Influenza-Survey Bundeswehr 2022/23: Eine Surveillance akuter respiratorischer Erkrankungen mit einem Sentinelsystem
Influenza Surveillance of the Bundeswehr 2022/23: Sentinel Surveillance of Acute Respiratory Diseases
Sandra Rojaka*, Julia Wenzelb*, Manuel Döhlaa, Ralf M. Hagena#, Svenja Lieblerb#
a Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz, Abteilung XXI – Mikrobiologie und Krankenhaushygiene
b Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr, Referat A VI 1 – Hygiene
* Geteilte Erstautorenschaft
# Geteilte Letztautorenschaft
Zusammenfassung
Infektionen wie die Influenza können die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte beeinflussen. Daten aus dem zivilen Gesundheitssystem sind kaum auf die Bundeswehr übertragbar. Daher führte der Sanitätsdienst der Bundeswehr in der Grippesaison 2022/23 seinen vierten Influenza-Survey durch, der nach einem Pilotlauf 2018/19 und zwei Pandemiejahren zum ersten Mal eine zentralisierte virologische Diagnostik beinhaltete. Methodisch geschah dies in enger Anlehnung an bewährte Verfahren des Robert Koch-Instituts (RKI).
Die syndromische Surveillance von Atemwegserkrankungen umfasste dabei als zentrales Element die Testung von Patientenproben aus Sentinel-Sanitätsversorgungszentren. Nasen-/Rachenabstriche von Patienten mit vorher definierten Symptomen (Atemwegsinfekt mit Fieber) wurden mittels eines respiratorischen Erregerpanels via PCR getestet. Mit dem breit aufgestellten Erregerpanel wurden, zusätzlich zur Influenza, die gängigsten viralen Krankheitserreger ebenfalls überwacht.
Die Annahme, dass sich eigene Ergebnisse wesentlich von der zivilen Influenza-Surveillance unterscheiden, hat sich bestätigt. Im Ergebnis verursachten Atemwegsinfektionen in der Saison 2022/23 eine hohe Krankheitslast. Die Influenza verlief auch innerhalb der Bundeswehr wellenförmig, jedoch über kürzere Zeit als im zivilen Teil Deutschlands und ohne zweite Welle. Dies, sowie die gewonnenen Daten zum Impfstatus der Erkrankten, lässt auf eine relevante Wirksamkeit der Influenzaimpfung für Soldatinnen und Soldaten schließen. Der Influenza-Survey ist geeignet, zukünftig auch Hinweise auf neuartige Erreger frühzeitig zu liefern.
Schlüsselworte: Influenza, Survey, Surveillance, Sentinels, Syndromische Surveillance, respiratorisches Erregerpanel, Grippewelle, saisonale Erkrankungen, Grippesaison, saisonale Grippe
Summary
Influenza epidemics can be a major thread regarding operational capability of armed forces. Due to significant epidemiological differences between members of the Bundeswehr and the German civilian population in general, the results of the influenza surveillance performed by the Working Group Influenza (AGI) at Robert Koch-Institut (RKI) can’t be applied to the Bundeswehr military community.
During the 2022/23 flu season a Bundeswehr specific influenza surveillance system had been conducted for the fourth time. It included a panel of respiratory pathogens for the first time. The findings revealed differences between the military and the civilian influenza season and other respiratory pathogens as well. Data regarding influenza vaccination indicate the adequacy of mandatory vaccinations for German soldiers. Furthermore, the experience gained during this study can be applied to future projects like syndromic surveillances regarding other than respiratory infections.
Keywords: influenza; survey; surveillance; sentinel system; syndromic surveillance; respiratory virus panel; wave of influenza; seasonal infections; flu season; seasonal flu
Einleitung und Hintergrund
Die Influenza ist eine Infektionserkrankung, die nicht nur historisch, sondern auch in der Gegenwart regelmäßig hohen individualmedizinischen sowie kollektiven Schaden verursacht. Dies kann auch die Bundeswehr und deren Einsatzfähigkeit betreffen, die darum eine eigene Gesundheitsüberwachung hierzu initiiert hat. Die folgende Arbeit beleuchtet die Notwendigkeit dieser Maßnahme, stellt Ergebnisse dar und geht auf korrespondierende präventive Maßnahmen ein.
Historische Bedeutung der Influenza und Relevanz für die Bundeswehr
Neben der Pest und HIV/AIDS zählt die Influenza, global betrachtet, zu den Infektionen mit den gravierendsten Auswirkungen im Sinne hoher Mortalitätsraten. Die Pest kostete in den Jahren 1346–1353 bis zu 200 Millionen Menschen das Leben. HIV/AIDS forderte seit seinem Pandemiestatus über 40 Millionen und die Influenza, in Form der Spanischen Grippe, allein zwischen 1918 und 1920 etwa 100 Millionen Todesopfer [1][16][24][26].
Ein wesentlicher Aspekt bei der Influenza, durch den sich diese von den beiden anderen Entitäten unterscheidet, ist, dass es sich um eine impfpräventable Erkrankung handelt. Impfpräventable Erkrankungen sind Krankheiten, die mittels sachgerechter Verabreichung einer Impfung verhindert oder abgeschwächt werden können [20].
Die Influenzaimpfung weist allerdings Besonderheiten auf. Gründe hierfür sind einerseits die fortwährenden Veränderungen der Erregereigenschaften sowie andererseits die wenig nachhaltige Wirkung des Impfstoffs, der aus diesen Gründen jeweils neu zusammengesetzt jährlich appliziert werden muss. Hierzu werden auf der Nordhalbkugel des Globus im Frühjahr und Sommer die Grippewellen der Südhalbkugel studiert und aus den zirkulierenden Stämmen die Impfstoffzusammensetzung für die kommende Grippesaison abgeleitet. Die Impfung hat nach etwa zwei Wochen ihren vollen möglichen Schutz entfaltet und wirkt bei empfohlener Anwendung im Oktober oder November dann, wenn sie i. d. R. am wahrscheinlichsten benötigt wird: zum Eintreffen der jährlichen Grippewelle [19].
Weder innerhalb noch außerhalb der Grippesaison sind der Verdacht auf die Erkrankung an oder der Tod durch humane Influenza gemäß §6 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (IfSG) meldepflichtig, sondern nur der direkte Nachweis des Virus nach §7 IfSG. Daher kann ein Lagebild hinsichtlich der Krankheitslast und des Verlaufs innerhalb einer Saison nicht automatisch generiert werden. Aus diesem Grund führt das Robert Koch-Institut (RKI) auf Grundlage von § 13 IfSG seit vielen Jahren eine kontinuierliche Influenza-Surveillance mittels verschiedener Systeme, zum Beispiel dem GrippeWeb und der syndromischen Surveillance schwerer akuter respiratorischer Infektionen (SARI), durch [14][23].
Relevanz der Influenza für die Bundeswehr
Warum ist nun die Influenza für die Bundeswehr so relevant, dass hierzu eine eigene Gesundheitsüberwachung initiiert wurde und man sich nicht mit den o.g. durch das RKI ermittelten Daten behilft?
Die Antwort ist komplex und liegt nicht zuletzt in der Natur der Grippeerkrankung selbst begründet. Influenza ist hochkontagiös und kann, wie vorab beschrieben, schwer verlaufen und damit die Einsatzfähigkeit der Truppe wesentlich beeinflussen. Erkrankungswellen mit zahlreichen Todesfällen gehören nicht einer fernen Vergangenheit an, sondern sind auch in der Gegenwart regelmäßig zu beobachten. Beispielsweise fand 2017/2018 die Grippewelle mit der höchsten Anzahl an Todesopfern innerhalb von 30 Jahren statt; mehr als 25 000 Menschen starben dabei allein in Deutschland [6]. Die World Health Organization (WHO) führt die Influenza unter den „Top Ten“ nicht nur der Infektionserkrankungen, sondern aller Gesundheitsrisiken überhaupt [27].
Zivile Influenza-Surveillance
Die im zivilen Gesundheitssystem gewonnenen Daten sind jedoch nicht einfach auf die Bundeswehr übertragbar. Dies liegt einerseits an den unterschiedlichen Altersstrukturen der beobachteten Populationen – der deutschen Gesamtbevölkerung bzw. den Soldaten und Soldatinnen der Bundeswehr. Auch die Geschlechterverteilung der deutschen Bevölkerung unterscheidet sich klar von jener der Soldatinnen und Soldaten. Zusätzlich wird ein großer Teil der Daten der RKI-Influenza- und Impfsurveillance durch die Gruppen der sehr jungen Kinder sowie lebensältereren Mitbürger maßgeblich beeinflusst, während die meisten Soldaten bzw. Soldatinnen zwischen 20 und 50 Jahren alt sind. Darüber hinaus weist das Soldatenkollektiv weitere Besonderheiten auf. Im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt sind weniger (chronisch) Kranke zu vermuten [9]. Zudem weichen die Lebens- und Arbeitsbedingungen oft vom bundesdeutschen Durchschnitt ab: Es gibt Sammelunterkünfte, Übungen im Freien in hohen Personalstärken bei jeder Form von Witterungsbedingung, intensiven Ausbildungsbetrieb, Dienstalltag mit z.T. sehr engen Kontakten (z. B. Schiffe, Panzer), duldungspflichtige Impfungen u. a. m. Bei so vielen Variablen ist eine Übertragung der Daten spekulativ, was eine eigene Datenerhebung notwendig macht.
Verstärkend kommt hinzu, dass sich mit der COVID-19-Pandemie einige Gegebenheiten geändert haben. So hat es z. B. in der Saison 2020/21 kaum Grippeaktivität gegeben, die sich auf der Südhalbkugel hätte studieren lassen können [11]. Zudem hat sich als weltweites Phänomen die Saisonalität einiger infektiöser Krankheitserreger aufgrund der getroffenen Schutzmaßnahmen (Isolation, Maskenpflicht) verändert [2][10][12].
Bedingungen und Methoden für ein Survey in der Bundeswehr
Respiratorische Syndrome führen in Deutschland jährlich zu Erkrankungswellen mit Schwerpunkt in der kalten Jahreszeit. Saisonale Grippewellen spielen sich in Deutschland i.d. R. zwischen der 40. Kalenderwoche eines Jahres bis zur 15., maximal 20. Kalenderwoche des darauffolgenden Jahres ab. Daher finden die Beobachtungen im Rahmen des Influenza-Survey Bundeswehr im Wesentlichen in der Zeit zwischen September und April statt. Es wird hierbei u. a. die Erkrankungshäufigkeit an Atemwegsinfektionen anhand von Meldungen aus 13 bzw. 14 Sanitätsversorgungszentren (SanVersZ) als sogenannte Sentinel-SanVersZ erfasst. In diesem Rahmen werden die Ausprägungen akute respiratorische Erkrankung (ARE) und influenza-like-illness (ILI) unterschieden. Das diskriminierende Kardinalmerkmal hierbei ist Fieber, welches im letzteren Fall vorliegen muss.
Tab 1: Liste der Sentinel-SanVersZ in der Saison 2022/23
PCR-Nachweis „Respiratorisches Erregerpanel“ ab Saison 2022/23
Zusätzlich wurde nun in der Saison 2022/23, analog zur Systematik des RKI, eine virologische Surveillance implementiert. Die Methodik des Influenza-Survey Bundeswehr gleicht hierbei der des RKI: Die Sentinel-SanVersZ senden Proben von erkrankten Patienten ein, welche auf ein Panel verschiedener respiratorischer Krankheitserreger via Polymerase-Kettenreaktion (PCR) getestet werden. Die Auswahl der Patienten, an denen die Proben mittels Nasen-/ Rachenabstrich gewonnen werden, erfolgt nach zuvor festgelegten Kriterien. Die Abstrichproben werden anschließend in das mikrobiologische Labor des BundeswehrzentralkrankenhausKoblenz,Abteilung XXI – Mikrobiologie und Krankenhaushygiene (BwZKrhs Koblenz Abt. XXI), geschickt. Rationale an dieser unizentrischen Diagnostik ist, dass ohne eine zentralisierte Analyse der Patientenproben ein deutlich weniger realistisches Abbild der Infektlage innerhalb der Bundeswehr gewonnen wird, d. h. eine Untererfassung stattfindet. Bei Weitem nicht jedes gewonnene Untersuchungsergebnis würde gemeldet, u. a. da die Proben in viele verschiedene Labore versandt würden – je mehr Schnittstellen, desto häufiger treten Fehler auf.
Akteure beim Influenza-Survey Bundeswehr 2022/2023
Der Influenza-Survey Bundeswehr wird vom Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr Referat A VI 1 (Kdo SanDstBw VI 1) geleitet. Neben BwZKrhs Koblenz Abt. XXI unterstützen weitere Partner das Projekt: das Kommando Regionale Sanitätsdienstliche Unterstützung (Kdo RegSanUstg) und das Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr (InstPrävMedBw).
Kdo SanDstBw A VI 1obliegt, unterstützt durch Kdo RegSanUstg, Konzeption, Organisation, Anweisung, Überwachung und Koordinierung des Influenza-Survey. Weitere Aufgaben sind Unterstützung und Beratung der Sentinels, Durchführung von Einsenderschulungen, Analyse und Bewertung der ermittelten Daten, Informationsmanagement sowie insbesondere Beratung der Führung des Sanitätsdienstes inkl. der Empfehlung von infektionspräventiven Maßnahmen.
InstPrävMedBwist mit der Erfassung und Auswertung aller Daten der Sentinel-SanVersZ sowie der Ergebnisse der virologischen Diagnostik der Abt. XXI BwZKrhs Koblenz betraut, erstellt Wochenberichte sowie einen Abschlussbericht und berät fachlich.
BwZKrhs Koblenz Abt. XXInimmt, analog zum Nationalen Referenzzentrum für Influenzaviren am RKI, die Funktion eines Public Health-Labors wahr und führt die virologische Diagnostik des Surveys durch. Außerdem erfolgt eine Auswertung eigener Daten und der wöchentliche Versand dieser an Kdo SanDstBw A VI 1 und InstPrävMedBw. Hinzu kommt die fachliche mikrobiologische Beratung sowie Mitarbeit an den Schulungen zum Survey.
Nach dem Pilotlauf und zwei pandemischen Jahren werden mit diesem Bericht zur Saison 2022/23 die Ergebnisse des ersten „scharfen Laufs“ inklusive eigener virologischer Diagnostik präsentiert.
Parameter des respiratorischen virologischen Panels
An jeder eingesandten Probe wurde ein Panel viraler respiratorischer Infektionserreger getestet. Dieses ist weitestgehend an das am RKI verwendeten Panel angelehnt und umfasst
- Adenoviren,
- Parainfluenzaviren,
- Rhinoviren,
- Respiratorische Syncytial-Viren,
- Humane Metapneumoviren,
- Influenza A-Viren,
- Influenza B-Viren und
- SARS-CoV-2.
Das RKI hat Humane Coronaviren (hCoV) anstelle der Adenoviren in ihr Panel aufgenommen.
Darüber hinaus wurden mit dem Probenbegleitschein vorliegende Symptome sowie der Impfstatus bezogen auf SARS-CoV-2 und Influenza erfragt.
Einschlusskriterien
Gemäß Weisungslage sollten in den Sentinel-SanVersZ alle Neukranken, die die festgelegten ILI-Kriterien erfüllten, einen Nasen-/Rachenabstrich zur molekularbiologischen Untersuchung erhalten. Nachdem zu Beginn des Surveys teilweise noch Unklarheiten hinsichtlich der Einschlusskriterien bestanden, wurden die Formulierungen zügig konkretisiert und es erfolgten ergänzende Schulungen. Ab November 2022 galten für den Influenza-Survey in der Bundeswehr die gleichen Definitionen wie beim RKI.
DieSentinel-SanVersZerfassten und meldeten wöchentlich alle neuen ARE- und ILI-Fälle sowie die Gesamtanzahl aller Neukranken. Das Ausfüllen von Probenbegleitscheinen (inkl. Symptom-Katalog und Influenza-Impfstatus), die Durchführung von Nase-/Rachenabstrichen aller ILI-Patienten und der Probenversand an die Abt. XXI des BwZKrhs wurde dort ebenso umgesetzt.
Ergebnisse
Verlauf der Influenza-Saison
Aufgrund der Meldungen der Sentinel-SanVersZ wurde rasch nach Saisonbeginn klar, dass die „pandemische Ruhe“ vorüber war. Es war im Verlauf der Saison eine hohe Last an neuaufgetretenen Atemwegserkrankungen zu versorgen und dies vielfach bei eigenen Personalausfällen. Das absolute Ausmaß der Neukranken-Meldungen und den relativen Anteilen von ARE und ILI daran zeigt Abbildung 1.
Abb. 1: Anzahl der Neukranken-Konsultationen der Sentinel-SanVersZ in der Influenza-Saison 2022/23 absolut sowie die prozentualen Anteile von ARE und ILI
Die teilnehmenden Sentinel-SanVersZ der Bundeswehr sandten bis zur KW 15/2023 insgesamt 2 863 Proben zur virologischen Untersuchung in die Abt. XXI des BwZKrhs Koblenz. Von diesen Proben waren 1 605 „positiv“, d. h. in mehr als der Hälfte aller Fälle (56 %) konnte mindestens ein krankheitsauslösendes Virus nachgewiesen werden (Probeneingänge siehe Abbildung 2). 84 Patienten hatten mindestens Doppelinfektionen, d. h., dass deren Symptome durch wenigstens zwei Viren bedingt sein konnten. In den Proben zweier Patienten wurden sogar drei krankheitsverursachende Viren bestätigt.
Abb. 2: Probeneingang aus den Sentinel-SanVersZ bei BwZKrhs Koblenz Abt. XXI und Entwicklung der Positivenrate aller getesteten Viren im Verlauf der Influenza-Saison 2022/23
Wie aus Abbildung 3 ersichtlich, stieg der Anteil der Influenza-Nachweise (wie zivil ermittelt in erster Linie durch Influenza A) zwischen der 47. und 52. KW 2022 steil an. Von der 50. Bis zur 52. KW waren über 50 % der abgestrichenen Patienten influenza-positiv.
Abb. 3: Entwicklung der Positivenrate im Verlauf der Saison, bezogen auf einzelne virale Krankheitserreger: Beginn der Grippewelle in der KW 47/2022, Ende nach der KW 01/2023, gemäß der bei BwZKrhs Koblenz Abt. XXI geführten Nachweise
Nach der 1. KW 2023 wurden jedoch keine signifikanten Influenza-Fallzahlen mehr erreicht; die meisten Atemwegserkrankungen entfielen dann i. d. R. auf Erkältungsviren. Die erste und einzige Grippewelle innerhalb der Bundeswehr der Saison 2022/23 hatte geendet. Aus der Abfrage nach dem Impfstatus ergab sich, dass ca. 39 % der laborbestätigten Grippekranken vor Einsetzten der Erkrankungssymptome eine aktuelle Influenza-Impfung erhalten hatten, während ca. 59 % der laborbestätigten Grippekranken (noch) nicht geimpft waren bzw. noch keine Auffrischungsimpfung erhalten hatten.
Abseits der Influenza-Lage konnten z. B. lokale Ausbrüche mit Parainfluenzaviren (Köln, bereits in der KW 38/2022) oder Rhinoviren (Rostock, KW 05/2023) verzeichnet werden.
Assoziierte Symptome und Viruskombinationen
Die Auswertung der Symptom-Komplexe zeigte außer beim Symptom Fieber keine Besonderheiten. Stellt man die Frage, ob dieses Symptom zum Zeitpunkt der Vorstellung im Sentinel-SanVersZ noch bestand, dann war dies mit großem Abstand bei den Influenza-Erkrankten zumeist der Fall (etwa 85 %), am zweithäufigsten mit 70 % bei den Humanen Metapneumoviren (bei allerdings nur zehn Nachweisen war dieser absolut).
Die häufigsten positiven Testergebnisse im Survey wurden von folgenden drei Infektionserregern verursacht: Rhinoviren 539, SARS-CoV-2 495 und Influenza 445 positive Nachweise. Das o.g. vielfache Auftreten von SARS-CoV-2 (siehe auch Abbildung 4) war bereits in Abbildung 2 zu erkennen, in der das Virus um die 20 %-Marke unduliert.
Abb. 4: Absolute Häufigkeiten des respiratorischen Panels aus allen Proben des Surveys gemäß der Probeneingänge beim BwZKrhs Koblenz Abt. XXI.
– Humanes Rhinovirus
– SARS-CoV-2
– Influenza A-Virus
– Respiratorisches Synzytial-Virus
– Parainfluenza-Virus
– Adenovirus
– Influenza B-Virus
– Metapneumovirus
Der häufigste „Kombinationspartner“ unter den untersuchten Viren war allerdings das Influenza-Virus, obgleich es nicht das häufigste nachgewiesene Virus war. 42-mal wurden Influenzaviren gemeinsam mit anderen Viren nachgewiesen, 41-mal war dies bei Rhinoviren der Fall und 37-mal bei SARS-CoV-2.
Vergleich mit zivil erhobenen Daten
Am RKI wurden von KW 40/2022 bis einschließlich KW 15/2023 4 971 Proben am Nationalen Referenzzentrum (NRZ) analysiert. In der Bundeswehr waren es 2863 im Vergleichszeitraum. Zivil entfiel auf 1067833 Menschen eine Proben-einsendende Sentinelpraxis, bei der Bundeswehr waren es 13906 Menschen pro einsendendem Sentinel-SanVersZ, mit entsprechend deutlich höheren relativen Probenzahlen. Aufgeteilt sind die Praxen in beiden Bereichen auf jeweils vier Großregionen: Nord, Süd, Ost und West. Im zivilen Bereich baute sich die Grippewelle einen Monat früher auf und begann in KW 43/2022, während dies in der Bundeswehr erst in KW 47/2022 der Fall war. Beide Grippewellen endeten nach der KW 01/2023. Doch während in der Bundeswehr keine weitere Grippewelle zu verzeichnen war, war die Influenza-Aktivität im zivilen Bereich so, dass dort noch für weitere fünf Wochen von KW 09/23 bis KW 14/23 eine zweite Influenzawelle stattfand.
Darüber hinaus war auch der relative Gesamtanteil an Influenzanachweisen innerhalb der Bundeswehr deutlich niedriger als zivil: Bei 15,5 % der Proben von Soldatinnen und Soldaten wurde Influenza nachgewiesen, während dies in der deutschen Bevölkerung bei 29,3 % der Fall war.
Unter der Prämisse, dass alle erkrankten Soldatinnen und Soldaten in ihrem Sentinel-SanVersZ vorstellig und durch die Probennahme in den Sentinel-SanVersZ annähernd alle Grippekranken erfasst wurden, ergibt sich in der Saison 2022/23 eine Prävalenz von 2,33 % für die Influenza in der Bundeswehr, während diese im zivilen Bereich allgemein auf 5 bis 20 % geschätzt wird [18]. Prima vista sind darüber hinaus Unterschiede für mehrere Krankheitserreger zu erkennen, was deren Häufigkeit und saisonalen Verlauf betrifft.In der Bundeswehr hat es keine influenzaassoziierten Todesfälle gegeben, anders als im zivilen Bereich, wo zwischen KW 40/2022 und KW 15/2023 1 007 Todesfälle mit Influenzavirusinfektionen auftraten [4].
Diskussion
Die hier präsentierten Ergebnisse aus dem Influenza-Survey Bundeswehr 2022/23 bestätigen die angenommenen Unterschiede zum zivilen Gesundheitssektor bzw. der zivilen Bevölkerung Deutschlands. Aufgrund der Unterschiede der verglichenen Populationen (s.o.) war dies zu erwarten. Plausible Annahmen zur Kausalität des unterschiedlichen Verlaufs der Grippesaison sind multifaktoriell. Ein im zivilen Sektor höherer Anteil vulnerabler Personen, wie sehr alte und/oder schwer kranke Menschen, wird eine Rolle spielen; während der durchschnittliche Gesundheitszustand der Soldatinnen und Soldaten sicherlich als besser eingeschätzt werden kann. Zusätzlich bewirkt die Subgruppe der Kinder, hier vor allem der Kleinkinder, im zivilen Bereich eine andere Infektionsdynamik als es in der Bundeswehr bei Fehlen dieser Gruppe der Fall ist.
Impfsituation Bundeswehr vs. zivil
Einen der größten Unterschiede könnte die Duldungspflicht von Soldatinnen und Soldaten bezüglich der saisonalen Auffrischung der Influenzaimpfung ausmachen. Daher ist davon auszugehen, dass deren Impfquote weitaus höher liegt als in der zivilen Bevölkerung Deutschlands. Exakt lässt sie sich nicht bestimmen, weder für die Bundeswehr noch für die Zivilbevölkerung, da eine zentralisierte vollumfängliche Erfassung hierzu in keinem der Systeme existiert.
Abb. 5: Anteil der Nachweise für Influenzaviren, hCoV, SARS-CoV-2, RSV, hMPV, PIV und Rhinoviren (Positivenraten, rechte y-Achse) an allen im Rahmen des Sentinels eingesandten Proben (linke y-Achse, graue Balken) von KW 40/2022 bis 14/2023 (mit freundlicher Genehmigung des RKI aus [3])
Die Europäische Union hat die Zielvorgabe von 75 % Durchimpfungsquote für ältere Menschen formuliert, diese wird laut RKI in Deutschland nicht annähernd erreicht; sie wird bei über 60-Jährigen auf nur 47 % geschätzt [21]. Einzig das Personal im Gesundheitswesen erreicht hohe Impfquoten, während die Quoten der meisten Risikogruppen, denen Influenza-Impfungen empfohlen werden (wie beispielsweise Schwangere mit durchschnittlich nur 23 %) gering ausfallen [21].
Zu Beginn des Influenza-Survey war in den SanVersZ noch kein Impfstoff vorhanden. Dieser war in der Regel ab Ende Oktober 2022 verfügbar. Da nicht alle Soldatinnen und Soldaten gleichzeitig geimpft werden können, ergibt sich, dass die Impfquote erst im Verlauf einer Saison ansteigt. Dies kann ein plausibles Teilargument dafür sein, dass es eine kürzere erste Influenzawelle gab, die zweite komplett ausblieb und der relative Anteil der Influenzanachweise an allen untersuchten Proben bei der Bundeswehr nur halb so hoch (15,5 % versus 29,3 %) wie der Anteil der im RKI analysierten Proben war.
Annahmen zum Einfluss der Impfung
Dennoch wird hierin nicht die einzige Begründung liegen, da im Kollektiv der Influenza-Erkrankten ebenso ein Anteil Geimpfter zu finden ist. Eine Impfung bietet nicht immer vollständigen Schutz, abhängig u. a. auch vom zeitlichen Zusammenhang zwischen Impfung und Ansteckung aber auch von der saisonalen Zusammensetzung und den dann tatsächlich vorherrschenden Influenza-Varianten. Coleman et al. beschrieben 2021 in einer Metaanalyse eine ungefähr 41 %-ige Wirksamkeit der Impfung, allerdings bei über ≥65-Jährigen [8]. Aus den Survey-Daten lässt sich jedoch plausibel annehmen, dass die Impfung den Soldaten und Soldatinnen einen guten Schutz bietet. Über den gesamten Saisonverlauf erkrankten ~39 % trotz Impfung, wohingegen unter den (noch) Ungeimpften ~59 % erkrankten (Zunahme dieses Anteils im Verlauf der Saison).
Die trotz Impfung Erkrankten bilden eine Gruppe, die durch zusätzliche Erfassungen und Berechnungen weiter untersucht werden muss, da hier auch zwei Subgruppen miteingeschlossen sind: diejenigen die innerhalb der Inkubationszeit der Grippeerkrankung geimpft wurden und diejenigen, die vor Ablauf der vollen Wirksamkeit der Impfung mit Influenzaviren infiziert wurden. Erstere wird sich nicht herausrechnen lassen, letztere ist jedoch durch eine genauere Datenerfassung bestimmbar. Darüber hinaus sind mögliche Fehler bei der Angabe zum Impfstatus auf dem Probenbegleitschein durch das bearbeitende Personal nicht ausgeschlossen und hier nicht quantifizierbar. Davon abgesehen ist zu bedenken, dass im Influenza-Survey kein Parameter der Krankheitsschwere oder -dauer erfasst wird, sodass es durchaus möglich ist, dass die Geimpften kürzer und/ oder leichter erkrankt waren.
Tab. 3: Zeitlicher Ablauf vor und in der Influenza-Saison 2023/2023
In der Konsequenz bedeutet dies, dass im Rahmen der hier vorliegenden Daten der Effekt der Impfung eher unter- als überschätzt wird. Insgesamt kann von einem relevanten Schutz durch die Influenzaimpfung und einer relevanten Anzahl an verhinderten Infektionen ausgegangen werden, auch wenn der Influenza-Survey methodisch nicht für eine Überprüfung der Impfwirksamkeit, sondern für die epidemiologische Beobachtung der Grippesaison konzipiert wurde.
Erregerspektrum
Neben den Unterschieden im Verlauf der Grippewellen selbst zeigen sich auch Unterschiede in der Verteilung der nachgewiesenen Erreger (vergleiche Abbildungen 3 und 4). Diese können zum einen auf die geringfügig andere Zusammensetzung des Testpanels zurückzuführen sein, sich zum anderen aber auch an der unterschiedlichen Altersstruktur der Populationen erklären lassen. Ein Beispiel ist hier RSV: Während RSV im zivilen Bereich teilweise seine Saisonalität verloren hatte und teils hohe Positivenraten zeigt, hat dieses Virus dem Anschein nach in der Bundeswehr keine Rolle gespielt, was wiederum an der fehlenden Gruppe der Kinder liegen kann, bei denen RSV hauptsächlich vorkam. Ob es sich hier um ein einmaliges Phänomen handelt, werden u. U. zukünftige Surveys beantworten können.
Wehrmedizinische Relevanz
Bei Betrachtung der Ergebnisse wird deutlich, dass Atemwegsinfektionen eine relevante Rolle innerhalb der Bundeswehr in der Erkältungssaison spielen und die Influenza grundsätzlich das Potenzial hat, die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte negativ zu beeinflussen.
Repräsentativität der ermittelten Daten
Insgesamt können die gefundenen Ergebnisse als solide beurteilt werden, da sie sich auf eine verhältnismäßig große Anzahl an Proben bzw. Ergebnissen stützen. Die Anzahl der einsendenden Sentinelpraxen im zivilen Gesundheitssektor ist schwankend und unterscheidet sich von Woche zu Woche: z. B. 79 Praxen in KW 50/2022 im Vergleich zu 25 Praxen in KW 14/2023 [3][5]. Die Proben des Bundeswehr-Surveys entstammen der konstanten Anzahl von 13 Sentinel-SanVersZ. Diese verteilen sich, analog zu den Sentinels der gesamtdeutschen Influenza-Surveillance, auf alle vier Großregionen Deutschlands. Im Rahmen des Influenza-Survey wurden 158,4 Proben pro 10 000 Soldatinnen bzw. Soldaten untersucht, während es im zivilen System des RKI 0,6/10 000 Einwohner waren. Eine Repräsentativität der ermittelten Daten darf daher angenommen werden.
Über die Influenza hinaus ist die Systematik des Influenza-Survey Bundeswehr ein Instrument der syndromischen Surveillance, mit dem sich nicht nur Grippewellen frühzeitig detektieren lassen, sondern auch andere respiratorische Erkrankungen, die die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr negativ beeinflussen könnten. In seiner Gesamtheit kann er in Analogie modellhaften Charakter für die Surveillance anderer Syndrome bieten.
Aus dem Survey ableitbare Empfehlungen
Diese Surveillance bietet insbesondere die Möglichkeit, konkrete Handlungsempfehlungen abzuleiten, was in der Mitte der Saison mit Versand eines fachlichen Hinweises als „Influenza-ALERT“ am 14. Dezember 2022 seitens Kdo SanDstBw A VI 1 geschah.
Die zu diesem Zeitpunkt genannten Maßnahmen können auch in der Gesamtschau der kompletten Saison 2002/2023 weiterhin empfohlen werden:
- Lassen Sie sich möglichst zum empfohlenen Zeitpunkt gegen Influenza impfen.
- Wenden Sie in der Grippesaison die bewährten allgemeinen Präventionsmaßnahmen gegen Atemwegsinfektionen an.
- Bleiben Sie bei Atemwegsinfektionen von der Dienststelle fern.
Tab 4: Definitionen relevanter Begriffe
Literatur
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- Statistisches Bundesamt: Bevölkerung nach Nationalität und Geschlecht. DESTATIS 2023; , letzter Aufruf 23. August 2023. mehr lesen
- Taubenberger JK: 1918 Influenza: the Mother of All Pandemics. Emerg Inf Dis 2006: 12(1): 15-22. mehr lesen
- World Health Organization: Ten threats to global health in 2019. WHO 2019; , letzter Aufruf 24. August 2023 mehr lesen
Danksagung
Ein besonderer Dank gilt den als Sentinel-SanVersZ teilnehmenden Dienststellen mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ohne deren Einsatz diese Surveillance innerhalb der Bundeswehr nicht möglich gewesen wäre.
Manuskriptdaten
Zitierweise
Rojak S, Wenzel J, Döhla M, Hagen RM, Liebler S: Influenza-Survey Bundeswehr 2022/23: Eine Surveillance akuter respiratorischer Erkrankungen mit einem Sentinelsystem. WMM 2023; 67(10-11): 430-438.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-211
Für die Autoren
Oberfeldarzt Dr. Sandra Rojak
Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz
Abteilung XXI – Mikrobiologie und Krankenhaushygiene
Rübenacher Str. 170, 56072 Koblenz
E-Mail: sandrarojak@bundeswehr.org
Manuscript Data
Citation
Rojak S, Wenzel J, Döhla M, Hagen RM, Liebler S: Influenza Surveillance of the Bundeswehr 2022/23: Sentinel Surveillance of Acute Respiratory Diseases. WMM 2023; 67(10-11): 430-438.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-211
For the Authors:
Lieutenant Colonel (MC) Dr. Sandra Rojak, MD
Bundeswehr Central Hospital Koblenz
Department XXI – Mikrobiology and Hospital Hygiene
Rübenacher Str. 170, D-56072 Koblenz
E-Mail sandrarojak@bundeswehr.org
„Recent Advances – Ongoing Challenges“
18. Internationale Medizinische C-Schutz-Tagung
Recent Advances – Ongoing Challenges
18th Medical Chemical Defense Conference
Simone Rothmillera, Franz Woreka, Dirk Steinritza
a Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr, Sanitätsakademie der Bundeswehr, München
Das Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr (InstPharmToxBw) hielt vom 28. bis 29. Juni 2023, nun bereits zum 18. Mal, die internationale Medizinische C-Schutz-Tagung (Medical Chemical Defense Conference, MCDC) an der Sanitätsakademie der Bundeswehr in München (SanAkBw) ab. Wieder einmal konnte ein ausgezeichnetes internationales Meeting, das zu den größten und bedeutendsten Fachkonferenzen zum Thema medizinischer C-Schutz weltweit zählt, mit knapp 200 Teilnehmern aus über 20 Ländern organisiert werden. Unter dem Motto „Recent Advances – Ongoing Challenges“ konnte sich diese Tagung in die erfolgreiche frühere Tradition der MCDC einreihen, nachdem wegen der Covid-19-Pandemie in den letzten beiden Jahren diese Möglichkeit nicht gegeben war. Gerade deshalb ist das InstPharmToxBw sehr dankbar, wieder ein persönliches Treffen möglich gemacht zu haben, um sich über den wissenschaftlichen Fortschritt in Grundlagenforschung, Innovationen in der Entwicklung von Gegenmaßnahmen, Berichte über aktuelle Einsätze sowie die gegenwärtige politische Situation auszutauschen. In sieben Sitzungen wurden dazu 30 Vorträge präsentiert, welche durch die Ausstellung von 62 fachbezogenen Postern ergänzt wurden.
Im Folgenden sollen die Highlights der diesjährigen Tagung das umfangreiche Forschungsfeld des medizinischen C-Schutzes mittels der Kurz-Zusammenfassungen und sorgfältig ausgewählten Abstracts darstellen.
Abb. 1: Vortrag des stellvertretenden Institutsleiters OTA Prof. Dr. Steinritz (Bild: InstPharmToxBw/S. Rothmiller)
Tagungseröffnung
Für das internationale Fachpublikum war die Tagungseröffnung um 8 Uhr morgens am 28. Juni zwar ungewöhnlich früh, aber dennoch war das Audimax der SanAkBw bereits sehr gut gefüllt. Oberstarzt Prof. Dr. Franz Worek eröffnete seine erste MCDC als Leiter InstPharmToxBw feierlich. Im Anschluss daran unterstrich der Kommandeur der SanAkBw, Generalstabsarzt Dr. Hans-Ulrich Holtherm, in seinem Grußwort die Bedeutung des medizinischen C-Schutzes für die Bundeswehr. Dabei ging er auf die besondere Aktualität dieses Themas ein und umriss das geplante Tagungsprogramm. Abschließend bedankte er sich bei den Organisatoren sowie dem gesamten Personal des InstPharmToxBw für die Durchführung dieser wichtigen Konferenz.
Wissenschaftliches Vortragsprogramm
In der Auftakt-Session wurde die Brisanz des medizinischen C-Schutzes mit Bezug zu aktuellen Ereignissen unterstrichen. Die drei Keynote Speaker Dr. Steve Emmett (GBR), Dr. David Steindl (DEU) und Dr. Dan Noort (NLD) präsentierten jüngste Vergiftungsfälle mit Nervenkampfstoffen in England und Russland sowie die daraus resultierende Erweiterung der Liste 1 der Chemiewaffenkonvention. Daran anschließend folgte eine Sitzung mit Weiterentwicklungen im medizinischen C-Schutz in den letzten Jahren. Diese war ebenfalls ein Highlight, da die Übersichtsvorträge die durch Covid-19 entstandene Lücke zu den vergangenen Tagungen schlossen. Eine weitere Besonderheit waren die Kurzvorträge der Nominierten für den diesjährigen Poster-Preis. Eine unabhängige, internationale Jury hatte bereits im Vorfeld auf Grundlage der eingereichten Abstracts von jungen Nachwuchswissenschaftlern eine Auswahl der drei vielversprechendsten Kandidaten vorgenommen. Diese Nominierten stellten dann im Plenum ihre Themen in einer fünfminütigen Präsentation dem gesamten Fachpublikum vor. Danach mussten sie während einer Poster-Begutachtung durch die Jury Rede und Antwort stehen. Die Gewinner entschied schlussendlich das gebündelte Urteil aus Jury- und Publikumsbewertung. Die herausragenden Abstracts der Gewinner, Fee Gölitz (1. Platz, InstPharmToxBw), Stabsapotheker d. R. Adrian Neu (2. Platz, InstPharmToxBw) sowie Dr. Tena Čadež (3. Platz, Institute of Medical Research and Occupational Health, Kroatien), finden sich im Folgeteil des Berichts. Die Poster-Preise wurden im feierlichen Rahmen des Konferenz-Dinners überreicht. Der Nachmittag des ersten Tages stand ganz unter dem Motto der Neuerungen im Bereich der Organophosphat-Vergiftungen. Dabei wurden in zwei Sessions neue Testmodelle wie spezielle Zellkulturen, Organoide oder Tierspezies vorgestellt. Gleichfalls wurden der Einsatz von Molecular Modelling, aber auch neue Scavenger auf Small Molecule oder Melanin Basis präsentiert. Ein neuer Ansatz einer Triple Therapie und der neuartige Ansatz, menschliche Haare als Matrix für Verifikationsmarker einsetzen zu können, wurden gezeigt.
Abb. 2: Gruppenfoto (Abb.: InstPharmToxBw/A. Neu)
Am zweiten Tag lag der Fokus der ersten Session auf Vergiftungen mit Opioiden. Einerseits wurden hier die Opioide aus der polizeilichen, forensischen sowie politischen Sicht beleuchtet. Andererseits wurden computer-basierte Modelle vorgestellt, die die Anzahl aller möglichen Verbindungen auf wahrscheinlich toxische einschränken könnten. Darüber hinaus wurden die humane Pharmakokinetik des Opiatantidots Naltrexone sowie der innovative Einsatz von Opioid-neutralisierenden Antikörpern diskutiert. In der abschließenden Session wurden noch neue Ansätze in der Therapie von Haut- und Lungenkampfstoffen thematisiert. Hierbei wurde die Seneszenz als neuer Pathomechanismus für schwer heilende Wunden nach Schwefellost (S-Lost)-Exposition aufgezeigt sowie die Rolle des Cofaktors NAD+ im genotoxischen Stress nach S-Lost diskutiert. Aufgrund erstmalig präsentierter Transkriptom-Daten nach S-Lost Exposition in Keratinozyten konnte eine vielversprechende microRNA-basierte Therapieoption aufgezeigt werden. In weiteren Vorträgen wurden kardiovaskuläre sowie Hautschäden nach S-Lost sowie mögliche Antidote diskutiert. Abschließend wurden noch potenzielle Gegenmittel sowie Biomarker nach einer Inhalationsvergiftung mit Phosgen aufgezeigt.
Poster-Ausstellung
Dieses Jahr konnten mehr als 60 wissenschaftliche Poster auf der 18. MCDC präsentiert werden. Während den Vortragspausen hatten die Tagungsteilnehmer die Möglichkeit über die ausgestellten Ergebnisse zu diskutieren sowie in entspannter Atmosphäre das eigene internationale Fachnetzwerk auszubauen.
Abb. 3: Gewinner des Poster-Preises: Fee Gölitz (1. Platz, rechts), Stabsapotheker d. R. Adrian Neu (2. Platz, mitte), Dr. Tena Čadež (3. Platz, links) (Bild: SanAkBw/Presseoffizier)
Rahmenprogramm
Das diesjährige Rahmenprogramm umfasste wie gewohnt den Icebreaker am Vorabend der Tagung sowie das Konferenzdinner. Ein „Social Event“ konnte dieses Jahr aus organisatorischen Gründen leider nicht angeboten werden. Der Icebreaker fand in entspannter Atmosphäre im Gebäude der Offizierheimgesellschaft in der SanAkBw statt. Viele Teilnehmer, gerade auch die mit langer Anreise, nahmen gerne die Möglichkeit zum entspannten Kennenlernen und Wiedersehen neuer und alter Kollegen wahr. Das Konferenzdinner fand in festlicher Atmosphäre im Restaurant & Gasthof Neuwirt in Ismaning statt. Hierbei wurde der Abend hervorragend vom Quintett sowie dem volkstümlichen Quartett des Heeresmusikkorps Ulm umrahmt. Die Poster-Preise wurden von der internationalen Jury, vertreten durch Prof. Dr. Stefan Kubik, Dr. Helen Rice und Prof. Dr. Livia Veress, feierlich verliehen. Die 18. MCDC stand auch ganz im Zeichen der Nachhaltigkeit, weshalb auf viele Ausdrucke verzichtet und diese bevorzugt digital zur Verfügung gestellt wurden. Ein besonderes Highlight für alle Tagungsgäste war der nachhaltige, sehr hochwertige Kaffeebecher mit eingraviertem InstPharmToxBw-Logo.
Fazit
Die 18. MCDC war ein voller Erfolg. Der Sanitätsdienst der Bundeswehr konnte sich erneut als hervorragender Gastgeber für das internationale Fachpublikum beweisen. In Vorträgen und Postern wurde der Stand der Wissenschaft in aktueller Weise und sehr guter Qualität dargeboten. Besonders für den wissenschaftlichen Nachwuchs boten sich viele Möglichkeiten, die eigene Arbeit zu präsentieren und sich in die internationale Gemeinschaft zu integrieren. Das InstPharmToxBw konnte seine exzellente Fachexpertise unter den internationalen Fachkollegen unter Beweis stellen.
Autor:
Major Dr. Simone Rothmiller, MSc
Institut für Pharmakologie und Toxikologie
der Bundeswehr
Neuherbergstraße 11, 80937 München
E-Mail: Simone1Rothmiller@bundeswehr.org