31. Jahrestagung der ARCHIS in Papenburg
Unter dem Leitgedanken „Was können wir leisten? Was können wir verbessern?“ fand vom 13. bis 15. März 2024 die 31. Jahrestagung des Arbeitskreises Einsatzmedizin in Papenburg statt. Das Akronym ARCHIS, unter dem diese Tagung firmiert, steht für ARbeitskreis CHIrurgisch-tätiger Sanitätsoffiziere. Unter diesem Namen hatte die Gründung im Jahre 1993 in Ulm stattgefunden, die spätere Umbenennung in AK „Einsatzmedizin“ erfolgte 1998, der Name ARCHIS hat sich trotzdem etabliert.
In der langen Tradition der Tagung folgend fand zu Beginn ein praktischer Contest (DCS, Damage Control Surgery) statt, in dem Teams aus den teilnehmenden fünf Bundeswehrkrankenhäusern militärische und chirurgische Aufgaben lösen müssen. Der Contest war auch diesmal fordernd, aber durchaus kameradschaftlich und motivationsfördernd.
In der mehr als beeindruckenden Liegenschaft, dem geschichtsträchtigen Hotel „Alte Werft“ an einem Seitenkanal der Ems, fanden sich in diesem Jahr etwa 180 Teilnehmende ein, um dem „Erfolgsmodell“ beizuwohnen, wie der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. (DGWMP), Generalstabsarzt a. D. Dr. Stephan Schoeps, die Veranstaltung in seiner kurzen Ansprache beim Get-together in der Industrieausstellung am Mittwochabend ausführte.
Oberstarzt Dr. Christoph Güsgen, der Vorsitzende der ARCHIS, im Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz Stellvertretender Klinischer Direktor und Sektionsleiter Viszeralchirurgie, eröffnete dann am 14. März 2024 chirurgisch-pünktlich die Tagung (Abbildungen 1 und 2). In seinem Grußwort dankte Dr. Schoeps zunächst dem wissenschaftlich-verantwortlichen Bundeswehrkrankenhaus Westerstede für die Mühen der Vorbereitung der Tagung (Abbildung 3) und verwies nochmals ausführlich auf die Erfolgsgeschichte der ARCHIS. Mit dem „Sanitätsdienst in schweren Wassern“, so Dr. Schoeps, sei diese Tagung eine gute Möglichkeit, um „alte Freunde zu treffen und neue zu gewinnen“, und sich so gemeinsam den Problemen der Zukunft zu stellen.
Abb. 2: Oberstarzt Dr. Christoph Güsgen bei der Eröffnung der Tagung
Abb. 3: Generalstabsarzt a. D. Dr. Stephan Schoeps mit den Verantwortlichen aus dem BwKrhs Westerstede (von links: OSA PD Dr. Kaltenborn, FLTA Dr. Müller-Meinhard, GSA a. D. Dr. Schoeps, OTA Dr. Zechel).
Siemtje Möller, Staatssekretärin im Bundesministerium der Verteidigung, gab ihr Grußwort per Video ab und betonte ebenfalls die Wichtigkeit der Tagung im militärischen Raum. Getreu dem diesjährigen Motto appellierte sie im Hinblick auf Landes- und Bündnisverteidigung, kritisch zu hinterfragen, was realistisch geleistet werden könne. Es komme nun nicht mehr auf die medizinische Versorgung einzelner weniger Verletzter im Rahmen bewaffneter Konflikte an, sondern vielmehr werde man sich mit einer großen Anzahl Verwundeter über einen langen Zeitraum konfrontiert sehen. Dies werde eine komplexe Herausforderung werden.
Oberstarzt Dr. Christian Zechel, Kommandeur des BwKrhs Westerstede, rundete in Vertretung des verhinderten Tagungspräsidenten Oberstarzt Dr. André Gutcke die Reihe der Grußworte ab. Er gab danach den offiziellen Startschuss für den wissenschaftlichen Teil der Tagung.
In Vertretung des Inspekteurs des Sanitätsdienstes, der in Berlin anderweitig gebunden war, hielt Generalarzt Dr. Johannes Backus den Vortrag zur Lage (Abbildung 4). Mit dem Fokus auf das fragile Sicherheitskonstrukt Europas stehe Deutschland – als Drehscheibe der NATO – sowie der Sanitätsdienst vor multiplen Herausforderungen: höhere Patientinnen- und Patientenzahlen, begrenzte Ressourcen und eine Gesellschaft, die auf Landes- und Bündnisverteidigung nicht ausreichend vorbereitet sei. „Die Zeitenwende geht uns alle an“, propagierte Generalarzt Dr. Backus, sodass die Streitkräfte jetzt mehr denn je in Kontakt mit der Gesellschaft treten müssten. Während die freie demokratische Grundordnung auf der Türschwelle Europas in der Ukraine verteidigt werde, gebe es hierzulande aber auch bestimmende Einflussfaktoren, denen man sich unbedingt widmen müsse, um für die Zukunft sicherheitspolitisch gut aufgestellt zu sein: Digitalisierung, demografischer Wandel, Künstliche Intelligenz, Gesamtstaatlichkeit.
Abb. 4: Generalarzt Dr. Johannes Backus beim Vortrag zur Lage des Sanitätsdienstes
Neben dem Aufbau der Brigade in Litauen müsse innerhalb Deutschlands die flächendeckende medizinische Versorgung durch die Bildung eines Clusterverbundes aus Bundeswehrkrankenhäusern, Berufsgenossenschafts- und Universitätskliniken sichergestellt werden, um große Mengen an Verletzten aus potenziellen zukünftigen Konflikten versorgen zu können.
Die erste Sitzung des Tages war der Departmentbildung in den Bundeswehrkrankenhäusern gewidmet. Hier gab Oberstarzt Dr. Andreas Joksch, Abteilung C KdoSanDstBw, einen exzellenten Überblick über die Bestrebungen, Patientenversorgung, Ausbildung und Zufriedenheit der Mitarbeitenden in den Häusern zukünftig effizient und effektiv unter eine verbesserte Organisationsform zu bringen. Beeindruckend auch die Rolle und Vorteile von Zentrenbildungen, hier vorgetragen von Oberfeldarzt Dr. Peter Springer, Leiter des Endoprothesenzentrums BwKrhs Westerstede. Im Weiteren folgten am Vormittag sehr gute Vorträge aus den Bereichen Neurochirurgie, Thoraxchirurgie und Plastisch-rekonstruktive Chirurgie, die allesamt den herausragenden Status dieser Fächer im fachlichen Spektrum des Sanitätsdienstes deutlich machten. Den Abschluss des ersten Sitzungsabschnittes umfassten Beiträge über die Ausbildungsvorgaben der Gesundheitspolitik und mögliche Lösungswege im Sanitätsdienst.
Nach der Mittagspause folgte der Festvortrag von General a. D. Lothar Domröse. Er fesselte das Auditorium 45 Minuten lang mit seinen zuweilen sehr persönlichen Erfahrungen unter dem Titel „(Europäische) Sicherheit inmitten globaler Machtverschiebungen“. Im Lichte dieser sehr ernsten und komplexen Thematik gab der Redner, ehemaliger Oberbefehlshaber des Allied Joint Force Command Brunssum, einen Rundblick über die aktuelle weltpolitische Lage sowie die einzelnen Treiber in den verschiedenen Konflikten. Der Status „Frieden, Krise und Krieg“ sei nicht mehr die Realität und werde durch „Shape, Competition, Fight“ abgelöst (Abbildung 5).
Abb. 5: General a. D. Lothar Domröse beim Festvortrag
Ein echtes Highlight der Veranstaltung war die Podiumsdiskussion unter Vorsitz von Oberstarzt Prof. Dr. Benedikt Friemert mit verschiedenen prominenten Teilnehmern (Willy, BwKhrs Berlin; Brinkmann, BG-Klinik Duisburg; Stellmann, Brüssel; Pieske, Oldenburg) aus der zivilen und militärischen Welt zur Frage: „Was wäre wenn?“ Hier wurden die möglichen Herausforderungen einer Landes- oder Bündnisverteidigung aus Sicht der versorgenden Institutionen erörtert (Abbildung 6).
Abb. 6: Podiumsdiskussion unter Leitung von Oberstarzt Prof. Dr. Benedikt Friemert
Den Abschluss des Kongresstages bildete die Poster-Speedsession, in der die Teilnehmenden unter dem Zeitdruck von vier Minuten ihre Präsentationen verteidigen mussten. Gewinner dieses Wettbewerbes waren:
Der Festabend war wie immer der Kristallisationspunkt für Kameradschaft, Kommunikation und Netzwerkbildung. Bei exzellentem Essen und förderlicher Atmosphäre war hierzu bis spät in den Abend reichlich Gelegenheit geboten. Hier wurde auch der Gewinner des DCS-Contestes bekanntgegeben; es waren dieses Mal die Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundeswehrkrankenhaus Ulm.
Zur Eröffnung des nächsten Kongresstages präsentierte zunächst Oberfeldarzt Dr. Hempe vom Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr die neuesten Fakten zur Personalentwicklung. Danach folgten in drei Sitzungen die wissenschaftlichen Beiträge der jüngeren Kolleginnen und Kollegen. Hierzu muss man feststellen, dass die Vorträge allesamt von der Thematik und von der persönlichen Präsentation gesehen echte Höhepunkte boten. Hier konnte man die positiven Entwicklungen der Fachgebiete über die langen Jahre der ARCHIS-Tradition förmlich erfühlen. Überragend waren die Beiträge zur interdisziplinären Zusammenarbeit immer dann, wenn die plastisch-rekonstruktive Chirurgie involviert war, und das über alle Bundeswehrkrankenhäuser hinweg. Das zeigt, dass sich die Ausbildungsinvestitionen und die organisatorischen Veränderungen in diesem Fach ein Gewinn für den Sanitätsdienst sind, der sich unter Umständen noch einmal gewaltig auszahlen wird.
So konnte Oberstarzt Dr. Güsgen zum Abschluss der Tagung ein mehr als positives Fazit ziehen. Die Militärchirurgie, aber auch die gesamte Chirurgie, stehen mehr denn je vor großen Herausforderungen. Soviel war in den beiden Kongresstagen mehr als deutlich geworden. Die Auswahl des Tagungsortes, die Organisation vor Ort und die gute Stimmung aller Teilnehmenden waren die Punkte, die am Ende gezählt haben. Herausragend auch mit Dank an die Bundesgeschäftsstelle der DGWMP, ohne deren Fürsorge und Engagement rund um die Tagung die Gestaltung des Events in dieser Form nicht möglich wäre. Die nächste, dann 32. ARCHIS-Tagung findet vom 25. bis 27. Januar 2025 in Ulm statt.
Horst Peter Becker, Generalarzt a. D.
Ann-Catrin Hollstein, Lt (SanOA)
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