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Die Behandlung kriegsverletzter Patienten am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg 2014–2023

Treatment of War Wounded Patients at the Military Hospital Hamburg between 2014 and 2023

Matthias Johanna

a Bundeswehrkrankenhaus Hamburg, Klinik XIV – Orthopädie/Unfall­chirurgie

Zusammenfassung

Zwischen 2014 und 2023 wurden am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg 35 Patienten aus der Ukraine und dem Irak wegen Kriegsverletzungen behandelt. Als häufigste Verletzungsentität lagen kontaminierte Defekte der Weichgewebe und der knöchernen Strukturen der Extremitäten vor, welche komplexe rekonstruktive operative Verfahren erforderten.

Sowohl die Besiedlung mit einer meist multiresistenten Keimflora als auch die chirurgische Therapie solcher Verletzungen bedeuten eine besondere Herausforderung, der es bei der Planung eines vermehrten Patientenaufkommens gerecht zu werden gilt. Auch die Rehabilitation bis hin zur Wiedereingliederung in den Dienst muss in diesem Zusammenhang betrachtet werden.

Schlüsselworte: Kriegsverletzungen, Defektverletzung der Extremität, Infektion, rekonstruktive Chirurgie

Summary

From 2014 until 2023, 35 war wounded patients from Ukraine and Iraq were treated at the military hospital in Hamburg. Contaminated defects of soft tissue and bone structures of the extremities, which required complex reconstructive surgical procedures, were the most common injury entity.

The colonization of wounds with a mostly multiresistant germ flora and the surgical therapy of such injuries imply a distinct surgical challenge to be met in the planning process if facing an increased caseload. Even rehabilitation up to reintegration into service must be considered in this context.

Key words: war injury; defect situation in extremities; infection; reconstructive surgery of extremities

Einleitung

Seit 2014 werden an den Bundeswehrkrankenhäusern (BwKrhs) verwundete Angehörige der ukrainischen Streitkräfte behandelt. Im Jahr 2017 erfolgte zudem eine Versorgung von irakischen Soldaten, die in den Auseinandersetzungen mit dem sogenannten islamischen Staat (IS) verletzt wurden. Bilaterale Abkommen hatten dies ermöglicht. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 werden zudem regelmäßig Verletzte aus der Ukraine zur Behandlung in die Europäische Union evakuiert. Hierzu erfolgt in Deutschland eine Verteilung über das ursprünglich zur Patientenbewältigung während der Coronapandemie geschaffene Kleeblattsystem. Unter Mitwirkung der Traumanetzwerke der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) erfolgt eine entsprechende Verteilung der Patienten über die Bundesländer an geeignete Kliniken.

Die Analyse der bis Frühjahr 2023 durchgeführten Behandlungen kann bereits jetzt schon wertvolle Hinweise liefern, welche Fachexpertise und welche Ressourcen bei einem erhöhten Aufkommen von Patienten mit solchen Verletzungen in Deutschland eingeplant werden müssen. Eine verstärkte Behandlungsnotwendigkeit ist nach Beendigung der Kampfhandlungen in der Ukraine für ganz Europa im Sinne von Hilfezusagen zu erwarten. Aber es muss auch zukünftig in der Konzeption der Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) ein vermehrtes Aufkommen an Soldaten mit den entsprechenden Verletzungsmustern eingeplant werden. Die vorliegende Arbeit hat das Ziel, anhand der behandelten Patienten das eigene Vorgehen im BwKrhs Hamburg darzustellen.

Patientenkollektiv

Demografische Daten

Am BwKrhs Hamburg wurden vom 2. September 2014 bis 28. Februar 2023 insgesamt 35 kriegsverletzte Patienten behandelt. Neben 26 Angehörigen der ukrainischen und 4 der irakischen Streitkräfte wurden seit 2022 auch fünf ukrainische Zivilisten behandelt, die sich entweder als Flüchtlinge außerhalb der o. a. staatlichen Regelungen in der Notaufnahme des BwKrhs Hamburg vorstellten oder über das Kleeblatt Nord aufgenommen wurden. Darunter befanden sich 32 männliche und 3 weibliche Personen in einem Alter zwischen 19 und 59 Jahren bei einem Median von 33 Jahren. Die Ursache der Verletzungen waren in der Mehrzahl Schrapnelltraumata im Rahmen von Explosionen, seltener Schussverletzungen. In drei Fällen wurden Folgen nach Unfällen während der militärischen Tätigkeit ohne Waffeneinwirkung behandelt. Die Zeit zwischen Ereignis und Aufnahme im BwKrhs Hamburg betrug mit einer sehr großen Spannbreite zwischen 4 Tage und mehr als drei Jahre mit einem Median von 78 Tagen.

Fast alle Patienten (31/35) hatten sich in der Ukraine oder im Irak schon chirurgischen Eingriffen unterziehen müssen. Die Spanne der Anzahl an Voroperationen betrug 0–65, im Durchschnitt 7,6 operative Eingriffe, pro Patient. Neben einer notfallmäßigen Vorversorgung im Sinne einer Damage Control Surgery zur Blutstillung, einschließlich Amputation von Extremitäten, sind als wesentliche Voroperationen Debridements und Fixateuranlagen zu erwähnen. Allerdings – insbesondere bei Patienten, deren ursprüngliche Verletzung sich schon vor mehr als 3 Monaten ereignet hatte – bestanden auch komplexe Voroperationen unter Verwendung von intramedullären Implantaten, Plattenosteosynthesen mit Infektkomplikationen oder mechanischen Problemen (Abbildung 1).

 

Abb. 1: Bildgebung bei Aufnahme:

a) Fehlgeschlagene Osteosynthese einer proximalen Femurfraktur

b) Verkürzung und Pseudarthrose einer distalen Femurfraktur

c) Im Fixateur externe stabilisierte proximale Femurfraktur

(Quelle: BwKrhs Hamburg)

Zur besseren Vergleichbarkeit erfolgte eine Einteilung der Patienten in 3 Gruppen, abhängig von der Zeit zwischen Verwundung und stationärer Aufnahme im BwKrhs Hamburg (Tabelle 1). Gruppe A gelangte innerhalb von 6 Wochen in unsere Behandlung zur primären oder postprimären Therapie, Gruppe B gelangte zwischen dem 40. und 100. Tag nach Verwundung zur sekundären Behandlung zur Aufnahme und Gruppe C wurde erst nach mehr als 100 Tagen einer rekonstruktiven Therapie unserer Einrichtung zugeführt.

Tab. 1: Daten der im BwKrhs Hamburg behandelten Patienten

Alle Patienten wurden primär isoliert. In lediglich 8 Fällen konnte eine Kontamination mit isolationspflichtigen Mikroorganismen ausgeschlossen werden. 27 Patienten waren mit hoch- und multiresistenten Keimen besiedelt, sodass eine isolierte Unterbringung stattfand. Häufig bestand eine multiresistente Mischflora aus Staphylokokken, Klebsiellen, Pseudomonaden und auch E. coli. Acinetobacter Spezies waren ebenfalls häufig vertreten. Seit 2020 waren zudem 2 Patienten mit SARS-CoV-2 infiziert.

Verletzungsmuster

33 Patienten hatten bei der Aufnahme behandlungsbedürftige knöcherne Verletzungen, davon 31 Verletzungen der Extremitäten. 6 Patienten hatten Amputationsverletzungen an insgesamt 8 Extremitäten erlitten, davon 2 Amputationen im Mittelhand- bzw. Handwurzelbereich, 2 Unterarmamputationen, 3 Oberschenkelamputationen und eine Unterschenkelamputation. Bei 8 Patienten bestanden langstreckige knöcherne Defektsituationen. Die Aufnahme erfolgte bei liegenden Fixateuren. 16 Patienten litten an weit offenen Weichgewebswunden bzw. -defekten an den Extremitäten (Abbildung 2). 18 Patienten waren bei Aufnahme an mehreren Körperregionen verletzt, nur bei 17 Patienten bestand bei Aufnahme lediglich an einer Körperregion Behandlungsbedarf. Neben den Extremitätenverletzungen wurde einer zur Rekonstruktion des Mittelgesichtes, ein Patient zur Revision einer abdominellen Verletzung mit kompliziertem Verlauf sowie ein weiterer zur Schädeldachplastik aufgenommen.

 

Abb. 2: Aufnahmebefund eines Patienten mit Weichgewebsdefekt und Defekt der Tibia links (Quelle: BwKrhs Hamburg)

Behandlungsdaten

Unfallchirurgische Ziele

Die unfallchirurgischen Behandlungsziele bestanden zunächst in der Versorgung des infizierten Weichgewebes unter Herstellung der knöchernen Stabilität sowie dem Beherrschen der Infektsituation. Danach sollte die Mobilität unter Wiederherstellung der Integrität von knöchernen Strukturen und Gelenken erreicht werden – wo möglich anatomiegerecht, wo nicht möglich, durch extraanatomische funktionsverbessernde Eingriffe. Bei irreversiblem Verlust der Extremitäten erfolgte die Mobilisation unter Anpassung geeigneter Exoprothesen. Anhand dieser Ziele wurde für jeden Patienten ein individueller Behandlungsplan erstellt.

Durchgeführte Eingriffe

Insgesamt erfolgten bei den Patienten 308 chirurgische Eingriffe. Neben 65 Interventionen im Bereich der Viszeralchirurgie, der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und der Neurochirurgie waren die übrigen 243 Operationen unfallchirurgische Prozeduren. Zweimal erfolgte eine Simultanoperation mit der Neurochirurgie zur Nerventransplantation bzw. zur Wirbelsäulenstabilisation.

Auf unfallchirurgischem Gebiet erfolgten 109 knöcherne Eingriffe wie Sequesterotomie, Fixateurstabilisierung und Debridement bis hin zu Osteosynthesen, Verlängerungs- oder Transportosteotomien sowie Prothesenimplantationen. 92 Eingriffe waren Weichgewebseingriffe, bei 18 Patienten erfolgte eine plastische Weichteildeckung. Zusätzlich wurden 15 Entnahmen von Spongiosa aus dem Beckenkamm und eine Spongiosagewinnung mittels „Reamer-Irrigator-Aspirator“(RIA) durchgeführt, wobei durch Aufbohren und Absaugen große Mengen an spongiösem Material aus einem langen Röhrenknochen gewonnen werden.

Es erfolgten insgesamt 24 Osteosynthesen. Diese bestanden in Fixateurosteosynthesen und winkelstabilen Plattenosteosynthesen in insgesamt 22 Fällen. Lediglich einmal kam zur definitiven Osteosynthese ein Marknagel zur Anwendung und eine Wirbelkörperosteosynthese erfolgte mittels dorsaler Instrumentierung. Zur Stabilisierung oder Wiederherstellung der Gelenkfunktion erfolgten drei Arthrodesen an der unteren Extremität; dabei wurden zweimal Arthrodesen des oberen Sprunggelenkes und einmal eine midtarsale Arthrodese durchgeführt.

Zur Wiederherstellung von verkürzten Femora nach knöcherner Heilung wurde in 3 Fällen ein Verlängerungsnagel implantiert, einmal erfolgte die Verlängerung über einen Transportfixateur. Die durchschnittliche Verlängerung betrug 7 cm, das Maximum 12 cm. Kallusdistraktion über Segmenttransport mittels Transportfixateur zur Therapie eines langstreckigen knöchernen Defektes wurde an 4 Tibiae und an einem Humerus durchgeführt. Dabei betrug die durchschnittliche Defektlänge 11 cm, bei einer maximalen Transportlänge von 20 cm an einer Tibia (Abbildung 3). Endoprothesen wurden bei 4 Patienten implantiert, drei Hüfttotalendoprothesen (HTEP) und ein Ellenbogengelenkersatz. Bei 4 Patienten erfolgten weniger komplexe Eingriffe, darunter eine vordere Kreuzbandplastik, eine Implantatentfernung und eine Krallenzehenkorrektur.

 

Abb 3: Therapie eines Tibiadefektes

a) Nach Debridement/Stabilisierung und Spacereinlage sichtbarer Defekt von 12 cm

b) Nach Anlage eines Transportfixateurs und Osteotomie vor Transportbeginn

(Quelle: BwKrhs Hamburg)

Komplikationen

Bei 9 Patienten kam es nach Beherrschen der Weichgewebs- und Infektsituation und vermeintlich definitiver Versorgung zu revisionsbedürftigen Infektionen, die nach individueller Therapie beherrscht wurden. Dabei erfolgte ein erneuter Verfahrenswechsel bei 4 Patienten, einmalig musste eine HTEP mehrzeitig gewechselt werden. Bei 4 Patienten konnte ein Frühinfekt unter Erhalt der implantierten Materialien erfolgreich therapiert werden.

Weitere Komplikationen waren selten und singulär; erwähnt werden muss ein Kompartmentsyndrom, eine unzureichende Prothesenschaftwahl oder auch eine Rotationsabweichung nach Osteosynthese, die alle operativ folgenlos korrigiert werden konnten.

Aufenthaltsdauer

Die Dauer des stationären Aufenthaltes reicht von 9 bis 900 Tage, wobei die fehlende Möglichkeit einer ambulanten Weiterbehandlung zwischen 2014 und 2021 hier eine relevante Rolle spielt. Während die durchschnittliche stationäre Verweildauer in diesem Zeitraum 252 Tage betrug, liegt seit 2021 die aktuelle mittlere stationäre Behandlungszeit bei 53 Tagen, da die Patienten seitdem unter ambulanter ärztlicher Kontrolle in außerklinische Wohnungen entlassen werden können.

Behandlungsergebnisse

Bis auf drei sich Ende Februar 2023 noch in Behandlung befindlicher Patienten waren alle knöchernen Verletzungen stabil ausgeheilt, alle Behandelten verließen die Klinik mit stabilen reizfreien Weichgewebsverhältnissen ohne klinischen oder laborchemischen Hinweis auf einen persistierenden Infekt. In 6 Fällen wurden die Betroffenen mit Exoprothesen versorgt. Alle entlassenen Patienten waren selbständig mobil und in der Lage, den Verrichtungen des täglichen Lebens nachzukommen. Die einzelnen Extremitätenfunktionen waren deutlich verbessert (Abbildung 4).

 

Abb. 4: Behandlungsergebnis

a) Ausmaß der Femurverkürzung von 12 cm

b) Bildgebung nach Abschluss des Transportes mittels Verlängerungsnagel

c) Klinisches Ergebnis

(Quelle: BwKrhs Hamburg)

Diskussion und Fazit

Nahezu 90 % der im BwKrhs Hamburg versorgten Kriegsverletzten hatten primär knöcherne Verletzungen der Extremitäten erlitten. Auch wenn insgesamt 6 Patienten mit diesen Verletzungen schon vor der Aufnahme im Rahmen einer Erstversorgung amputiert wurden und die Behandlung lediglich in der Stumpfrevision und der Prothesenanpassung bestand, betrug die Rate der Patienten mit Rekonstruktionsbedarf während des stationären Aufenthaltes an den Extremitäten über 70 %.

Dies korrespondiert mit Zahlen, die über Verletzungsmuster bei Soldaten in kriegerischen Auseinandersetzungen veröffentlicht sind: Bei einer primären (KIA, killed in action) oder sekundären (DOW, died of wound) Versterbensrate von 10–20 % erleiden 65–71 % der Überlebenden schwere Verletzungen der Extremitäten, während lediglich 15 % der Überlebenden Kopf-Hals Verletzungen und weitere 20 % Körperstammverletzungen aufweisen [2][3].

Die Amputationsrate von Extremitäten beträgt etwa 5 % über alle Verletzten [1], Stern et al. berichten von einer Amputationsfrequenz von 16 % bei allen unfallchirurgischen Eingriffen zwischen 2002 und 2016 in Sanitätseinrichtungen der Role 2 und Role 3 [2]. Dies führt zu dem Schluss, dass bei annähernd 60 % der überlebenden verletzten Soldaten weiter behandlungsbedürftige Verletzungen der Extremitäten bestehen.

Auch wenn die Gruppe der zwischen 2014 und 2023 im BwKrhs Hamburg behandelten Kriegsverletzten nicht repräsentativ ist für den unselektierten Patientenzustrom nach Gefechtssituationen in Behandlungseinrichtungen der Role 4, so zeigen die Behandlungen der hier betrachteten 9 Jahre doch die Herausforderungen bezüglich vorzuhaltender Ressourcen im Falle eines vermehrten Aufkommens an kriegsverletzten Patienten. Hierbei sind zunächst die hygienischen und mikrobiologischen Besonderheiten anzuführen. Bei einer Kontaminationsrate von mehr als 70 % mit Isolationspflichtigkeit und hohen Resistenzen steigen die Erfordernisse an räumlichen Kapazitäten zur Isolation deutlich. Außerdem muss eine Bevorratung zur medikamentösen Infekttherapie bei mehrheitlich hochresistenten Mikroorganismen vorgesehen werden.

Desweiteren zeigen die im BwKrhs Hamburg versorgten Verletzungsmuster, dass eine relevante Anzahl der zu behandelnden Patienten an Defekten sowohl der Weichgewebe als auch der knöchernen Strukturen leidet. Diese zu behandeln erfordert eine spezielle Expertise der Behandlungseinrichtungen mit der Möglichkeit der Rekonstruktion der verletzten Areale. Hier sind insbesondere Kenntnisse und Fertigkeiten in septisch-rekonstruktiver und plastischer Chirurgie zur Defektdeckung mit lokalen und mikrochirugisch zu anastomosierenden Lappen erforderlich. Eine breites Spektrum an Maßnahmen zur knöchernen Rekonstruktion muss indiziert und sicher beherrscht werden. Daher ist es zwingend notwendig, die unfallchirurgischen Kliniken mit einer entsprechenden Kompetenz zur septisch-plastisch-rekonstruktiven Chirurgie auszustatten.

Die Behandlungsdauer ist eine weitere Herausforderung. Bei großen Defektsituationen ist eine mehrmonatige stationäre Behandlung der Patienten erforderlich, begleitet von einer ambulanten extrastationären Therapie; die gilt insbesondere bei langstreckigem Knochenersatz durch Kallusdistraktionsverfahren. Nach entsprechend erfolgreichen primären Rekonstruktionen ist eine unter Umständen stationäre Rehabilitation der behandelten Patienten erforderlich, um ein bestmögliches funktionelles Outcome und nach Möglichkeit eine Wiederaufnahme des militärischen Dienstes zu erreichen. Diese Notwendigkeit muss in den planerischen Szenarien ebenfalls sicher berücksichtigt werden.

Kernsätze

  • Zwischen 2014 und 2023 wurden 35 kriegsverletzte Patienten am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg behandelt.
  • Die häufigste Verletzungsentität bestand in kontaminierten knöchernen und weichteiligen Defektwunden der Extremitäten.
  • Bei 25 von 31 Patienten mit Extremitätenverletzungen konnte mit Hilfe chirurgischer Verfahren die Extremität bei guter Funktion erhalten werden.
  • Gute Behandlungsergebnisse erfordern eine septisch-rekonstruktive chirurgische Expertise.

Literatur

  1. Stansbury LG, Lalliss SJ, Branstetter JG et al. Amputations in U.S. military personnel in the current conflicts in Afghanistan and Iraq. J Orthop Trauma. 2008; 22(1): 43-6. mehr lesen
  2. Stern CA, Stockinger ZT, Todd WE, Gurney JM. An Analysis of Orthopedic Surgical Procedures Performed During U.S. Combat Operations from 2002 to 2016. Mil Med. 2019;184(11-12):813-819. mehr lesen
  3. Willy C, Voelker HU, Steinmann R, Engelhardt M. Kriegschirurgische Verletzungsmuster. UPDATE 2007. Chirurg. 2008; 79(1): 66-76. mehr lesen

 

Manuskriptdaten

Zitierweise

Johann M: Die Behandlung kriegsverletzter Patienten am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg 2014–2023. WMM 2023; 67(5): 195-200.

DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-133

Verfasser

Oberstarzt Matthias Johann

Klinischer Direktor der Klinik für Unfallchirurgie

Bundeswehrkrankenhaus Hamburg

Klinik XIV – Orthopädie/Unfallchirurgie

Lesserstraße 180, 22049 Hamburg

E-Mail: matthiasjohann@bundeswehr.org

Manuscript Data

Citation

Johann M: [Treatment of War Wounded Patients at the Military Hospital Hamburg between 2014 and 2023]. WMM 2023; 67(5): 195-200.

DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-133

Author

Colonel (MC) Matthias Johann

Bundeswehr Hospital Hamburg

Depratment XIV – Trauma Surgery/Orthopedics

Lesserstraße 180. D-22049 Hamburg

E-Mail: matthiasjohann@bundeswehr.org

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