Akutes rotes Auge an Bord – eine diagnostische und therapeutische Herausforderung (Kasuistik)
Acute Red Eye on Board: A Diagnostic and Therapeutic Challenge (Case Report)
Andreas Klementa, Ingo Buchholza, Dennis Zieglerb, Ramon Roßnickc, Karsten Wegnerc
a Einsatzflottille 2, Abteilung Sanitätsdienst, Wilhelmshaven
b Bundeswehr Facharztzentrum Kronshagen, Abteilung Augenheilkunde
c Schifffahrtmedizinisches Institut der Marine; Abteilung 1 – Maritime Medizin, Kronshagen
Zusammenfassung
Hintergrund: Schifffahrtmedizin an Bord ist durch limitierte diagnostische und therapeutische Ressourcen gekennzeichnet. Daher sind auf See für die gefährdungsminimierende Erstbehandlung sowie Indikationsstellung zur Überführung in eine spezialisierte Behandlung das Erkennen einfach zu erhebender klinischer Zeichen (sog. „Red Flags“) ausschlaggebend. Telemedizin ist hilfreich, aber nicht immer verfügbar.
Falldarstellung: Es wird ein Fall mit akutem einseitigen und nicht-traumatischen „roten Auge“ vorgestellt. Anfänglich zeigte sich das Bild einer unspezifischen Konjunktivitis. Im weiteren Verlauf entwickelten sich jedoch trotz Behandlung ein zunehmender Augenschmerz, eine Visusverschlechterung sowie Lichtscheu und Reizmiosis.
Diskussion: Für das Beratungsergebnis „rotes Auge“ werden die wichtigsten klinischen „Red Flags“ mit ihren Konsequenzen für die kalkulierte Therapie und Indikationen für eine Ausschiffung von Bord bzw. Isolation von Patienten an Bord vorgestellt.
Schlussfolgerung: Wenn Internet und Telemedizin nicht verfügbar sind, sind „Red Flag“-Symptome beim nicht-traumatischen „Roten Auge“: Augenschmerz, ipsilaterale Effloreszenz, ipsilateraler Kopfschmerz, Visusverschlechterung sowie stärkere Lichtscheu. In diesen Fällen sind Hygienemaßnahmen, Akutbehandlung und zeitnahe Ausschiffung nötig.
Schlüsselworte: Rotes Auge, Keratokonjunktivitis, Herpes-simplex-Virusinfektion, Visusverschlechterung, Red Flags
Summary
Background: Maritime medicine on board is characterized by limited diagnostic and therapeutic resources. Therefore, at sea, knowledge about clinical signs that are easy to collect (so-called “red flags”) are crucial for risk-minimising, initial treatment, and detecting of an indication for transfer to specialized treatment. Virtual consultation is helpful but not always and everywhere available.
Case Report: A case of acute unilateral non-traumatic “red eye” is presented. Initially, the picture was one of non-specific conjunctivitis. In further course, however, despite treatment, increasing ocular pain, visual deterioration, and irritation-induced miosis with photophobia developed.
Discussion: For the non traumatic red eye consultation outcome, the most essential clinical “red flags” with consequences for calculated therapy and indications for disembarkation from the ship or isolation of patients on board are presented.
Conclusion: If teleconsultation is not available, red flag symptoms of non-traumatic red eye include eye pain, ipsilateral efflorescence, ipsilateral headache, worsening visual acuity, and photophobia. Hygiene measures and prompt disembarkation are indicated.
Keywords: red eye; keratoconjunctivitis; herpes simplex virus infection; visual impairment; red flags
Hintergrund
Augenreizungen haben einen Anteil von 2–3 % an den Beratungsanlässen in der Allgemeinmedizin und Notfall-Versorgung an Land. Das „Rote Auge“ ist dabei das häufigste Symptom [2]. Auf seegehenden Einheiten sind in Folge der Einwirkungen von Wind, Sonne und reizenden Stoffen trotz jüngerer Population mindestens ähnliche Inzidenzen zu erwarten.
Mögliche Ursachen für das Symptom „Rotes Auge“ sind vielfältig, abwendbare gefährliche Verläufe (AGV) eher selten. AGV müssen durch gezielte Anamnese und eine ophthalmologische Basisuntersuchung sowie Verlaufskontrolle in Kenntnis von richtungweisenden Befunden (sog. „Red Flags“) ausgeschlossen werden [6], damit eine symptomorientierte kalkulierte Therapie mit ausreichender prognostischer Sicherheit erfolgen kann [5]. Vorliegende „Red Flags“ indizieren einen umgehenden Transfer in die spezialisierte Versorgung, weswegen sie jedem Primärversorger an Bord oder in einer Regionalen Sanitätseinrichtung – ob ärztliche oder nicht-ärztliche Fachkraft – bekannt sein sollten [3].
Anforderungen an Schiffsärzte der Marine
Die Fregatten und Einsatzgruppenversorger der Einsatzflottille 2 sind dauerhaft mit einem Schiffsarzt bzw. einer Schiffsärztin besetzt. Die Besetzungsnotwendigkeit erwächst aus dem Auftrag der Einheiten auf den Weltmeeren. Zusätzlich zur Entfernung des Schiffes zum Land können die meteorologischen Bedingungen die „Fahrzeit“ zur nächsten (fach-)ärztlichen Behandlungsmöglichkeit auf mehr als 48 h verlängern. Die Reichweite von Hubschraubern für SAR-Einsätze (Search And Rescue) ist technisch begrenzt, sodass nicht jede Position in See erreicht werden kann.
Schiffsärzte sind daher mit 3 wesentlichen Feldern von Erwartungen konfrontiert. Erwartungen, die aus dem Auftrag der Einheit, den Fragen der Schiffsführung zur Umsetzung des Auftrages und der Einsatzfähigkeit der Besatzung erwachsen. Diesen Erwartungen wird mit dem Dreiklang aus
- Begutachtung der Besatzung und der Einheit,
- Beratung der Schiffsführung und
- Behandlung von Erkrankten
begegnet. Gerade bei der Krankenbehandlung ist die Erwartung der Besatzung hoch und gleichzeitig die Varianz an Erkrankungen groß. Die erwartbaren Krankheitsbilder spannen einen weiten Bogen von atypischen Menstruationsbeschwerden über banale Infektionskrankheiten, Sportverletzungen und Zahnschmerzen bis zur Erstmanifestation von Tumorerkrankungen. Klassische Notfälle kommen vor, sind allerdings dank vorbeugender Begutachtung, Ausbildung und Arbeitsschutz nicht häufig.
Von Schiffsärztinnen und Schiffsärzten und ihrem Team aus Notfallsanitätern wird erwartet, dass sie sowohl die Notfallmedizin beherrschen als auch über breite allgemeinmedizinische Basiskompetenzen verfügen, um die Besatzung so zu versorgen, dass die Einheit ihren Auftrag erfüllen kann. Trotz umfangreicher Vorbereitung auf ihre Einsatzzeit an Bord benötigen Schiffsärzte zusätzlich eine telemedizinische Anbindung, um sich jederzeit Beratung, Unterstützung und Anleitung zu holen. Aber auch diese kann ausfallen.
Ausbildung von Schiffsärzten der Marine
Die Schiffs- und Geschwaderärzte der Deutschen Marine lassen sich je nach Stand ihrer fachärztlichen Weiterbildung in zwei Gruppen einteilen: zum einen diejenigen, die nach dem ersten klinischen Weiterbildungsabschnitt (2–3 Jahre) in der Truppenarztverwendung eingesetzt werden (keine abgeschlossene Facharztausbildung, aber Erwerb der Zusatzbezeichnung „Notfallmedizin“), zum anderen diejenigen, die als Schiffsärzte mit abgeschlossener Facharztausbildung (und Zusatzbezeichnung „Notfallmedizin“) auf den Einsatzgruppenversorgern der Einsatzflottille 2 oder als Leitende Geschwaderärzte im Bereich der Einsatzflottille 1 ihren Dienst versehen.
Unabhängig von den Vorkenntnissen ist für alle als Schiffs- und Geschwaderarzt eingeplanten Soldaten eine einjährige, modulare Ausbildung am Schifffahrtmedizinischen Institut der Marine (SchiffMedInstM) vorgesehen. Trainings und Praktika ermöglichen eine breite medizinische, aber auch militärisch-taktische Ausbildung am SchiffMedInstM und anderen Ausbildungseinrichtungen der Bundeswehr.
Herzstücke der Ausbildung sind das Training „Einweisung in die Schifffahrtmedizin“, die Trainings „Tauch- und Überdruckmedizin“ Teil I und II und die verschiedenen Trainings zum Erwerb der Qualifikation „Flugmedizinischer Sachverständige der Bundeswehr“ (umgangssprachlich „Fliegerarztlehrgang“). Zusätzlich werden vielfältige weitere Inhalte vermittelt, wie etwa die Grundlagen des Verhaltens an Bord und Schadensabwehr, die taktische Verwundetenversorgung in See oder über den SAR-Dienst der Marine. Weiterhin werden Hospitationen in für die Tätigkeit relevanten klinischen Fächern wie Dermatologie und Gynäkologie absolviert, bevor „neue“ Schiffs- und Geschwaderärzte ihren Dienst in der Flotte antreten.
Falldarstellung
Während einer viertägigen Seefahrt von Wilhelmshaven durch den Skagerrak nach Neustadt i.H. stellte sich am Morgen des zweiten Seetages an Bord des Einsatzgruppenversorgers (EGV) Frankfurt a.M. ein 23jähriger Soldat mit rechtseitig rotem Auge dem – für diese Fahrt als Reservist vertretungsweise eingesprungenen – Schiffsarzt vor. Nach Brückenwache am Vorabend sei er mit einem verklebten Auge und Fremdkörpergefühl erwacht. Ein Trauma, Strahlung- oder Reizstoffkontakt war nicht erinnerlich, im Umfeld waren keine ähnlichen Fälle bekannt.
Bei der Untersuchung zeigte sich eine diffuse Rötung der Konjunktiva und Anheftungen von trüb-gelblichen Sekret an den Lidkanten (nicht durch Foto dokumentiert). Die Sehschärfe war (brillenkorrigiert) normal, beim Ektropionieren der Lider war kein Fremdkörper erkennbar. Der Bulbusdruck, die Haut um das Auge sowie der übrige körperliche Zustand waren unauffällig. Unter Verdacht auf eine bakterielle Konjunktivitis erfolgte eine kalkulierte Therapie mit IsoptoMax®-Augentropfen (3500 I.E. Neomycinsulfat, 1 mg Dexamethason, 6000 I.E. Polymyxin-B-sulfat), Festlegung von Kontakt- und Hände-Hygienemaßnahmen sowie Vereinbarung der Wiedervorstellung nach einem Tag „Krank auf Koje“.
Nach 10 h unter korrekter Anwendung der Augentropfen stellte sich der Soldat erneut vor. Das Fremdkörpergefühl habe sich bis zu einem Augenschmerz (VAS 3–4) mit Lichtscheu gesteigert und die Sehschärfe abgenommen. Bei der Untersuchung fand sich nun eine gemischte konjunktival-ziliare Injektion mit lateral betonter Gefäßzeichnung und Reizmiosis als Ausdruck einer entzündlichen Beteiligung der Uvea (!). Das Oberlid zeigte sich verdickt, gerötet und leicht ptotisch (Abbildung 1).
Abb. 1: Gemischt konjunktival-ziliare Injektion mit Reizmiosis bei Keratokonjunktivitis nach antibiotischantiinflammatorischer Augentropfen-Behandlung am 2. Seetag
Unter dem Verdacht auf Keratokonjunktivitis mit drohender Beteiligung der Uvea (Iridozyklitis) wurde um eine augenärztliche telemedizinische Beratung nachgesucht, die aufgrund technischer Probleme und Nichterreichbarkeiten (später Freitagabend) nicht zustande kam. Das ophthalmologische Lehrbuch in der Bordbibliothek stammte aus dem Jahr 1988, Internet war nicht verfügbar, elektronisch gespeicherte Literatur nicht vorhanden. Über Satellitentelefonverbindung konnte schließlich eine Internetrecherche durchgeführt werden, die als Therapieempfehlung bei Iridozyklitis die Verabreichung von Atropin-Augentropfen (1 Tropfen 0,5 %) zur Verhütung von Verklebungen (Synechien) zwischen Iris und Linse ergab. Atropin-Augentropfen befanden sich jedoch nicht an Bord, worauf zu diesem Zweck ersatzweise (nach entsprechender Aufklärung und Einverständniserklärung des Patienten zum Off-Label-Use) die 0,05 %-Verdünnung der Atropin-i.v.-Ampulle in hälftiger Dosis angewandt wurde. Statt IsoptoMax®-Augentropfen wurde auf Dexa-Gentamycin®-Augensalbe (5 mg Gentamycinsulfat, 0,3 mg Dexamethason) unter Okklusivverband umgestellt. Eine Analgesie erfolgte mit Sympal® (Dexketoprofen) 3 x 25 mg/d oral. Zusätzlich erfolgte (ebenfalls nach entsprechender Aufklärung und Einverständnis des Patienten) eine kalkulierte antivirale Therapie mit Aciclovir®-Tabletten 4 x 400 mg/d. Bei Wiedervorstellung nach 12 Stunden am dritten Seetag hatten sich Rötung und Augenschmerz deutlich gebessert, Visus und Lichtscheu waren nach der Atropin-Anwendung am Vortag bei submaximal weitgestellter Pupille nicht eindeutig beurteilbar (Abbildung 2).
Abb. 2: Rückläufige gemischte konjunktival-ziliare Injektion mit atropininduzierter Mydriasis unter polypragmatischer Therapie (Aciclovir, Dexametason, Gentamycin, Atropin, NSAR) am 3. Seetag
Aufgrund Beschwerdebesserung erfolgte der Entschluss zur Weiterbehandlung an Bord und Ausschiffung am vierten Seetag zur Weiterbehandlung in der Universitäts-Augenklinik Lübeck. Dort wurde die Diagnose Keratokonjunktivitis bestätigt und trotz nicht vorhandener klassischer Dendritafigur am ehesten ursächlich eine Herpes simplex-Infektion angenommen. Entsprechend wurden die ambulante Therapie mit Aciclovir p.o. sowie die Kombination antimikrobieller und antiinflammatorischer Lokalbehandlung fortgesetzt. Die Erkrankung heilte unter engmaschiger augenärztlicher Kontrolle binnen zwei Wochen folgenlos aus.
Diskussion und Schlussfolgerungen
Mit dem Leitsymptom „Rotes Auge“ können innerhalb weniger Stunden aus einem anfänglich unspezifischen Befund Hinweise auf einen abwendbar gefährlichen Verlauf (AGV) entstehen. Deshalb sind eine standardisierte opthalmologische Anamnese und Basisuntersuchung, Hygienemaßnahmen sowie engmaschige Verlaufskontrollen im Hinblick auf „Red Flags“ gerade unter Einsatzbedingungen ausschlaggebend für die Behandlung des Betroffenen sowie den Erhalt der Einsatzfähigkeit der Einheit [3]. Die standardisierte opthalmologische Anamnese und Basisuntersuchung umfassen obligatorisch Fragen bzw. Untersuchung auf
- Kopf/Augenschmerz,
- Fremdkörper/Traumata,
- Bulbusdruck,
- Lichtscheu,
- Visus und Gesichtsfeld,
- Pupillomotorik, Fensterkreuz- und Augenfolgetestung,
- Verteilung und Charakteristik der Injektion/Sekretion sowie
- Begleitsymptome (und deren Lateralität) [2].
Das Konzept der Orientierung an „Red Flags“/AGV und Symptomen statt an „Diagnosen“ in der Primärversorgung des roten Auges ist sicher und gut evaluiert [5]. Abbildung 3 fasst „Red Flags“ als Hinweise auf AGV und diagnostisch-therapeutischen Algorithmus zusammen.
Abb. 3: Diagnostisch-therapeutischer Algorithmus rotes Auge (modifiziert nach [6])
Eine besondere Bedeutung für den Erhalt der Einsatzfähigkeit der Einheit haben strikte Hygienemaßnahmen, d. h. Hand- und Kontakthygiene zur Verhinderung von Schmierinfektionen [8]. Bei Verdacht auf Konjunktivitis epidemica/Adenovirus-Konjunktivitis (periaurikuläre Lymphknotenschwellung und evtl. sog. pharyngokonjunktivales Fieber!) ist eine bis zu zweiwöchige Isolation des Betroffenen erforderlich [7].
Für das Krankheitsbild (d. h. Symptomkonstellation, nicht Diagnose!) einer infektiösen Konjunktivitis (wie im hier beschriebenen Fall) kommt eine Vielzahl von möglichen viralen (ca. 80 % der Fälle: viralen (Adenovirus, HSV, VZV) gefolgt von bakteriellen (ca. < 20 % der Fälle: Chlamydien, Gonokokken, Non-Gonokokken) Erregern bzw. irritativen oder allergischen Ursachen in Betracht [8].
Da unter den Bedingungen der Einsatzmedizin Erregerdiagnostik/-ausschluss nicht möglich sind, erscheint dort eine frühzeitige pragmatische symptomorientierte Therapie auch mit antimikrobiellen und antiinflammatorischen Kombinationspräparaten (anders als in der Routineversorgung an Land!) gerechtfertigt. Bei Verdacht auf Herpes-simplex-Virus-(HSV)- bzw. Varicella-zoster-Virus (VZV)-Infektion (im hier berichteten Fall aufgrund Verschlechterung unter antimikrobiell-antiinflammatorischer Lokaltherapie und Oberlidverdickung) kommt zusätzlich eine hochdosierte systemische Aciclovir-Gabe in Betracht. Bei auf die Hornhaut begrenzter HSV-Infektion wirkt lokale Aciclovir-Augensalbe gut, jedoch ist bei Reizmiosis eine beginnende intraokulare Beteiligung anzunehmen und deshalb wird (zusätzlich) systemisch anti-viral therapiert [1].
Die Iridozyklitis als „Worst Case“-Verlauf einer viralen oder bakteriellen bzw. primär autoimmunologischen Keratokonjunktivitis wird durch eine Spaltlampenuntersuchung der Augenvorderkammer gesichert, was an Bord nicht möglich war und regelhaft auch nicht ist. Gefürchtet sind Verklebungen der Iris mit der Linse (Synechien), die die Sehkraft dauerhaft beeinträchtigen können. Behandelt wird durch Ruhigstellung von Pupille/Ziliarkörper durch Augenklappe/Okklusivverband und Prophylaxe von Synechien durch sog. „Zykloplegia“ (lokale Parasympatholytika wie Zyklolat- oder Atropin-Augentropfen) sowie Entzündungshemmung durch Steroide. Aufgrund der Trias aus Augenschmerz, Lichtscheu und Visusverschlechterung wurden im vorgestellten Fall prophylaktisch (aus Ampullen verdünnte) Atropin-Augentropfen angewandt, deren zwingende Notwendigkeit sich im Nachhinein nicht belegen lässt. Als potenzielle unerwünschte Arzneimittelwirkung ist zu bedenken, dass bei starker Iridozyklitits auch eine Dauerweitstellung der Iris mit Atropin zur Verklebung in erweiterter Position (hintere Synechien) führen kann. Daher werden üblicherweise weniger potente Zykloplegia als Atropin verordnet, z. B. Zyklolat-Augentropfen – zur Vereinfachung der Apotheke an Bord wäre die Konzentration von Atropin-Augentropfen entsprechend herunter zu titrieren. Insgesamt erscheint die Bevorratung von Zykloplegia-Augentropfen für die Langfahrt zur therapeutischen Eskalation im (vermuteten) Notfall sinnvoll [4].
Kernaussagen
- Die Durchführung einer ophthalmologischen Basisuntersuchung sollte beherrscht werden.
- Diagnostische Unsicherheit wird durch Kenntnis von „Red Flags“ reduziert.
- „Red Flags“ rechtfertigen kalkulierte polypragmatische Therapie.
- Bei seltenen Krankheitsbildern ist an infektiöse Ursachen und Hygiene zu denken.
- Zykloplegia-Augentropfen gehören auf Langfahrt in die Bord-Apotheke.
Literatur
- American Academy of Ophthalmology Cornea/External Disease Preferred Practice Pattern Panel: Conjunctivitis Preferred Practice Pattern®. San Francisco, CA: American Academy of Ophthalmology; 2018. letzter Aufruf 22. April 2023. mehr lesen
- Cronau H, Kankanala RR, Mauger T: Diagnosis and management of red eye in primary care. Am Fam Physician 2010; 81: 137–144. mehr lesen
- Frings A, Geerling G, Schargus M: Rotes Auge – Leitfaden für den Nicht-Ophthalmologen. Dt Arztebl Int 2017; 114: 302– 312. mehr lesen
- Grehn, F: Iris und Ziliarkörper. In: Augenheilkunde. Springer, Berlin, Heidelberg 2019. , letzter Aufruf 22. April 2023) mehr lesen
- Kilduff C, Lois C: Red eyes and red flags: improving ophthalmic assessment and referral in Primary Care. BMJ Qual Improv Rep 2016; 5: u211608 mehr lesen
- Klement A, Mielke J, Struck HG: Leitsymptom rotes Auge. Allgemeinmedizin up2date 2021; 02: 1–17. mehr lesen
- RKI. Ratgeber Adenovirus-Konjunktivitis: , letzter Aufruf 22. April 2023. mehr lesen
- Yeu E, Hauswirth S: A Review of the Differential Diagnosis of Acute Infectious Conjunctivitis: Implications for Treatment and Management. Clin Ophthalmol 2020; 14: 805–813 mehr lesen
Bildquellennachweis: Fotodokumentation durch Erstautor; Zustimmung des Patienten zur Veröffentlichung liegt vor.
Manuskriptdaten
Zitierweise
Klement A, Buchholz I, Ziegler D, Roßnick R, Wegner K: Akutes rotes Auge an Bord – eine diagnostische und therapeutische Herausforderung (Kasuistik). WMM 2023; 67(10-11): 419-423.
DOI: https:/doi.org/10.48701/opus4-209
Für die Verfasser
Flottillenarzt d. R. Prof. Dr. med. Andreas Klement
Einsatzflottille 2 – Abteilung Sanitätsdienst
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E-Mail: andreas.klement.praxis@web.de
Manuscript Data
Citation
Klement A, Buchholz I, Ziegler D, Roßnick R, Wegner K: Acute Red Eye on Board: A Diagnostic and Therapeutic Challenge (Case Report). WMM 2023; 67(10-11): 419-423.
DOI: https:/doi.org/10.48701/opus4-209
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