mit 1 800 positiven Fällen in einem Schlachthof – militärische Unterstützung, Herausforderung für das Labor und Sequenzierungsergebnisse
C Tiemann
MVZ Labor Krone, Molec. Diagn., Bad Salzuflen, Deutschland
Im Juni 2020 wurde ein großer Ausbruch von SARS CoV-2 im Kreis Rheda-Wiedenbrück festgestellt. Nach einem Screening von 250 Vertragsarbeitern osteuropäischer Nationalität am ersten Tag, von denen 221 positiv auf CoV-2 waren, wurde von den Gesundheitsbehörden ein umfassendes Screening eingeleitet. Innerhalb der folgenden zwei Wochen wurden 1 800 Personen als positiv für SARS-CoV-2 identifiziert. Eine umfassende Untersuchung der in Gütersloh lebenden Menschen wurde eingeleitet. Mit Hilfe von stationären und mobilen Probenentnahmestrategien wurden Tausende von Einwohnern mittels PCR getestet. Die größten Herausforderungen waren zum einen die Organisation eines komplexen Screening-Verfahrens, zum anderen die zeitnahe Bereitstellung der Laborergebnisse und schließlich eine zuverlässige Information über den Ausbruchsverlauf.
Da die Gesundheitsbehörden von dieser Situation überrascht wurden und die Ressourcen für Screening- und Auswertungsaufgaben erweitert werden mussten, war eine enge Zusammenarbeit mit den Labors und vor allem die Unterstützung durch militärische Einheiten der Bundeswehr eine wichtige Voraussetzung für das Projekt. Eine Harmonisierung der Probenbarcodierung, standardisiertes Entnahmematerial und eine valide Logistik ermöglichten es dem Labor, das PCR-Ergebnis innerhalb weniger Stunden zu liefern. Das Fahndungsteam war so in der Lage, Kontaktpersonen effizient zu verfolgen. Im Nachhinein betrachtet hat das mutige und zielgerichtete Handeln aller Beteiligten einen großen Durchbruch in die Normalbevölkerung verhindert.
Um die Hintergründe des Ausbruchs zu erforschen und die Quelle des Ereignisses zu identifizieren, hat eine Studiengruppe im August 2020 begonnen, insgesamt 2 400 positive Proben mittels Hoch Durchsatz- Sequenzierung (HTS) zu analysieren. Seit Beginn des Ausbruchs waren alle Proben archiviert worden und standen für weitere Untersuchungen zur Verfügung. Das Projekt endete im Februar 2021 mit einer phylogenetischen Analyse von 1 800 positiven Fällen von Vertragsarbeitern und 400 positiven Fällen aus der Normalbevölkerung. Nach Abschluss dieser Auswertung wurden die Sequenzdaten mit den verfügbaren Metadaten der Proben (Alter, Wohnort, Zeitpunkt der Probenentnahme, Arbeitsort usw.) verknüpft. Die Tiefenanalyse dieser Big Data ist noch im Gange, aber erste Ergebnisse liegen bereits vor. Die Präsentation soll einen Überblick über die Prozesse und Abläufe eines plötzlichen großen Ausbruchs, effektive Lösungen und schließlich die aus diesem unglaublichen Szenario gezogenen Lehren geben. Die wissenschaftliche Nachbereitung ist eine interessante Ergänzung, um die Hintergründe der Erregerübertragung und die Umsetzung von Präventionsstrategien zu verstehen.
Schneller Nachweis von (neutralisierenden) SARS-CoV-2-Antikörpern mittels Chemilumineszenz-Mikroarray-Immunoassay
JT Klüpfela, M Ungererb, U Protzerc, P Knolled, O Haydene, M Elsnera, M Seidela
a Technische Universität München, Fakultät für Chemie, Lehrstuhl für Analytische Chemie, München, Deutschland
b ISAR Bioscience, Planegg, Deutschland
c Technische Universität München, Institut für Virologie, München, Deutschland
d Technische Universität München, Institut für Molekulare Immunologie, München, Deutschland
e Technische Universität München, Heinz-Nixdorf-Lehrstuhl für Biomedizinische Elektronik, München, Deutschland
Die SARS-CoV-2-Pandemie hält die Welt bereits seit über einem Jahr in Atem, hat viele Menschenleben gefordert und intensive Forschungsarbeiten erforderlich gemacht, um einen Ausweg aus der Pandemie zu finden. Selbst jetzt, da zahlreiche Impfstoffe zur Verfügung stehen, die Hoffnung auf eine Rückkehr zum normalen Leben machen, bleiben Fragen offen:
Wie lange hält die Immunität nach der Impfung an?
Wie wirksam sind Impfstoffe gegen das mutierte SARS-CoV-2?
Um Antworten auf diese Fragen zu finden, entwickelten wir einen schnellen Chemilumineszenz-Mikroarray-Immunoassay zum Nachweis von SARS-CoV-2-Antikörpern auf der Mikroarray-Plattform MCR-R. Dank des Microarray-Formats mit seiner Multiplex-Fähigkeit können Antikörper gegen Proteine verschiedener SARS-CoV-2-Mutationen gleichzeitig in einer einzigen Messung mit geringen Mengen an Serum, Plasma oder Vollblut nachgewiesen werden.
Die Probe wird in den Microarray-Chip injiziert, wo Antikörper an kovalent immobilisierte SARS-CoV-2-Proteine auf der Polycarbonat-Chipoberfläche binden können. Anschließend wird der Chip automatisch mit Detektionsantikörpern und Chemilumineszenzreagenzien gespült, das Chemilumineszenzsignal wird von einer CCD-Kamera aufgezeichnet und ein Messergebnis wird innerhalb von weniger als fünf Minuten erzielt.
Neben dem alleinigen Nachweis von Antikörpern gegen SARS-CoV-2 haben wir den Immunoassay auch auf den Nachweis neutralisierender Antikörper erweitert. Dazu wird der menschliche Rezeptor für SARS-CoV-2, ACE2, auf einem Microarray-Chip immobilisiert und eine Mischung aus Blutprobe und SARS-CoV-2-Rezeptorbindungsdomäne (RBD) in den Chip injiziert. Anschließend wird die Bindung der RBD an ACE2 durch Chemilumineszenz gemessen. Je nach der Menge der in der Probe vorhandenen neutralisierenden Antikörper ist eine Signalabnahme im Vergleich zur reinen RBD zu beobachten, die die Stärke der ACE2-RBD-Bindungshemmung durch die Antikörper in der Probe angibt. Diese Hemmung ist ein Maß für die Fähigkeit der Antikörper, den Zelleintritt von SARS-CoV-2 zu verhindern und damit die Infektion zu unterbinden. Dies ist ein großer Fortschritt, da der Nachweis von neutralisierenden Antikörpern derzeit ein sehr mühsamer, zeitaufwändiger und teurer Prozess ist.
Wir konnten daher einen kostengünstigen Microarray-Chip für den schnellen, automatisierten Nachweis von neutralisierenden Antikörpern gegen SARS-CoV-2 auf einer neuartigen Diagnoseplattform entwickeln, die eine große Hilfe bei den Herausforderungen sein kann, denen sich die Welt im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie noch stellen muss.
Erkennung von SARS-CoV-2-Infektionen durch Dufthunde – Doppelblindstudien
E Schalke1, HA Volk2
1 Schule für Diensthundewesen der Bundeswehr, Ulmen, Deutschland
2 Tierärztliche Hochschule Hannover, Abteilung für Kleintiermedizin und -chirurgie, Hannover, Deutschland
Zusammenfassung: Die COVID-19-Pandemie hat sich rasch über den gesamten Globus ausgebreitet. Schnelltests sind nach wie vor eine der wichtigsten Strategien zur Eindämmung der Ausbreitung. Spürhunde sind in der Lage, krankheitsspezifische flüchtige organische Verbindungen aufzuspüren, die von infizierten Körperzellen ausgehen, und könnten die derzeitigen Teststrategien unterstützen.
Methoden/Ergebnisse: In einer Pilotstudie wurden zehn Hunde darauf trainiert, SARS-CoV-2-Infektionen in inaktivierten Speichelproben zu erkennen. Sie waren in der Lage, zwischen Proben von mit SARS-CoV-2 infizierten Patienten und negativen Kontrollen zu unterscheiden. Die anschließende Transferleistung zur Erkennung von nicht inaktivierten Proben und die Nachweisgenauigkeit wurden in einer randomisierten Doppelblindstudie an verschiedenen nicht inaktivierten Körperflüssigkeiten (Speichel, Urin, Schweiß) getestet.
Die Hunde wurden an insgesamt 5 242 randomisierten Proben geprüft. Sie erkannten erkannten nicht inaktivierte Speichelproben mit einer durchschnittlichen Sensitivität von 84 % und einer Spezifität von 95 %. Beim Vergleich zwischen den drei Körperflüssigkeiten betrugen Sensitivität/ Spezifität 95 %/98 % für Urin, 91 %/94 % für Schweiß, 82 %/96 % für Speichel. Eine dritte Studie untersuchte die Fähigkeit der Hunde, SARS-CoV-2 von anderen Virusinfektionen zu unterscheiden.
In einer randomisierten Doppelblindstudie wurden Nasopharyngealabstriche und Zellkulturproben von 15 Viren als Distraktoren präsentiert. Die Hunde wurden entweder mit SARS-CoV-2-positiven Speichelproben (Szenario I) oder mit Überständen von Zellkulturen (Szenario II und III) trainiert. In Szenario I erkannten die Hunde positive Proben mit einer mittleren Sensitivität von 73,8 % und einer Spezifität von 95,5 %. In den Testszenarien II und III wurden Zellkulturüberstände von Zellen, die mit SARS-CoV-2 infiziert waren, Zellen, die mit anderen Coronaviren infiziert waren, und nicht infizierte Zellen vorgelegt. Die Hunde erreichten mittlere Sensitivitäten von 61,2 % (Szenario II) und 75,8 % (Szenario III). Die Spezifitäten lagen bei 90,9 % (Szenario II) bzw. 90,2 % (Szenario III).
Schlussfolgerungen: Die Spürhunde waren in der Lage, die konditionierte Geruchserkennung von inaktivierten Speichelproben auf nicht inaktivierte Speichel-, Urin- und Schweißproben zu übertragen. In den drei anderen Testszenarien lagen die mittleren Spezifitäten über 90 %, was darauf hindeutet, dass die Hunde SARS-CoV-2-Infektionen von anderen Virusinfektionen unterscheiden können.
Um COVID-19-Detektionshunde als zuverlässige Screening-Methode einsetzen zu können, ist es daher zwingend erforderlich, eine Vielzahl von Proben unterschiedlicher viraler Atemwegsinfektionen in die Ausbildung der Hunde einzubeziehen, um einen erfolgreichen Unterscheidungsprozess zu gewährleisten. Spürhunde können eine zuverlässige Screening-Methode für SARS-CoV-2-Infektionen sein.
Vergleichende Sensitivitätsbewertung für 122 CE-gekennzeichnete SARS-CoV-2-Antigen-Schnelltests
H Scheiblauer
Paul-Ehrlich-Institut, IVD-Prüflabor, Langen, Deutschland
Das Paul-Ehrlich-Institut (Langen, Deutschland) führte zusammen mit dem Robert-Koch-Institut (Berlin, Deutschland) und dem Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr (München) eine unabhängige Bewertung der Sensitivität von CE-gekennzeichneten SARS-CoV-2-Schnelltests (Ag RDTs) durch, die in Deutschland für Untersuchungen mit Erstattung durch das deutsche Gesundheitssystem zur Verfügung stehen. Die Sensitivität von 122 Ag-RDTs wurde anhand eines gemeinsamen Evaluierungspanels bewertet. Das Evaluierungspanel mit 50 Proben wurde vom Robert-Koch-Institut zusammengestellt. Jedes Panel bestand aus Pools von bis zu 10 nasopharyngealen oder oropharyngealen Abstrichen mit ähnlichen SARS-CoV-2-Konzentrationen, die mittels RT-PCR mit jeweils CT und virale RNA-Kopien/ml definiert und kalibriert gegen das Referenzpräparat des deutschen Ringversuchsanbieters INSTAND e. V. wurden.
Zusätzlich wurde das Vorhandensein infektiöser Viren für jedes Panel bestimmt. Es wurden drei Viruslast-Panel-Untergruppen unterschieden:
- CT 17–25 (18 Pools),
- CT 25–30 (23 Pools) und
- CT 30–36 (9 Pools).
Für Panel mit CT<25 musste eine Mindestsensitivität von 75 % erreicht werden, um als erstattungsfähige Ag-RDTs aufgeführt werden zu können.
Die Ergebnisse zeigten, dass die Sensitivität der SARS-CoV-2-AG-RDTs in einem weiten Bereich lag. Obwohl die Sensitivitätsschwelle von 75 % für Panelmitglieder mit CT <25 von 96 der 122 ausgewerteten Tests erreicht wurde, gab es auch 26 Tests mit geringerer Sensitivität, von denen einige völlig versagten. Auf der anderen Seite gab es auch mehrere Tests mit hoher Sensitivität, bis zu 100 % für CT <30.
Insgesamt war es auf der Grundlage dieser Auswertung möglich, die Sensitivität der SARS-CoV-2 Ag-RDTs im direkten Vergleich zu bewerten und so zwischen weniger empfindlichen und leistungsfähigeren Ag-RDTs zu unterscheiden.
Es wurde auch festgestellt, dass die Abstrichentnahme und die Vorbehandlung der Proben im jeweiligen Extraktionspuffer einen großen Einfluss auf die Empfindlichkeit haben. Ein weiteres Ergebnis war, dass Ergebnisse um CT 25 und darüber oft nur schwache Testlinien zeigten, so dass erfahrenes Personal für eine genaue visuelle Ablesung erforderlich war.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Marktzugang für SARS-CoV-2 Ag RDT auf einer unabhängigen Bewertung mit Mindestanforderungen an die Sensitivität und Spezifität beruhen sollte.
Entdeckung neuer SARS-CoV-2-Inhibitoren
M Puxeddua, F Huckeb, E Mastrandeloa, M Milania, M Nallia, G La Reginaa, JJ Bugertb, R Silvestria
a Sapienza University of Rome, Department of Drug Chemistry and Technologies, Rome, Italy;
b Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr, München, Deutschland
Es besteht ein dringender Bedarf an weiteren wirksamen Medikamenten für die Behandlung der SARS-CoV-2-Infektion. Remdesivir (Veklury), ein Nukleotid-Analogon, war von der FDA am 22. Oktober 2020 für bestimmte COVID-19-Patienten zugelassen worden. In der SOLIDARITY Studie der WHO 2021 zeigte Remdesivir keine signifikante Verminderung der Sterblichkeit bei COVID-Patienten.
Wir führten virtuelle Screening-Untersuchungen mit einer proprietären Substanzbibliothek von > 6000 Molekülen gegen konservierte SARS-CoV-2-Enzyme, nämlich Papain-like Protease (PLpro), 3C-ähnliche Proteinase (3CLpro) sowie gegen die NA-abhängige RNA-Polymerase (RdRp) durch. In vorläufigen Docking- und in vitro-Wirkungsstudien identifizierten wir Verbindungen mit EC50-Werten im niedrigen Mikromolaritäts-Konzentrationsbereich gegen die SARS-CoV-2-Stämme mucIMB und mucIMB-CB (Alpha-Variante) in Vero B6 Zellen. In einem Enzymassay hemmte die Verbindung RS2523 das SARS-CoV-2 PLpro Enzym mit IC50 = 27 µM und das entsprechende Enzym des SARS-HCoV-Stamms OC43 mit IC50 = 4,3 µM. Verbindung RS2523 wurde als Leitverbindung für Optimierungsstudien ausgewählt.
Impfung gegen COVID-19 – die Entwicklung des Impfstoffkandidaten MSARSCoV2
G Sutter
Ludwig-Maximilans Universität, Veterinärmedizinischen Fakultät – Abteilung für Virologie, München, Deutschland
In Rekordzeit wurden mehrere sichere und wirksame Impfstoffe gegen COVID-19 entwickelt. Die jüngsten Fortschritte bei der Verwendung von zugelassenen SARS-CoV-2-spezifischen Impfstoffen und die laufenden Forschungsarbeiten als Beitrag zur Entwicklung weiterer sicherer und wirksamer Impfstoffe gegen COVID-19 werden zusammengefasst.
Das modifizierte Vaccinia-Virus Ankara (MVA), ein replikationsdefizientes und sicherheitsgeprüftes Vaccinia-Virus, dient als Vektortechnologie-Plattform zur Herstellung von rekombinanten MVA-Impfstoffen in klinischer Qualität gegen neu auftretende Infektionen. Ein MVA-Vektorimpfstoff gegen das Coronavirus des Mittleren Ostens (MERS-CoV) hat sich im klinischen Einsatz als sicher und immunogen erwiesen und bietet eine hervorragende Vorlage für einen Impfstoffkandidaten gegen das schwere akute respiratorische Syndrom (SARS) Coronavirus 2 (SARS-CoV-2).
Hier beschreiben wir die Herstellung, Charakterisierung und Entwicklung von rekombinanten MVA-Viren, die SARS-CoV-2-Spike-Proteine (S) in voller Länge exprimieren (MSARSCoV2). Präklinische Impfungen zeigten eine solide Immunogenität von MSARSCoV2 mit der Induktion von S-Antigen-spezifischen CD8+ T-Zellen und virusneutralisierenden Antikörpern sowie eine schützende Wirksamkeit gegen SARS-CoV-2-Challenge-Infektionen.
MSARSCoV2 wird derzeit in einer klinischen Studie der Phase Ib untersucht.
PEST UND MILZBRAND
Neues Leben für alte Knochen – ein 5 000 Jahre alter Jäger und Sammler wurde bereits von Yersinia pestis geplagt
B Krause-Kyora
Universität Kiel, Institut für Klinische Molekularbiologie, Kiel, Deutschland
Die Pest, die im späten Mittelalter eine Pandemie auslöste, zu schätzungsweise 25 Millionen Todesfällen weltweit führte und als „Schwarzer Tod“ bekannt wurde, wird durch das Bakterium Yersinia pestis (Y. pestis) verursacht, das vor allem in Nagetieren vorkommt und durch Flöhe auf den Menschen sowie von Mensch zu Mensch übertragen werden kann. Neuere Studien haben gezeigt, dass der Erreger den Menschen schon zu einem viel früheren Zeitpunkt infiziert hatte. Wie genau er sich aber entwickelt hat und ab wann er für den Menschen gefährlich wurde, ist Gegenstand der aktuellen wissenschaftlichen Forschung.
In der vorliegenden Studie wurde das Genom von Y. pestis analysiert, das in den Überresten eines Mannes gefunden wurde, der vor etwa 5000 Jahren im heutigen Lettland lebte. Die Analysen geben Aufschluss über die sehr frühen Stadien der Evolution von Y. pestis. Anders als bisher angenommen,zeigen die Ergebnisse, dass die Bakterien bereits zu Beginn der Jungsteinzeit Menschen infizierten, aber wahrscheinlich nur ein begrenztes Infektionspotenzial besaßen, so dass sie sich noch nicht epidemisch ausbreiten konnten.
Schneller und effizienter Nachweis von Yersinia pestis in biologischen Pestproben mit Hilfe der schleifenvermittelten isothermischen Amplifikation
LN Randriantsehenoa, A Rahantamalalab, A Randrianierenanac, M Rajerisona, V Andrianaivoarimananaa
a Institut Pasteur de Madagascar, Abteilung Pest, Antananarivo, Madagaskar
b Institut Pasteur de Madagascar, Abteilung Immunologie von Infektionskrankheiten, Antananarivo, Madagaskar
c Universität Antananarivo, Abteilung für angewandte und grundlegende Biochemie, Antananarivo, Madagaskar
Die Pest, eine Infektion mit Yersinia pestis, ist ein ernstes Problem für die öffentliche Gesundheit in Madagaskar, von wo 75 % der menschlichen Fälle weltweit gemeldet werden. Die Lungenpest ist besonders ansteckend, da sie von Mensch zu Mensch übertragen werden kann. Wie die derzeitige Covid-19-Pandemie zeigt, sind schnelle und zuverlässige Diagnoseinstrumente für die Überwachung, Kontrolle und Bekämpfung der Ausbreitung von Infektionskrankheiten sehr wichtig. Was die Bestätigung der Pest betrifft, so ist die Isolierung des Y.-pestis-Stammes nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation nach wie vor der Goldstandard. Sie ist jedoch mühsam und zeitaufwendig. Serologie und molekularer Nachweis von Y. pestis-spezifischen Genen (caf1) sind schneller, aber nur im Zentrallabor für Pest in Antananarivo verfügbar. Der Schnelldiagnosetest für den F1-Antigen-Nachweis (F1RDT) ist derzeit der einzige verfügbare Point-of-Care-Test, der jedoch bei alleiniger Anwendung keine Bestätigungswirkung hat.
Hier berichten wir über die Entwicklung der Loop-Mediated Isothermal Amplifikation (LAMP) zum Nachweis von Y. pestis. Die Primer wurden auf das caf1-Gen angepasst. Temperatur, Reaktionszeit und Reagenzien wurden unter Verwendung von Y. pestis-DNA-Extrakten optimiert, und zur Visualisierung der Ergebnisse wurde die Farbänderung von Sybr Green I verwendet. Das optimierte Verfahren wurde auf Kreuzreaktionen mit 14 anderen Krankheitserregern untersucht, und die Nachweisgrenze wurde durch 10-fache Verdünnung von Y. pestis-DNA-Extrakten bestimmt. Zur Bewertung der Sensitivität und Spezifität von LAMP caf1 wurden13 biologische Pest-Proben und 47 Nicht-Pest-Proben untersucht. Ein effizienter Nachweis wurde mit 0,95 M Betain nach 35 min Reaktion bei einer konstanten Temperatur von 63 °C im Wasserbad erzielt. Bei den 14 getesteten Krankheitserregern wurde keine Kreuzreaktion festgestellt, und die Nachweisgrenze lag bei nur 3,79 pg/µl. Im Vergleich zum Goldstandard hatte LAMP caf1 eine Sensitivität von 97,9 % (95 % CI: 89,1 %–99,9 %) und eine Spezifität von 94,6 % (95 % CI: 88,6 %–-97,9 %) mit einem Kappa-Koeffizienten von 0,89, was eine fast perfekte Übereinstimmung zwischen den beiden Tests zeigt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass LAMP caf1schnell und relativ kostengünstig ist, da nur ein Wasserbad benötigt wird. Die Technik ist auch einfach, da die Ergebnisse direkt mit bloßem Auge ablesbar sind. Sie kann Y. pestis in biologischen Pestproben des Menschen mit hoher Empfindlichkeit und Spezifität nachweisen. Daher kann es in Kombination mit F1 RDT in Ländern mit begrenzten Ressourcen wie Madagaskar, wo die Pest noch endemisch ist, zur schnellen Diagnose und Bestätigung von Pestausbrüchen eingesetzt werden.
Der vernachlässigte Virulenzfaktor?
Die Rolle der Kapsel bei der Pathogenität von Bacillus anthracis
H Levy
Israelisches Institut für biologische Forschung, Abteilung für Infektionskrankheiten, Ness Ziona, Israel
Die Pathogenese von Bacillus anthracis beruht auf der koordinierten Aktivität von zwei wichtigen Virulenzsystemen: den dreiteiligen Toxinen und der Poly- δ -D-Glutaminsäurekapsel. Durch die Inaktivierung jedes dieser Systeme wird die Fähigkeit der Sporen, den Wirt zu infizieren, aufgehoben.
Während die Rolle der Toxine in vitro und in vivo eingehend untersucht wurde, ist über die Rolle der Kapsel wenig bekannt, abgesehen von ihrer vermuteten Rolle beim Überleben in phagozytischen Zellen des Immunsystems. Wir haben bereits gezeigt, dass die Toxine zwar in den ersten Phasen einer wirksamen Infektion von wesentlicher Bedeutung sind, dass aber B. anthracis den Wirt auch ohne aktive Toxine tötet, sobald er im Blut ist.
Um die Rolle der Toxine und der Kapsel in der systemischen Phase von Milzbrand zu untersuchen, haben wir ein intravenöses (IV) Infektionssystem mit vegetativ vorkonditionierten Bakterien verwendet. Dieses System ermöglichte die Untersuchung der Rolle der verschiedenen Virulenzfaktoren im tödlichen fortgeschrittenen Stadium der Krankheit. Anthrax-bedingte Meningitis wurde bei Menschen und nichtmenschlichen Primaten vor allem durch Autopsie nachgewiesen. Wir haben eine ähnliche Pathologie bei Kaninchen und Meerschweinchen nach einer Infektion mit einem vollständig virulenten Stamm oder mit einer Toxin-Null-Mutante nachgewiesen. In all diesen Fällen wurde eher eine Meningitis als eine Enzephalitis beobachtet. Eine IV-Infektion mit einem toxinogenen, nicht verkapselten (Impfstoff-)Stamm führt jedoch bei etwa 50 % der Tiere zum Tod, wobei alle Tiere eine Gehirnpathologie aufweisen, die auf eine Enzephalitis hindeutet. Die vorgeschlagene Rolle der Kapsel und des Adhäsionsproteins in diesem Prozess wird dargestellt.
TIERSEUCHEN
Ausgewählte biologische Wirkstoffe aus tierärztlicher Sicht
U Schotte, K Marquart, L Johanson, A Petrov
Zentrales Institut des Sanitätsdienstes der Bundewehr Kiel, Abteilung A – Veterinärmedizin, Kronshagen, Deutschland
Die meisten besorgniserregenden Infektionskrankheiten sind Zoonosen, die eine ideale Plattform für interdisziplinäre Zusammenarbeit und Forschung aus einer Gesundheitsperspektive sind. Im Zusammenhang mit zoonotischen Infektionskrankheiten konzentrieren sich Veterinäre auf den hochsensiblen Nachweis und die Identifizierung möglicher Reservoire und/oder Vektoren für den jeweiligen Erreger. Im Gegensatz dazu wird der hochspezifische Nachweis klinischer Fälle von bedenklichen ausländischen Tierkrankheiten durch das europäische Tiergesundheitsgesetz geregelt. Die Falldefinition ist streng definiert, einschließlich diagnostischer Standards bis hin zur Zertifizierung kommerzieller diagnostischer Testkits, die ausschließlich für diagnostische Zwecke zugelassen sind. Am wichtigsten ist, dass für die Labordiagnostik zugelassene molekulare und serologische Verfahren im Einklang mit dem deutschen Tiergesundheitsgesetz angewandt werden müssen. Dies erfordert oft eine zusätzliche Testvalidierung, wenn Proben aus medizinischer und tierärztlicher Sicht untersucht werden müssen.
Das tatsächliche Ausmaß der Ausbrüche von Geflügelpest (HPAI) und Afrikanischer Schweinepest (ASFV) lässt erahnen, welche Folgen die (illegale) Einschleppung fremder Tierseuchen haben kann; auf diese Ausbrüche waren die Europäische Union und Deutschland durch regelmäßig aktualisierte Risikobewertungen auf der Grundlage ihrer natürlichen Epidemiologie und Merkmale vorbereitet. Obwohl es sich bei dem HPAI-Ausbruch 2020/21 um den größten Ausbruch in Mitteleuropa seit Jahrzehnten handelte, konnte durch die Umsetzung von Bekämpfungsmaßnahmen eine weitere Ausbreitung in Nutzgeflügelbeständen selbst in Gebieten mit hoher Besatzdichte verhindert werden. Dennoch sind bis Ende Juni 2021 in Deutschland rund 2 Millionen Vögel verendet.
Der ASPV-Ausbruch in Europa zeigt ein völlig anderes Bild. Im Gegensatz zu älterer Literatur ist das ASP-Virus nicht hoch ansteckend, die geringe Ansteckungsfähigkeit wird ergänzt durch die hohe Letalität von nahezu 100 % in naiven Populationen. Langfristiges Überleben in Tierkörpern und in Lebensmitteln von Schweinen führt zu einer langen lokalen Persistenz. Die diagnostischen Möglichkeiten müssen auch bei Kadavern in verschiedenen Verwesungsstadien, einschließlich Knochen, wertvolle und zuverlässige Ergebnisse liefern.
Seit der Einschleppung der ASP nach Deutschland im Jahr 2020 wurde im Februar 2021 der erste ASP-Fall auf einem Truppenübungsplatz festgestellt. Militärische Aktivitäten in den betroffenen Gebieten werden auf das absolute Minimum reduziert, um eine weitere Ausbreitung der Seuche zu verhindern. Die Bekämpfung von fremden und bedrohlichen Tierseuchen ist somit auch eine militärische Aufgabe mit dem Ziel, die zivil-militärische Zusammenarbeit zu verbessern.
Oralflüssigkeitsbasierte Überwachungsstudie der Afrikanischen Schweinepest bei Wildschweinen in der Ukraine
MY Kita, C Poppb, H von Buttlarb, AP Gerilovycha, J Schwarzb
a Nationales wissenschaftliches Zentrum „Institut für experimentelle und klinische Veterinärmedizin“, Abteilung für molekulare Epidemiologie und Diagnostik, Kharkiv, Ukraine
b Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr, Abteilung für Bakteriologie und Toxikologie, München, Deutschland
Die Afrikanische Schweinepest (ASP) ist eine ansteckende Krankheit von Haus- und Wildschweinen, die durch das Virus der Afrikanischen Schweinepest (ASPV) verursacht wird. Eine akute Form der Krankheit führt zu einer Sterblichkeitsrate von bis zu 100 %. Wenn die Krankheit jedoch in einem neuen Gebiet endemisch wird, werden die klinischen Symptome milder und die Sterblichkeitsrate sinkt. Überlebende Tiere bilden Antikörper und können das Virus in einer Population verbreiten (Eblé et al., 2019).
Seit dem ersten Ausbruch im Jahr 2012 wurden in der Ukraine mehr als 540 Fälle von ASP registriert. Seit 2018 nimmt die Zahl der registrierten Krankheitsfälle stetig ab (2018–145 Fälle, 2019–53 Fälle, 2020–28 Fälle, 2021–6 Fälle). Dies könnte auch ein Indikator für die Endemizität der ASP in der Ukraine sein. Wir gehen davon aus, dass eine versteckte Ausbreitung der ASPV in der Wildschweinpopulation einschließlich der überlebenden Tiere stattfinden könnte.
Daher ist das Ziel unserer Arbeit eine Überwachungsstudie der ASP in der Wildschweinpopulation in der Ukraine. Die Mundflüssigkeit könnte eine alternative Art von klinischem Material für die Diagnose sein, da die Probenahme nicht invasiv, tierfreundlich und stressfrei ist. Die Mundflüssigkeit enthält IgA-, IgM- und IgG-Antikörper und eine Vielzahl von Infektionserregern, so dass sie sowohl mit molekularen als auch serologischen Methoden getestet werden kann (Pricket und Zimmerman, 2010).
Daher sammelten wir Mundflüssigkeit von Wildtieren mit einer Seil-im-Köder-Probentechnik (Mouchanat et al., 2014). Zu diesem Zweck verwendeten wir Seile, die in eine Matrix aus Maismehl, Milchpulver, Kokosnussöl, Paraffinwachs und Mandelaroma eingebettet waren. Die Köder wurden in den Jahren 2020 und 2021 in Wäldern im Oblast Charkiw (Ukraine) ausgelegt, und zwar im Winter, wenn das Nahrungsangebot für die Tiere begrenzt war. Die Untersuchungsgebiete sind bekanntermaßen von Wildschweinen bewohnt. Die Expositionszeit variierte zwischen 7 und 21 Tagen für die verschiedenen Köder.
Insgesamt verteilten wir 240 Köder und sammelten 103 Proben von Seilen, die von Wildtieren zerkaut wurden. Zur Gewinnung der Mundflüssigkeit inkubierten wir die gekauten Seile mit 5 ml Kochsalzpuffer für 30 Minuten bei 25 °C. Nach der Inkubation gaben wir die Seile in Spritzen und drückten die Flüssigkeit in Plastikröhrchen ab.
Um sicherzustellen, dass die gesammelten Mundflüssigkeiten von Wildschweinen stammen, werden wir das Sus scrofa COX1-Gen mittels PCR nachweisen. Alle Sus scrofa-positiven Proben werden mittels schleifenvermittelter isothermischer Amplifikation (unveröffentlicht) auf das Vorhandensein des ASFV c962r-Gens getestet. Darüber hinaus werden wir die Proben mit einem neu entwickelten ELISA auf das Vorhandensein von Antikörpern gegen ASFV testen.
FÜR DIE KLINIK
Eine neuartige Immunisierungsplattform zur Gewinnung potenter Antikörper, die eine Opioidvergiftung blockieren und eine Überdosierung verhindern
J Verdi, G Triller, E Vlachou, J Zeelen, M van Straaten, M Pravetoni, E Stebbins, FN Papavasiliou
Deutsches Krebsforschungszentrum, Heidelberg, Deutschland
Bei vielen früheren Versuchen, Antikörper gegen kleine Moleküle wie Fentanyl und Carfentanyl zu erzeugen, wurden herkömmliche Antigenträgersysteme verwendet, die sich in diesem Bereich bisher als unzureichend erwiesen haben. Wir haben eine neuartige Plattform zur Erzeugung von Antikörpern entwickelt, die sich durch eine außergewöhnliche Epitopfokussierung auszeichnet und keine zusätzlichen Adjuvantien benötigt, um starke Reaktionen zu erzeugen. Die Plattform basiert auf der einzigartig repetitiven und antigenen Oberflächenbeschichtung von Trypanosoma brucei, die zu einem großen Teil aus variantem Oberflächenglykoprotein (VSG) besteht. Die repetitive und dichte Beschaffenheit dieser Hülle bietet eine robuste antigene Oberfläche, die zu einer extrem epitopfokussierten Immunantwort führt.
In jüngster Zeit haben wir unsere Plattform, das VAST (VSG-immunogen Array by Sortase Tagging), auf das Opioid Fentanyl angewandt, in der Hoffnung, sowohl einen Impfstoff zur Verhinderung einer Überdosis als auch passive Therapien gegen eine Überdosis zu entwickeln. Die Plattform wird durch die Sortase-vermittelte Markierung von Fentanyl (oder jedem anderen „sortaggable“ Antigen) an VSG erzeugt, gefolgt von einer Inaktivierung der Parasiten vor der Injektion. Wir zeigen, dass unser Impfstoff Nagetiere reproduzierbar vor einer Fentanyl-Intoxikation schützt, indem er Fentanyl im Serum einfängt und so den Zugang zu den Opioidrezeptoren im Gehirn verhindert. Wir haben auch B-Zellen von den geimpften Tieren entnommen, diese Zellen sequenziert und schnell Antikörper mit niedriger pikomolarer Affinität identifiziert, die als passive Therapeutika eingesetzt werden können.
Die auf Trypanosomen basierende Plattform zur Auslösung von Antikörpern bietet einen neuen Weg zur Entwicklung von Immuntherapeutika und Diagnostika, die spezifisch für „schwierige“ Antigene wie Fentanyl und andere kleine Moleküle sind, die im Bereich der Abwehr von Bedeutung sind.
WGS-basierte Analyse der antimikrobiellen Resistenz, MLST und Motilität von Acinetobacter baumannii im One-Health-Kontext in Deutschland
G Wareth, LD Sprague, H Neubauer
Friedrich-Loeffler-Institut, Institut für bakterielle Infektionen und Zoonosen, Jena, Deutschland
Acinetobacter baumannii ist ein ubiquitäres, gramnegatives Bakterium, das weltweit mit Krankenhausinfektionen in Verbindung gebracht wird. Multiresistente (MDR) Stämme wurden von Menschen, Nutz- und Haustieren, Wildtieren, Lebensmitteln und der Umwelt isoliert. Daher gilt A. baumannii als globales One-Health-Problem mit möglicher Verbreitung und Übertragung zwischen diesen miteinander verbundenen Sphären. Das volle Ausmaß des möglichen Infektionsrisikos für den Menschen im Zusammenhang mit dem Kontakt mit Tieren, dem Verzehr von Lebensmitteln und der Kontamination der Umwelt ist jedoch unbekannt.
Es wurden Antibiotika-Empfindlichkeitstests, Motilitäts- und WGS-Analysen von 89 A. baumannii durchgeführt, die von Menschen, Tieren und in Deutschland hergestellter Trockenmilch isoliert wurden. Bei der Multilocus-Sequenztypisierungsanalyse (MLST) nach dem Pasteur-Schema wurden 16 ST und sieben neue ST identifiziert. ST/241 war am häufigsten in Proben nicht-menschlichen Ursprungs, während ST/2 in menschlichen Proben vorherrschend war. Die höchste Resistenzrate wurde gegenüber Chloramphenicol (100 %) beobachtet, gefolgt von Fosfomycin (96 %) und Cefotaxim (95 %). Die niedrigsten Resistenzraten wurden gegenüber Colistin, Trimethoprim/Sulfamethoxazol, Tigecyclin und Amikacin festgestellt. Ein Stamm mit genetischen Resistenzdeterminanten wurde aus einem Pferd mit Konjunktivitis isoliert.
Die antimikrobiellen Resistenzgene in sequenzierten Stämmen und im gesamten Genom von 104 deutschen Isolaten, die in der NCBI-Datenbank hinterlegt sind, wurden untersucht. Das ant(3‘‘)-IIa-Gen, das eine Resistenz gegen Aminoglykoside verleiht, war mit einer Häufigkeit von 100 % das am weitesten verbreitete Gen, gefolgt vom blaADC.25-Gen, das eine Resistenz gegen Cephalosporine verleiht, mit einer Häufigkeit von 38,6 %, und den beiden Genen, die eine Resistenz gegen Carbapeneme verleihen, blaOXA-23 und blaOXA-51-like (blaOXA-66 Variante), mit einer Häufigkeit von 29 % bzw. 26,5 %. Etwa ein Viertel der Genome (26 %) enthielt Sul2, das eine Resistenz gegen Sulfonamide verleiht. Die Häufigkeit des tetB-Gens, das eine Resistenz gegen Tetracyclin verleiht, betrug 19,5 %, und die Varianten des erworbenen blaTEM wurden mit einer Häufigkeit von 12 % gefunden. A. baumannii wies unterschiedliche Bewegungsmuster auf, und Stämme, die pilA enthielten, wuchsen schneller.
A. baumannii ist ein schwerwiegender und neu auftretender Krankheitserreger, der in Deutschland nosokomiale und ambulant erworbene Infektionen verursacht. Die Daten über die Auswirkungen von A. baumannii-Stämmen von (Haus-)Tieren auf die menschliche Gesundheit sind noch nicht schlüssig. Um das mögliche zoonotische Risiko dieses Erregers für die Gesundheit von Mensch und Tier zu bewerten, ist eine weitere umfassende genomische Überwachung erforderlich.
Hitzewellen-assoziierte Vibrio-Infektionen in Deutschland 2018 und 2019
S Dupkea, TT Brehmb, L Bernekingc, MS Martinsd, D Jacoba, H Scholza, O Drechsele, K Beckerf, A Kramerg,
M Christnerh, M Aepfelbacherh, S Schmiedelb, H Rohdeh
a Robert Koch-Institut, ZBS 2: Zentrum für Biologische Bedrohungen und Spezielle Krankheitserreger, Hochpathogene Mikroorganismen, Berlin, Deutschland
b Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, I. Abteilung für Innere Medizin, Hamburg, Deutschland
c Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene, Hamburg, Deutschland
d Institut für Meereskunde, Centrum für Erdsystemwissenschaften und Nachhaltigkeit, Universität Hamburg, Hamburg, Deutschland
e Robert Koch-Institut, MF1: Bioinformatik, Berlin, Deutschland
f Friedrich Loeffler-Institut für Medizinische Mikrobiologie, Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Deutschland
g Institut für Hygiene und Umweltmedizin, Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Deutschland
h Deutsches Zentrum für Infektionsforschung (DZIF), Partnerstandort Hamburg-Lübeck-Borstel-Riems, Hamburg, Deutschland
Vibrio spp. sind aquatische Bakterien, die bevorzugt in warmem Meerwasser mit mäßigem Salzgehalt wachsen. Neben den Serovaren O:1 und O:139 von V. cholerae, dem Erreger der Cholera, sind mehrere Vibrio-Arten als humanpathogene Erreger von Wundinfektionen, Gastroenteritis und Ohrentzündungen bekannt.
In den Sommermonaten 2018 und 2019 wurden in der deutschen Ostsee beispiellos hohe Meeresoberflächentemperaturen gemessen, was zu einer großen Anzahl von Vibrio-Infektionen beim Menschen mit unterschiedlichen Erscheinungsformen führte. Wir haben eine beobachtende, retrospektive, multizentrische Kohortenstudie von Patienten durchgeführt, bei denen in den Jahren 2018 und 2019 in Deutschland eine im Inland erworbene Vibrio-Infektiondiagnostiziert wurde. Demografische, klinische und mikrobiologische Daten wurden ausgewertet. Verfügbare Isolate wurden einer Ganzgenomsequenzierung und einer antimikrobiellen Empfindlichkeitsprüfung unterzogen.
Wir identifizierten 63 Patienten mit Vibrio-Infektionen, von denen sich die meisten zwischen Juni und September vor allem in der Ostsee angesteckt hatten. Bei 38 Patienten (60 %) traten Wundinfektionen auf, bei 16 (25 %) Ohrinfektionen, bei sechs (10 %) Gastroenteritis, bei zwei (3 %) eine primäre Septikämie und bei einem (2 %) eine Lungenentzündung nach Seewasseraspiration. Die Mehrzahl der Infektionen wurde V. cholerae (non-O1/non-O139) (n=30; 48 %) oder V. vulnificus (n=22; 38 %) zugeschrieben. Phylogenetische Analysen zeigten Cluster identischer Stämme von V. vulnificus, die Wundinfektionen an verschiedenen geografischen Orten verursachten, was darauf hindeutet, dass sich bestimmte klonale Linien über die Ostsee verbreiten könnten. Diese Studie zeigt deutlich, dass die schweren Hitzewellen in den Sommermonaten 2018 und 2019 eine große Anzahl von Vibrio-Infektionen in Deutschland begünstigt haben. Da der anhaltende Klimawandel die Vermehrung dieser Bakterien begünstigen dürfte, ist in Zukunft mit einer weiteren Zunahme von Vibrio-assoziiertenErkrankungen zu rechnen. Besonders gefährdet für eine Infektion mit Vibrio spp. wären Menschen mit Vorerkrankungen oder einem geschwächten Immunsystem.
BAKTERIOPHAGEN
Reporter-Phagen-basierter Nachweis bakterieller Krankheitserreger: Design, Technik und Anwendung
SN Kilcher
ETH Zürich – Institut für Lebensmittel, Ernährung und Gesundheit, D-HEST, Zürich, Schweiz
Reporter-Bakteriophagen (Phagen) werden gentechnisch so verändert, dass sie ein Reportergen abgeben, das in infizierten Bakterien exprimiert und anschließend nachgewiesen wird, um die Anwesenheit lebensfähiger Wirtszellen anzuzeigen. Aufgrund der schnellen Kinetik und hohen Spezifität der Phageninfektion ermöglichen Reporterphagen eine schnelle und zuverlässige Überwachung und Erkennung von Krankheitserregern in klinischen Proben, kontaminierten Lebensmitteln und in Produktions- und Verarbeitungsstätten. Die Entwicklung von Reporterphagen hängt von der Identifizierung von Phagenkandidaten mit geeignetem Wirtsspektrum und von der Verfügbarkeit effizienter Genom-Engineering-Werkzeuge zum Einfügen von Reportergenen ab.
Bakteriophagen – alte Antiinfektiva mit neuen Perspektiven
H Ziehra, M Bracka, C Dasenbrockb, D Garbec, M Häfnerd, S Hebeckera, R Hertrampffe, A Hüserf, I Korfa, B Langf, A Lakowitza, M Müllerf, C Rohdeg, A Rossa, Q Scheferf, C Seitza, M Stichlingd, W Wenzelf, S Wieneckea,
S Wienholda, C Willye, J Wittmannh, M Witzenratha
a Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin (ITEM), Braunschweig, Deutschland
b Charité-Universitätsmedizin Berlin (Charité), Abteilung für Infektionskrankheiten und Lungenheilkunde und Abteilung für Lungenentzündung, Berlin, Deutschland
c Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin (ITEM), Hannover, Deutschland
d Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Abteilung XXIV – Krankenhausapotheke, Berlin, Deutschland
e Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Klinik XIV – Orthopädie, Unfallchirurgie, Septische und Rekonstruktive Chirurgie, Berlin, Deutschland
f Charité Research Organisation (CRO), Berlin, Deutschland
g Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Abteilung XXI – Klinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene, Berlin, Deutschland
i Leibniz-Institut DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen, Braunschweig, Deutschland
Bakterielle Krankheitserreger entwickeln zunehmend Resistenzen gegen alle Gruppen von Antibiotika. Infolgedessen gibt es zahlreiche Fälle von bakteriellen Infektionen, bei denen die verfügbaren Antibiotika nicht mehr wirksam sind. Dies ist die Motivation, Ergänzungen zur klassischen Antibiotikatherapie zu erforschen. Eine vielversprechende Methode ist der therapeutische Einsatz von Bakteriophagen.
Zwei therapeutische Phagenprojekte, Phage4Cure und PhagoFlow, werden derzeit vom Fraunhofer ITEM in Braunschweig und seinen Projektpartnern durchgeführt.
Pseudomonas aeruginosa ist eines der am häufigsten vorkommenden Bakterien in der Lunge von Mukoviszidose-Patienten und führt zu einem fortschreitenden und schweren Krankheitsverlauf. Seit 2017 wird das Projekt Phage4Cure vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. In diesem Projekt wurden drei P. aeruginosa-Phagen von der Deutschen Sammlung für Mikroorganismen und Zellkulturen (DSMZ) isoliert, in Wirtszellen vermehrt und für die Anwendung in einem inhalierbaren Cocktail aufgereinigt. Die Herstellung des Phagen-Wirkstoffs erfolgt unter Einhaltung der pharmazeutischen Qualitätsanforderungen, d. h. der Guten Herstellungspraxis (GMP). Jede Komponente des Phagenwirkstoffs wird am Fraunhofer ITEM aseptisch hergestellt. Der Phage4Cure-Phagencocktail wird im Jahr 2022 in einer klinischen Studie (Phase I, IIa) eingesetzt werden. Derzeit ist die Erweiterung der Herstellungslizenz beantragt und wartet auf die Genehmigung.
Das DSMZ, das Fraunhofer ITEM Braunschweig und das Bundeswehrkrankenhaus Berlin haben 2019 das gemeinsame Projekt PhagoFlow gestartet, das durch den Innovationsfond des Deutschen Bundestages öffentlich gefördert wird. Ziel des Projektes ist es, Herstellbarkeit und Qualitätsanforderungen für magistrale Phagenpräparate in Deutschland zur Behandlung von Patienten mit Wundinfektionen der Extremitäten zu untersuchen. Magistrale Phagenpräparate sind maßgeschneiderte Formulierungen von Phagencocktails, die individuell auf die Infektion des Patienten zugeschnitten sind. Zielbakterien sind Erreger der Prioritätsklassen 1 und 2 der WHO-Liste, für die dringend neue Antibiotika benötigt werden. Dieses Projekt wird in enger Abstimmung mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) durchgeführt.
In diesem Vortrag werde ich die jüngsten Fortschritte in der Phagen-Engineering-Technologie mit Schwerpunkt auf der synthetischen Biologie und CRISPR-Cas9-gestützten Plattformen erörtern. Diese neuen Werkzeuge sind auf viele Bakteriengattungen anwendbar und können zur Anpassung der Wirtsspezifität von Phagen und zur schnellen Konstruktion und Optimierung von Reporter-Phagengerüsten verwendet werden. Neben der Erleichterung der Erregeridentifizierung und -differenzierung können diese Plattformen auch die personalisierte Phagentherapie unterstützen, indem sie ein schnelles diagnostisches Begleitinstrument zur Bestimmung der Empfindlichkeit von Patientenisolaten gegenüber therapeutischen Phagenprodukten bereitstellen.
Rekombinante Rezeptorbindungsproteine von Bakteriophagen als vielseitige Werkzeuge für den Erregernachweis
P Braun, F Dähner, D Neif, L Dobrzykowski, G Grass
Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr, München, Deutschland
Bei hochpathogenen Bakterien wie Yersina pestis oder Bacillus anthracis ist ein schneller und eindeutiger Nachweis entscheidend für eine rechtzeitige Antibiotikatherapie infizierter Patienten. Die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) ist der Goldstandard für die Diagnose der meisten Infektionskrankheiten. Während der Nachweis spezifischer Gene mittels PCR innerhalb weniger Stunden erfolgen kann, lässt sich das Vorhandensein intakter Bakterien in der Regel erst nach einem bis mehreren Tagen durch kultivierende Methoden nachweisen.
Seit Jahrzehnten werden Plaque-Assays mit hochspezifischen Bakteriophagen als Low-Tech-Alternative zur PCR weithin eingesetzt. Phagen-Empfänglichkeitstests sind jedoch zeitaufwändig und erfordern in der Regel Reinkulturen von verdächtigen Isolaten. Die Verwendung von Phagenrezeptor-Bindungsproteinen (RBP) anstelle ganzer Phagen kann den phagenbasierten Erregernachweis erleichtern und beschleunigen. RBP, bei denen es sich z. B. um Phagenschwanzfasern oder -spikes handeln kann, werden vom Virus zur Erkennung spezifischer Oberflächenstrukturen auf bakteriellen Wirtszellen eingesetzt und bestimmen daher in der Regel die Phagenspezifität. Rekombinante RBP können als genetische Fusionen mit Reporterproteinen, wie z. B. Enzymen oder fluoreszierenden Proteinen, hergestellt und so als molekulare Sonden für den Erregernachweis verwendet werden. Darüber hinaus können RBP an magnetische Kügelchen gekoppelt werden und als hochspezifische Fängermoleküle für bakterielle Anreicherungs- oder Isolierungsverfahren dienen. Hier haben wir putative RBP verschiedener Phagen, die spezifisch für B.anthracis oder Y. pestis sind, als Fusionen mit fluoreszierenden Proteinen hergestellt. Daraus haben wir mikroskopisch basierte Ansätze für den einfachen, schnellen und hochspezifischen Nachweis dieser berüchtigten Krankheitserreger in Reinkulturen und in klinisch relevanten Matrices entwickelt.
Bakteriophagen mit Colicinen ausstatten, damit sie effektiver töten
C Harrisona, M Clokiea, N Waterfieldb, A Millarda
a Universität von Leicester, Genetik und Genombiologie, Leicester, Vereinigtes Königreich
b Universität von Warwick, Warwick Medical School, Coventry, Vereinigtes Königreich
Bakteriophagen sind von Natur aus effiziente Killer ihrer bakteriellen Wirte und bieten angesichts der zunehmenden Zahl antibiotikaresistenter bakterieller Infektionen ein vielversprechendes Potenzial als therapeutische Wirkstoffe. Die spezifische Natur von Bakteriophagen und ihre selbstreplizierende Natur machen sie als therapeutische Mittel attraktiv. Der Einsatz von Phagen bietet zwar viele Vorteile, hat aber auch seine Grenzen. Zu diesen Einschränkungen gehört ihre Wirtsspezifität, was bedeutet, dass nicht alle Bakterienstämme von einem einzigen Phagen abgetötet werden können. Außerdem können ihre bakteriellen Wirte mit der Zeit eine Resistenz entwickeln. Einige dieser Einschränkungen lassen sich durch die sorgfältige Auswahl von Phagen und die Kombination zu Phagen-Cocktails überwinden, oder man kann Phagen so verändern, dass sie mehr Bakterien abtöten können.
Hier haben wir einen T4-ähnlichen Phagen entwickelt, der verschiedene Colicine tragen kann. Colicine sind kleine Moleküle, die von Escherichia coli produziert werden und für andere E. coli giftig sind, die nicht über ein Immunprotein verfügen, das sie vor diesem Colin schützt. Wir haben untersucht, wie es sich auswirkt, wenn ein Coliphage so verändert wird, dass er während des Infektionsprozesses Colicine produziert. Wir haben festgestellt, dass Colicin-Gene im Genom eines Coliphagen stabil gehalten werden können. Diese Colicin-haltigen Phagen sind effizienter bei der Abtötung ihrer bakteriellen Wirte. Darüber hinaus sind diese Phagen in der Lage, zuvor phagenresistente E. coli-Mutanten und ein breiteres Spektrum von E. coli abzutöten, wenn sie mit mehreren E. coli-Stämmen kultiviert werden.
Therapeutische Bakteriophagen-Cocktails für den Einsatz gegen multiresistente Infektionen
A Filippov, H Freyberger, Y He, A Ward, N Mzhavia, Y Kwak, M Tong, P Mc Gann, J Bennett, S Tyner, D Ellison, D Getnet, M Nikolich, B Swierczewski
Walter Reed Army Institute of Research, Abteilung für bakterielle Krankheiten, Silver Spring, Vereinigte Staaten
Hintergrund. Die ESKAPEE1-Erreger verursachen verschiedene multiresistente (MDR) Infektionen, deren Behandlung eine Herausforderung ist. Bakteriophagen (Phagen) sind eine der vielversprechendsten Alternativen zu Antibiotika, wie die Ergebnisse mehrerer kürzlich durchgeführter klinischer Studien und die erweiterte Zugangstherapie in einer Reihe von klinischen Fällen gezeigt haben. Der Zweck dieser Arbeit bestand darin, die Ergebnisse der Aktivität unserer Phagen-Panels gegen klinische Isolate von ESKAPEE-Bakterien zu analysieren, maßgeschneiderte Cocktails zu formulieren, diese Cocktails zu reinigen und zu testen und die FDA-Freigabe für die therapeutische Anwendung durch behandelnde Ärzte zu ermöglichen.
Methoden: Die Wirksamkeit der Phagen wurde mit Hilfe eines Ausplattierungstests getestet und nur Phagen mit sequenzierten Genomen wurden als potenzielle Therapeutika ausgewählt. Die Phagen wurden durch Hochgeschwindigkeitszentrifugation in Cäsiumchlorid-Gradienten über Nacht durch Chromatografie mit Detoxi-Gel Endotoxin-Entfernungsgel (Thermo Scientific, USA), EndoTrap-Säulen (Hyglos, Deutschland), Dialyse gegen ein 1 000-faches Volumen PBS-Mg (phosphatgepufferte Kochsalzlösung mit 10 mM Magnesiumsulfat) und Filtersterilisation vom Endotoxin gereinigt. Die Phagen für kundenspezifische Cocktails wurden aseptisch gemischt und filtriert. Phagen-Einzeldosen (109 PFU pro 1 ml des Cocktails) wurden in sterile, nicht-pyrogene Kryoröhrchen abgefüllt. Die Sterilitätstests wurden mit dem Rest der Phagenmischung in einem flüssigen Medium und auf Agarplatten 72 h lang intern und 14 Tage lang gemäß USP<71> im Auftrag eines privaten Unternehmens durchgeführt. Der behandelnde Arzt meldete der FDA die Ergebnisse zu Potenz und Reinheit der Phagen (einschließlich des Endotoxin- und Exotoxin-A-Gehalts) sowie zur Sterilität.
Ergebnisse: Ein 5-Phagen-Cocktail, PPM1, wurde gegen eine schwere P. aeruginosa-Kniewundinfektion eingesetzt. Nach einer sechswöchigen intravenösen (IV) Behandlung wurde bei dem Patienten keine P. aeruginosa-Infektion mehr festgestellt. Ein Cocktail aus vier Phagen, PPM3, wurde einem älteren Patienten mit einer Infektion durch P. aeruginosa in einem ventrikulären Unterstützungssystem intravenös verabreicht, was zunächst zu einer deutlichen Verbesserung des Zustands des Patienten und zur Beseitigung der Bakterien führte. Der dritte Cocktail aus drei Phagen, PPM2, wurde gegen eine Infektion mit P. aeruginosa in einem Aortentransplantat eingesetzt und führte zu einer vollständigen Beseitigung der Infektion. Zwei einzigartige E. coli-Phagen, die in unserem Labor isoliert wurden, werden derzeit zur Behandlung von wiederkehrenden Bakteriämien mit unbekannter Infektionsquelle eingesetzt. Für die Bakteriophagentherapie sind weitere randomisierte klinische Studien erforderlich.
Phagentherapie in Europa
M Clokie
Universität von Leicester, Abteilung für Genetik und Genome Biology, Leicester, Vereinigtes Königreich
Die Phagentherapie erfährt derzeit weltweit einen Aufschwung des Interesses. Sie eignet sich besonders zur Bekämpfung von Krankheiten, bei denen Bakterien gegen Antibiotika resistent sind oder sich in schwer zugänglichen Teilen des Körpers befinden, die eine antibiotische Behandlung unwirksam machen.
In dem Bestreben, unsere Abhängigkeit von Antibiotika zu verringern, kann die Phagentherapie in den Kontext eines neueren Konzepts zur Veränderung des Mikrobioms und zur selektiven Beseitigung wichtiger Krankheitserreger gestellt werden.
In Europa haben einige Länder wie Georgien und Russland eine besonders lange Beziehung zur Phagentherapie, da sich dort die Praxis der Verwendung von Phagen entwickelt hat. Frankreich und Polen haben ebenfalls eine lange Tradition in der Anwendung der Phagentherapie, die bis heute fortgesetzt wurde. In jüngerer Zeit hat Belgien die Praxis sowohl bei der Behandlung von Patienten als auch bei der Regelung von Zulassungsfragen vorangetrieben. Auch in Deutschland und der Schweiz wird die Phagentherapie vereinzelt im Rahmen von „compassionate use“ eingesetzt. Andere europäische Länder wie Portugal und das Vereinigte Königreich haben eine aktive Forschungsszene, die sich jedoch nicht in der Anwendung von Phagen bei Patienten niederschlägt.
In diesem Vortrag werde ich erörtern, wie und wo Phagen in der Humantherapie eingesetzt werden und aufzeigen, für welche Krankheitsbilder sie im Allgemeinen verwendet werden. Außerdem werde ich erläutern, wie und wo Phagensammlungen und genomische Daten gespeichert und zusammengestellt werden.
Ich werde die Einschränkungen und Durchbrüche im Zusammenhang mit der Entwicklung von Phagentherapeutika erläutern und zeigen, wie diese in Europa angegangen werden. Abschließend werde ich die Arbeit im Bereich der Phagentherapie beim Menschen kontextualisieren, wobei die Anwendung der Phagentherapie auf Tiere als Grundlage für die Entwicklung der Phagentherapie beim Menschen dienen kann.
INTERNATIONALE BIOSICHERHEIT
Europäisches Programm zur Festlegung validierter Verfahren für den Nachweis und die Identifizierung biologischer Toxine (EuroBioTox)
S Worbsa, B Kampaa, M Skibaa, K Busschotsb, R Zelenyb, J Masquelierc, A Puustinend, P Vanninend,
C Rasetti-Escargueiled, M Popoffd, E Lemicheze, A Mierzalaf, H Vollandf, F Becherf, S Simonf, B Borang, Y Niag, J Hennekinneg, J Weisemannh, D Janssoni, M Avondetj, W Luginbühlk, R Josuranl, C Zaboroschm, L Burnsn,
K Campbelln, BG Dornera
a Robert-Koch-Institut, Zentrum für biologische Bedrohungen und spezielle Krankheitserreger / Biologische Toxine, Berlin, Deutschland
b Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Toxikologie, Hannover, Deutschland
c Bruker Daltonik GmbH, Leipzig, Deutschland
d Europäische Kommission, Gemeinsame Forschungsstelle, Geel, Belgien
e Sciensano, Tervuren, Belgien
f Universität Helsinki, Finnisches Institut für die Verifikation des Chemiewaffenübereinkommens (VERIFIN), Helsinki, Finnland
g Institut Pasteur, Départment de Microbiologie, Bacteries Anaerobies et Toxines, Paris, Frankreich
h CEA-SACLAY, Laboratoire d‘Etudes et de Recherche en Immunoanalyse, Gif sur Yvette, Frankreich
i ANSES, Labor für Lebensmittelsicherheit, SBCL Unit, Maisons-Alfort, Frankreich
j toxogen GmbH, Hannover, Deutschland
k Swedish Defence Research Agency FOI, Umeå, Schweden
l SPIEZ LABORATORY, Spiez, Schweiz
m ChemStat, Bern, Schweiz
n Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW, Institut für Chemie und Biotechnologie, Wädenswil, Schweiz
o Queen’s University Belfast, Institute for Global Food Security, School of Biological Sciences, Belfast, Vereinigtes Königreich
Biologische Toxine sind als Erreger von Lebensmittelvergiftungen, aber einige von ihnen auch als Kampfstoffe bekannt und könnten in einem bioterroristischen Kontext eingesetzt werden. Frühere Studien haben gezeigt, dass es den europäischen Vorbereitungen auf Biotoxin-Vorfälle an Robustheit mangelt. Es besteht ein Bedarf an standardisierten Analyseinstrumenten und -verfahren, Referenzmaterialien, Schulungen auf dem neuesten Stand der Technik und der Einrichtung eines europäischen Eignungsprüfungsprogramms.
EuroBioTox ist ein Horizont 2020-Projekt, an dem 13 Konsortialpartner und 50 Netzwerkpartner aus 23 Ländern aus den Bereichen Gesundheit, Lebensmittel, Militär und Verifikation beteiligt sind. Ziel des Projekts ist der Aufbau eines paneuropäischen Kompetenznetzes für die Analyse biologischer Toxine, die eine potenzielle bioterroristische Bedrohung darstellen (<https://eurobiotox.eu>). Zu den Toxinen im Rahmen von EuroBioTox gehören ausgewählte große Proteintoxine (Ricin, Abrin, Botulinum-Neurotoxine [BoNT], Staphylokokken-Enterotoxin B [SEB]) sowie niedermolekulare Biotoxine (Saxitoxin [STX]).
Die EuroBioTox-Kernmitglieder entwickeln und validieren verbesserte Analyseinstrumente, Reagenzien und Standardarbeitsverfahren auf der Grundlage realistischer Störfallszenarien. Alternative und genauere In-vitro-Tests für den ethisch fragwürdigen Tierversuch für BoNT werden derzeit bewertet.
Fortschritte, die über den Stand der Technik hinausgehen, wurden durch die Herstellung von fünf Referenzmaterialien für verschiedene biologische Toxine erzielt, die nach der derzeitigen umfassenden molekularen Charakterisierung zertifiziert werden sollen. Innerhalb des Netzes wurden Ausbildungskurse für Grund- und Fortgeschrittene durchgeführt, die auf die verschiedenen Methoden und Toxine zugeschnitten waren, gefolgt von einer Reihe von Eignungsprüfungen (derzeit fünf), um die besten Methoden in ganz Europa zu verbreiten. Zur Harmonisierung der Nachweismethoden wurde die Einrichtung eines europäischen Repository mit eigenen toxinspezifischen Tools initiiert. Im Hinblick auf die besonderen Bedürfnisse von Ersthelfern wurden neue konzeptionelle Leitlinien für Probenahme, Nachweis und Dekontamination mit Schwerpunkt auf biologischen Toxinen erstellt.
EuroBioTox führt einen umfassenden Mechanismus für Schulungen, den Austausch von Methoden, die Verbesserung von Qualitätssicherungsmaßnahmen und Eignungstests ein. Es wird erwartet, dass die Verbreitung guter analytischer Verfahren die Bereitschaft und die Reaktionsplanung auf nationaler und internationaler Ebene verbessern wird.
Stärkung des Mechanismus des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (UNSGM) in Zeiten von Beschränkungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie
I Mergler, A Blasse, C Borawski, M Hecht, S Kloth
Robert Koch-Institut, Zentrum für Internationalen Gesundheitsschutz (ZIG), Berlin, Deutschland
Die aktuelle weltweite Pandemie zwingt viele internationale Projekte zum Umdenken und gibt virtuellen Initiativen Auftrieb. Das Robert Koch-Institut (RKI) hat diese Gelegenheit genutzt, um innovative Wege zur Stärkung des so genannten Mechanismus des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (UNSGM) zur Untersuchung des mutmaßlichen Einsatzes von chemischen, biologischen oder Toxinwaffen zu entwickeln.
Seit 2014 stärkt das RKI den UNSGM, indem es Schulungen für qualifizierte Experten und Labore durchführt, die für eine mögliche Beteiligung an potenziellen zukünftigen Missionen zur Untersuchung des Einsatzes biologischer Waffen nominiert werden. Im Rahmen des laufenden Projekts hat sich ein RKI-Team des Zentrums für Internationalen Gesundheitsschutz (ZIG) in jüngster Zeit – auch aufgrund der COVID-19-Pandemie – auf virtuelle Aktivitäten konzentriert, die darauf abzielen, den bestehenden Kapazitätsbedarf im Zusammenhang mit dem UNSGM zu ermitteln und zu decken. Zwei wichtige Meilensteine dieser Bemühungen sind eine virtuelle Tabletop-Übung (TTX; abgehalten im November 2020 < https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Biosicherheit/Projekte/UNSGM_Training/Table-Top-Exercise_UN-Expertenteam.html>) und ein E-Learning-Modul.
Als Teil einer groß angelegten Abschlussübung, bei der eine komplette Untersuchungsmission so realistisch wie möglich simuliert wird, entwickelte das RKI eine virtuelle TTX, die die erste Phase der Missionsplanung der Übung darstellt. Ursprünglich als Präsenzveranstaltung geplant, stellte das neue Format die erste virtuelle TTX im Rahmen der UNSGM dar. Ein Webkonferenz-Tool ermöglichte es Teilnehmenden aus verschiedenen Zeitzonen, während der TTX zu diskutieren, während die Missionsplanung auf einer innovativen Web-Plattform stattfand, die auch Injektionen für die Experten lieferte. Die anschließende Feldübung wird 2022 in Berlin stattfinden.
In Anbetracht der breiten geografischen Streuung der UNSGM-Experten stellen auch etabliertere Formate wie E-Learning eine Möglichkeit dar, einer großen Zahl von Experten eine Schulung im Selbststudium zugänglich zu machen. Vor diesem Hintergrund hat das RKI ein E-Learning-Modul entwickelt, das qualifizierte UNSGM-Experten in das Thema persönliche Schutzausrüstung (PSA) einführt. Darüber hinaus sind zwei ergänzende Module zur Gefährdungsbeurteilung sowie zum An- und Ablegen von PSA geplant. Alle Module werden vom Büro der Vereinten Nationen für Abrüstungsfragen ausgerichtet. Vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie ermöglichten virtuelle Formate eine Fortsetzung der Aktivitäten in Zeiten von Reisebeschränkungen, könnten aber auch in Zukunft eine vielversprechende ergänzende Methode zur Stärkung der UNSGM sein.
Verantwortungsvoller Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung in Deutschland
T Lengauer
Max-Planck-Institut für Informatik, Computational Biology, Saarbrücken, Deutschland
Die Freiheit der Wissenschaft ist eine Grundvoraussetzung für die Sicherung des Fortschritts und deshalb im Grundgesetz verankert. Doch in fast allen wissenschaftlichen Disziplinen ist freie Forschung mit Risiken verbunden, die sich vor allem aus der Gefahr ergeben, dass nützliche Forschungsergebnisse missbraucht werden, etwa als Kriegswaffen und Mittel für kriminelle oder terroristische Aktivitäten.
Rechtliche Bestimmungen bieten nur eine begrenzte Möglichkeit, die mit der freien Forschung verbundenen Chancen und Risiken zu kontrollieren. Forschungsmethoden und -richtungen ändern sich ständig, und Forschungsergebnisse sowie ihre künftige Anwendung lassen sich kaum vorhersagen. Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) setzen sich dafür ein, dass in der Wissenschaft ethische Grundsätze und Mechanismen für einen verantwortungsvollen Umgang mit freier Forschung und Forschungsrisiken entwickelt werden. Die beiden Organisationen haben einen allgemeinen Verhaltenskodex (CoC) zum Umgang mit sicherheitsrelevanter wissenschaftlicher Forschung2 veröffentlicht, der sich in erster Linie an den staatlich geförderten Forschungsbereich richtet. Er wurde deutschlandweit adaptiert und legt großen Wert auf Instrumente der Selbstverwaltung der Wissenschaft. Der Vorteil der Selbstverwaltung liegt in der hohen fachlichen Kompetenz der Forscherinnen und Forscher und in der Möglichkeit, flexibel zu reagieren.
Um die nachhaltige Umsetzung des CoC zu unterstützen, haben Leopoldina und DFG im Jahr 2014 den Gemeinsamen Ausschuss zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung eingerichtet, der sich aus 12 wissenschaftlichen Experten relevanter Disziplinen zusammensetzt. Dieser Ausschuss verfolgt die Fortschritte bei der Umsetzung des VHC durch Monitoring und unterstützt die Forschungseinrichtungen bei der Umsetzung der Empfehlungen. Darüber hinaus dient er als Anlaufstelle für Fragen und als Plattform für den gebündelten Informationsaustausch. In Anlehnung an den CoC wurden bundesweit mehr als 90 lokale Beiräte für Ethik in der sicherheitsrelevanten Forschung eingerichtet3. Diese Gremien versetzen die einzelnen Institute in die Lage, mit problematischen Fragestellungen aus Forschungsprojekten verantwortungsvoll umzugehen und selbst über das weitere Vorgehen zu entscheiden.
Wem die Stunde schlägt:
Die globalen Herausforderungen durch neue und aufkommende Infektionskrankheiten
AD Green
Royal Centre for Defence Medicine, Birmingham, GBR
Übertragbare Infektionskrankheiten, die sich schnell ausbreiten können, waren schon immer in der Lage, Ausbrüche zu verursachen. Das Aufkommen des schnellen internationalen Reiseverkehrs im 20. Jahrhundert ermöglichte es, dass einst auf das jeweils öffentliche Gesundheitssystem begrenzte Probleme immer häufiger zu solchen wurden, die sich über die Landesgrenzen hinaus ausbreiteten und sich zu globalen Pandemien entwickelten.
Zu den Herausforderungen, die neuartige Infektionskrankheiten mit sich bringen, gehören:
- Erstmalige Erkennung in einer Bevölkerung, die noch nie mit einer bestimmten Krankheit in Berührung gekommen ist
- Entwicklung einer klinischen Falldefinition, die eine genaue Beschreibung der Epidemiologie der Krankheit in der Gemeinschaft ermöglicht
- Erstidentifizierung und anschließende Labordiagnose eines neuen Erregers
- Erstellung von evidenzbasierten Behandlungsprotokollen für die Behandlung von Patienten mit einer Krankheit, für die es bisher keine Erfahrungen gibt
- Identifizierung der Übertragungswege, um geeignete Maßnahmen im Bereich des öffentlichen Gesundheitssystem ergreifen zu können
- Entwicklung von therapeutischen Maßnahmen zur Behandlung von Fällen, zur Verhinderung schwerer Krankheitsfolgen, zur Verringerung der Übertragung oder zur Verhinderung der Infektion empfänglicher Personen (einschließlich Immunisierung)
- Überwachung sowohl der Krankheit als auch des Erregers in der Bevölkerung, gegebenenfalls auch in Tierreservoiren
Die Folgen eines großflächigen Ausbruchs gehen über die direkten Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung hinaus und können wirtschaftliche Auswirkungen haben, sowohl als direkte Folge von Krankheiten als auch als indirekt im Zusammenhang mit den eingesetzten Kontrollmaßnahmen. Es kann zu Auswirkungen auf das soziale Wohlergehen kommen, einschließlich ziviler Unruhen, Schäden an der nationalen und lokalen Infrastruktur und Konflikten aufgrund von Störungen der nationalen und internationalen Sicherheit.
Die möglichen Auswirkungen solcher Ereignisse im Zusammenhang mit neuartigen Infektionen wurden erstmals Anfang der 1990er Jahre erkannt, und seitdem wurden in regelmäßigen Abständen eine Reihe von Vorschlägen für nationale und internationale Vorkehrungen gemacht. Die meisten wurden aufgrund konkurrierender Anforderungen aus unmittelbaren wirtschaftlichen und politischen Prioritäten nicht umgesetzt, da der Zeitpunkt einer globalen Pandemie nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden konnte. Bis zur Ankunft im Jahr 2020.
Dieser Vortrag beleuchtet die Hintergründe der COVID-19-Pandemie und zeigt auf, wie wichtig Investitionen in wissenschaftliches und medizinisches Fachwissen sind, um für künftige Pandemien gewappnet zu sein. Er wird auch die geopolitische Bedeutung solcher Ereignisse umreißen und beschreiben, warum sowohl militärische als auch zivile Experten unverzichtbar sind und sich gegenseitig ergänzen.
1 ESKAPEE ist ein Acronym für Enterococcusfaecium, Staphylococcusaureus, Klebsiellapneumoniae, Acinetobacterbaumannii, Pseudomonasaeruginosa, Enterobacterspp. undEscherichiacoli,
2 https://www.leopoldina.org/uploads/tx_leopublication/2014_06_DFG-Leopoldina_Scientific_Freedom_Responsibility_EN.pdf
3 https://www.leopoldina.org/en/about-us/cooperations/joint-committee-on-dual-use/dual-use-progress-reports/