Clinical Pathway der Funktionsdiagnostik bei endokriner Hypertonie im Sanitätsunterstützungszentrum Wilhelmshaven
Clinical Pathway of Functional Diagnostics in Endocrine Hypertension in the Bundeswehr Major Medical Clinic Wilhelmshaven
Inga Missala
a Sanitätsunterstützungszentrum Wilhelmshaven
Zusammenfassung
Die arterielle Hypertonie ist die häufigste klinische Diagnose in den westlichen Ländern. Die sekundären Ursachen der Hypertonie umfassen renale Pathologien sowie endokrine Erkrankungen. Die endokrine Hypertonie repräsentiert ca. 10–20 % aller Fälle. Hauptursachen dieser Art der Hypertonie sind der primäre Hyperaldosteronismus, das Cushing Syndrom und das Phäochromozytom. Eine frühe und exakte Diagnosestellung bietet die Möglichkeit einer optimalen Therapie mit spezifischen pharmakologischen und operativen Ansätzen und verbessert die Prognose der Erkrankung. In diesem Beitrag werden die unterschiedlichen Erkrankungsentitäten mit dem Fokus auf den primären Hyperaldosteronismus und das Cushing Syndrom bezüglich der Prävalenz, des klinischen Erscheinungsbildes und der aktuellen Diagnostikpfade dargestellt. Hervorzuheben ist, dass die pandemische Entwicklung von Übergewicht mit einem signifikanten Anstieg metabolischer Erkrankungen und explizit der arteriellen Hypertonie insbesondere beim soldatischen Klientel eine diagnostische und therapeutische Herausforderung und ein einsatzrelevanter Aspekt ist.
Schlüsselwörter: endokrine Hypertonie, primärer Hyperaldosteronismus, Cushing Syndrom
Summary
Arterial hypertension is the most common diagnosis in Western countries. The secondary causes of hypertension include mostly renal as well as endocrine diseases. Endocrine hypertension represents around 10–20 % of all hypertension cases. The most frequent causes of endocrine hypertension are primary hyperaldosteronism, Cushing’s syndrome, and pheochromocytoma. An accurate and early diagnosis of endocrine hypertension offers the opportunity to achieve an optimal treatment with either specific pharmacologic or surgical therapy and improves the prognosis. In this paper, the different causes of endocrine hypertension with a focus on primary hyperaldosteronism and Cushing´s syndrome, prevalence, clinical presentation, and current diagnostic tools are described. It should be noted that the pandemic development of obesity with a significant increase in metabolic diseases, in particular arterial hypertension, plays a big role, especially among the soldier clientele, and is a diagnostic and therapeutic challenge as well as often a limiting factor for a deployment.
Keywords: endocrine hypertension; primary hyperaldosteronism; Cushing´s syndrome
Einleitung und Hintergrund
Die arterielle Hypertonie zählt mit einer Prävalenz von 25 bis 30 % in der westlichen Bevölkerung zu den häufigsten chronischen Erkrankungen und ist ein wesentlicher Risikofaktor für kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität [2][8]. Bei ca. 10 bis 20 % aller Patienten mit dieser Erkrankung besteht ein sekundärer Bluthochdruck, wobei endokrine Ursachen am häufigsten sind [5]. Fünfzehn endokrinologische Erkrankungen präsentieren als primäre Symptomatik eine arterielle Hypertonie. Im Weiteren wird auf den primären Hyperaldosteronismus und das Cushing-Syndrom näher eingegangen.
Die Fachärztliche Untersuchungsstelle I am Facharztzentrum Wilhelmshaven bietet bundeswehrweit einmalig eine im Schwerpunkt endokrinologische Funktionsdiagnostik an. Das epidemiologisch interessante Soldatenkollektiv im Alter zwischen 20 und 60 Jahren bietet durchaus eine signifikante Prävalenz an endokrinen Hypertonieformen, welche als „rare diseases“ oft schwer zu diagnostizieren sind. Der vorliegende Beitrag soll anhand von Falldarstellungen die endokrine Funktionsdiagnostik veranschaulichen und entscheidende Aspekte aufzeigen.
Falldarstellungen
Fall 1: Männlicher Patient, Soldat, 37 Jahre, Adipositas II°, arterielle Hypertonie II-III°, Beinödeme: hypokaliämischer primärer Hyperaldosteronismus (M. Conn)
Anamnese
Die Vorstellung erfolgte zur endokrinologischen Mitbeurteilung bei ausgeprägter Hypertonie und Adipositas. Der Patient klagte über eine deutliche Bewegungslimitierung durch die Beinödeme. Eine weitergehende Abklärung hatte Ende April 2023 auswärts stattgefunden und blieb ohne Hinweise für eine kardiale Erkrankung. In den letzten Jahren war eine progrediente Gewichtsentwicklung zu verzeichnen.
Medikamente
Ramipril (ACE-Hemmer) 5 mg 1–0-1, Amlodipin (Kalzium-Antagonist) 5 mg 1–0-0.
Klinische Daten
Alter 37Jahre, Gewicht 138 kg, Größe 186 cm, BMI 38 kg/m², RR 190/125 mmHg.
Labordiagnostik:
23. Mai 2023 (Normwerte in Klammern):
Aldosteron [ng/l]: 95 (liegend 12–236, stehend bis 353)
Renin direkt [mU/l] 7 (liegend 3–40, stehend 4–56)
ARQ: 46 (< 19)
Kalium [mmol/l]: 3 (3,5–3,1).
Der Aldosteron-Renin-Quotient (ARQ) wird in der Differenzialdiagnostik bei Hypertonieabklärung als Screeningverfahren zum Ausschluss eines primären Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom) eingesetzt.
Verlauf und Outcome
Bei dem Patienten wurde anhand der Laborkonstellation biochemisch (Aldosteronwerte > 200 ng/l und mit einem plausiblen Kochsalzbelastungstest, Tabelle 1) ein hypokaliämischer primärer Hyperaldosteronismus diagnostiziert. Im Rahmen einer MRT-Untersuchung mit Chemical Shift (spezielle MRT-Sequenz zur Erkennung von pathologischem Fettgehalt) konnte entprechend ein Nebennierenadenom rechts (14 mm) lokalisiert werden (Abbildung 1).
Abb. 1: MRT der Nebennieren T2 coronar, Nebennierenadenom rechts 14 mm (Pfeil) (Bildquelle über Facharztzentrum Wilhelmshaven)
Die Plasmametanephrin-Werte waren unauffällig und somit ein Phäochromozytom nicht wahrscheinlich. Ein möglicher koexistenter Hypercortisolismus konnte mittels Dexamethasonhemmtest und Cortisolspeichelprofilen (Mitternachtskortisol) ausgeschlossen werden.
Die Adrenalektomie rechts erfolgte im Oktober 2023 laparoskopisch. Wenige Wochen postoperativ konnte eine deutliche Verbesserung des Allgemeinzustandes, die vollständige Regredienz der Ödeme und eine signifikante Verbesserung des Blutdruckprofils (150/90 mmHg im Mittel) erreicht werden. Eine antihypertensive Therapie wurde mit Valsartan/Amlodipin 80/5 mg 1–0-1 weitergeführt. Der biochemische Outcome nach Adrenalektomie war erfolgreich (Aldosteron 28 ng/l, Renin 17mU/l, ARQ 3).
Zusammenfassung des Krankheitsbildes und Empfehlung
In Metaanalysen internationaler Kohorten wird von einer Prävalenz des primären Hyperaldosteronismus bei 8 % aller Hypertoniepatienten ausgegangen [1]. Die Wahrscheinlichkeit steigt mit dem Vorliegen einer Hypokaliämie und zunehmendem Grad der Hypertonie. Die laborchemische Diagnostik sollte erst nach testgerechter Anpassung der antihypertensiven Medikation erfolgen. Eine Woche vor Bestimmung des ARQ (Aldosteron-Renin-Quotient) sollte die antihypertensive Therapie auf z. B. Doxazosin (Alphablocker 4–8 mg/d) oder Urapidil (Sympatholytikum,max. 2x90 mg) oder Verapamil (selektiver Calciumkanalblocker, max. 2x240 mg) oder Dihydralazin (Vasodilatator, max. 2x50 mg) umgestellt werden. MRA (Mineralokortikoid Antagonisten) sollten 4 Wochen vor Testung pausiert werden. Es sollte stets ein koexistenter Hypercortisolismus ausgeschlossen werden.
Bei einem Aldosteronspiegel von deutlich < 200 ng/l und Hypokaliämie ist ein Bestätigungstest nicht erforderlich. Ansonsten sollte bei Patienten ohne kardiale Erkrankung ein Kochsalzbelastungstest (intravenöse NaCl-Infusion, Tabelle 2) angewendet werden. Ergänzend kann eine Bestimmung von Aldosteron-18-Glukuronid im Urin erfolgen. Alternativ steht der Captopril-Test zur Verfügung (ACE-Hemmer, 50 mg Captopril oral, Messungen Aldosteron und Renin nach 60 und 120 min; ausbleibende Suppression der bereits basal erhöhten Aldosteronkonzentration und keine oder nur geringe Stimulation der zumeist basal supprimierten Reninkonzentration).
Tab. 2: Beispiel-Testprotokoll Kochsalzbelastungstest am Facharztzentrum Wilhelmshaven [4]
Hinsichtlich der Bildgebung ist die Computertomografie aufgrund der besseren Ortsauflösung der Kernspintomographie überlegen. Bei Kernspinuntersuchungen der Nebennieren sollte hinsichtlich der besseren Gewebsdifferenzierung eine Chemical Shift-Analyse erfolgen. Gelingt eine Lateralisierung nicht, wird eine Nebennierenvenenkatheteruntersuchung erforderlich (dies ist nur an spezialisierten Zentren zuverlässig möglich).
Differenzialdiagnostisch kommen ein Cushing-Syndrom, ein Phäochromozytom (Bestimmung der Plasmametanephrine wie Normetanephrin, Metanephrin > 4fach des Normwertes mit Blutentnahme im Liegen nach 30 min) oder eine Niedrig-Renin-Hypertonie (Lakritzabusus, 11-ß-Hydroxylasemangel, Liddle-Syndrom (Ionenkanalerkrankung der renalen Sammelrohre)) in Frage.
Therapeutisch ist bei unilateraler Erkrankung eine laparoskopische unilaterale Adrenalektomie angezeigt. Bei bilateraler Nebennierenhyperplasie oder Inoperabilität sollte eine Mineralkorticoid-Antagonisten (MRA)-Therapie eingesetzt werden.
Postoperativ sollte eine klinische und biochemische Nachsorge erfolgen. Die Patienten unter MRA-Therapie sollten jährlich kontrolliert werden. Die kardiovaskuläre Morbidität geht deutlich zurück bei einem adäquat behandeltem primären Hyperaldosteronismus. Im Vergleich ist die Mortalität nach adäquater Behandlung vergleichbar zu dem Patientenkollektiv mit essenzieller Hypertonie [2][4]. Die klinisch vollständige Remission der Erkrankung im Sinne der Blutdrucknormalisierung ist meist nur bei jüngeren Patienten mit einer geringen Hypertoniedauer möglich.
In Zusammenschau ist somit durch eine adäquate Identifizierung der Erkrankung eine Remission/Heilung und eine deutliche Senkung der kardiovaskulären Morbidität bei unserem jungen Soldatenklientel möglich und trägt zum langfristigen Erhalt der Dienstfähigkeit und Steigerung der kardiovaskulären Fitness bei.
Fall 2: Männlicher Patient, Soldat, 32 Jahre, stammbetonte Adipositas I°, arterielle Hypertonie II°, Facies lunata: zentraler, ACTRH-abhängiger Hyperkortisolismus, M. Cushing
Anamnese
Die Vorstellung erfolgte zur endokrinologischen Mitbeurteilung bei arterieller Hypertonie II° und progredienter Gewichtszunahme. Im Rahmen einer Appendektomie im September 2020 waren ausgeprägt erhöhte Blutdruckwerte aufgefallen. In den letzten Monaten bestanden eine zunehmende Leistungsminderung und Gewichtszunahme. Auch veränderte sich die Gesichtsform. Der Patient erhielt keine Medikation.
Klinische Daten
Alter 32 Jahre, Gewicht 103 kg, Größe 188 cm, BMI 29,1 kg/m², RR 150/100 mmHg, Facies lunata, beginnende Stammfettsucht, Schwäche der prox. Extremitätenmuskulatur, Striae rubrae.
Labordiagnostik (Normalwerte in Klammern)
- 1 mg Dexamethason-Hemmtest: keine Cortisolsuppression 19,6 ug/dl (6,02–18,4 ug/dl, gemessen zwischen 6 und 10 Uhr), ACTH mit 60 ng/l (7,2–63,3) trotz des hohen Cortisols erhöht im oberen Referenzbereich.
- Basales ACTH stets deutlich erhöht bei erhöhtem Cortisol; Mitternachtscortisol im Speichel mehrfach deutlich erhöht, keine circadiane Rhythmik vorhanden.
- Abgestufter Dexamethason-Hemmtest: 3 Tage ohne Cortisolsuppression 17 ug/dl, ACTH erhöht mit 112 ng/l.
- CRH-Test: initial ACTH 80,1 ng/l, stimulierbar auf 112 ng/l; Cortisol initial 24,7 ug/dl stimulierbar auf 29,5 ug/dl.
Verlauf und Outcome
Bei dem Patienten wurde bei typischer klinischer Symptomatik ein zentraler ACTH-abhängiger Hyperkortisolismus biochemisch gesichert werden. Das ACTH war basal stets erhöht und konnte im abgestuften Dexamethasonhemmtest kaum supprimiert. Im CRH-Test kam es zu einer signifikanten Aktivierung der hypophysär-adrenalen Achse. Neuroradiologisch wurde ein Mikroadenom der Hypophyse rechts (3x4 mm) nachgewiesen (Abbildung 2).
Abb. 2: MRT der Sella-Region, Mikroadenom der Hypophyse 3x4mm rechts (Pfeil) (Bildquelle über Facharztzentrum Wilhelmshaven)
Laborchemisch und klinisch konnten die typischen Begleitphänomene des Hyperkortizismus bestätigt werden: Hypokaliämie als Ausdruck des mineralocorticoiden Effektes bei Hyperkortisolismus, sekundärer Hypogonadismus, beginnende metabolische Veränderungen. Auffällig war eine partielle, zentrale thyreotrope Insuffizienz, am ehesten zu deuten als Verdrängungseffekt durch den Tumor.
Im Juni 2023 erfolgte eine transsphenoidale Resektion des Mikroadenoms am Universtitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Hierbei gelang eine vollständige Adenomentfernung. Postoperativ stellte sich erwartungsgemäß eine hypothalamische Nebenniereninsuffizienz mit der Notwendigkeit einer Hydrocortisonersatztherapie ein. Postopertiv war eine prolongierte Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin erfolgt.
Nach 1,5 Jahren konnte bei unauffälliger und physiologischer Stimulierbarkeit des endogenen Cortisols mittels ACTH-Testung die Hydrocortisonersatztherapie ausgeschlichen werden. Der Patient war nach einer ambulanten und stationären Rehabilitation wieder komplett körperlich belastbar und konnte alle IGF-Leistungen ohne Einschränkungen erfüllen. Alle hypophysären Hormon Achsen waren intakt. Eine MRT-Untersuchung der Sella-Region vom Juni 2023 ergab keine Hinweise für einen Rezidiv. Weiterhin bestehen keine Hinweise für residuelle Komorbiditäten. Es erfolgt eine regelmäßige 1–2x jährliche endokrinologische Nachsorge.
Bemerkenswert an diesem Fall war eine sehr schnelle Diagnosestellung (nach ca. 6 Monaten) durch eine enge Zusammenarbeit zwischen dem zuständigen Truppenarzt und der FU I Wilhelmshaven.
Zusammenfassung
Das endogene Cushing-Syndrom (0,3 % der hypertensiven Patienten) ist Folge einer autonomen Mehrsekretion von Cortisol mit typischen metabolischen Veränderungen, Hautsymptomen und morphologischen Veränderungen. Abgegrenzt werden sollte eine zentrale, adrenale oder ektope Cortisolmehrsekretion. Problematisch ist eine lange Latenz (bis zu 6 Jahre) bis zur endgültigen Diagnosestellung und Therapie wegen schwieriger Diagnostik des pleomorphen Krankheitsbildes der unbehandelt tödlichen Erkrankung.
Die Diagnostik erfolgt in drei Schritten. Zunächst erfolgt die biochemische Diagnosesicherung (Dexamethasonhemmtest und 2x Mitternachtscortisol im Speichel gemäß (Tabelle 3) oder 2x Kortisol im 24-Stunden-Sammelurin [6]). Fallen 2 Tests unauffällig aus, ist ein Hypercortisolismus in der Regel ausgeschlossen.
Besteht keine ausreichende Cortisol-Suppression im Dexamethason-Hemmtest (mögliche autonome Cortisolsekretion: Cortisol 1,9–5 ug/dl), sollte eine weitere Differenzierung mittels abgestuftem Dexamethasonhemmtest erfolgen (Tabelle 4).
Im 2. Schritt muss zwischen einem zentralen oder adrenalen Morbus Cushing unterschieden werden (erhöhtes basales ACTH und Stimulierbarkeit des ACTH im CRH-Test (Tabelle 5) sprechen für eine zentrale Genese). Anschließend sollte eine Abgrenzung zu einer möglichen ektopen ACTH-Sekretion erfolgen (starre autonome ACTH-Sekretion mit starker Erhöhung des Plasma-ACTH und Serumcortisol bei ektoper/paraneoplastischer Form).
Die Bildgebung sollte immer erst nach der biochemischen (laborchemischen) Diagnosesicherung erfolgen, da adenomatöse Veränderungen der Nebennieren und der Hypophyse in der Normalbevölkerung (bis zu 10 %) möglich sind. Beachtet werden sollte weiterhin, dass bei bis zu 40 % der Patienten mit M. Cushing die Bildgebung negativ ist. In manchen speziellen Fällen kann die Durchführung eines Sinus-petrosus-Katheters notwendig werden.
Differenzialdiagnostisch muss an erster Stelle der milde, funktionelle Hypercortisolismus bei metabolischem Syndrom mit Adipositas oder bei Depression erwähnt werden. Weiterhin können eine Niereninsuffizienz, ein Alkoholabusus oder eine Ovulationshemmereinnahme (Erhöhung des Serumcortisols durch die Erhöhung des Cortisol-bindenden-Proteins) einen Hypercortisolismus induzieren. Eine exogene Glukokortikoideinnahme führt selbstverständlich ebenfalls zu einem messbaren Hypercortisolismus.
Die Therapie eines Cushing-Syndroms erfolgt primär chirurgisch (transsphenoidale Hypophysenoperation), wobei die Mitwirkung eines interdisziplinären endokrinen Tumorboards und die Expertise des Operateurs von entscheidender Bedeutung sind. Bei inoperablen Tumoren oder als Zweitlinientherapie bei erfolgloser Hypophysenoperation stehen neben einer stereotaktischen Therapie auch die Pharmakotherapie mit dem Somatostatinanalogon Pasireotid oder adrenostatische Therapie (Ketokonazol (Antimykotikum), Metyrapon (11-ß-Hydroxylasehemmer)) zur Verfügung.
Nach Entfernung des ACTH- bzw. Cortisol-produzierenden Tumors stellt sich eine hypothalamische Nebenniereninsuffizienz ein. Im Median dauert diese bis zu 1,5 Jahren bei zentralem Cushing-Syndrom. Umgehend postoperativ ist eine Hydrocortisonersatztherapie erforderlich.
Bei ACTH-abhängigem, zentralen Cushing Syndrom ist aufgrund von Komorbiditäten (Depression, metabolisches Syndrom, Osteoporose) und des Rezidivrisikos eine lebenslange endokrinologische Nachsorge erforderlich. Auch nach erfolgreicher Therapie bleibt die Mortalität höher als beim Kontrollkollektiv mit kardiovaskulären Erkrankungen [1].
Schlussfolgerungen
Die arterielle Hypertonie ist eine chronische Erkrankung, die in den westlichen Industrienationen bis zu ein Viertel der Gesamtbevölkerung betrifft. Die ausgeprägte Prävalenz wird auch insbesondere in der soldatischen Sprechstunde deutlich. Etwa zwei Dittel der Patienten mit arterieller Hypertonie sind nicht oder nicht ausreichend behandelt. Die Ursachen für eine nicht ausreichende Blutdruckkontrolle sind vielfältig und reichen von einer nicht ausreichenden medikamentösen Therapie, mangelnder Therapieadhärenz bis zu einer unerkannten sekundären Hypertonie.
Die Diagnostik der endokrinen Erkrankungen als mögliche Ursache der arteriellen Hypertonie ist aufwändig, logistisch schwierig umzusetzen (Präanalytik, lange Transportwege zu Vertragslaboren) und bedarf einer fundierten Fachkenntnis. Anhand von Falldarstellungen und konkreten Testprotokollen wurden die klinischen diagnostischen Pfade der insgesamt epidemiologisch seltenen Erkrankungen dargestellt.
Insbesondere bei dem überwiegend jungen soldatischen Patientenkollektiv sollte bei therapieresistenter Hypertonie oder jungem Alter stets an eine endokrine oder sekundäre Hypertonieform gedacht werden und eine fachspezifische Diagnostik eingeleitet werden. Zwischen dem Bestehen des Bluthochdrucks und der Rate kardiovaskulärer Folgeerkrankungen besteht ein klarer Zusammenhang. Ein konsequentes und fachgerechtes Screening auf die behandelbaren sekundären Hypertonieursachen verhindert kostenintensive, lebens- und dienstlimitierende Folgeerkrankungen.
Literatur
- Diederich S, Feldkamp J, Grüßendorf M, Reinke M: Referenz Endokrinologie und Diabetologie. Stuttgart: Thieme 2020: 54-63.
- Diederich S, Feldkamp J, Grüßendorf M, Reinke M: Referenz Endokrinologie und Diabetologie. Stuttgart: Thieme 2020: 220-223.
- Diederich S, Feldkamp J, Grüßendorf M, Reinke M: Referenz Endokrinologie und Diabetologie. Stuttgart: Thieme 2020: 622-639.
- Funder JW, Carey RM, Manteron F, et al.: The management of primary aldosteronism: case detection, diagnosis, and treatment: An Endocrine Society Clinical Practice Guideline. J Clin Endocrinol Metab 2016; 101:1889-1916. mehr lesen
- Kearney PM, Whelton M, Reynolds K, et al.: Global burden of hypertension: analysis of worldwide data. Lancet 2005; 365(9455): 217-23. mehr lesen
- Rossi GP, Seccia TM, Pessina AC: Clinical use of laboratory tests for the identification of secondary forms of arterial hypertension. Crit Rev Clin Lab Sci 2007; 44(1): 1–85. mehr lesen
- Vogel F, Braun L, Reinke M: Morbidität und Mortalität beim Cushing-Syndrom, Internist 2022; 63: 34-42. mehr lesen
- Wolf-Maier K, Cooper RS, Banegas JR, et al: Hypertension prevalence and blood pressure levels in 6 European countries, Canada, and the United States. JAMA. 2003; 289(18): 2363-2369. mehr lesen
Manuskriptdaten
Zitierweise
Missal I: Clinical Pathway der Funktionsdiagnostik bei endokriner Hypertonie im Sanitätsunterstützungszentrum Wilhelmshaven. WMM 2024; 68(4): 169-175.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-274
Verfasserin
Oberfeldarzt Inga Missal
Sanitätsunterstützungszentrum Wilhelmshaven
Alfred-Eckhardt-Str. 1, 26384 Wilhelmshaven
E-Mail: ingamissal@bundeswehr.org
Manuscript data
Citation
Missal I: [Clinical Pathway of Functional Diagnostics in Endocrine Hypertension in the Bundeswehr Major Medical Clinic Wilhelmshaven]. WMM 2024; 68(4): 169-175.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-274
Author
Lieutenant Colonel (MC) Inga Missal, MD
Major Medical Clinic Wilhelmshaven
Alfred-Eckhardt-Str. 1, D-26384 Wilhelmshaven
E-Mail: ingamissal@bundeswehr.org