Lichtblicke im Digitalisierungsdunkel
Ray of Hope in the Darkness of Digitalization
Marie-Jelena Mösingera
aBundeswehrkrankenhaus Berlin, Klinik I – Innere Medizin
Zusammenfassung
Einleitung: Die Digitalisierung zieht immer stärker in das tägliche Leben und in die stationäre Gesundheitsversorgung in Deutschland ein. Auch dem Bundeswehrkrankenhaus (BwKrhs) Berlin stehen demzufolge große Herausforderungen und Veränderungen bevor. Die Meinungen der Mitarbeitenden sowie deren Bedürfnisse nehmen eine Schlüsselrolle für die erfolgreiche Realisierung von Digitalisierungsvorhaben ein und wurden über eine Befragung evaluiert.
Methodik: Im Rahmen einer erstmaligen Erhebung im Querschnittsdesign wurden die Mitarbeitenden des BwKrhs zur Digitalisierung vom 9. November 2022 bis zum 31. Januar 2023 mit einem qualitativen Fragebogen mit entsprechender Freitextfrage befragt. Die Ergebnisse wurden statistisch deskriptiv ausgewertet.
Ergebnisse: Neben einer hoch repräsentativen Teilnahme (750 verschickte Bögen, 477 rückläufige Fragebögen, TN-Quote: 32,8 %) zeigten sich trotz des als mangelhaft empfundenen Digitalisierungsstandes am BwKrhs Berlin eine hohe Bereitschaft und positive Grundstimmung gegenüber der Digitalisierung. Einen sehr hohen Bedarf sehen die Mitarbeitenden vor allem in Bezug auf die digitale Patientenakte, aber auch in anderen Themenfeldern. Ängste und Befürchtungen in Bezug auf die Digitalisierung äußerten nur wenige der Befragten.
Fazit: Die Diskrepanz zwischen niedrig empfundenem Digitalisierungsstand und hoher Bereitschaft sowie starken Willen der Mitarbeitenden hin zur Digitalisierung ist groß. Diese Ergebnisse sind richtungsweisend für die BwKrhs und können bestärkend für zukünftige Digitalisierungsvorhaben genutzt werden.
Stichworte: Digitalisierung, Meinungsbild, Fragebogen, Krankenhaus, Zukunft
Summary
Introduction: Digitalization is moving more and more into everyday life and inpatient healthcare in Germany. The Bundeswehr Hospital Berlin also is facing major challenges and changes. The opinions of employees and their needs play a vital role in the successful implementation of digitization projects.
Methods: As part of a first survey in a cross-sectional design from November 9th, 2022, to January 31st, 2023, with a qualitative questionnaire with free text questions, the employees of the BwKrhs were asked about digitization. The results were evaluated statistically descriptively.
Results: In addition to a high level of representative participation (750 sent questionnaires, 477 returned questionnaires, participation rate: 32.8 %) and despite the perceived lack of digitalization status at BwKrhs Berlin, there was a high level of willingness and a positive basic mood towards digitization. The employees see a high demand, especially concerning the digital patient file and other areas. Only a few of those surveyed had fears and concerns about digitization.
Conclusion: The discrepancy between the perceived low level of digitization and employees’ high willingness and strong will to digitize is large. These results can be used to point the way and strengthen future digitalization projects.
Keywords: digitalization; opinion; questionnaire; hospital; future
Einleitung und Hintergrund
Der Trend zur Digitalisierung zeigt sich generell in der Gesellschaft, in der täglichen zwischenmenschlichen Interaktion sowie auch im unternehmerischen Bereich [13][15][22]. Seit etwa dem Jahr 2000 findet sich auch im medizinischen Sektor die Notwendigkeit, an den Chancen und Vorteilen der Digitalisierung teilhaben zu können [8][9][18]. Beginnend mit dem E-Health-Gesetz 2015 wurde die Digitalisierung für Krankenhausbetreiber gesetzgeberisch festgelegt [4][6]. Neben weiteren Schritten ist einer der bedeutungsvollsten Beschlüsse für die Digitalisierung das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG), das im Jahre 2020 in Kraft trat [5]. Dieses geht mit einer milliardenschweren staatlichen Förderung sowie Malus-Regelungen für Krankenhäuser einher, die bis zum 1. Januar 2025 nicht den geforderten Mindeststandard der Digitalisierung aufweisen. Das Bundesministerium für Gesundheit hat gemeinsam mit zahlreichen Akteuren eine Digitalisierungsstrategie für das Gesundheitswesen und die Pflege erarbeitet, die eindeutig die Verbesserung von Versorgungsqualität, Wirtschaftlichkeit und Effizienz zum Ziel hat [7].
Die Beachtung der aktuellen Standards der Digitalisierung im Krankenhaus ist als Ausgangspunkt für Digitalisierungsvorhaben essenziell. Noch mehr bildet die Akzeptanz für digitale Neuerungen seitens der Mitarbeitenden eine der wichtigsten Voraussetzungen für ihre Nutzung [21]. Wenn neue IT-Systeme eingeführt werden, sollte die Bereitschaft zur Annahme und Nutzung hoch sein. Grundsätzlich ist das klinische Personal laut einer Befragung, die 2020 veröffentlicht wurde, an digitalen Neuerungen und Herausforderungen durch Innovationen interessiert [10]. Jedoch wird im Rahmen der digitalen Transformation der Krankenhäuser der Mehrwert der neuen Technologie in Frage gestellt, da dieser im schlechtesten Fall zu einer gesteigerten Belastung der Mitarbeitenden führen kann [15].
Digitalisierung im Krankenhaus sollte Arbeitsabläufe effizienter gestalten. Bestenfalls lassen sich insbesondere administrative Vorgänge aus dem Arbeitsalltag von ärztlichem und medizinischem Fachpersonal herausnehmen, um folglich mehr Zeit für die Behandlung von Patienten zu generieren. Konsekutiv kann auf diesem Wege auch die Patientenzufriedenheit gesteigert werden [14]. Am BwKrhs Berlin entsteht bedingt durch die verschiedenen Personengruppen ein komplexes Bild von Meinungen und Ansichten in Bezug auf die krankenhausinterne Digitalisierung. Diese setzen sich aus den unterschiedlichen Mitarbeitenden der einzelnen klinischen Abteilungen, den patientenfernen Bereichen, wie Verwaltung und Stab, sowie den paraklinischen Abteilungen, wie Labormedizin, Mikrobiologie und Krankenhaushygiene, zusammen.
Die systematische Erfassung und Berücksichtigung der Interessen, Bedürfnisse und Meinungen der Mitarbeitenden kann einen wichtigen Grundpfeiler für die erfolgversprechende Gestaltung der Digitalisierung sowie die strategische Planung bilden [3][23]. Eine Berücksichtigung der vielfältigen Interessen ist zusätzlich für eine erfolgreiche Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen grundlegend. Meinungsbilder und Stimmungen des Personals bilden die Basis für Veränderungen wie die digitale Transformation. Durch Erfassung und Berücksichtigung dieser kann als entscheidender Faktor die Akzeptanz gegenüber der neuen IT-Lösung gesteigert werden [1][17]. Durch quantitative Fragebögen kann solch ein repräsentatives Abbild der Meinungen, Interessen und Bedürfnisse der Befragten erfasst werden [2]. Aktuell gibt es am BwKrhs Berlin keine repräsentativen Erkenntnisse über das individuelle Meinungsbild, die Herausforderungen oder Bedürfnisse der Mitarbeitenden zum Thema der Digitalisierung im Krankenhaus. Ebenso gibt es keine Forschungsergebnisse dazu in den anderen BwKrhs. Die vorgelegte Untersuchung hatte daher zum Ziel, einen Ist-Stand der Meinungen der Mitarbeitenden zur Digitalisierung im BwKrhs Berlin zu erheben und aktuelle Bedarfe, Herausforderungen und die Bereitschaft zur digitalen Wende zu evaluieren.
Methodik der Befragung
Im Rahmen einer quantitativen Forschung wurde ein Meinungsbild der Mitarbeitenden des BwKrhs Berlin in Bezug auf die Digitalisierung erhoben. Für die Erhebungsphase wurde ein Querschnittsdesign zur erstmaligen Befragung mit dem Verfahren eines quantitativen Fragenbogens mit einer fünfstufigen ordinalskalierten Likert-Skala gewählt. Das Einschlusskriterium dieser Erhebung beschränkte sich auf das Beschäftigungsverhältnis am BwKrhs Berlin. Der Fragebogen wurde über den Zeitraum vom 9. November 2022 bis zum 31. Januar 2023 (84 Tage) analog und digital ab dem 19. November 2022 bis zum 31. Januar 2023 (74 Tage) im BwKrhs Berlin den Mitarbeitenden als freiwillige Befragung in allen Bereichen und Abteilungen zur Verfügung gestellt. In der digitalen Version wurde der Fragebogen an alle E-Mail-Adressen der Abteilungen und alle dienstlich persönlichen Mailadressen mittels Internetlink und QR-Code verschickt. Die digitale Erstellung erfolgte über die Online-Plattform LimeSurvey.
Es wurde keine Frage als obligatorisch festgelegt, sodass bei Nichtbeantwortung einzelner Fragen der Fragebogen sowohl analog als auch digital ausgewertet werden konnte. Mit der analogen Form sollte das gesamte Personal erreicht werden, insbesondere auch solche, die kein eigenes mobiles Endgerät besitzen und/oder als weniger „computeraffin“ einzustufen sind. Auch sollten die Beschäftigten im BwKrhs erreicht werden, die keinen eigenen PC-Arbeitsplatz im BwKrhs besitzen oder aufgrund der Tätigkeit keinen Zugang zu diesem haben (Famulanten, Praktikanten, Transporteure). Der Fragebogen wurde entsprechend der zeitintensiven klinischen Tätigkeit kurz gehalten. Unter dieser Prämisse wurde versucht, eine möglichst hohe Teilnahmequote zu erreichen und das Personal so kurz wie möglich von den Alltagsgeschäften fernzuhalten [12][20]. Die statistisch erhobenen Daten wurden in Microsoft Excel (Version 2016, Microsoft Inc., Redmond, WA, USA) ausgewertet.
Ergebnisse
Stichprobenumfang
Insgesamt wurden 750 analoge Fragebögen am 9. und 10. November 2022 auf den verschiedenen Stationen und Funktionsbereichen verteilt. Hiervon wurden insgesamt 384 Fragebögen per Hauspost zurückgesandt und ausgewertet (Rücklaufquote analoger Fragebogen: 51,2 %). Der digitale Fragebogen wurde insgesamt 93 Mal ausgefüllt. Hieraus ergibt sich in der Gesamtauswertung eine Anzahl von 477 auswertbaren Fragebögen und somit eine statistisch hoch repräsentative Stichprobe der Mitarbeitenden im BwKrhs Berlin bei einer Teilnahmequote von insgesamt 32,8 % (247 weiblich, 199 männlich, 3 divers, 28 k.A.) bei 1 453 Mitarbeitenden in der Grundgesamtheit (Tabelle 1).
50 % der Befragten befanden sich in der Altersgruppe von 25–39 a (41–55 : 31 %; >56 a: 11 %, <25 a: 8 %). Von den Berufsgruppen beantwortete das ärztliche Personal quantitativ die meisten Fragebögen, gefolgt von den Angehörigen von Stab bzw. Verwaltung und dem pflegerischen Personal. Verglichen mit den Beschäftigtenzahlen der unterschiedlichen Berufsgruppen zeigt sich, dass 19,9 % des pflegerischen Personals, 49,6 % der ärztlichen Mitarbeitenden und 44,93 % der Beschäftigten aus Stab und Verwaltung an der Befragung teilnahmen.
Fragenbereiche
Digitalisierungsstand
Aus den Ergebnissen des ersten Fragenabschnittes über den Digitalisierungsstand zeigt sich, dass über zwei Drittel des Personals (57,4 %, 274 der Befragten) diesen am individuellen Arbeitsplatz als mangelhaft bis ungenügend empfinden. Ein Viertel der Befragten (25 %) ordnet den Digitalisierungsstand am individuellen Arbeitsplatz als ausreichend ein (Abbildung 1).
Abb. 1: Digitalisierungsstand am Bundeswehrkrankenhaus Berlin
In der Betrachtung der Digitalisierung am gesamten BwKrhs Berlin zeigt sich ein ähnliches Ergebnis (Abbildung 2). Vergleicht man hier die Top Box (Ergebnis: gut bis sehr gut) mit der Bottom Box (Ergebnis: mangelhaft bis ungenügend), stellt sich wie bei der Frage nach dem Digitalisierungsstand am individuellen Arbeitsplatz eine Majorität der Antworten in der Bottom Box dar [11]. Im Vergleich mit anderen Krankenhäusern ordnen 61,4 % der Beschäftigten den Digitalisierungsstand des BwKrhs Berlin als mangelhaft bis ungenügend ein.
Abb. 2: Vergleich Bottom Box vs. Top Box Digitalisierungsstand im gesamten BwKrhs Berlin
Digitalisierungsbedarf
Der größte Bedarf der Mitarbeitenden wird in dieser Befragung bei der Digitalisierung der Patienten- und Befunddokumentation gefolgt von dem digitalen Medikamentenmanagement gesehen. Wie in Abbildung 3 dargestellt, wurden die Mittelwerte mit Standardabweichung errechnet, um eine Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Themenfelder (Medikamentenmanagement, Transportdienst etc.) zu gewährleisten.
Abb. 3: Bedarf an Digitalisierung
Auch im Vergleich der Medianwerte zeigt sich der höchste Bedarf in dieser Befragung bei der Digitalisierung der Patienten- und Befunddokumentation. Im Vergleich am geringsten ausgeprägt ist der Bedarf der Digitalisierung in dem Themenfeld der Telemedizin/telemedizinische Netzwerke, obwohl auch hier der Median bei „trifft eher zu“ ist. Insgesamt zeigt sich in der Auswertung der Bedarfslage ein hoher bis teilweise sehr hoher Bedarf in allen abgefragten Themenbereichen.
Vorteile der Digitalisierung
Bei den Fragen über die Vorteile der Digitalisierung zeigt sich ein eindeutiges Meinungsbild der Mitarbeitenden in Bezug auf die optionale Verbesserung durch die Digitalisierung im individuellen Arbeitsbereich, dem gesamten BwKrhs Berlin sowie bei den Chancen, die medizinische Versorgung der Patienten zu verbessern (Abbildung 4). Insgesamt 90,4 % der Befragten antworteten, dass die Digitalisierung vollkommen bis teilweise (Top Box) die tägliche Arbeit in Bezug auf ihren individuellen Arbeitsbereich erleichtern würde. 92,4 % der Befragten stimmten vollkommen bis teilweise zu, dass die Digitalisierung eine potenzielle Erleichterung der Arbeit für alle Mitarbeitenden im BwKrhs Berlin bedeuten könnte. Auch in Bezug auf die mögliche verbesserte medizinische Versorgung, befanden sich 83,65 % der Antworten in der Top Box.
Abb. 4: Vorteile der Digitalsierung
Arbeitsablauf und Arbeitszeit
Zwei Drittel (66 %) der Mitarbeitenden im BwKrhs Berlin sind vollumfänglich bereit, ihre Arbeitsabläufe im Zuge der Digitalisierung umzustellen bzw. zu verändern, knapp ein Viertel (24 %) der Befragten ist dazu eher bereit (Abbildung 5). Nur 2 % der Befragten sind nicht oder nur geringgradig dazu bereit, ihre Arbeitsabläufe anzupassen.
Abb 5: Veränderungsbereitschaft – Bereitschaft, im Zuge der Digitalisierung Arbeitsabläufe umzustellen
Unter den Beschäftigten sind 63,5 % vollumfänglich der Meinung, dass durch die Digitalisierung Arbeitszeit eingespart werden könnte. 19,3 % der Mitarbeitenden stimmen hier teilweise zu.
Herausforderungen für den Einzelnen
Bei den Herausforderungen durch die Digitalisierung wurde nach einer möglichen Überforderung mit dem Thema Digitalisierung und der Angst, den Anschluss zu verlieren sowie einer Unsicherheit mit neuen Technologien gefragt. Die Antworten der Befragten zeigen eine deutliche Gewichtung hin zu einer positiven Einstellung gegenüber der Digitalisierung (Abbildung 6). So befinden sich 82,4 % der Antworten zur Frage der Überforderung durch Digitalisierung und 81,3 % der Antworten zur Frage der Unsicherheit in der Bottom Box („trifft nicht zu“/“trifft eher nicht zu“). Die Angst, „den Anschluss zu verlieren“ und den Anforderungen der Digitalisierung gerecht zu werden, teilen in toto nur 1,4 % der Befragten (Abbildung 6). 84,5 % der Befragten teilten diese Angst nicht oder eher nicht. In der Detailanalyse zeigt sich zudem, dass in der Top Box („trifft voll und ganz zu“/ „trifft eher zu“) der Frage zur Überforderung durch Digitalisierung, von den 26 Befragten insgesamt 22 weibliche Befragte antworteten, von denen 12 Pflegekräfte sind (46,2 %) und keiner aus der Altersgruppe <25 Jahren stammte (10 Befragte: 40–55 Jahre (38,5 %); 10 Befragte: 25–39 Jahre (38,4 %); 5 Befragte: >56 Jahre (19,2 %), 1 Befragter: k.A. (3,8 %)).
Abb. 6: Herausforderungen der Digitalisierung für den Einzelnen
Freitextfrage
In dem qualitativen Anteil des Fragebogens wurde den Beschäftigten eine Freitextfrage gestellt. In dieser wurde gefragt, ob die Mitarbeitenden Vorschläge oder Ideen haben, die den Arbeitsalltag mithilfe der Digitalisierung verbessern könnten. In der Beantwortung dieser Frage sind 220 schriftliche Antworten verfasst worden. Es wurde bei 46,1 % aller Fragebögen eine schriftliche Freitextantwort verfasst. Ausgewertet nach Themenfeldern finden sich in Abbildung 7 die am häufigsten genannten Aussagen. Hier zeigte sich, dass vor allem das Thema der digitalen Patientenakte am häufigsten erwähnt worden ist. Innerhalb dieses Themenfeldes wurde mehrfach der Wunsch nach der mobilen und nicht an den PC-Arbeitsplatz gebundenen Befund- und Pflegedokumentation (bspw. durch digitale Visitenwägen und Tablets) geäußert. Allerdings wurde auch das Themenfeld bezüglich der fehlenden oder nur gering vorhandenen Hardware (PCs, DECT-Festnetztelefone, Dienstmobiltelefone, Drucker) und deren teils zu langsame und nicht anwenderfreundliche Software häufig genannt.
Abb. 7: Ergebnisse der Beantwortung des Freitextfeldes
Diskussion
In der Zusammenschau der Ergebnisse zeigen sich deutliche Trends in den gestellten Fragenbereichen. Das Meinungsbild zum aktuellen Stand der Digitalisierung im BwKrhs Berlin ist homogen geprägt. So findet der Großteil der Mitarbeitenden, dass der Digitalisierungsstand am BwKrhs Berlin bezogen auf den individuellen Arbeitsplatz und das gesamte Krankenhaus mangelhaft bis ungenügend ist. Ähnlich wird der Digitalisierungsstand im Vergleich mit anderen Krankenhäusern bewertet. Der Bedarf der Digitalisierung wurde in allen Themenfeldern als hoch eingestuft, wobei der Bedarf der Digitalisierung im Bereich der Patienten- und Befunddokumentation am höchsten eingestuft worden ist.
Die Mitarbeitenden im BwKrhs Berlin stehen der Digitalisierung zum überwiegenden Anteil sehr positiv gegenüber. Vorteile der Digitalisierung wie Zeitersparnis, Erleichterung des Alltags, Verbesserung der medizinischen Versorgung finden unter dem Personal eine hohe Zustimmung. Es zeigt sich eine hohe bis sehr hohe Bereitschaft, die Arbeitsabläufe im Zuge der Digitalisierung anzupassen. Insgesamt deuteten sich wenig Angst, Unsicherheit oder Überforderung in Bezug auf die Digitalisierung unter den Mitarbeitenden an. Unsicherheit mit neuen Technologien zeigte sich vermehrt bei weiblichen älteren Pflegekräften. In der Auswertung der Freitextfrage fand sich ein heterogenes Feld an Antworten. Insbesondere wurde, wie auch bei den Themenfeldern der Abfrage nach dem Bedarf, das Thema der digitalen Patientenakte (Patienten-/Befunddokumentation) am häufigsten angesprochen. Allerdings zeigten hier auch andere Bereiche hohe Resonanz wie mehr und verbesserte IT-Ausstattung sowie ein besseres oder auch anderes Krankenhausinformationssystem (KIS).
Limitationen
Die Limitationen des Fragebogens sind unter anderem die Länge und Ausführlichkeit der Befragung. Im medizinischen Alltag ist es notwendig, Fragebögen für das Personal so kurz und aussagekräftig wie möglich zu gestalten, um eine möglichst hohe Teilnahmequote zu generieren [12][20]. Hier musste folglich zwischen einer detaillierten und ausführlichen Befragung mit vielen Items mit potenziell geringerer Teilnehmerquote und einem Fragebogen mit weniger Items abgewogen werden. In der Forschungsplanung wurde sich bewusst für einen kürzeren Fragebogen entschieden, was wahrscheinlich zu einer hohen Teilnehmerquote führte. Die Interpretation der Ergebnisse hat folglich einen Übersichtscharakter und dient dazu, einen ersten Einblick der Meinungen und Herausforderungen der Mitarbeitenden darzustellen und weniger ein hoch detailliertes Meinungsbild abzugeben.
Kritische Würdigung
Durch die teils große Homogenität der Antworten ist anzumerken, dass innerhalb des Fragebogens inhaltlich möglicherweise zu wenige differenzierte Bereiche abgefragt worden sind. Dies kann zu einer Verzerrung der Gesamtauswertung des Fragebogens beitragen. Dass die Pflegenden hier im Durchschnitt geringere Teilnehmerquote aufwiesen, ist gegebenenfalls durch die hohe Arbeitsbelastung und die geringen Pausenmöglichkeiten erklärbar [19]. In der Interpretation der Ergebnisse muss kritisch gewürdigt werden, dass die Freiwilligkeit der Teilnahme an der Befragung zu einer Verzerrung der Ergebnisse geführt haben könnte. Die Teilnahme könnte von solchen Beschäftigten eher durchgeführt worden sein, die als „technikaffin“ einzustufen sind und sich positive Entwicklungen durch die Digitalisierung vorstellen können. So ist ein Sampling der Probanden in der Auswertung grundsätzlich nicht auszuschließen. Ebenso ist bei den Mitarbeitenden des BwKrhs zu beachten, dass unter diesen der Großteil Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit sind. Das bedeutet, dass viele außerhalb ihrer Berufsausbildung kaum andere Krankenhäuser und andere IT-Landschaften kennengelernt haben. Auch dies könnte zu einer Verzerrung der Ergebnisse geführt haben.
Fazit
Unter dem Gesichtspunkt der Nützlichkeit ist diese systematische und hoch repräsentative Erfassung des Meinungsbildes über die Digitalisierung des Personals im BwKrhs Berlin ein wertvolles Instrument für die weitere Digitalisierung im Krankenhaus. Die praktische Relevanz ist beispielsweise durch die Erhebung der positiven Grundstimmung der Mitarbeitenden gegenüber der Digitalisierung und der Gewichtung der Bedürfnisse in unterschiedlichen Themenbereichen der Digitalisierung gegeben [19].
Aus der Erhebung der Bedürfnisse des Personals wird erkennbar, in welchen Bereichen der höchste Bedarf gesehen wird. Dadurch kann eine Grundlage für eine bedarfsorientierte Priorisierung von zukünftigen Digitalisierungsvorhaben geschaffen werden. Ebenso ließe sich durch die Ergebnisse eine nutzerorientierte Beschaffung und langfristige Planung von Digitalisierungsprojekten erstellen und umsetzen. Durch die Kenntnis über die Ergebnisse der Auswertung könnten Digitalisierungsprojekte im Krankenhaus näher an den Vorstellungen und Herausforderungen der Mitarbeitenden orientiert werden. Dies kann konsekutiv zu einer effizienteren Realisierung führen.
Auch durch die Ergebnisse der Herausforderungen für Digitalisierung kann in Zukunft der Fokus bei Schulungen und Einweisungen zielgruppenorientiert gestaltet werden. Ebenso können für spezielle Gruppen gezielte Förderangebote unterbreitet werden.
Dieser Fragebogen bietet erstmalig eine Vergleichsoption für zukünftige Befragungen der Beschäftigten. Hierdurch ist eine Evaluation von Trendentwicklungen oder Veränderungen des Meinungsbildes möglich.
Abschließend ist der große Unterschied zwischen empfundenen Digitalisierungsstand der Mitarbeitenden und der trotz dessen hohen Veränderungsbereitschaft und positiver Grundstimmung gegenüber der Digitalisierung besonders hervorzuheben. Diese hohe Motivation und der Wille zur Digitalisierung bieten großes und bisher wenig genutztes Potenzial. Es sind Folge-Befragungen notwendig, um die Ergebnisse dieser Arbeit weitergehend zu erforschen.
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Manuskriptdaten
Zitierweise
Mösinger MJ: Lichtblicke im Digitalisierungsdunkel. WMM 2023; 67(10-11); 411-418.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-210
Für die Verfasser
Oberstabsarzt Dr. Marie-Jelena Mösinger
Bundeswehrkrankenhaus Berlin
Klinik I – Innere Medizin
Scharnhorststr. 13, 10115 Berlin
E-Mail: mariejelenamoesinger@bundeswehr.org
Manuscript Data
Citation
Mösinger MJ: Ray of hope in the darkness of digitalization. WMM 2023; 67(10-11): 411-418.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-210
For the Authors
Major (MC) Dr. Marie-Jelena Mösinger
Bundeswehr Hospital Berlin
Department I – Internal Medicine
Scharnhorststr. 13, D-10115 Berlin