Editorial
Sehr geehrte Leserin,
sehr geehrter Leser,
Das gesamte Redaktionsteam der „Wehrmedizinischen Monatsschrift“ wünscht Ihnen ein gutes und für Sie hoffentlich friedvolles Neues Jahr 2023.
An Anfang steht bekanntermaßen die Liste der guten Vorsätze. Der entscheidende Maßstab für die Bewertung wird am Schluss das Gefühl der Zufriedenheit sein über das, was wir uns vorgenommen und tatsächlich geleistet haben. Angesichts der Volatilität, die in der ganzen Welt zunimmt, machen Prognosen zur Zukunftsentwicklung nur wenig Sinn. Grundsätzlich gilt aktuell angesichts der Weltlage, das eigene Risikomanagement auf mögliche unkalkulierbare Einflüsse einzustellen und die individuelle Widerstandsfähigkeit zu stärken (siehe vorletzte Seite).
Wir von der Redaktion werden uns anstrengen, das medizinisch-wissenschaftliche Profil der „Wehrmedizinischen Monatsschrift“ im Jahre 2023 weiter zu schärfen. Die fachliche Breite des Sanitätsdienstes der Bundeswehr bietet hierzu ein unerschöpfliches Reservoir an Themen. Mittlerweile gibt es in unserer Mitte viele hochaktive Institutionen, die auftragsgemäß Wissenschaft in exzellenter Qualität liefern und sich international eine hohe Reputation aufgebaut haben. An alle forschenden Institute, Bundeswehrkrankenhäuser und Einrichtungen des Sanitätsdienstes sei daher die herzliche Einladung gerichtet, ihre exzellenten Fachartikel auch an die Redaktion der WMM zu schicken. Wir verbinden damit besonders den Anspruch, den Autorinnen und Autoren eine gute Plattform zu bieten sowie unserer verehrten Leserschaft über die guten Ergebnisse zu berichten.
Das Ihnen vorliegende Heft der WMM bietet eine gesunde Mischung aus aktueller Wissenschaft und Berichtswesen. Schon das Titelbild vermittelt gewisse Vorstellungen, was es bedeutet, einen Kameraden zu bergen und unter Umständen über weite Strecken zu transportieren. Der erste Beitrag von Klughardt und Schaar bringt Ihnen neue fundierte Informationen über das Tragen von Zusatzlasten bei Übungen und im Einsatz. Zum Thema Regeneration und Widerstandsfähigkeit bietet die Autorengruppe um Jung et al. ein exzellentes, computergestütztes Schlafcoaching-Programm. Der Pathologe Steinestel und Kollegen weisen auf die Fortschritte der molekularen Diagnostik hin und rufen zu einem Netzwerk im Systemverbund Bundeswehrkrankenhäuser auf. Ein besonderes Thema entstammt der Veterinärmedizin. Engels et al. berichten über die Corona-Diagnostik mit Hunden. Hier kann man erkennen, zu welchen herausragenden Leistungen die Tiere in der Lage sind. Den Abschluss der wissenschaftlichen Artikel bilden die Arbeiten der Paul-Schürmann-Preisträger der DGWMP.
Herzlichst
Ihr Horst Peter Becker
Chefredakteur
Wirkungen von Zusatzlasten auf die kardiopulmonale Leistungsfähigkeit
Effects of Additional Load Carrying on Cardiopulmonary Endurance Performance
Saskia Klughardta, Bettina Schaara
a Universität der Bundeswehr München, Institut für Sportwissenschaft, Forschungs- und Lehrbereich „Trainingswissenschaft
Zusammenfassung
Das Tragen von Zusatzlasten bei ausdauerspezifischen Dauerbelastungen, wie z. B. Märschen, gehört zum militärischen Alltag, um Ausrüstungsgegenstände und anderes Material zu transportieren. Es stellt sich daher die Frage, welchen Einfluss das Tragen von Zusatzlasten auf die akute kardiopulmonale Ausdauerleistung hat und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind.
An der Studie nahmen 105 Personen (51 Frauen und 54 Männer) mit folgenden anthropometrischen Daten teil: Alter: 23,7 ± 2,9 Jahre, Körpergröße: 174,0 ± 8,8 cm, Körpergewicht: 71,7 ± 9,9 kg. Sie wurden im Labor mittels 2 standardisierten Lauftests untersucht. Zentrales Ergebnis der Studie war ein früher Leistungsabfall, der mit einem Wechsel in eine aerob-anaerobe Stoffwechsellage und subjektiver Erschöpfung operationalisiert wurde. Darüber hinaus konnten Empfehlungen zur Belastungsintensität und Regeneration gegeben und Empfehlungen zur Höhe der tolerierbaren Zusatzlast spezifiziert werden. Der Zusammenhang zwischen der individuellen Grundlagenausdauerfähigkeit und der akuten Leistungsfähigkeit unter Zusatzbelastung konnte hergestellt und bewertet werden. Empfehlungen für ein optimales, gezieltes Training wurden ebenfalls berücksichtigt.
Schlüsselwörter: Rucksack, Zusatzlast, Leistungsfähigkeit, ventilatorische Schwelle, Bergsport, Militär
Summary
Carrying additional loads during endurance-specific continuous exertion, such as marches, is part of everyday military life to transport equipment and other needs. Accordingly, the question arises as to what influence the carrying of additional loads has on acute cardiopulmonary endurance performance and what consequences should be generated. The study involved 105 subjects (51 women and 54 men) with the following anthropometric data: age: 23.7 ± 2.9 years, height: 174.0 ± 8.8 cm, body weight: 71.7 ± 9.9 kg. They were examined in the laboratory using 2 standardized walking tests. The central result of the study was an early reduction in performance, which was operationalized with a change to an aerobic-anaerobic metabolic state and subjective exhaustion. In addition, recommendations on load intensity and regeneration could be made, and an offer on the amount of additional load that can be tolerated could be specified. The connection between the individual essential endurance capacity and the acute performance under additional load could be established and assessed. Recommendations for optimal, targeted training are also considered.
Keywords: additional load, performance, ventilatory thresholds, backpack, “alpine sports“, military
Hintergrund
Wanderungen sowie Berg- und Alpintouren erfordern neben einer physischen Fitness ein Mindestmaß an Ausrüstung, Verpflegung und Schutzkleidung [3]. Ein potenzieller Sektor, in dem ebenfalls Zusatzlasten eingesetzt werden, sind das Militär oder verschiedene Rettungsteams, z. B. bei der Bergrettung. In diesen Berufsgruppen gehört das Gehen und Laufen mit Zusatzlasten in teilweise unwegsamem Gelände zum Alltag und erfordert ein gewisses Maß an körperlicher Leistungsfähigkeit.
Im Gegensatz zur sportlichen Anwendung gibt es in der Bundeswehr Richtlinien zur körperlichen Leistungsfähigkeit und Ausrüstung [24], welche mitgeführt werden muss. So wird das Gesamtgewicht der Zusatzlast u. a. durch Equipment, Ausrüstung und Verpflegung, Wechselkleidung, Seile, Kletterausrüstung, Helm, Regen-/Kälteschutz und mehr [3] erzeugt. Zusatzlasten und Ausrüstung werden dabei meist unabhängig von individueller Belastbarkeit, Geschlecht und Leistungsfähigkeit, sondern auf Basis der notwendigen Ausrüstung gepackt. Folglich tragen Frauen und allgemein kleinere Menschen zu ihrer Körperkonstitution prozentual höhere Zusatzlasten und benötigen daher ein höheres Fitnessniveau für vergleichbare Belastungen [21]. Die Richtlinien der Bundeswehr zur körperlichen Leistungsfähigkeit und Ausrüstung [24] besagen, dass eine jährliche Leistungsüberprüfung durch einen „Marsch“ mit einer Zusatzlast von mindestens 15 kg in einem Rucksack zu absolvieren ist. Militärische Einsätze wie auch Bergtouren oder gar Hochgebirgstouren erfordern eine umfangreichere Ausrüstung [3]. Hierzu konnten jedoch keine Grenzwerte ermittelt werden, welche Ausmaße das Gewicht der Zusatzlasten annehmen kann. Die höchsten Zusatzlasten in Primärpublikationen betrugen 45 bis 50 kg in Form eines Rucksacks in einem militärischen Setting [6][13]. Eigene wissenschaftliche Untersuchungen zeigten, dass ein Infanterist der Bundeswehr durchschnittlich 20,9 ± 13,9 kg (Min: 0; Max: 55,9 kg) trägt, bestehend aus einem Rucksack (41 %) und einer Schutzweste (62 %), kombiniert mit weiterer Zusatzausrüstung [20].
Es kann bereits bestätigt werden, dass die subjektive Erschöpfung und die aerobe Schwelle mit Zusatzlast bei geringerer Leistung und geringerer Sauerstoffaufnahme eintreten [14][15][16]. Konstante Dauerbelastungen hingegen bestätigen eine höhere kardiopulmonale Beanspruchung mit Zusatzlast bei vergleichbarer Belastung [13][16]. In diesem Kontext sei darauf hingewiesen, dass bei Belastungen in unwegsamem oder alpinem Gelände nicht nur die mit dem Aufstieg verbundene positive dynamische Aktivität, sondern auch der Abstieg mit negativer dynamischer Arbeit bei der Einteilung der individuellen Energiereserven berücksichtigt werden sollte [7].
Der Abstieg wird subjektiv oft als weniger anstrengend empfunden und daher oft vernachlässigt, da kardiopulmonal nur etwa ein Drittel des Sauerstoffbedarfs der positiven Arbeit beim Aufstieg benötigt wird [7], was sich in einer geringeren Atemtätigkeit äußert. Zudem ist im Abstieg vermehrt eine fehlerhafte Einstufung der individuellen Kraft- und Energiereserven zu erkennen [5]. Aktuelle Unfallstatistiken aus dem Bergsport bestätigen in diesem Kontext einen Anstieg von Notrufen im Bergsteigen und Wandern, vor allem von unverletzten Personen, welche sich verliefen oder aufgrund von Erschöpfung aufgeben mussten [12]. Auch im Rahmen der Grundausbildung konnte bereits ein Verletzungsanteil von 20 % ermittelt werden [19].
Es stellt sich daher die Frage, ob bei militärischem Personal eine ausreichende körperliche Fitness für das Tragen von Zusatzlasten vorliegt, um Belastungen unter wechselnden Geländebedingungen zu bewältigen. Denn Menschen mit einem niedrigeren Leistungsniveau weisen ein höheres Unfallrisiko aufgrund von vorzeitiger Ermüdung und dem damit verbundenen Koordinationsverlust auf [5]. Soldatinnen und Soldaten unterliegen, anders als Personen im Bergsport, der Einhaltung von Belastungsvorgaben in Form von Geschwindigkeit oder Streckenlänge, die auch mit der Zusatzlast eingehalten werden müssen, um möglichst effizient am Einsatzort anzukommen. Da eine Belastung in Abhängigkeit von der individuellen Körperkonstitution und dem Trainingszustand zu einer sehr unterschiedlichen Beanspruchung führen kann, ist es unabdingbar, das Training nicht nur durch die gegebene Belastung, sondern auch durch die verursachte Beanspruchung zu steuern [7].
Das übergeordnete Ziel dieser Arbeit ist es, den Einfluss des Tragens einer Zusatzlast auf die Belastungsintensität sowie die Regenerationszeit zu konkretisieren, um daraus strukturierte Trainingsempfehlungen ableiten zu können. Entscheidend sind dabei sowohl individuelle Belastungsintensitäten, die beim Wandern mit Gepäck angestrebt werden können, ohne eine Überlastung zu riskieren, als auch die Notwendigkeit einer anschließenden Regeneration. Als Ergebnis der Erkenntnisse lassen sich strukturierte Trainingspläne und Vorbereitungsmaßnahmen für das Tragen von Zusatzlasten konkretisieren.
Methoden
Pilotstudien mit absoluten Zusatzlasten dienten als Grundlage dieser experimentellen Untersuchung. Die Ergebnisse bestätigten, dass eine Vergleichbarkeit in der Beanspruchung bei Zusatzlasten, welche absolut in Kilogramm bemessen werden, kritisch zu betrachten ist, da unterschiedliche körperliche Konstitutionen wie Körpergröße und Körpergewicht in den Ergebnissen nicht berücksichtigt wurden [9]. Je nach Körperkonstitution kann die ausgewählte Zusatzlast zu einer sehr unterschiedlichen Beanspruchung führen. Eine Vergleichbarkeit des Einflusses von Zusatzlasten setzt daher voraus, dass die Zusatzlast proportional zur Körperkonstitution gewählt wird [9][21]. Als Fazit daraus wurde diese Untersuchung mit relativen Zusatzlasten bei Frauen und Männern konzipiert, um die resultierende Belastung und Beanspruchung gegenüberzustellen und den Einfluss sowie die Tolerierbarkeit verschiedener Zusatzlasten bei Männern und Frauen zu betrachten. Vergleichende Untersuchungen mit 10 kg, 15 kg und 20 kg ergaben bereits, dass bis zu einem Gewicht von 20 kg keine signifikanten Unterschiede in der kardiopulmonalen Beanspruchung zwischen den einzelnen Zusatzlasten vorliegen [4]. Um eine vergleichbare Belastung und Beanspruchung zu generieren, wurde die Zusatzlast mit 15 %, 30 % oder 50 % des individuellen Körpergewichts der Versuchspersonen festgelegt.
Die Studie erfolgte experimentell und umfasste zwei standardisierte Laufuntersuchungen unter Laborbedingungen unter randomisierter Zuordnung [1]. Für alle Untersuchungen wurde der Rucksack „Berghaus Atlas ohne abnehmbare Seitentaschen“ in kleiner und mittlerer Größe verwendet und identisch gepackt. Die zu tragende Zusatzlast variierte je nach Geschlecht und Versuchsgruppe zwischen einem Minimum von 7,4 kg bei den Frauen mit 15 % Zusatzlast und einem Maximum von 45,8 kg bei den Männern mit 50 % Zusatzlast [9].
Die Stichprobe umfasste 105 Versuchspersonen (51 Frauen und 54 Männer) im Alter von 23,7 ± 2,9 Jahren mit den folgenden anthropometrischen Parametern: Körpergröße: 173,7 ± 8,8 cm, Körpergewicht: 71,6 ± 9,9 kg, BMI: 23,4 ± 2,1 kg/m2, Körperfettanteil: 17,2 ± 4,8 %, Muskelanteil: 39,7 ± 4,2 % (Tabelle 1). Die Versuchspersonen konnten über den Body-Mass-Index und den Körperfettanteil in Prozent als normalgewichtig eingestuft werden [17]. Die Voraussetzungen für die Teilnahme an der experimentellen Studie umfassten regelmäßige sportliche Aktivitäten (8,4 ± 4,7 Stunden pro Woche), spezifische sportliche Erfahrungen beim Tragen von Zusatzlasten, kein Vorliegen akuter bzw. chronischer Verletzungen oder Krankheiten sowie keine regelmäßige Medikamenteneinnahme.
Tab. 1: Beschreibung der Stichprobe
Zum ersten Testzeitpunkt wurde eine Eingangsuntersuchung nach den S1-Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin [11] durchgeführt, die ein Ruhe-EKG und die Erhebung anthropometrischer Daten auf nüchternen Magen beinhaltete. In diesem Zusammenhang wurde auch der Gesundheitszustand mittels eines strukturierten Anamnesebogens abgefragt. Um den aktuellen Leistungszustand zu ermitteln, sich an das Laufband zu gewöhnen und mögliche Unterschiede zu analysieren, absolvierten alle Versuchspersonen an zwei Testtagen mit einer Erholungszeit von mindestens 24 h zwei Laufbandtests (HP Cosmos) mit Spiroergometrie (Metalyser 3B, Cortex) unter Laborbedingungen, zunächst ohne und anschließend mit Zusatzlast. Es wurde ein Rampenprotokoll in Anlehnung an das „Laufbandprotokoll für Sportler“ [10] verwendet und im Hinblick auf die Fragestellung modifiziert, um alle möglichen Leistungsminderungen mit Zusatzlasten abbilden zu können. Nach einer einminütigen Ruhephase zur Ermittlung der Ausgangswerte begann das Protokoll mit einer Geschwindigkeit von 4 km/h, die kontinuierlich um 1 km/h pro Minute bis zur subjektiven Erschöpfung gesteigert wurde [7]. Nach Belastungsende erfolgte eine fünfminütige Nachbelastungsphase bei 4 km/h (Abbildung 1).
Abb. 1: Probandin während der Laufbanduntersuchung mit einer Zusatzlast von 30 % ihres Körpergewichts (Genehmigung zur Veröffentlichung liegt vor)
Um den fehlenden Luftwiderstand zu kompensieren, wurde eine Steigung von 1 % eingestellt [10]. Als Messzeitpunkte dienten die Ausgangswerte, die aerobe und anaerobe Schwelle, die individuelle subjektive Erschöpfung sowie die erste, dritte und fünfte Minute der Nachbelastungsphase. Unmittelbar nach Belastungsabbruch und während der fünfminütigen Nachbelastungsphase wurden zusätzlich Laktatwerte aus dem hyperämisierten Kapillarblut des Ohrläppchens [18] entnommen und in die Auswertung mit einbezogen. Die Auswertung der ventilatorischen Schwellen erfolgte a posteriori nach der „Slope-Methode“. Eine Kombination aus Formanalyse und systematischer Auswertung hat sich als Standard etabliert, und die Zuverlässigkeit bei der Bestimmung der ventilatorischen Schwellen gilt als akzeptiert [10;23]. Die statistische Prüfung der Daten ergab eine Normalverteilung und somit wurden parametrische Verfahren verwendet [1]. Das Studienprotokoll und alle verwendeten Dokumente unterlagen einer Prüfung der Ethikkommission der Universität der Bundeswehr München (Genehmigung am 25. Januar 2019).
Ergebnisse
Ausgangswerte stehend vor Belastungsbeginn
Die geschlechtsspezifische Betrachtung der Ausgangswerte vor Belastungsbeginn (Tabelle 2) bestätigte die Annahme, dass das Heben von Zusatzlasten bis zu 30 % des individuellen Körpergewichts nicht zu einer Erhöhung der Beanspruchung führt. Mit 50 % Zusatzlast kommt es jedoch bereits vor Beginn der Belastung zu einer Erhöhung der Beanspruchung, die eine Erhöhung der kardiopulmonalen Parameter um 12 % bewirkt, so dass empfohlen werden kann, hohe Zusatzlasten in Pausen oder Standphasen abzusetzen [9].
Aerobe und anaerobe Schwelle
Die zu tragende Zusatzlast wird durch eine Leistungsminderung kompensiert, indem die aerobe (VT1) und anaerobe (VT2) Schwelle bei geringerer Geschwindigkeit erreicht werden. Diese Reduktion der Geschwindigkeit nimmt proportional zur Höhe der Zusatzlast zu (Abbildung 2). Es konnte aufgezeigt werden, dass Zusatzlasten durch eine Reduzierung der Belastungsintensität proportional zur Höhe der Zusatzlast kompensiert werden können (Tabelle 2). Darüber hinaus können Männer und Frauen Belastungen an der aeroben Schwelle mit bis zu 30 % Zusatzlast bei vergleichbaren Geschwindigkeiten absolvieren. An der anaeroben Schwelle (VT2) ist dies nur mit einer Zusatzlast von 15 % möglich. Zusatzlasten von über 30 % führen bei beiden Geschlechtern zu vergleichbarer Geschwindigkeitsreduktion. Allerdings ist durch die höhere Geschwindigkeit der Männer ohne Zusatzlasten noch eine höhere Geschwindigkeit mit Zusatzlasten tolerierbar (Abbildung 2). Die Ergebnisse führen zu der Annahme, dass Frauen prozentual am individuellen Körpergewicht bemessene Zusatzlasten in vergleichbarer Weise tolerieren können wie Männer.
Abb. 2: Mittelwertvergleiche und prozentuale Reduktion der Geschwindigkeit ohne und mit Zusatzlasten an der aeroben (a) und anaeroben (b) Schwelle, untergliedert nach Geschlecht und Versuchsgruppen
Tab. 2: Mittelwertdifferenzen der Parameter ohne und mit Zusatzlasten in den Ausgangswerte, den ventilatorischen Schwellen und bei subjektiver Erschöpfung, geschlechtsspezifisch und unterteilt nach Versuchsgruppen
Subjektive Erschöpfung
Die Ergebnisse bei der subjektiven Erschöpfung bestätigen ebenfalls, dass das Tragen von relativen Zusatzlasten von 15 % bis 50 % dazu führt, dass die subjektive Erschöpfung bei reduzierter Geschwindigkeit eintritt. Diese Reduktion nimmt proportional zur Zusatzlast zu. Folglich kann die zu tragende relative Zusatzlast nur durch einen Abbruch der Belastung bei geringerer Geschwindigkeit kompensiert werden (Tabelle 2). Zur Beurteilung des Beanspruchungsgrades bei subjektiver Erschöpfung wurden zudem die relative maximale Sauerstoffaufnahme (relVO2) auch die respiratorische Gasaustauschrate (RER) verwendet [10]. Betrachtet man die relative maximale Sauerstoffaufnahme zum Zeitpunkt des Belastungsabbruchs genauer, so können die Versuchspersonen in der Untersuchung ohne Zusatzlast den Standard für ihre Altersdekade erreichen und werden daher als körperlich „fit“ eingestuft [17]. Die respiratorische Gasaustauschrate (RER) und die Laktatanalyse [9] ergeben bei Belastungsabbruch nahezu keine Unterschiede beim Tragen der unterschiedlichen Zusatzlasten. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die Versuchspersonen ein vergleichbares Beanspruchungsniveau erreicht haben, dies jedoch bereits bei einer geringeren Sauerstoffaufnahme, geringerer Herzfrequenz und geringerer Geschwindigkeit eintritt.
Regeneration
Zusatzlasten von bis zu 30 % des individuellen Körpergewichts ergaben weder für Frauen noch für Männer eine Auswirkung auf die Regenerationszeit. 50 % Zusatzlast erfordern jedoch bei Frauen wie auch Männern eine um 30 % längere Regenerationszeit. Daraus kann gefolgert werden, dass die Regenerationszeit nach einer Belastung mit einer Zusatzlast von 50 % des individuellen Körpergewichts um 30 % verlängert werden muss, um eine vergleichbare Regeneration wie ohne Zusatzlast zu sichern. Da diese Untersuchungen ausschließlich unter Laborbedingungen durchgeführt wurden, kann die erforderliche Regenerationszeit im sportlichen bzw. militärischen Einsatz je nach Geländebeschaffenheit, Temperatur und Trainingszustand noch länger sein.
Belastungsintensität
Es konnte gezeigt werden, dass die aerobe Schwelle geschlechtsspezifisch das Maß für die anzustrebenden Belastungsintensität ist, um die Zusatzlast tolerieren zu können und einer Überbeanspruchung entgegenzuwirken [9]. Belastungen oberhalb der aeroben Schwelle führen mit Zusatzlasten zu einem überproportionalen Anstieg der Beanspruchung [9]. Bei hohen Zusatzlasten von 50 % sollte ein weiterer Schwerpunkt auf eine gezielte Regeneration gelegt werden (Abbildung 3).
Abb. 3: Empfehlungen zur Adaptation der Belastungsintensität und Regeneration beim Tragen von Zusatzlasten
Einfluss der individuellen Ausdauerleistungsfähigkeit auf das Tragen von Zusatzlasten
Die Ergebnisse zeigten, dass eine Zusatzlast bis zu 30 % des Körpergewichts durch eine hohe aerobe Ausdauerleistungsfähigkeit und einer Reduzierung der Belastungsintensität kompensiert werden. Ein regelmäßiges Training der aeroben Ausdauer wird daher zur Vorbereitung auf das Tragen von Zusatzlasten im Bereich der Langzeitausdauer empfohlen, wie beispielsweise Märsche mit leichtem bis moderatem Gepäck (z. B. IGF-Marsch über 6 km oder 12 km, andere Märsche, Bergtouren). Eine Zusatzlast von 50 % des individuellen Körpergewichts führt dagegen bereits bei Gehtempo zu einem Wechsel in eine aerob-anaerobe Stoffwechsellage. Um 50 % Zusatzlast über ein langsames Gehen hinaus kompensieren zu können, müsste daher eine außergewöhnliche Ausdauerleistungsfähigkeit vorhanden sein, um extremer Leistungsreduzierung entgegenzuwirken und das Risiko von Überlastungsschäden bzw. akuten ermüdungsbedingten Verletzungen zu minimieren (Abbildung 3). Dies entspricht den Empfehlungen des „American College of Sports Medicine“ (ACSM), die eine außergewöhnliche kardiopulmonale Fitness mit einer relativen maximalen Sauerstoffaufnahme von > 57 ml/min/kg bei Männern und > 46 ml/min/kg bei Frauen definieren [17].
Diskussion und Fazit
Belastungen mit Zusatzlasten führen zu einer Erhöhung der kardiopulmonalen Beanspruchung proportional zur Höhe der Zusatzlast. Zusatzlasten von bis zu 30 % des individuellen Körpergewichts können durch eine Reduzierung der Belastungsintensität kompensiert werden, ohne dass eine Regenerationszeit notwendig ist [9]. Für Belastungen mit Zusatzlasten von über 30 % des individuellen Körpergewichts ist neben einer Reduzierung der Belastungsintensität eine Erhöhung der Regenerationszeit um mehr als 30 % unabdingbar, um einer Überbeanspruchung entgegenzuwirken [9].
Die aktuellen Ergebnisse ermöglichen eine Spezifizierung der Belastungsintensität beim Tragen von Zusatzlasten. Um diese tolerieren zu können und um das Risiko von ermüdungsbedingten Verletzungen bzw. Stürzen zu reduzieren, sind Belastungen an der individuellen aeroben Schwelle als Maß für die anzustrebende Belastungsintensität beim Tragen von Zusatzlasten zu empfehlen. Zudem wird durch eine hohe aerobe Ausdauerleistungsfähigkeit eine breit gefächerte konditionelle Grundlagenausdauer für das Tragen von Zusatzlasten geschaffen, die als Basis zur Steigerung der sportlichen Leistungsfähigkeit unabdingbar ist und zu einer Optimierung der Regenerationsfähigkeit führt [22].
Außerdem wird empfohlen, Zusatzlasten während Pausen oder Stehphasen abzusetzen. Die Frage, wie viel Zusatzlast tolerierbar ist, kann mit diesen Ergebnissen bestehende Empfehlungen über Zusatzlasten von 15 bis 20 % des Körpergewichts [8] weiter konkretisieren. Für sportlich aktive Menschen sind Zusatzlasten bis zu 30 % des individuellen Körpergewichts tolerierbar, wenn die aerobe Schwelle als Maß für die Belastungsintensität herangezogen wird. Zusatzlasten von über 30 % des individuellen Körpergewichts sind dagegen nicht zu empfehlen, da diese bereits im Stehen zu einer Erhöhung der Beanspruchung führen, die nur über eine überdurchschnittliche Ausdauerleistungsfähigkeit, toleriert werden können.
Diese Arbeit liefert Ergebnisse zur Konkretisierung der Adaptation im Kontext der Belastungsintensität und der Notwendigkeit einer zusätzlichen Verlängerung der Regenerationszeit [9]. Dieses Wissen bildet die Basis, um gezielte Anforderungs- und Belastungsprofile zu erstellen und wichtige Entwicklungszusammenhänge und Trainingsschwerpunkte zu erkennen, um darauf aufbauend strukturierte individuelle Trainingsmaßnahmen zu generieren, die auf das Tragen von Zusatzlasten vorbereiten und die erforderliche Leistungsfähigkeit entwickeln. Es ist zu vermuten, dass sich somit der Grad der Beanspruchung optimiert und folglich das Risiko von akuten Verletzungen und Überlastungsschäden bei Belastungen mit Zusatzlasten reduziert wird.
Kernaussagen:
- Zusatzlasten von bis zu 30 % des individuellen Körpergewichts sind über eine Reduzierung der Belastungsintensität, proportional zur Höhe der Zusatzlast, tolerierbar.
- Die aerobe Schwelle ist das Maß für die Belastungsintensität beim Tragen von Zusatzlasten.
- Hohe Zusatzlasten erfordern neben einer Reduktion der Belastungsintensität eine Erhöhung der Regenerationszeit.
- Regeneration bewusst anwenden, wie z. B. Zusatzlasten während Pausen oder Stehphasen absetzen.
- Zur Vorbereitung auf das Tragen von Zusatzlasten sollte ein regelmäßiges Training der Grundlagenausdauer durchgeführt werden.
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Manuskriptdaten
Zitierweise
Klughardt S, Schaar B: Wirkungen von Zusatzlasten auf die kardiopulmonale Leistungsfähigkeit. WMM 2023; 67(1-2): 2-8.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-64
Für die Verfasser
Dr. Saskia Klughardt
Universität der Bundeswehr München
Institut für Sportwissenschaft
Forschungs- und Lehrbereich Trainingswissenschaft
Werner-Heisenberg-Weg 39, 85577 Neubiberg
E-Mail: saskia.klughardt@unibw.de
Manuscript data
Citation
Klughardt S, Schaar B: [Effects of carrying additional loads on cardiorespiratory endurance performance]. WMM 2023; 67(1-2): 2-8.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-64
For the Authors
Dr. Saskia Klughardt
University of the Bundeswehr Munich
Institute of Sports Science
Werner-Heisenberg-Weg 39, 85577 Neubiberg
E-Mail: saskia.klughardt@unibw.de