Soldat und Kälte: Das Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr beim NATO HFM Symposium „Human Performance and Medical Treatment and Support During Cold Weather Operations“
Der Klimawandel und die veränderte weltpolitische Großwetterlage stellen Armeen weltweit vor neue strategische Herausforderungen: Die Sicherung verfügbar werdender Rohstoffvorkommen sowie neuer Verkehrs- und Handelsrouten wird zukünftig entsprechend ausgerüstete und durchhaltefähige Streitkräfte für den Einsatz in polaren Regionen erfordern. Die NATO wird mit dem Beitritt von Schweden und Finnland an seiner Ostflanke zudem über eine um 1000 Kilometer verlängerte und gemeinsam zu verteidigende Außengrenze im arktischen und subarktischen Bereich verfügen. Nicht zuletzt unter den Eindrücken des Krieges in der Ukraine rücken die Fähigkeit zur effektiven Landes- und Bündnisverteidigung sowie eine uneingeschränkte Einsatzbereitschaft der Streitkräfte im gesamten Klimaspektrum wieder zunehmend in den Fokus.
Das Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr nimmt diese Entwicklungen zum Anlass, seine Aktivitäten im Forschungsfeld „Soldat und Kälte“ wieder zu intensivieren und seine präventivmedizinische Expertise im Kontext von Gesundheit, Arbeit und Leistung weiter auszubauen. Als ersten wichtigen Schritt hat das Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr im Oktober auf internationaler Ebene den wissenschaftlichen Kontakt mit den NATO Partnern aufgenommen. Beim NATO Research Symposium „Human Performance and Medical Treatment and Support During Cold Weather Operations“, trafen sich Wissenschaftler und Militärangehörige vom 17.–19. Oktober 2022 in Arlington, Virginia USA, um sich über die spezifischen Herausforderungen für Soldatinnen und Soldaten beim Einsatz in der Kälte – vom mitteleuropäischen Winter bis hin zu Operationen unter arktischen Bedingungen – zu informieren und abzustimmen. Die gut 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus fast allen NATO-Staaten und den assoziierten Nationen verfolgten Vorträge von Experten aus den USA, Kanada, Norwegen, Schweden, Finnland, Dänemark, Großbritannien, den Niederlanden sowie Deutschland. Dabei nutzten sie die Gelegenheit, sich im Bündnis über den immer wichtiger werdenden Themenbereich „Soldat und Kälte“ auszutauschen und zu vernetzen.
Für das Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr war der Wissenschaftsmanager, ORR Alexander Sievert, vor Ort und informierte sich im Auftrag der Institutsleitung über den aktuellen Stand der Forschungen bei den NATO-Partnern. Herr Sievert wird zukünftig als Experte für das Thema „Kälte“ im Institut für Präventivmedizin der Bundewehr fungieren. Insbesondere aufgrund seiner mehrwöchigen Winterexpeditionen nördlich des Polarkreises verfügt er über langjährige Erfahrung in diesem Bereich: Er hat im Polarwinter unter anderem den Sarek Nationalpark mehrfach bei Temperaturen unter -40° Celsius autark mit Ski, Pulka und Zelt durchquert. In Kombination mit seiner Expertise im Bereich körperlicher und mentaler Leistungsfähigkeit im militärischen Setting wird er zukünftig für das Institut das Forschungsfeld „Soldat und Kälte“ bearbeiten.
Abb. 1: Oberregierungsrat Alexander Sievert ist am InstPrävMe3dBw Experte für arktische Kälte (Bild: A. Sievert)
Im Rahmen der Veranstaltung wurden bestehende Verbindungen zu Forschungspartnern in den USA, zum Beispiel zum United States Army Research Institute of Environmental Medicine (USARIEM) intensiviert und gefestigt. Für den zukünftigen wissenschaftlichen und praktischen Austausch und weitere Kooperationen wurden zudem vielversprechende neue Kontakte zu Forschungspartnern in den USA, Kanada (Universität Ottawa), den Niederlanden und der Bundeswehr geknüpft. Zusätzlich zu seinem Forschungsauftrag kommt das Institut mit dem Besuch des Symposiums einer zentralen Forderung des Wissenschaftsrates nach, der in seiner Stellungnahme (Juli 2022) die Erschließung neuer präventivmedizinischer Forschungsfelder empfohlen hat, insbesondere aber auch die nationale und internationale Vernetzung.
Oberfeldarzt
Priv.-Doz. Dr. med. habil. Manuela Andrea Hoffmann
Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr
Aktienstrasse 87, 56626 Andernach
Konsortialforschungsvorhaben „Die infizierte Lunge in 2D/3D“ –
Eröffnung des NoVaP Forschungslabors am Bundeswehrkrankenhaus Berlin
Am 29. November 2022 eröffnete Herr Generalstabsarzt Dr. Schoeps das NoVaP-Forschungslabor im Bundeswehrkrankenhaus Berlin. Die Klinik I Innere Medizin (OStArzt Dr. Christian M. Zobel, KlinDir Oberstarzt Dr. Nicole Müller) und die Abteilung XXI Mikrobiologie und Krankenhaushygiene (Oberstarzt Dr. Werner Wenzel) haben zusammen mit den Kliniken für Pneumologie (Prof. Dr. Martin Witzenrath) und Infektiologie (Prof. Dr. Leif Sander) der Charité – Universitätsmedizin Berlin das Konsortialforschungsvorhaben „Die infizierte Lunge in 2D/3D – NoVaP“ gegründet, das sich dem gesamtgesellschaftlich und wehrmedizinisch herausragenden Thema der nosokomialen Pneumonie durch multiresistente Bakterien widmet. NoVaP steht für Nosocomial Ventilator associated Pneumonia. Ziel dieses Vorhabens ist es, neue Therapie- und Präventionsstrategien gegen multiresistente Erreger zu entwickeln.
Dazu werden unter Verzicht auf Tierexperimente innovative komplementäre humane Lungenmodelle unterschiedlicher Komplexitätsebenen am Bundeswehrkrankenhaus Berlin etabliert. Diese Modelle umfassen zweidimensionale Strukturen zur Untersuchung der Lungenbarriere (electric cell substrate impedance sensing, ECIS®) und der Atemmechanik (bi-planar-stretch®), sowie komplexe dreidimensionale Modelle mit primären alveolar-epithelialen anatomischen Zellverbünden (stammzellbasierte Organoide) und sogenannte „Lung-on-a-Chip“-Modelle zur Untersuchung der Lungenbarriere, Atemmechanik und zellulären Transmigration. Zudem ermöglicht die Kooperation höchst innovative und einmalige Analysen aus den Modellen, wie beispielsweise “live cell imaging”, “advanced light microscopy”, Elektronenmikroskopie, Proteom- und single-cell-sequencing-Analysen.
Technisches Ziel ist es, die genannten Lungenmodelle so weiterzuentwickeln, dass sie in Ausschnitten eine adäquate in-vitro-Simulation der infizierten Lunge eines Patienten unter Intensivtherapie abbilden und sich dabei komplementär ergänzen. Inhaltlich werden Strategien zur Prävention beatmungsassoziierter Pneumonien entwickelt, die auf einem Einsatz von Bakteriophagen beruhen oder darauf, Veränderungen der epithelialen Glykokalyx mit dem Ziel zu adressieren, dass nosokomial relevante Bakterien (z. B. Staphylococcus aureus, Klebsiella pneumoniae, Acinetobacter baumannii, Pseudomonas aeruginosa) seltener zu Pneumonien führen. Im Bereich der Therapie werden Risiken und Nutzen der Hochdosis-Antibiotika-Kombinationen ebenso wie der Phagen- und Antikörpertherapien nebst Ionenkanalmodulatoren untersucht. Ferner werden innovative Strategien zur Reduktion des Lungenversagens bei nosokomialer Pneumonie entwickelt. Das gesamte Vorhaben soll dabei in erster Linie pragmatisch translational ausgerichtet sein.
Generalstabsarzt Dr. Schoeps: „Die Bedrohung durch multiresistente Erreger hat zuletzt durch die SARS-COV-2-Pandemie, die Flüchtlingskrise und den Ukraine-Konflikt erheblich an Bedeutung gewonnen und wird das Gesundheitssystem absehbar vor kaum lösbare Herausforderungen stellen. Mit dem Forschungslabor für nosokomiale und ventilatorassoziierte Pneumonie – kurz NoVaP -, das wir heute hier offiziell eröffnen, beschreiten wir einen neuen Weg der intensivierten Kooperation auf Augenhöhe. Fähigkeiten und Wissen werden in einem Umfeld immer knapper werdender Ressourcen gemeinsam zu Gunsten Aller besser genutzt.“
Die Kliniken für Pneumologie und Infektiologie der Charité und das Bundeswehrkrankenhaus Berlin mit der einzigen klinischen Infektiologie der Bundeswehr mit eigener Infektionsstation und absehbarer S4-Sonderisolierstation bauen damit die bestehende zivil-militärische Kooperation um einen bedeutenden Schritt weiter aus. Ein herausragender Dank geht an alle Beteiligten und Verantwortlichen, die den Start dieses multi-komplexen Projektes ermöglicht haben.
Bildquelle: Thilo Pulpanek, Berlin
Oberstabsarzt Dr. Christian Zobel, Berlin
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