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Medizinischer radionuklearer-Schutz in zivil-militärischer ­Zusammenarbeit:​ Bericht von einer Notfallübung

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Medizinischer radionuklearer-Schutz in zivil-militärischer Zusammenarbeit: Bericht von einer Notfallübung

Nikolai Schmida, Andreas Lamkowskia, Matthias Porta, Philipp Hartrampfb, Heribert Hänscheidb, Uta Eberleinb, Tanja Weberb, Christoph Reinersb, Thomas Wurmbc, Mila Pauld, Daniel Teschnere, Andreas Buckb

a Institut für Radiobiologie der Bundeswehr, München

b Universitätsklinikum Würzburg, Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin

c Universitätsklinikum Würzburg, Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie

d Universitätsklinikum Würzburg, Klinik und Poliklinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie

e Universitätsklinikum Würzburg, Medizinische Klinik und Poliklinik II

Einleitung

In der gegenwärtigen weltpolitischen Lage besteht ein stark erhöhtes Risiko radionuklearer Zwischenfälle, wie wir es seit den Anfangszeiten des Kalten Krieges nicht mehr erlebt haben. Das Radiation Emergency Medical Preparedness and Assistance Network (REMPAN) Zentrum der WHO, das Regionale Strahlenschutzzentrum (RSZ) der Berufsgenossenschaft des Universitätsklinikums Würzburg (Leitung: Oberfeldarzt d. R. Prof. Dr. Andreas Buck) und das Institut für Radiobiologie der Bundeswehr (InstRadBioBw, Leitung: Oberstarzt Prof. Dr. Matthias Port) in München beschäftigen sich schon seit längerem mit der Frage, wie die Versorgung von Patienten mit radionuklearer (RN)-Exposition aussehen könnte. Ziel der kürzlich durchgeführten Notfallübung war es, die praktische Umsetzung der Notfallversorgung von Patienten mit zusätzlicher RN-Exposition zu überprüfen. Dies betrifft beispielsweise Patienten nach einem terroristischen Anschlag mit einer „dirty bomb“ oder in einem zivilen Unfallszenario (z. B. Transportunfall mit radioaktiven Stoffen).

Die Vorbereitung des Szenarios und die präklinische Versorgung erfolgten durch das InstRadBioBw. Den Mitarbeitern des Universitätsklinikums Würzburg (UKW), die direkt an der Übung beteiligt waren, lagen keine konkreten Informationen über das zu erwartende Szenario vor. Beobachtet wurde die Übung unter anderem durch Vertreter des Instituts für Strahlenschutz der Berufsgenossenschaft, des Bundesamtes für Strahlenschutz und der Feuerwehr.

Die Übung

Übungsszenario

Im Kreis Main-Spessart kam es zu einem terroristischen Angriff, bei dem ein mit Radioisotopen beladenes Improvised Explosive Device (IED) – eine sogenannte „dirty bomb“ – detonierte. Rettungskräfte hatten bereits am Einsatzort eine radioaktive Kontamination festgestellt.

Der Patient präsentierte sich somit mit einem äußerst komplexen und herausfordernden Mischbild aus konventioneller Verletzung durch Ansprengung, radioaktiver Kontamination und möglicher akuter Strahlenkrankheit. Die Patientensimulation wurde von ihrem klinischen Bild so aufgebaut, dass mehrere Fallkonstellationen (mechanisches Trauma, externe Kontamination, Inkorporation, hohe Teilkörperbestrahlung durch radioaktiven Splitter und Ganzkörperbelastung bis zum Auslösen der Akuten Strahlenkrankheit) auftraten, um den verschiedenen Fachrichtungen die Möglichkeit zu geben das entsprechende klinische Management zu üben.

Ablauf derÜbung

Ankündigung der Einlieferung des potenziell radioaktiv-kontaminierten, nicht vital bedrohten Patienten mit Unterschenkelverletzung über die Rettungsleitstelle.

Vorbereitungen vor Eintreffen des Patienten:

Zunächst wurden das Strahlenschutzzentrum in der Klinik für Nuklearmedizin und die Klinikeinsatzleitung alarmiert, um die notwendigen Ressourcen und Fachkräfte zu mobilisieren. Die Teambesetzungen und deren jeweiliger Einsatzort und Aufgaben wurden festgelegt. Vorbereitung der eigens für Strahlenunfälle bestehenden Räumlichkeiten, beispielsweise durch das Auslegen von Folie für Laufwege, um eine Kontaminationsverschleppung zu vermeiden, sowie die klare Definition und Abgrenzung von kontaminierten und sauberen Bereichen, konnte entsprechend der Vorplanung des UKW professionell umgesetzt werden. Dazu gehörte auch das Anlegen der Persönlichen Schutzausstattung (PSA) zum Schutz der Eigenkräfte und die Ausstattung der Teams mit direkt ablesbaren Personendosimetern.

Eintreffen des Patienten

Der Übungspatient wurde durch das Team der Nuklearmedizin im speziell dafür eingerichteten, von der Notaufnahme abgetrennten Eingang für Strahlenunfälle aufgenommen. Nach Übergabe durch den präklinischen Rettungstrupp und Ersteinschätzung erfolgte die Messung der möglichen radioaktiven Kontamination des Patienten. Zur Risikoanalyse der Kontamination des Patienten sowohl für ihn selbst als auch das medizinische Personal erfolgte zudem eine Messung der Dosisleistung.

Weiterhin wurde das präklinische Rettungspersonal auf Kontamination kontrolliert, betreut und in hierfür vorgesehenen Kabinen von ihrer kontaminierten Kleidung befreit.

Dekontamination

Da keine akute Lebensgefahr für den Patienten bestand, wurde dieser nach der Kontaminationsmessung umgehend in einen für die Dekontamination vorbereiteten Raum verbracht. Hier wurde eine strukturierte Dekontamination durchgeführt. Diese begann mit einer Trockendekontamination, bei der die Kleidung entfernt und ­asserviert wurde. Im Anschluss erfolgte eine Nass-Dekontamination einzelner kontaminierter Hautareale. Der Effekt der Dekontaminationsmaßnahmen wurde stetig überprüft. Zusätzlich wurden therapeutische Maßnahmen ergriffen, um die Schmerzen und die zunehmend auftretende Prodromalsymptomatik des Übungspatienten zu adressieren (Analgesie, Antiemese).

Abb. 1: Dekontamination des Patienten (A), Vermessung der Patientenproben (B)

Physikalische Dosimetrie und Nuklidbestimmung

Parallel zur Dekontamination wurde eine physikalische Dosimetrie durchgeführt, um die Strahlenbelastung des Patienten exakt zu messen. Hierfür wurden sowohl Proben von der Patientenkleidung, der Haut, als auch Abstriche aus Mund und Rachen gewonnen. Die Identifikation des spezifischen Radionuklids ermöglichte eine gezielte Therapie und Nachsorge.

Bei zukünftigen Übungen sollen auch Probenentnahmen zur biologischen Dosimetrie integriert werden, welche dann in den akkreditierten Biodosimetrielaboren (ISO 9001, Akkreditierungsnummer: PL-21257/ ML-21257) des Instituts für Radiobiologie der Bundeswehr analysiert werden können, um den Strahlenschaden auf molekularer Ebene zu bemessen.

Operative Versorgung

Der Übungspatient hatte eine präklinisch mit Tourniquet und provisorischem Verband versorgte offene Unterschenkelverletzung links mit einliegendem Fremdkörper, der als radioaktives Schrapnell bestätigt wurde. Der Teamleiter traf die Entscheidung, das radioaktive Schrapnell von einem Unfallchirurgen im Operationssaal des Strahlenunfallzentrums entfernen zu lassen. Hierzu wurde der Übungspatient nach der Dekontamination dem chirurgischen Team übergeben, das im vorbereiteten Operationssaal das Schrapnell unter Berücksichtigung des Strahlenschutzes mit Unterstützung der Nuklearmedizin entfernte und asservierte. Die Wunde wurde gespült, um sie weiter zu dekontaminieren, und mit einem sterilen Octenisept-Verband versehen.

Abb. 2: Verlegung des Patienten in den OP nach erfolgter Dekontamination (A), Simulation der operativen Versorgung des Patienten (B)

Verlegung auf die Intermediate-Care-Station

Nach Abschluss der operativen Versorgung wurde der Patient auf eine Intermediate-Care-Station verlegt, wo er weiter überwacht und die laborchemisch – unter Zuhilfenahme des H-Moduls – vermutete akute Strahlenkrankheit weiter behandelt werden konnte. Das H-Modul ist eine App-Entwicklung des Instituts für Radiobiologie der Bundeswehr, welche, basierend auf den Blutbildern der ersten 3 Tage nach Strahlenexposition, eine Schweregradabschätzung des durch ionisierende Strahlung initiierten Knochenmarkschadens vorhersagen kann.

Stabsarbeit in der Klinikumseinsatzleitung

Im Kontext der Notfallübung fand auch eine Stabsrahmenübung der Einsatzleitung des UKW statt. Hier wurden verschiedene dynamische Lagen eingespielt, die durch die Stabsfunktionen S1-S6 bearbeitet und gelöst werden mussten. Übungsziele waren die strukturierte Kommunikation im Stab, die Dokumentation und die zielgerichtete Abarbeitung der auftretenden Probleme. Der Erfolg der Übung wurde anhand digitaler Fragebögen evaluiert.

Übungs-Nachbesprechung

Erfolgsfaktoren

  • Infrastrukturelle Ausstattung

Das Zentrum verfügt über moderne technische und räumliche Ausstattung, einschließlich spezialisierter Dekontaminationsräume und präziser Dosimetrie-Geräte. Diese Infrastruktur ermöglichte eine schnelle und effiziente Versorgung des Patienten.

  • Interdisziplinarität

Der Einsatz des Personals entsprechend der fachlichen Expertise trug entscheidend zur hohen Qualität der Versorgung bei. Das Team bestehend aus Nuklearmedizinern, Physikern, Internisten und Chirurgen war somit gut auf den Umgang mit strahlenkontaminierten Traumapatienten vorbereitet.

Abb. 3: Fachübergreifendes Team der RN-Versorgung von UKW unter Führung von Oberfeldarzt d. R. Prof. Dr. Andreas Buck (8. v.l.) und Team des InstRadBioBw unter Leitung von Oberstarzt Prof. Dr. Matthias Port (7. v.l.)

Fazit

Erstmals führte das UKW eine Notfallübung mit einem radionuklearen Szenario durch und zeigte, dass es für ein begrenztes radionukleares Szenario im Vergleich zu vielen anderen Kliniken der Maximalversorgung sehr gut vorbereitet ist. Die Fähigkeiten, die zur Behandlung von Patienten mit radionuklearer Exposition notwendig sind, sind bereits zum großen Teil vorhanden. Die zivil-militärische Zusammenarbeit bei dieser Übung ermöglichte den Wissens- und Erfahrungsaustausch, was zu einer Verbesserung der Behandlungsprotokolle und einer effizienteren Nutzung der vorhandenen Ressourcen führt. In der Übung wurden für alle Beteiligten wertvolle Erkenntnisse gewonnen, diese und vergleichbare intersektorale und interdisziplinäre Übungen sind unverzichtbar, um die Qualität der Versorgung von RN-Patienten kontinuierlich zu verbessern, um auf potenzielle reale Notfälle vorbereitet zu sein.

Take-Home-Messages

  • Frühe interdisziplinäre Zusammenarbeit: Die Akutversorgung von Patienten mit Strahlen­exposition muss frühzeitig interdisziplinär erfolgen, um optimale Ergebnisse zu erzielen.
  • Kommunikation ist entscheidend: Eine klare und strukturierte Kommunikation innerhalb und zwischen den Teams ist unerlässlich.
  • Dokumentation: Übersichtliche und exakte Dokumentation der klinischen und physikalischen Dosimetrie ist entscheidend für die Einschätzung und klinische Entscheidungsfindung.

Bilder: Universitätsklinik Würzburg, Anna Wenzel

Für die Verfasser

Oberstabsarzt Dr. Nikolai Schmid
Institut für Radiobiologie der Bundeswehr
E-Mail: nikolaischmid@bundeswehr.org

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