Wehrmedizinische Monatsschrift

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Editorial
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Die Sanitätsstaffel Einsatz als Teil der Very High Readiness Joint Task Force:​ Erkenntnisse für Landes- und Bündnisverteidigung in Planung,​ Alarmierung,​ Marsch und Gefecht



Landes- und Bündnisvereinigung
Wie können regionale sanitätsdienstliche Einheiten die medizinische Versorgung im Falle eines Angriffs sicherstellen?






Rehabilitation und ­Lebensqualität
IDA,​ DORENA und DOC – Intervallrehabilitation am Facharztzentrum Rostock









Rehabilitation und ­Lebensqualität
Lebensqualität als ein Resilienzfaktor bei Sanitätskräften im Katastropheneinsatz







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Clinical Pathway der Funktionsdiagnostik bei endokriner Hypertonie im Sanitätsunterstützungszentrum Wilhelmshaven





Klinische Medizin und Zahnmedizin
Speicheldrüsentumore:​ Histopathologie und Stellenwert der zahnärztlichen Untersuchung




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Barrierefreie Arbeitsplatzgestaltung:​ Die Rolle der Betriebsmedizin in der Rehabilitation




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Aus dem Sanitätsdienst
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Arbeitsmedizin PDF

Barrierefreie Arbeitsplatzgestaltung:
Die Rolle der Betriebsmedizin in der Rehabilitation

Barrier-free Workplace Design: The Role of Occupational Medicine in Rehabilitation

Ricardo Fialaa, Andreas Lisonb

a Sanitätsunterstützungszentrum Kiel Kronshagen, Arztgruppe Betriebsmedizin

b Zentrum für Sportmedizin der Bundeswehr, Warendorf

Zusammenfassung

Das Event „Invictus Games Germany“ war ein Katalysator, um Themen wie Rehabilitation, Inklusion und Beeinträchtigung auch in der Bundeswehr stärker ins Bewusstsein zu bringen. Aufgrund verbesserter Schutzausrüstung – einhergehend mit erhöhter Überlebenswahrscheinlichkeit im Konflikt – und längerer Dienstzeiten werden körperliche Beeinträchtigungen in den Streitkräften zukünftig wahrscheinlich zunehmen, sodass die Frage nach Inklusion und Reintegration in den Dienst aktueller denn je ist. Die benötigten Hilfsmittel und Umbaumaßnahmen zum Erhalt der Dienstfähigkeit müssen daher so individuell sein, wie die Beeinträchtigungen und die Verwendungsbereiche es erfordern. Im Hinblick auf eine langfristige Wiedereingliederung von beeinträchtigten Mitarbeitenden sind dabei die Arbeits- und Betriebsmedizin unverzichtbar.

Die in diesem Prozess Beteiligten kennen sowohl den Patienten als auch die Arbeitsumgebung, die rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die technischen Möglichkeiten zur Arbeitsplatzgestaltung und können somit maßgeblich eine bedarfsgerechte Umgestaltung erwirken. Obwohl im Sozialgesetzbuch verankert, werden die Arbeits- und Betriebsmedizin an Inklusionsmaßnahmen derzeit nicht beteiligt. Für den effizienten Einsatz geschädigter Kameraden müssen die Arbeits- und Betriebsmedizin zukünftig bereits bei Erkennen einer dauerhaften Beeinträchtigung involviert werden und ihre Schlüsselrolle als Koordinator von Inklusionsmaßnahmen in der Bundeswehr wahrnehmen.

Schlüsselwörter: Inklusion, Betriebsmedizin, Arbeitsmedizin, Rehabilitation, Arbeitsplatz, Beeinträchtigung, Barriere, Eingliederung, Homeoffice, Telearbeit, ortsunabhängiges Arbeiten

Summary

The “Invictus Games Germany” event was a catalyst for raising awareness of topics such as rehabilitation, inclusion, and impairment in the military community.

Due to improved protective equipment and longer time in service, physical impairments will likely increase in the Bundeswehr, so the question of inclusion is more relevant than ever. The aids and conversion measures required to maintain the ability to work must, therefore, be as individual as required by the impairment and the specialization of the impaired. With a view to the long-term reintegration of disabled employees, occupational medicine is indispensable.

Experts in occupational medicine know patient and working environment, legal framework, and technical opportunities of workplace design and can significantly achieve a needs-based redesign. Although anchored in the Social Security Code, in the Bundeswehr occupational medicine is currently not involved in inclusion measures. To ensure the efficient deployment of injured comrades, occupational medicine must, in the future, be involved in detecting permanent impairment and assume its key position as coordinator of inclusion measures.

Keywords: inclusion; occupational medicine; rehabilitation; workplace; impairment. integration; homeoffice; telecommuting

Arbeitsplatz Bundeswehr

Jede militärische Auseinandersetzung birgt ein erhebliches Risiko, Erkrankungen, Verwundung und Verletzung zu erleiden. Die Letalität bei Verwundungen beträgt derzeit etwa 10 %. Sie hat sich im Vergleich zum Vietnamkrieg halbiert. Die Anzahl der Amputationen hat sich verdoppelt. Mit dem erheblich besseren Schutz des Rumpfes und Kopfes werden mehr Leben gerettet. Es wird dafür aber der Verlust von Gliedmaßen in Kauf genommen [14]. Nicht nur im Rahmen von Kriegs- und/oder Auslandseinsätzen ist eine Versehrung möglich. Erkrankungen, Unfälle im privaten Umfeld und längere Dienstzeiten bis zur Pensionierung steigern den Anteil an beeinträchtigten Mitarbeitenden in der Bundeswehr (Tabelle 1). Die Frage nach Inklusion ist somit aktueller denn je.

 

Tab. 1: Infobox zum Begriff „Behinderung“

Die Bundeswehr als Arbeitsgeber bietet mannigfaltige Verwendungen mit individuellen Ansprüchen an die Diensttuenden. Auf dieses Angebot können nun beeinträchtigte Personen treffen. Zur weiteren Teilhabe am Arbeitsleben benötigen sie technische und nicht-technische Maßnahmen unter dem Einschluss von Hilfsmitteln. Zum einen müssen diese auf die Anforderungen an den Arbeitsplatz abgestimmt werden. Diese Lösungen müssen zum anderen an die individuell bestehenden Struktur- und Funktionsstörungen angepasst werden (Abbildungen 1–3). Hierzu wird im Fachkonzept Vielfalt und Inklusion ausgeführt:

Abb. 1: Arbeitsplatz bei Einhändigkeit: Durch Fähigkeit orientierte technische Maßnahmen werden sowohl die Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz, wie auch die Berufszufriedenheit gesteigert:
Telefon Headset, um die Hand frei für Notizen zu haben; ergonomische Maus, um Überlastungen der verbliebenen Hand zu reduzieren; Diktiergerät, um mittels einer Softwaresprache direkt in geschriebenen Text zu überführen. Eine Einhand-Tastatur mit optimierter Tastaturbelegung steigert die Performance.

Abb. 2: Handschuhanziehhilfe: arbeitsplatzbezogene Basistätigkeiten werden mit einer Beeinträchtigung zur Barriere. Mit individuellen Lösungen kann das Arbeitsleben unabhängiger gestaltet werden.

Abb. 3: Orthoprothese im Einsatz: Wenn mit der eigenen Hand nicht mehr gearbeitet werden kann und bimanuelle Tätigkeiten gefordert sind, müssen orthopädische Hilfsmittel angepasst werden.

„Die Bundeswehr…stellt grundsätzliche Barrierefreiheit sicher…und schafft wo immer möglich ein inklusives Arbeitsumfeld.“

Medizinisch-dienstlich orientierte Rehabilitation, strukturierte Wiedereingliederung und Homeoffice

Zur Realisierung der Teilhabe am Arbeitsleben besteht ein gesetzlicher Anspruch:

Jeder hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz vor Arbeitslosigkeit.

(Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Artikel 23, Absatz 1)

Die medizinisch-dienstlich orientierte Rehabilitation der Bundeswehr (MDORBw) hat zum Ziel, eine aus gesundheitlichen Gründen bedrohte Dienstfähigkeit wiederherzustellen, zu erhalten und darüber hinaus die bestmögliche Verwendungsfähigkeit wiederherzustellen [5][6]. Gelingt der Erhalt der Dienstfähigkeit nicht, steht der bestmögliche Übergang in das zivile Leben im Vordergrund. Dies schließt eine Vorbereitung auf den zivilen Arbeitsmarkt ein. Abgeleitet von der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR) und dem berufs­genossenschaftlichen Rehabilitationsgedanken folgt die MDORBw in dem Wissen über die gesundheitlichen ­Folgen von Arbeitslosigkeit dem am militärischen Bedarf ausgerichtetem Leitmotiv „Reha vor Rente“ (Tabelle 2).

 

Tab. 2: Infobox Gesundheitliche Folgen von Arbeitslosigkeit [12][13]

Die spezielle Ausrichtung der medizinischen Rehabilitation auf Beruf bzw. Dienst mündet bei verbliebenen Beeinträchtigungen stets in der teilhabeorientierten Betrachtung des Arbeitsplatzes. Hierzu gehört nicht nur der Zugang zum Arbeitsplatz, sondern auch die Bereitstellung von Arbeitserleichterungen, z. B. technischer Art oder in Form von ergänzenden Hilfsmitteln [3]. Im Ergebnis ist zu prüfen, ob der Arbeitsplatz und das Umfeld in Hinblick auf die bestehenden Beeinträchtigungen angepasst werden müssen. Ziel ist es, Betroffenen die gleichen Chancen und Möglichkeiten zu geben wie Mitarbeitenden ohne eine bestehende Beeinträchtigung, um ihre Gesundheit und Sicherheit zu gewährleisten (tertiärpräventiver Ansatz).

Risiko: Reha-Bruch

Obwohl Betriebsmedizinerinnen und Betriebsmediziner die Arbeitsplatzumgestaltung maßgeblich in die Wege leiten, werden diese derzeit am Rehabilitationsprozess nicht systematisch beteiligt. Sie erfahren in der Regel von dem Betreuungsbedarf erst, nachdem der Patient motiviert „aus der Reha“ kommt und weiterarbeiten könnte. Zumeist ist wegen vorhandener Barrieren eine Arbeitswiederaufnahme kaum möglich. Dies betrifft beispielsweise den Zugang zum Arbeitsplatz, ungeeignete WC-Anlagen oder fehlende angepasste Arbeits- oder Hilfsmittel. Mangelnde Abstimmung, eingeschränktes Wissen und nicht klar geregelte Vorgehensweisen konterkarieren den am militärischen Bedarf und der Einsatzbereitschaft der Streitkräfte ausgerichteten Ansatz der MDORBw.

Unter Zugrundelegung des Artikels 27 der UN-Behindertenrechtskonvention (Recht auf Arbeit und Beschäftigung) bedeutet dies nicht nur eine Behinderung der betroffenen Soldatinnen und Soldaten [13]. Eine fehlende oder verspätete Koordinierung zwischen medizinischen Reha-Maßnahmen und einer barrierefreien Arbeitsplatzgestaltung bedeutet letztlich einen Reha-Bruch. Das Resultat dieses Bruches sind oft dauerhafte Krankschreibungen sowie der Verweis auf „Homeoffice“.

Homeoffice/Telearbeit und mehr

Homeoffice, Telearbeit und ortsunabhängiges Arbeiten sind Ideen, die vor allem in der Pandemie weiterentwickelt wurden. Besonders Beeinträchtigte können von diesen Angeboten profitieren. Schon sehr früh können mit diesen Möglichkeiten Brücken in das frühere Leben geschlagen werden. Doch auch hier benötigen Betroffene zum Teil bedarfsgerechte Arbeitshilfen, was durch die Betriebsmedizin gemäß § 164 Abs. 4 Nr. 5 SGB IX ­umgesetzt wird [1][3]. Um Beeinträchtigte jedoch vor dem Zwang zum Homeoffice zu schützen; heißt es in der Dienstvorschrift A-2645/1 „Telearbeit und mobiles Arbeiten“:

„Wo immer möglich, soll … schwerbehinderten und ihnen gleichgestellte Menschen auf eigenen Wunsch die Gelegenheit gegeben werden, ihr Potenzial zum höheren Anteil (mit Telearbeit und mobilem Arbeiten) in den Arbeitsprozess einzubringen.“

Explizit bedeutet das: Besteht der Wunsch durch den Beeinträchtigten nicht, kann es nicht befohlen werden. Mit dieser Formulierung sichert der Dienstherr diejenigen ab, die des besonderen Schutzes bedürfen. Unter diesen Maßgaben kann jedoch auch Telearbeit ihren Anteil an der erfolgreichen Eingliederung beitragen.

Die strukturierte dienstliche Eingliederung (dienstliches Eingliederungsmanagement (DEM) lehnt sich an das im zivilen Bereich entwickelte betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) an. Die strukturierte Wiedereingliederung [2] ist ein Prozess mit dem Ziel

„…die Gesundheit langzeiterkrankter Soldatinnen und Soldaten wiederherzustellen, zu fördern, zu schützen und dauerhaft zu erhalten. Nach Wiederherstellung der Verwendungsfähigkeit soll so eine Wiedereingliederung in der bisherigen oder einer anderen geeigneten Verwendung erreicht werden.“

Abb. 4: Die Patientenbetreuung ist ein kooperativer Prozess der nicht nacheinander, sondern ineinander übergreifend und zum Teil parallel verläuft, um den bestmöglichen Übergang in das Arbeitsleben zu ermöglichen.

Jeder, der länger als 6 Wochen oder wiederholt von allen Dienstverrichtungen befreit ist, hat diesen Anspruch.

In der Dienstvorschrift zur Strukturierten Wiedereingliederung [3] heißt es:

„… nicht das … Krankheitsbild - [ist]… Ausgangspunkt … der Wiedereingliederung. Vielmehr soll… auf … daraus resultierende Einschränkungen [Einschätzungen zu] der weiteren Einsatzmöglichkeit … geschaffen werden.“

Beteiligung der Betriebsmedizin am Reha-Prozess

Gemäß den Bestimmungen des SGB IX (§§ 166 und 167) sollten die Betriebsmedizinerinnen und Betriebsmediziner im betrieblichen bzw. dienstlichen Eingliederungsmanagement (BEM/DEM) insbesondere bei der Reintegration am Arbeitsplatz beteiligt werden [10]. Häufig findet dies jedoch nicht statt. Aktuell besteht in diesem Zusammenhang die Aufgabe der Betriebsmedizinerinnen und Betriebsmediziner hauptsächlich darin, bei allen Mitarbeitenden regelmäßige Beratungsgespräche und auf Wunsch medizinische Untersuchungen durchzuführen. Der Grundgedanke ist ein primärpräventiver. Ziel ist es, dass die Mitarbeitenden in der Lage sind, ihre Aufgaben sicher, effizient und bei langanhaltender Gesundheit auszuführen.

Die Betriebsmedizin könnte das DEM maßgeblich unterstützen, z. B. indem sie ein individuelles Fähigkeitsprofil am Arbeitsplatz anhand der bestehenden Beeinträchtigungen anfertigt. Daraus ließe sich im Weiteren der ­zusätzliche Trainings- sowie Therapiebedarf konkret aufzeigen. Zudem könnten notwendige Arbeitsplatzanpassungen konkret aufgezeigt und die Empfehlung zu unmittelbaren Maßnahmen gegeben werden.

Dazu heißt es in der Dienstvorschrift zur Strukturierten Wiedereingliederung:

„Konkrete Anknüpfungspunkte finden sich beispielsweise in den Bereichen Arbeitsplatzgestaltung, Arbeitsorganisation, Arbeitszeit, …[und] Arbeitsumfeld,“

Arbeitsplatzgestaltung

Gemäß Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG, § 3) [9] und SGB IX (§§ 166 und 167) [11] spielt die Betriebsmedizin eine entscheidende Rolle bei der Arbeitsplatzumgestaltung für Menschen mit Beeinträchtigungen. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, sicherzustellen, dass der Arbeitsplatz für diese Mitarbeitenden sicher, zugänglich und barrierearm ist.

Eine frühe Kontaktaufnahme zwischen Patienten, Truppenärzten, Disziplinarvorgesetzten und Betriebsärzten ist noch während der medizinischen Rehabilitation notwendig. Ziel ist es, rechtzeitig über Arbeitssicherheit, Arbeitsplatzgestaltung und -umbau zu sprechen und diese ggfs. in die Wege zu leiten.

Intention ist es, den individuellen Bedürfnissen der beeinträchtigten Mitarbeitenden angemessen gerecht zu werden. Die Betriebsmedizin berät dazu bei der Auswahl geeigneter Hilfsmittel (ASiG, § 3) [9]; auch unterstützt sie bei der Gestaltung des Arbeitsplatzes innerhalb des Machbaren.

„Für schwerbehinderte Menschen sind behindertengerechte Arbeitsbedingungen zu schaffen.“

„Es ist zu gewährleisten, dass die Einstellung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nicht an baulichen und technischen Hindernissen scheitert.“

(Fürsorgeerlass [4])

Die bedarfsgerechte Gestaltung eines Arbeitsplatzes steht auf den 3 Säulen:

  • Internet-Telekommunikations(IT-TK)-Ausstattung,
  • bauliche Änderungen und
  • Hilfsmittel.

Die Betriebsmedizin ist bei der Anpassung IT-TK sowie bei den baulichen Veränderungen beteiligt. Hierbei berät diese den Patienten, begutachtet die Beeinträchtigungen und gibt Empfehlungen zur weiteren Anpassung ab. Insgesamt sind die Verfahrenswege zur Beantragung und letztendlichen Realisierung der Umgestaltung sehr komplex, dürfen sich aber nicht über Jahre hinziehen. Die frühzeitige Bedarfsfeststellung und Beantragung sind daher essenziell.

Bei der IT-TK-Ausstattung muss unter anderem darauf geachtet werden, ob eine Schwerbehinderung/Gleichstellung vorliegt oder es nur eine leidensgerechte Ausstattung ist. Für beide Verfahren gibt es verschiedene Verfahrenswege und Beschaffungsmöglichkeiten. Diese sind dann z.T. über das Bundesamt für Ausrüstung, ­Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr ­(BAAINBw), zum Teil über den S6 der Dienststelle zu beantragen [7]. Bei den baulichen Änderungen ist der Aufwand entscheidend. Es kann aufgrund von europäischen Regularien bis zu sieben Jahren dauern, bis ein Vorhaben vollzogen ist. Diese werden über das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (BAIUDBw) oder eines der Bundeswehr-Dienstleistungszentren (BwDLZ) umgesetzt. ­Ein­fache Hilfsmittel können durch den behandelnden Truppen- oder Facharzt verschrieben werden [8]. Komplexere sollten nur in Rücksprache mit dem Zentrum für Sportmedizin der Bundeswehr (ZSportMedBw) in Warendorf als hierfür benanntes Kompetenzzentrum verordnet werden [5].

Gerade die Betriebsmedizinerin oder der Betriebsmediziner sieht den Patienten im Rahmen der Vorsorgen regelmäßig. Durch regelmäßige Arbeitsplatzbegehung und Begutachtung haben sie Einblick in die komplexen Wechselwirkungen zwischen Arbeitsplatz und Mitarbeitenden. Dies befähigt die Betriebsmedizinerin und den Betriebsmediziner konkrete (und sinnvolle) Umgestaltungen zu empfehlen und zu veranlassen. Daher sollten diese Spezialisten unmittelbar bei Feststellung eines komplexen und daher notwendigerweise interprofessionellen Rehabilitationsbedarfs von Seiten des Truppenarztes als Ansprechpartner in den Reha-Prozess einbezogen werden.

Ausblick

Die Betriebsmedizin am Standort ist unverzichtbar, insbesondere im Hinblick auf eine langfristige Wiedereingliederung von beeinträchtigten Mitarbeitenden. Gerade in diesem Bereich ist diese noch nicht ausreichend involviert. Insbesondere durch das Fachwissen über geltendes Recht und gesetzliche Bestimmungen bezüglich Sicherheit, Gesunderhaltung und Arbeitsbestimmungen tragen die Betriebsmedizinerinnen und Betriebs­­mediziner dazu bei, dass die berufliche Teilhabe von ­Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen ge­währleistet werden kann. Daraus lässt sich aber auch umgekehrt ableiten, dass für eine langfristig erfolgreiche dienstliche Wiedereingliederung im Rahmen der Rehabilitation der Arbeitsmediziner frühzeitig beteiligt werden muss.

Die Arbeitsplatzgestaltung Beeinträchtigter ist als Nebenaufgabe organisch gewachsen und ist anfangs thematisch begründet bei verschiedenen Ressorts angesiedelt worden. Zukünftig wird es durch längere Dienstzeiten bis zur Pensionierung, bessere Schutzausrüstung im Einsatz, aber auch dem Willen zur Inklusion – wahrscheinlich – eine Zunahme von Bundewehrangehörigen mit körperlichen Beeinträchtigungen geben. Es ist zu überdenken, ob nicht eine Bündelung der Aufgaben bei nur einer gut vernetzten Stelle zielführender wäre. Beteiligt werden müssen die Betriebsmedizin, die behandelnden Ärzte, BAAINBw, BAIUDBw, BAPersBw, die Dienststelle und das ZSportMedBw.

Diese Stelle hätte die Aufgabe, nach Sichtung der Beeinträchtigungen in Kooperation mit dem Patienten einen bedarfsgerechten Arbeitsplatz zu gestalten. Die entscheidenden Vorgänge und Prozesse könnten deutlich früher in Gang gesetzt werden, wären aber auch weiterhin von dort noch zu koordinieren. Bisher fehlt ein solches Element.

Das Ereignis Invictus Games Germany war ein Katalysator, um Themen wie Rehabilitation, Inklusion und Beeinträchtigung stärker ins Bewusstsein zu bringen. Als Legacy (Vermächtnis) dieser Spiele und aus Respekt vor unseren Kameraden wird hier Änderungsbedarf gesehen.

Literatur

  1. Bundesministerium der Verteidigung: A-1473/3 Inklusion schwerbehinderter Menschen A-1473/3, Version 3.2 vom 1. Oktober 2020
  2. Bundesministerium der Verteidigung: A-2640/36 Strukturierte Wiedereingliederung von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in den Dienst.
  3. Bundesministerium der Verteidigung: A-2645/1 Telearbeit und mobiles Arbeiten Version: 2.1 vom 15.07.2019
  4. Bundesministerium der Verteidigung: B-1473/3; Erlass über die Fürsorge für schwerbehinderte Menschen im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung (Fürsorgeerlass) vom 30. Januar 2007. mehr lesen
  5. Bundesministerium der Verteidigung: C1-860/0-4003 Durchführung der Medizinischen Rehabilitation.
  6. Bundesministerium der Verteidigung: K1-9000/4021 Konzept Medizinische Rehabilitation vom 30. April 2020.
  7. Bundesministerium der Verteidigung: Rahmenregelung für den Prozess “Bereitstellung und Betrieb von behinderungs- und leidensgerechter IT-/TK-Ergonomie im Rahmen des IT-Projektes HERKULES“ Version 3.0 vom 28. September 2012.
  8. Bundesministerium für Justiz und für Verbraucherschutz: Bundeswehr-Heilfürsorgeverordnung vom 11. August 2017 (BGBl. I S. 3250, 3431), die zuletzt durch Artikel 76 des Gesetzes vom 20. August 2021 (BGBl. I S. 3932) geändert worden. mehr lesen
  9. Bundesministerium für Justiz und für Verbraucherschutz: Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit vom 12. Dezember 1973 (BGBl. I S. 1885), das zuletzt durch Artikel 3 Absatz 5 des Gesetzes vom 20. April 2013 (BGBl. I S. 868) geändert worden ist. mehr lesen
  10. Bundesministerium für Justiz und für Verbraucherschutz: Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen – (Artikel 1 des Gesetzes v. 23. Dezember 2016, BGBl. I S. 3234) (Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IX). mehr lesen
  11. Holt-Lunstad J, Smith TB, Layton JB (2010) Social Relationships and Mortality Risk: A Meta-analytic Review. PLoS Med 7(7): e1000316. mehr lesen
  12. OECD: "Foreword", in Sickness, Disability and Work: Breaking the Barriers: A Synthesis of Findings across OECD Countries. OECD Publishing, Paris, 2010. mehr lesen
  13. UN-Behindertenrechtskonvention von 13. Dezember 2006. mehr lesen
  14. Willy C, Steinmann R, Engelhardt M: Kriegschirurgische Verletzungsmuster moderner Kriege und Krisensituationen. Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2008; 32(3): 7-14. mehr lesen

Bilder 1–3: Sanitätsunterstützungszentrum Kronshagen

Manuskriptdaten

Zitierweise

Fiala R, Lison A: Barrierefreie Arbeitsplatzgestaltung: Die Rolle der Betriebsmedizin in der Rehabilitation. WMM 2024; 68(4): 182-187.

DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-271

Für die Verfasser

Oberstabsarzt Ricardo Fiala

Sanitätsunterstützungszentrum Kiel Kronshagen

Arztgruppe Betriebsmedinzin,

Kopperpahler Allee 120, 24119 Kronshagen

E-Mail: ricardofiala@bundeswehr.org

Manuscript data

Citation

Fiala R, Lison A: [Barrier-free Workplace Design: the Role of Occupational Medicine in Rehabilitation]. WMM 2024; 68(4): 182-187.

DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-271

For the Authors

Major (MC) Ricardo Fiala, MD

Major Medical Clinic Kiel Kronshagen

Department of Occupational Medicine,

Kopperpahler Allee 120, D-24119 Kronshagen

E-Mail: ricardofiala@bundeswehr.org

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