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Klinische Medizin und Zahnmedizin PDF

Speicheldrüsentumore: Histopathologie und Stellenwert der zahnärztlichen Untersuchung

Salivary Gland Tumors: Histopathology and Importance of Dental Examination

Lukas Grebera, Stephan Ihrlerb,c

a Sanitätsunterstützungszentrum München

b DERMPATH München

c Ludwig-Maximilians-Universität München, Pathologisches Institut

Zusammenfassung

In der klinischen Medizin und im Fach Pathologie besteht der Eindruck, dass die histomorphologische Diagnostik von Tumoren der kleinenSpeicheldrüsen komplex und manchmal mit Fehlklassifikation behaftet ist im Bezug auf die der großen Speicheldrüsen. Dies kann zu nachteiliger Behandlung im Sinne von Über- oder Untertherapie führen.

In einer eigenen umfangreichen Studie konnte mit statistischer Signifikanz belegt werden, dass die pathohistologische Diagnostik von Tumoren kleiner Speicheldrüsen schwieriger ist und es dadurch häufiger zu Fehldiagnosen bzw. konsekutiven Fehltherapien mit gravierenden Auswirkungen kommt. Dieser Artikel soll einen vertieften Einblick in die Makro- und Mikroskopie, Pathologie, Diagnostik und Therapie von Tumoren speziell der kleinen Speicheldrüsen bieten. Zudem wird verdeutlicht, warum eine jährliche zahnärztliche Kontrolluntersuchung für die Prognose von Tumoren in der Mundhöhle, vor allem aber der kleinen Speicheldrüsen, von entscheidender Bedeutung ist.

Stichworte: Speicheldrüsentumore, kleine Speicheldrüsen, Diagnostik, Biopsie, Molekularpathologie, Gaumen, Zahnmedizin

Summary

There is a widespread perception among clinicians and pathologists that the histomorphological assessment of minor salivary gland tumors is more complex and hampered by more misdiagnoses than that of major salivary gland tumors. This fact refers to a vague, subjective clinical impression lacking scientific proof. In a comprehensive study, we proved with a wide range of statistical significance that the pathohistological diagnosis of minor salivary gland tumors is more complex, resulting in more frequent misdiagnoses and, consequently, incorrect treatment with severe consequences. This article intends to provide an in-depth insight into the macro- and microscopy, pathology, diagnosis, and treatment of tumors, especially of the minor salivary glands. It also explains why an annual dental check-up can be decisive for the prognosis of tumors, especially of the minor salivary glands.

Keywords: salivary gland tumors; minor salivary glands; diagnostic difficulty; biopsy; molecular pathology; palate; dentistry

Einleitung und Hintergrund

Beim Thema Speicheldrüsen denkt man vielfach zunächst an große Organe wie die Glandulae parotis und submandibularis, während die große funktionelle Bedeutung der Tausenden von kleinen (meist intraoralen) Drüsen häufig unterschätzt wird. Analog gelten Tumore der kleinen Speicheldrüsen im Vergleich zu den viel häufigeren Tumoren der großen Kopfspeicheldrüsen vielfach nur als „seltene Speicheldrüsentumore in anderer Lokalisation“. Jedoch sind Tumore der kleinen Drüsen durch vielfältige Besonderheiten gekennzeichnet, die viel zu wenig bekannt und untersucht sind, aber zu zahlreichen Problemen in der klinisch-pathologischen Zusammenarbeit führen [14][27][28].

In einer eigenen umfangreichen Studie [13] konnte erstmals mit vielfältiger statistischer Signifikanz belegt werden, dass die pathohistologische Diagnostik von Tumoren kleiner Speicheldrüsen schwieriger ist und es dadurch häufiger zu Fehldiagnosen und konsekutiven Fehltherapien mit gravierenden Auswirkungen kommt. Dieser Artikel soll einen vertieften Einblick in die Makro- und Mikroskopie, Pathologie, Diagnostik und Therapie von Tumoren speziell der kleinen Speicheldrüsen bieten. Zudem soll verdeutlicht werden, warum eine jährliche zahnärztliche Kontrolluntersuchung für die Prognose von Tumoren vor allem der kleinen Speicheldrüsen ausschlaggebend sein kann.

Abb. 1: Anatomie der Kopfspeicheldrüsen (nach G. H. Schumacher [8], Bildrechte des Verlags zum Abdruck liegen vor).

Makro- und Mikroskopie der Kopfspeicheldrüsen

Die großen Kopfspeicheldrüsen werden anatomisch unterteilt in Ohrspeicheldrüse (Gl. parotidea/Parotis), Unterkieferspeicheldrüse (Gl. submandibularis) und Unterzungenspeicheldrüse (Gl. sublingualis). Diese Drüsen sind bilateral angelegt und verfügen über größere Ausführungsgänge, welche in die Mundhöhle münden. Die Gl. sublingualis wölbt sich als Plica sublingualis auf der Mundbodenschleimhaut vor und besitzt hier zusätzlich viele kleine Ausführungsgänge [30].

Zu den zahlreichen kleinen, sehr heterogen verteilten Speicheldrüsen gehören bei den intraoralen

  • Lippendrüsen,
  • Wangendrüsen,
  • Gaumendrüsen,
  • Zungendrüsen und
  • Speicheldrüsen aus dem Bereich der Molarenregion

auch die des restlichen oberen Aerodigestivtraktes (Nasenhaupthöhle, Nasennebenhöhle, Naso-, Oro- und Hypopharynx, Larynx und Trachea) [27][30].

Funktionelle Histologie

Der histologische Aufbau aller Speicheldrüsen basiert, wie in Abbildung 2 schematisch dargestellt, auf einer funktionellen Gliederung in speichelbildende Drüsenazini (ca. 90 % des Drüsenvolumens ausmachend) sowie Schaltstück, Streifenstück (alle intralobulär gelegen) und Ausführungsgang (interlobulär gelegen). Dieses Gangsystem wird von fünf unterschiedlichen Zelltypen gebildet: Azinuszellen, Schaltstückzellen, oxyphile Zellen, Myoepithelzellen und Basalzellen [9][16].

Abb. 2: Funktionelle Histologie der menschlichen Speicheldrüsen (nach Ihrler et al. [16])

Tumore der Speicheldrüsen

Epitheliale Tumore der Speicheldrüsen sind selten und machen nur etwa 4% aller Tumoren des Kopf-/Hals-Bereichs aus [23][29]. Die Gesamtinzidenz beträgt weniger als 5 Betroffene pro 100 000 Personen pro Jahr [24]. Allein aufgrund dieser Seltenheit ist die Erfahrung mit Tumoren der Speicheldrüsen sowohl in der Klinik als auch in der Pathologie in der Regel gering. Der Häufigkeitsgipfel von epithelialen Tumoren liegt im 5.- bis 7. Lebensjahrzehnt, vereinzelt können auch Kinder betroffen sein [11][19][25]. Frauen sind etwas häufiger betroffen als Männer [11][19]. Am meisten treten Speicheldrüsentumore an der Parotis auf (ca. 60 %) [11][19][25]. Der Gaumen ist mit ca. 50 % die häufigste Lokalisation von Tumoren der kleinen Drüsen [11][19][20]. Das Verhältnis von gut- zu bösartigen Tumoren ist sehr stark von der Lokalisation abhängig. So sind maligne Tumore in kleinen Speicheldrüsen mit ca. 50 % im Vergleich zu den großen mit nur ca. 25 % deutlich überrepräsentiert [12][25].

Klinisches Bild

Symptome und Diagnostik

Eine klinische Unterscheidung zwischen malignen und benignen Tumoren von Speicheldrüsen ist oft sehr schwierig bis unmöglich, da sowohl maligne als auch benigne Speicheldrüsentumore sich meist nur durch eine schmerzlose Tumorbildung manifestieren [22]. Maligne Tumore können durch Infiltration in Nachbarstrukturen vermeintlich „spezifische malignitätsverdächtige Symptome“ hervorrufen [22]. Hierzu gehören: Schmerzen, diffuse Ausbreitung des Tumors und Parästhesien. Aber auch benigne Tumore (vor allem der kleinen Speicheldrüsen) können häufig Ulzerationen, Tumornekrosen und ein pseudoinfiltratives Wachstum aufweisen und so einen malignen Charakter vortäuschen (Abbildung 3) [14]. Somit muss grundsätzlich „bei jeder Schwellung im Bereich der Speicheldrüsen differentialdiagnostisch auch an eine maligne Tumorerkrankung gedacht werden“ [17][21].

Abb. 3: (A) Myoepitheliom – initiale Diagnose an der PE: Adenoidzystisches Karzinom, (B) kanalikuläres Adenom an der Oberlippe und (C) kleines Myoepitheliom mit Schleimhautulkus in Folge einer partiellen ischämischen Tumornekrose

Zur weiteren Abklärung eines Tumorverdachts erfolgt in den meisten Fällen eine diagnostische Bildgebung. Allerdings kann mit den üblichen bildgebenden Verfahren (Sonografie, Röntgenuntersuchung, digitale Volumentomografie, Computertomografie, Kernspintomografie), häufig keine sichere Dignitätsbeurteilung (maligne vs. benigne) vorgenommen werden [22].

Die sichere Diagnosestellung ist nur durch eine histologische Untersuchung möglich [2]. Diese erfolgt entweder an Material einer Probebiopsie (Inzisions-, Stanzbiopsie) oder einer Resektion (primär Entfernung des Tumors in toto) [22], letzteres vor allem bei Tumoren der großen Speicheldrüsen. Bei Tumoren der kleinen Drüsen hingegen wird bisher häufig eine initiale Probebiopsie bevorzugt [4]. Bei einer Feinnadelaspirationszytologie werden kleinste Zellverbände durch Punktion entnommen. Diese zytologischen Untersuchungen haben allerdings technisch bedingt eine geringere Aussagekraft als histologische Untersuchungen, sodass der Stellenwert zytologischer Verfahren im Kopf-/Hals-Bereich eingeschränkt bzw. umstritten ist [22][27].

Therapie

Die komplette chirurgische Resektion ist die Therapie der Wahl bei der Behandlung operabler Tumoren von Speicheldrüsen (sowohl maligne als auch benigne) [22]. Meistens erfordert dies eine komplette Entfernung des befallenen Drüsenkörpers (Ausnahme: Teilparotidektomie) und ggf. benachbarter betroffener Strukturen. Ziel der chirurgischen Therapie von malignen Tumoren der Speicheldrüsen ist eine radikale Resektion mit Sicherheitsabstand, ggf. kombiniert mit Entfernung der ableitenden Lymphbahnen und/oder Radiotherapie [22].

Prognose

Allgemeine Prognosefaktoren für Karzinome der Speicheldrüsen sind vor allem der Zelltyp, die Größe und Ausdehnung des Tumors (ggf. Lymphgefäß-, Venen- oder perineurale Invasion), nur z. T. die histologische Malignitätsgraduierung, die Tumorlokalisation (große vs. kleine Speicheldrüsen), Alter, Geschlecht und das Vorliegen tumorfreier Ränder.

Pathohistologie/Immunhistochemie/Molekularpathologie

Pathohistologie

Wie bereits dargestellt sind gut- und bösartige Tumore einerseits selten und andererseits durch eine ungewöhnlich große Vielfalt unterschiedlicher Tumorentitäten charakterisiert (WHO 2022: 15 benigne und 21 maligne Entitäten) [10][23][29]. Bedingt durch diese enorme Vielfalt (mit zum Teil fließenden Übergängen) und andererseits Seltenheit (und damit mangelnder Erfahrung) wirft die pathohistologische Diagnostik von Speicheldrüsentumoren im Vergleich zu anderen Organsystemen überdurchschnittlich häufig Probleme auf [23][31]. So beschreibt Chiosea 2009 [7] die histologische Diagnostik von Tumoren der Speicheldrüsen als ein „major diagnostic dilemma“.

Hinzu kommt, dass häufig eine große histomorphologische Heterogenität sowohl zwischen Tumoren einer ­Entität als auch innerhalb eines Tumors besteht. Paradebeispiel eines Tumors mit äußerst heterogener Dif­feren­zierung ist das pleomorphe Adenom (häufigste Entität), das unter anderem verschiedenste epitheliale und mesenchymale Differenzierungsformen der Myoepithelzellen (schwannomartig, myoepithelial, lipomatös, myxoid-chondroid und selten osteoid) zeigen kann [15].

Von sehr großer diagnostischer Bedeutung ist, dass auch Tumorentitäten unterschiedlicher Dignität (maligne vs. benigne) sich histomorphologisch äußerst ähnlich präsentieren können, z. B. kanalikuläres Adenom vs. polymorphes Adenokarzinom (Abbildung 4). Insbesondere besteht bei der Unterscheidung mancher benigner Tumortypen von einigen hochdifferenzierten Karzinomtypen bei Abwesenheit von klassischen Malignitätskriterien (Zellatypie, gesteigerte Proliferation und Tumorinfiltration) überdurchschnittlich häufig das Risiko einer Fehlinterpretation und damit konsekutiv einer Fehltherapie.

Vor dem Hintergrund dieser dargestellten Probleme kann die Immunhistochemie, vor allem aber die in ihrer Relevanz zunehmende Molekularpathologie wichtige diagnostische Erkenntnisse liefern.

Abb. 4: Kanalikuläres Adenom oder polymorphes Adenokarzinom?
(A) Ein gut umschriebener Tumor von 11 mm Durchmesser am Gaumen (kleine Pfeile: Schleimhaut), ohne klassische Malignitätskriterien: keine Invasion, keine Zellatypie (B) und keine erhöhte Proliferation (C:Ki67).
Enddiagnose des polymorphen Adenokarzinoms (low-grade) nur anhand einer positiven Mutationsanalyse (PRKD1 mut+) und einer fokalen Lymphangiosis carcinomatosa (Pfeil). Nach Ihrler et al. [13]

Immunhistochemie

Im Vergleich zu Tumoren anderer Organe findet sich in Tumoren der Speicheldrüsen eine ungewöhnlich große Heterogenität und Variabilität des immunhistologischen Reaktionsprofils. So bestehen deren Tumore nur selten aus einem einzigen, häufiger aus zwei oder mehreren Zelltypen und entsprechendem heterogenen immunhistologischen Reaktionsprofil (Abbildungen 2 und 4). ­Zudem besitzen einige Zelltypen ein sehr variables immunhistochemisches Reaktionsprofil. So zeigt die neoplastische Myoepithelzelle ein variables immunhistologisches Reaktionsprofil mit häufigem Verlust von eigentlich „typischen myoepithelialen“ Markern [15].

Demgegenüber sind nur sehr wenige Tumorentitäten durch relativ spezifische Marker charakterisiert. Auch der Proliferationsmarker Ki67 erlaubt bei fließendem Kontinuum in der Regel keine sichere Unterscheidung zwischen einem benignen Tumor und einem hochdifferenzierten Karzinom [5][18]. Cheuk und Chan 2000 [6] beschrieben deshalb das immunhistochemische Markerprofil der Speicheldrüsentumore als „disappointingly anarchic“ (vgl. [23]).

Molekularpathologie

Die systematische Erforschung von tumorspezifischen genetischen Aberrationen bei Tumoren der Speicheldrüsen erzielte erst in den letzten Jahren (mit erheblicher Verzögerung gegenüber anderen Organsystemen) große Fortschritte [14]. So werden in der aktuell gültigen WHO-Klassifikation von 2022 [10] bei etwa 2/3 der Speicheldrüsenkarzinome charakteristische Aberrationen (v. a. Translokationen) genannt, wohingegen in der WHO-Klassifikation von 2005 noch wenig Kenntnisse vorlagen [14].

Diese genetischen Aberrationen können als relevanter Baustein bei der Diagnostik von Tumoren der Speicheldrüsen herangezogen werden (Abbildung 4) [27]. Hierfür ist eine Voraussetzung, dass eine Aberration häufig bis sehr häufig auftritt (idealerweise in deutlich über 50 %) und spezifisch für eine bestimmte Entität ist [14]. So ist z. B. die Genfusion CRTC1-MAML2 beim Mukoepidermoidkarzinom in über 90 % der Fälle [1] nachweisbar [3][14][26].

Tumore der kleinen Speicheldrüsen: 
Eine besondere Schwierigkeit für die Pathologie – und damit eine Gefahr für die Praxis

Durch den angestrebten Paradigmenwechsel in der Zahnmedizin, „weg von Ästhetik, Kosmetik und Wellness, hin zu oral-medizinischen Zusammenhängen“, nimmt der Zahnarzt verschiedenste Rollen als Oralmediziner ein. Neben Zahnersatz und konservierender Zahnheilkunde gilt er als Entzündungsmanager, Hüter der oralen Immunkompetenz und auch als früher Detektor verschiedenster pathologischer Veränderungen, in erster Linie in der Mundhöhle, aber auch im kompletten Mund-, Kiefer- und Gesichtsbereich.

Eine besondere Rolle in diesem Kontext spielen die Speicheldrüsen als Quelle einer quantitativ und qualitativ optimalen Speichelproduktion. Generalisierte Ent­zün­dungen, wie z. B. bei Morbus Sjögren, können über eine Sicca-Symptomatik eine schwere Funktions­einschrän­kung bedingen.

Andererseits wird den seltenen Tumoren der Speicheldrüsen (vor allem der kleinen, intraoralen Drüsen) als pathologischer Befund in der Mundhöhle oftmals zu wenig Beachtung geschenkt, was sich negativ auf die Prognose und Therapie auswirken kann. Bei lokalisierten Schwellungen im Bereich von Gingiva bzw. allgemein der Mundschleimhaut müssen Tumoren (bei kleinen, intraoralen Speicheldrüsen in 50 % maligne!) immer in die Differentialdiagnose einbezogen werden. Tumoren der Speicheldrüsen sind in ihrem histologischen Bild sehr vielfältig, was häufig zu erheblichen histologischen Überlappungen und Abgrenzungsproblemen zwischen verschiedenen Tumorentitäten, auch unterschiedlicher Dignität (benigne vs. maligne), führen kann.

Eine gravierende pathohistologische Fehlinterpretation von Tumoren der kleinen Speicheldrüsen kann auf der einen Seite eine Übertherapie (ggf. Hemi- Maxillektomie, Unterkieferteilresektion, Strahlentherapie u. a.) zur Folge haben, welche mit massiven funktionellen und ästhetischen Defiziten einhergeht. Andererseits kann die falsche Einschätzung zu einer Untertherapie führen (Tumorentfernung ohne Sicherheitsabstand, keine Untersuchung der regionären Lymphknoten, spätere Rezidive und/oder Metastasen u. a.).

In einer eigenen Studie aus 2021 [13] konnte die bisherig nicht bewiesene Hypothese, dass die histologische Diagnostik von Tumoren der kleinen Speicheldrüsen im Durchschnitt wesentlich schwieriger ist als die der großen durch vielfältige und sehr heterogene statistische Nachweise zweifelsfrei belegt werden [13]. Dieses bringt es mit sich, dass die Gefahr einer Fehlinterpretation, gerade auch hinsichtlich der Dignität (benigne versus maligne), hier wesentlich größer ist. Es konnten 14 unterschiedliche Gründe identifiziert und in einem Teil der Aspekte statistisch belegt werden, die in einem komplexen Zusammenspiel für diesen Unterschied verantwortlich sind (Abbildung 5). Die drei offenkundig wichtigsten Gründe bei Tumoren kleiner Speicheldrüsen sind eine

  • sehr häufige initiale Probebiopsie,
  • eine fast immer vorliegende gute Differenzierung bei Karzinomen (ohne klassische histologische Maligni­tätskriterien) und
  • eine häufig ungenügende klinisch-pathologische Zusammenarbeit.

    Abb. 5: Zusammenfassung der 14 von unserer Arbeitsgruppe identifizierten heterogenen Gründe einer größeren diagnostischen Schwierigkeit bei Tumoren der kleinen Speicheldrüsen vs. großen Speicheldrüsen (Daten aus Normalkollektiv*/Konsilserie°).

Bei Lokalisation am harten Gaumen kommen noch Besonderheiten und Komplikationen hinzu, bedingt durch eingeschränktes Tumorwachstum in diesem engen anatomischen Raum (u. a. häufige Nekrosen, Ulzerationen und massive entzündliche Veränderungen (Abbildung 3).

Empfehlungen für die (zahnärztliche) Praxis

Aus klinischer Sicht sehr bedeutungsvoll ist die Tatsache, dass die genannten Erkenntnisse eine Reihe von Empfehlungen für die Praxis erlauben, die nicht alle gänzlich neu sind, aber jetzt auf einer statistisch belastbaren Grundlage beruhen:

  1. Wenn immer möglich, sollte bei Verdacht auf einen Tumor der kleinen Speicheldrüsen grundsätzlich eine primäre Exzisions- einer Inzisions-Biopsie vorgezogen werden.
  2. Bei Notwendigkeit einer Inzisions-Biopsie sollte diese ausreichend groß und atraumatisch erfolgen.
  3. Bei unklarer Histologie in einer Inzisions-Biopsie sollte wenn möglich der Befund komplett reseziert werden.
  4. Es sollte von Seiten der Klinik immer eine Mitteilung erfolgen über die Tatsache und ggf. die histologische Diagnose einer früheren Biopsie/Resektion.
  5. Eine möglicherweise vorliegende gravierende histologische Befunddiskrepanz zwischen einer Biopsie und einem nachfolgenden Resektat bzw. zwischen Klinik und Histologie sollte immer in einer klinisch-pathologischen Befunddiskussion geklärt werden.
  6. Eine Überweisung an Zentren mit höheren Fallzahlen und konsekutiv größerer Erfahrung erscheint sinnvoll.

Die gründliche Untersuchung der Mundhöhle (idealerweise jährlich durchgeführt), welche Bestandteil jeder „BEMA 01 oder AVU/IGF-Untersuchung“ sein sollte, kann und muss ein frühes Erkennen von Speichel­drüsen­tumoren ermöglichen. Dabei werden nicht selten sehr kleine Tumore bzw. Karzinome ab 3 mm Größe detektiert, welche bei dieser geringen Ausdehnung eine hervorragende Prognose besitzen.

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Manuskriptdaten

Zitierweise

Greber L, Ihrler S: Speicheldrüsentumore: Histopathologie und Stellenwert der zahnärztlichen Untersuchung. WMM 2024; 68(04): 176-181.

DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-272

Für die Verfasser

Oberstabsarzt Dr. med. dent. Lukas Greber

Sanitätsversorgungszentrum Altenstadt

Zahnarztgruppe Außenstelle Kaufbeuren

Apfeltranger Str. 15, 87600 Kaufbeuren

E-Mail: lukasgreber@bundeswehr.org">lukasgreber@bundeswehr.org

Mansucript Data

Citation

Greber L, Ihrler S: [Salivary gland tumors: histopathology and importance of dental examination]. WMM 2024; 68(04): 176-181

DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-272

For the Authors

Major (MC) Dr. med. dent. Lukas Greber, MD

Medical Clinic Altenstadt

Department Dentistry Kaufbeuren

Apfeltranger Str. 15, D-87600 Kaufbeuren

E-Mail: lukasgreber@bundeswehr.org

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