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Maschinelle Autotransfusion in der Einsatzmedizin –
Zukunftsoption oder Spielerei?

Machine-Assisted Autotransfusion in Emergency Medicine – Future Option or Gimmick?

Andreas García Bardona, Christoph Jäniga

a Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz, Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie

Zusammenfassung

Blut und Blutkomponenten sind eine limitierte, jedoch unverzichtbare Ressource in der medizinischen Versorgung – sowohl im zivilen als auch im militärischen Kontext. NATO-Hochrechnungen für den Fall großflächiger Kampfhandlungen („Large Scale Combat Operations“) gehen von einem transfusionsmedizinisch relevanten Bedarf in der Größenordnung von bis zu 10000 Vollblutäquivalenten pro Woche aus. In Kombination mit möglichen logistischen Versorgungsengpässen ergibt sich die Notwendigkeit, Strategien zur Reduktion des Fremdblutverbrauchs im Sinne des Patient Blood Management (PBM) konsequent weiterzuentwickeln und auf die besonderen Bedingungen militärischer Einsatzmedizin zu übertragen. Während die präoperative Anämiediagnostik im Einsatzland nur eine untergeordnete Rolle spielt, sind der rationale Einsatz von Blutprodukten und die Minimierung des Blutverlusts durch medizinische und technische Maßnahmen zentrale Elemente dieses Konzepts.

Ein bewährtes Instrument zur Reduktion des Fremdblutverbrauchs ist die maschinelle Autotransfusion (MAT). Neben klassischen zentrifugalen Systemen (z. B. Cell Saver, CATSmart) steht mit HemoClear® ein neuartiges, mikrofiltrationsbasiertes Verfahren zur Verfügung, das ohne elektrische Energie betrieben wird und vollständig schwerkraftgestützt arbeitet. Das System ist leicht, tragbar, als Einwegset konzipiert und innerhalb kürzester Zeit einsatzbereit. In einem geschlossenen Kreislauf wird Wundblut filtriert, gewaschen und zu einer Erythrozytensuspension mit einem Hämatokrit von 50–60% verarbeitet. Im Unterschied zu herkömmlichen MAT-Systemen erlaubt HemoClear® zusätzlich eine signifikante Rückgewinnung funktionstüchtiger Thrombozyten (im Durchschnitt 68%).

Erste In-vitro-Daten zeigen eine vergleichbare Erythrozytenkonzentration im Vergleich zum XTRA™-System sowie eine Reduktion gelöster Plasmabestandteile (C3, C4, D-Dimer) um ≥90%. Die Hämolyserate liegt mit 4,89% über der von zentrifugalen Systemen (Ø 0,4%). Die bislang publizierten Studien stammen ausschließlich aus dem Herstellerumfeld; belastbare, unab­hängige klinische Daten fehlen. Eine abschließende Bewertung der Eignung für die militärische Verwundetenversorgung ist daher nicht möglich. Weitere Untersuchungen zur Sicherheit, Effektivität und Praktikabilität des Verfahrens im Einsatzkontext sind erforderlich.

Schlüsselwörter: Autotransfusion, Patient Blood Management, Blutversorgung, Krieg, HemoClear, Mikrofiltration

Summary

Blood and blood components are a limited yet indispensable resource in medical care – both in civilian and military contexts. NATO projections for large-scale combat operations estimate a transfusion medicine-relevant demand of up to 10,000 whole blood equivalents per week. Combined with potential logistical supply bottlenecks, there is a need to continuously develop strategies to reduce the consumption of donor blood in the sense of Patient Blood Management (PBM) and adapt them to the specific conditions of military deployment medicine. While preoperative anemia diagnostics play a minor role in the deployment country, the rational use of blood products and the minimization of blood loss through medical and technical measures are central elements of this concept.

A proven tool for reducing donor blood consumption is machine-assisted autotransfusion (MAT). In addition to classic centrifugal systems (e.g., Cell Saver, CATSmart), HemoClear®, a novel microfiltration-based method, is available, which operates entirely without electrical power and is gravity-driven. The system is lightweight, portable, designed as a disposable set, and ready for use within a short time. In a closed loop, wound blood is filtered, washed, and processed into an erythrocyte suspension with a hematocrit of 50–60 %. Unlike conventional MAT systems, HemoClear® also allows significant recovery of functional platelets (on average 68 %).

Initial in vitro data show a comparable erythrocyte concentration to the XTRA™ system and a reduction in dissolved plasma components (C3, C4, D-Dimer) by ≥ 90 %. The hemolysis rate is 4.89 %, higher than that of centrifugal systems (Ø 0.4 %). The studies published so far originate exclusively from the manufacturer’s environment; reliable, independent clinical data are lacking. Therefore, a conclusive assessment of its suitability for military casualty care is not possible. Further investigations into the safety, effectiveness, and practicability of the method in the operational context are required.

Keywords: Autotransfusion; Patient Blood Management; Blood Supply; War; HemoClear; Microfiltration

Einleitung und Hintergrund

Blut und Blutkomponenten sind bereits unter regulären Versorgungsbedingungen eine knappe medizinische Ressource. Laut dem 21. Hämotherapie-Bericht des Paul-Ehrlich-Instituts wurden im Jahr 2021 in Deutschland 3515704 Erythrozytenkonzentrate in Verkehr gebracht, von denen 3240536 Einheiten tatsächlich transfundiert wurden [4]. Diese Zahlen belegen, dass der Blutverbrauch in der zivilen Versorgung bereits an der oberen Grenze dessen liegt, was kontinuierlich durch Spenderblut gedeckt werden kann.

Blutprodukte – eine kritische Engpassressource

Für militärische Großschadensszenarien – etwa im Rahmen von Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) oder im Kontext sogenannter Large Scale Combat Operations – prognostizieren NATO-Hochrechnungen einen deutlich erhöhten Bedarf. So wird von einem wöchentlichen ­Bedarf von bis zu 10000 Vollblutäquivalenten (VBE) ­ausgegangen. Es wird angenommen, dass von allen ­hospitalisierten Verwundeten etwa 20% dieser Kohorte Blutprodukte benötigen. Der durchschnittliche Bedarf dieser Patienten liegt bei 8VBE pro Person [7]. Hieraus ergibt sich bereits bei 100 Verwundeten ein Bedarf von 160 VBE – entsprechend 160 Erythrozytenkonzentraten (EK), 160Frischplasmen (FFP), 40Kryopräzipitaten und 40Thrombozytenkonzentraten.

Diese Zahlen verdeutlichen eindrücklich, dass Blutprodukte im Einsatzfall schnell zu einem kritischen Engpassfaktor werden können. Logistische Herausforderungen – etwa der temperaturgeführte Transport, limitierte Lagerdauer oder infrastrukturelle Unterbrechungen – verschärfen diese Problematik zusätzlich. Vor diesem Hintergrund gewinnt das Konzept des Patient Blood Management (PBM) zunehmend an Bedeutung – sowohl zur Optimierung des Umgangs mit vorhandenen Blutprodukten als auch zur Reduktion des Fremdblutverbrauchs insgesamt.

Patient Blood Management

Die WHO forderte bereits 2011 in einem Grundsatzpapier die flächendeckende Einführung von PBM-Programmen, um einen sicheren, effizienten und ressourcenschonenden Umgang mit Blutpräparaten zu gewährleisten [10]. PBM stützt sich auf drei zentrale Säulen (Abbildung 1):

Abb. 1: Schematische Darstellung der drei zentralen Säulen des Patient Blood Management (PBM): Das Konzept zielt auf einen strukturierten, evidenzbasierten und ressourcenschonenden Umgang mit Blutprodukten ab. Es umfasst (1) die frühzeitige Erkennung und Therapie von Anämien mit ggf. Aufschub elektiver Eingriffe, (2) den rationalen Einsatz von Blutprodukten nach klaren Indikationsstellungen sowie (3) die konsequente Minimierung des Blutverlusts durch operative und organisatorische Maßnahmen. Das Modell wurde 2011 von der WHO als internationaler Versorgungsstandard empfohlen.

  1. den rationalen Einsatz von Blutprodukten,
  2. die Minimierung des Blutverlusts durch operative, medikamentöse und organisatorische Maßnahmen sowie
  3. die frühzeitige Erkennung und Behandlung präoperativer Anämien [5].

Reduktion des Blutverlustes

Im wehrmedizinischen Kontext gewinnt vor allem die zweite Säule – die Reduktion des Blutverlusts – an Relevanz. Der Einsatz von Tourniquets, die schnelle prähospitale Blutstillung, der gezielte Einsatz von hämostyptischen Medikamenten wie Tranexamsäure oder Calcium sowie strukturierte Transfusionsalgorithmen sind etablierte Bestandteile moderner Gefechtsfeldmedizin. Auch die Anwendung von Verfahren zur Rückgewinnung autologen Blutes – also die unmittelbare Reinfusion des eigenen Blutverlusts – rückt vermehrt in den Fokus.

Rationaler und indikationsgerechter Einsatz von Blutprodukten

Die erste Säule des PBM, der rationale und indikationsgerechte Einsatz von Blutprodukten, bleibt dennoch grundlegend. In jüngerer Zeit erfährt insbesondere Vollblut eine Renaissance in der Versorgung schwer blutender Patienten. Mehrere Studien belegen, dass der Einsatz von Fresh Whole Blood (FWB) bei massiver Hämorrhagie nicht nur den Verbrauch einzelner Blutkomponenten reduziert, sondern sich auch positiv auf das Überleben auswirkt [3]. Die Integration von Vollblut in einsatzmedizinische Versorgungsmodelle – etwa durch Walking Blood Bank Konzepte – ist daher zunehmend Gegenstand operativer Planung.

Perioperatives Anämiemanagement

Die dritte Säule – das perioperative Anämiemanagement – spielt im Einsatz aufgrund fehlender elektiver Eingriffe eine untergeordnete Rolle. Dennoch sollte sie im Heimatland stärker berücksichtigt werden. Eine frühzeitige Detektion und gegebenenfalls Therapie bestehender Anämien vor einer geplanten Verlegung können dazu beitragen, Verwundete widerstandsfähiger gegenüber Blutverlusten zu machen. Zudem können so elektive ­Eingriffe im Inland fremdblutsparend durchgeführt werden, was den allgemeinen Verbrauch an Blutprodukten senkt und Kapazitäten für die Einsatzversorgung freisetzt.

Autologe Hämotherapie auch im Einsatz?

Im Rahmen dieser Entwicklungen stellt sich die Frage, ob etablierte Verfahren der autologen Hämotherapie – wie sie in zivilen Kliniken seit Jahren etabliert sind – auch unter Einsatzbedingungen praktikabel anwendbar sind. Systeme zur maschinellen Autotransfusion (MAT), wie sie etwa bei elektiven chirurgischen Eingriffen genutzt werden, bieten grundsätzlich das Potenzial, den Bedarf an Fremdblut zu senken. Ihre Anwendung im militärischen Kontext war bisher jedoch durch Größe, Gewicht, Stromabhängigkeit und logistische Komplexität limitiert.

Mit dem HemoClear®-System steht nun ein neuartiger Ansatz zur Verfügung, der diese Limitierungen adressiert. Es handelt sich um ein mikrofiltrationsbasiertes System zur autologen Blutaufbereitung, das vollständig schwerkraftgesteuert arbeitet und ohne elektrische Energie betrieben werden kann. Das Einweg-System ist kompakt, leicht (<1kg), einfach aufzubauen und somit explizit für ressourcenlimitierte Umgebungen – wie sie im militärischen Einsatz regelmäßig anzutreffen sind – konzipiert.

Ziel dieses Beitrags ist es, das HemoClear®-System im Detail vorzustellen und die aktuelle Evidenzlage unter besonderer Berücksichtigung möglicher Anwendungsszenarien in der militärischen Verwundetenversorgung kritisch zu bewerten.

Methoden der autologen Bluttransfusion

Die maschinelle Autotransfusion (MAT) ist ein Verfahren zur Rückgewinnung, Aufbereitung und Retransfusion autologen Blutes und wird gemäß den Richtlinien der Bundesärztekammer zur Hämotherapie als erlaubnisfreie Maßnahme eingestuft, sofern sie unter unmittelbarer ärztlicher Verantwortung und ausschließlich zur persönlichen Anwendung beim jeweiligen Patienten erfolgt (§13 Abs. 2b Arzneimittelgesetz [2]). Die Anwendung umfasst primär intra- und postoperative Situationen, in denen Wund- oder Drainageblut in eine gewaschene Erythrozytensuspension überführt und dem Patienten retransfundiert wird.

Technischer Ablauf der MAT

Der technische Ablauf gliedert sich in drei aufeinanderfolgende Schritte:

  • Zunächst wird das Blut durch den OP-Sauger direkt aus dem Operationsgebiet entnommen und durch Zugabe eines Antikoagulans vor Gerinnung geschützt.
  • Anschließend erfolgt die Sammlung und Zwischenspeicherung in einem sterilen Reservoir.
  • Nach Erreichen eines ausreichenden Volumens beginnt die maschinelle Aufbereitung mit Entfernung unerwünschter Bestandteile und Herstellung einer transfusionsfähigen Erythrozytensuspension.

Herkömmlicherweise kommen bei der maschinellen Autotransfusion zwei technisch unterschiedliche Systeme zum Einsatz:

  • diskontinuierliche Verfahren, wie sie beispielsweise im Cell Saver® (Haemonetics, USA) mit der sogenannten Latham-Glocke Anwendung finden, sowie
  • kontinuierlich arbeitende Systeme wie der CATSmart® (Fresenius Kabi, Deutschland).

Diskontinuierliches System

Das diskontinuierliche System arbeitet in aufeinanderfolgenden Prozessschritten: Zunächst wird das Wundblut gesammelt, anschließend zentrifugiert und schließlich der Zellkonzentratbeutel entleert. Die Zentrifugation erfolgt mit einer Drehzahl von etwa 5650U/min in einer rotierenden Zentrifugenkammer (Latham-Glocke). Durch die entstehende Zentrifugalkraft lagern sich die schwereren Erythrozyten an der äußeren Wand der Glocke ab, während leichtere Bestandteile wie Plasma, freies Hämoglobin und Zelltrümmer aufsteigen und in einen Abfallbeutel ausgeleitet werden.

Nach Erreichen eines definierten Füllvolumens startet der Waschvorgang, bei dem mit einer definierten Menge isotoner Kochsalzlösung weitere unerwünschte Bestandteile entfernt werden. Die aufbereitete Erythrozytensuspension wird anschließend gesammelt und steht zur Retransfusion bereit. Aufgrund des sequenziellen Arbeitsprinzips ist dieses Verfahren vor allem bei größeren Blutmengen effizient einsetzbar, erfordert jedoch eine gewisse Mindestfüllmenge, bevor der Aufbereitungsprozess beginnen kann.

Kontinuierliches System

Demgegenüber erlaubt das kontinuierlich arbeitende System eine fortlaufende Verarbeitung bereits kleinerer Blutmengen ab etwa 30ml. Beim CATSmart® erfolgt die Separation über eine rotierende Waschkammer mit spiralförmigem Kanal, die mit ca. 2100U/min betrieben wird, was einer Zentrifugalbeschleunigung von etwa 490G entspricht. Das zu verarbeitende Blut wird am inneren Rand des Kanals eingebracht und unter Zentrifugaleinfluss radial nach außen gedrängt. Die schwereren Erythrozyten lagern sich an der Außenseite des Kanals ab, während leichtere Plasmabestandteile und Zelltrümmer nach innen fließen und über ein separates System in den Abfallbeutel geleitet werden. Die Waschung erfolgt ­simultan durch Einleitung isotoner Kochsalzlösung in entgegengesetzter Richtung. Die kontinuierliche Arbeits­weise ermöglicht eine nahezu unterbrechungsfreie ­Versorgung, insbesondere in Situationen mit unvorhersehbarem oder intermittierendem Blutverlust. Die Effektivität der Plasma- und Fettelimination liegt bei diesem System laut Herstellerangaben bei über 99% [6][11].

Vor- und Nachteile der MAT-Systeme

Sowohl das diskontinuierliche als auch das kontinuierliche MAT-System zeichnen sich durch eine hohe Verarbeitungsqualität aus, sind jedoch hinsichtlich ihrer Mobilität und Einsatzflexibilität eingeschränkt. Die Geräte sind vergleichsweise groß, schwer und auf die Nutzung in klinischen Umgebungen ausgelegt. Das Cell Saver®-System beispielsweise wiegt inklusive Zubehör über 20kg und erfordert eine stabile Stromversorgung sowie ausreichend Platz zur Aufstellung und Bedienung. Auch das CATSmart®-System ist für den stationären Einsatz konzipiert und benötigt elektrische Energie für den ­Antrieb der Zentrifuge und die Steuerung der Prozesseinheiten. Eine Anwendung außerhalb etablierter infrastruktureller Rahmenbedingungen – etwa im taktisch-militärischen Einsatz oder in ressourcenarmen Regionen – ist damit nur bedingt oder gar nicht möglich. Dies limitiert den Nutzen beider Systeme erheblich, wenn es um Situationen mit eingeschränkter logistischer Unterstützung geht.

Mikrofiltration – eine Alternative?

Mit HemoClear® (HemoClear BV, Niederlande) steht ein tragbares, mikrofiltrationsbasiertes System zur autologen Blutaufbereitung zur Verfügung, das vollständig ohne elektrische Energie betrieben wird (Abbildung 2). Es wurde speziell für den Einsatz unter infrastrukturell eingeschränkten Bedingungen konzipiert – etwa in Regionen ohne stabile Stromversorgung oder in präklinischen, militärischen und katastrophenmedizinischen Szenarien. Das gesamte System ist als Einwegset ausgelegt, wird in einer kompakten Verpackung geliefert und lässt sich innerhalb weniger Minuten durch medizinisches Personal aufbauen. Es wiegt im gebrauchsfertigen Zustand weniger als ein Kilogramm und kann problemlos im Rucksack transportiert werden.

Abb. 2: Schematische Darstellung des HemoClear®-Systems zur schwerkraftbasierten autologen Blutaufbereitung (oben links: gesammeltes Blut im Sammelbeutel; oben rechts: isotonische Kochsalzlösung (NaCl 0,9 %) zur Spülung):
Das Blut fließt durch ein mehrlagiges Mikrofiltrationsmodul, in dem Erythrozyten und Thrombozyten zurückgehalten und Plasmabestandteile, Leukozyten und Zelltrümmer herausgefiltert werden. Die gewaschenen Zellen werden zunächst im unteren Retransfusionsbeutel gesammelt. Für eine effektive Auswaschung wird der Waschvorgang zweimal durchgeführt. Dazu wird der Retransfusionsbeutel nach dem ersten Durchgang erneut über das Filtersystem gehängt, sodass das Blut durch Schwerkraft zurück in den oberen Beutel fließt und der Waschprozess wiederholt werden kann. Rechts unten: Ableitung des Filtrats in einen separaten Abfallbeutel. Das System arbeitet vollständig ohne Stromzufuhr. (Abbildung: ©HemoClear).

Filtration durch Schwerkraft

Die Funktion basiert auf der rein schwerkraftgesteuerten Filtration durch eine mehrlagige, semipermeable Filtermembran. Hierbei wird das gesammelte Wund- oder Drainageblut durch ein Schlauchsystem aus einem Einlassbeutel in die Filtereinheit geleitet. Die Membranstruktur trennt Erythrozyten und Thrombozyten von niedermolekularen Plasmabestandteilen, Leukozyten, Zelltrümmern und gelösten Entzündungsmediatoren. Im Anschluss erfolgt ein Waschvorgang mit isotonischer Kochsalzlösung, durch den verbliebene Rückstände entfernt und die Erythrozyten resuspendiert werden. Das Endprodukt ist eine transfusionsfähige Erythrozytensuspension mit einem Hämatokrit von etwa 50–60%. Der gesamte Prozess dauert etwa 25 bis 30Minuten. Ein relevanter Unterschied zu konventionellen, zentrifugalbasierten MAT-Systemen besteht in der gleichzeitigen Rückgewinnung funktionstüchtiger Thrombozyten, was einen potenziellen Mehrwert insbesondere in Umgebungen mit eingeschränkter Verfügbarkeit von Blutprodukten darstellen könnte.

Studienlage zum HemoClear®-System

In einer vom Hersteller initiierten In-vitro-Studie wurde HemoClear® mit dem zentrifugalen Autotransfusions­system XTRA™ verglichen. Beide Systeme erreichten vergleichbare Erythrozytenkonzentrationen, wobei ­HemoClear® zusätzlich eine Reduktion von Komplementfaktoren C3 und C4 sowie D-Dimer um jeweils ≥90% ermöglichte [8]. Die Gesamtelemination gelöster Plasmabestandteile war beim XTRA™-System zwar höher, jedoch wurde dem HemoClear®-Verfahren von den Autoren eine klinisch akzeptable Blutqualität attestiert. Als besonders vorteilhaft hervorgehoben wurde die poten­zielle Anwendbarkeit in ressourcenlimitierten Kontexten, in denen klassische, stromabhängige Zellseparations­geräte nicht verfügbar oder nicht praktikabel sind.

Die Hämolyserate wird in der Literatur bei herkömmlicher MAT mit etwa 0,4% angegeben, während sie im Fall von HemoClear® mit 4,89 % signifikant höher ausfällt [1]. Allerdings ermöglicht das System eine substanzielle Rückgewinnung funktionstüchtiger Thrombozyten mit einer mittleren Rate von 68% (±10%), was ein funktioneller Unterschied gegenüber konventionellen Verfahren ist [9].

Die bislang publizierten Studien zu HemoClear® sind zahlenmäßig begrenzt und stammen ausschließlich aus dem direkten Umfeld der Herstellerfirma. Unabhängige, insbesondere klinische Studien zur Bewertung der Effektivität, Sicherheit und Praktikabilität des Systems in realen Anwendungsszenarien stehen derzeit noch aus.

Abb. 3: Anwendung des HemoClear®-Systems in einer simulierten militärischen Behandlungsstation unter feldmäßigen Bedingungen:
Gut erkennbar ist der Aufbau des Systems mit Blut- und Spüllösung (NaCl 0,9 %) im oberen Bereich, dem zentralen Mikrofiltrationsmodul sowie dem Sammelbeutel für gewaschene Erythrozyten. Die Nutzung erfolgt vollständig schwerkraftgesteuert und ohne externe Energiezufuhr. (Abbildung: ©HemoClear)

Fazit

Blut und Blutkomponenten sind bereits unter aktuellen Bedingungen, sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich, eine limitierte Ressource, jedoch gleichzeitig unverzichtbar zur Erfüllung des medizinischen Versorgungsauftrags. Ein auch für die Einsatzmedizin vorgeplantes Konzept für das Patient Blood Management ist unverzichtbar. Vor dem Hintergrund möglicher „Large Scale Combat Operations“ mit abrupt ansteigendem Bedarf und eingeschränkter logistischer Versorgung wird die Notwendigkeit alternativer Verfahren zur Blutgewinnung zunehmend evident.

HemoClear® bietet in diesem Zusammenhang einen potenziellen Lösungsansatz: Das System ist kompakt, mobil einsetzbar und unabhängig von externer Energieversorgung. Darüber hinaus erlaubt es nicht nur die Rückgewinnung von Erythrozyten, sondern auch von Thrombozyten, was perspektivisch zur Schließung einer bislang bestehenden Versorgungslücke beitragen könnte.

Die bisher verfügbaren Daten basieren jedoch ausschließlich auf herstellerassoziierten Untersuchungen. Eine klinische Bewertung der Sicherheit und Effektivität des Verfahrens ist ohne unabhängige, methodisch belastbare Studien derzeit nicht möglich. Vor einer potenziellen Integration in das medizinische Fähigkeitsprofil der Streitkräfte sind daher weiterführende wissenschaftliche Untersuchungen zwingend erforderlich.

Literatur

  1. Amenge J, Scherphof S, Osemwengie D, et al.: Comparison of washing efficiency and recovery of blood cells between centrifugation, coarse filtration and microfiltration techniques to prepare autologous blood for transfusion. J Blood Med 2022; 13: 549-558. mehr lesen
  2. Bundesärztekammer: Richtlinie zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Richtlinie Haemotherapie, Gesamtnovelle 2023). , letzter Aufruf 21. April 2025. mehr lesen
  3. Coulthard SL, Kaplan LJ, Cannon JW: What's new in whole blood resuscitation? In the trauma bay and beyond. Curr Opin Crit Care 2024; 30: 209-216. mehr lesen
  4. Fiedler SA, Meyer B, Aghili Pour H, Funk MB: Versorgungssituation mit Blutkomponenten in Deutschland auf der Basis von Meldungen an das Paul-Ehrlich-Institut. Hämotherapie 2024; 43: 4-8. mehr lesen
  5. Franchini M, Marano G, Veropalumbo E, et al.: Patient blood management: A revolutionary approach to transfusion medicine. Blood Transfus 2019; 17(3): 191-195. mehr lesen
  6. Gross I, Seifert B, Hofmann A, Spahn DR: Patient blood management in cardiac surgery results in fewer transfusions and better outcome. Transfusion 2015; 55(5): 1075-1081. mehr lesen
  7. Gurney JM, Cap AP, Holcomb JB, et al.: The thin red line: Blood planning factors and the enduring need for a robust military blood system to support combat operations. J Trauma Acute Care Surg 2024; 97(2S Suppl 1): S31-S36. mehr lesen
  8. Hoetink A, Scherphof SF, Mooi FJ, et al.: An in vitro pilot study comparing the novel hemoclear gravity-driven microfiltration cell salvage system with the conventional centrifugal xtra autotransfusion device. Anesthesiol Res Pract 2020; 2020: 9584186. mehr lesen
  9. Osemwengie D, Lagerberg JW, Vlaar R et al.: Recovery of platelet-rich red blood cells and acquisition of convalescent plasma with a novel gravity-driven blood separation device. Transfus Med 2022; 32(1): 53-63. mehr lesen
  10. World Health Organisation: Global forum for blood safety: Patient blood management. 14─15 March 2011, Dubai, United Arab Emirates . , letzter Aufruf 23. März 2025. mehr lesen
  11. Seyfried TF, Gruber M, Pawlik MT et al.: A new approach for fat removal in a discontinuous autotransfusion device-concept and evaluation. Vox Sang 2017; 112(8): 759-766. mehr lesen

Manuskriptdaten

Zitierweise

García Bardon A, Jänig C: Maschinelle Autotransfusion in der Einsatzmedizin – Zukunftsoption oder Spielerei? WMM 2025; 69(6): 289-294.

DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-504

Für die Verfasser

Flottillenarzt Dr. Andreas Garcia Bardon

Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz

Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie

Rübenacher Str. 170, 56072 Koblenz

E-Mail: andreasgarciabardon@bundeswehr.org

Manuscript Data

Citation

García Bardon A, Jänig C: Machine-Assisted Autotransfusion in Emergency Medicine – Future Option or Gimmick? WMM 2025; 69(6E): 7.

DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-505

For the Authors

Commander (Navy MC) Dr. Andreas Garcia Bardon, MD

Bundeswehr Central Hospital Koblenz

Department of Anesthesiology, Intensive Care, Emergency Care, Pain Treatment

Rübenacher Str. 170, D-56072 Koblenz

E-Mail: andreasgarciabardon@bundeswehr.org

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