Wehrmedizinische Monatsschrift

  • Archiv
  • Kontakt
  • Archiv
  • Kontakt

Suchergebnis
Links
Rechts
Inhaltsverzeichnis
Editorial
Luft- und Raumfahrtmedizin
Entwicklung einer zeitgemäßen Laserschutzbrille für das fliegende Personal der Bundeswehr:​ Ergebnisse der visuellen Testung












Aviation Medicine
Development of Contemporary Laser Protection Glasses for the Bundeswehr Flying Personnel:​ Results of Visual Testing











Luft- und Raumfahrtmedizin
Studienkonzept zur Ermittlung von Stressreaktionen ­des Respirationstraktes nach assistierter bzw.​ hyperbarer Atmung bei Strahltriebwerk-Flugzeugführern




Luft- und Raumfahrtmedizin
Anti-G-Schutz mit Druckbeatmung – ist dies der Weisheit letzter Schluss? (Vortrags-Abstract)

Luft und Raumfahrtmedizin
Beanspruchung der Halswirbelsäule bei Eurofighter-Piloten unter „high-Gz“ im Realflug (Vortrags-Abstract)

Luft- und Raumfahrtmedizin
Flugmedizinisch relevante Zufallsbefunde in der bildgebenden Diagnostik (Vortrags-Abstract)

Luft- und Raumfahrtmedizin
Tubenfunktionsstörungen und Barotrauma (Vortrags-Abstract)
Luft- und Raumfahrtmedizin
Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen – ESC Leitlinie 2021 (Vortrags-Abstract)

Luft- und Raumfahrtmedizin
Airbus A330 – Einführung eines neuen multinationalen Luftfahrzeugmusters „Aeromedical Evacuation“

Luft- und Raumfahrtmedizin
Das Aeromedical Evacuation-Register der Bundeswehr – Aufbau und bisherige Erkenntnisse aus zwei Dekaden ­Strategic-Aeromedical-Evacuation (Vortrags-Abstract)
Luft- und Raumfahrtmedizin
Einfluss des Tragens von FFP2-Masken auf die Sauerstoffsättigung bei Kabinendruck in Flughöhe (Vortrags-Abstract)1
Luft- und Raumfahrtmedizin
Forensische Toxikologie in der Flugmedizin – State Of The Art (Vortrags-Abstract)


Luft- und Raumfahrtmedizin
Gefängnisstrafe für Fliegerarzt (Vortrags-Abstract)
Geschichte der Flugmedizin
Nutzung von Luftfahrzeugen zum Verwundetentransport bis 1945



Aus dem Sanitätsdienst
Oberstarzt Prof.​ Dr.​ Dr.​ Dieter Leyk mit dem Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold ausgezeichnet
Aus dem Sanitätsdienst
IN MEMORIAM Generalapotheker a.​ D.​ Dr.​ Michael Krohn
Mitteilungen der DGWMP e.​V.​
Geburtstage Juni 2022
Buchvorstellung
Zur Geschichte der Flugmedizin:​ Körperliche Leistungsfähigkeit von Militärpiloten
Luft- und Raumfahrtmedizin PDF

 

SICHER – AUCH OHNE ÜBERDRUCK

Anti-G-Schutz mit Druckbeatmung –
ist dies der Weisheit letzter Schluss? (Vortrags-Abstract)

Carla Ledderhosa, Michael Nehringb, Frank Webera, André Gensa

a Bis 2021 Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Bundeswehr, Fürstenfeldbruck

b Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe, Königsbrück

Einleitung

Mit dem zunehmenden Leistungsvermögen hochagiler Luftfahrzeugmuster der neuesten Generationen wurde der Schutz der Piloten vor zu hohen Beschleunigungen zum A und O für deren Betrieb. Die herkömmliche Anti-G-Hose reichte hierfür nicht mehr aus. Sie wurde nach und nach von komplexen Anti-G-Schutzsystemen abgelöst, die zumeist auf eine positive Druckbeatmung (positive pressure breathing for g-protection (PPG)) zurückgreifen. Dies brachte einen Zugewinn an G-Toleranz und eine Verringerung der mit den ansonsten notwendigen Anti-G-Straining Manövern einhergehenden Ermüdung der Piloten mit sich.

Allerdings hat diese Form der kontinuierlichen Druckatmung, die im Eurofighter in Abhängigkeit von der Gz-Belastung bis zu 60mmHg erreichen kann, auch einige unerwünschte Nebenwirkungen, die in vergangenen Vergleichsuntersuchungen verschiedener Anti-G-Anzüge als flugsicherheitsrelevant eingestuft wurden. Hier sind vor allem ein mit ihr einhergehender, zum Teil heftiger Armpain, die Beeinträchtigung der Sprachverständigung, Ohr- und Sinusblöcke, sowie Nebenwirkungen auf das Atmungssystem zu nennen. Der relativ hohe Druck und die trockene Luft führen zu mechanischen Irritationen in den zuführenden Atemwegen. Die Ausatmung ist erschwert und der normale Aktivitätszyklus der Atmung mit aktiver Inspiration, d. h. Einatmung durch Unterdruck und passiver Exspiration, wird umgekehrt. Durch die Dislokation von Lungengewebe infolge der Gz-Beschleunigung und den hohen Druck kommt es zur Dehnung und Weitung der apikalen Alveolen mit der Gefahr für einen Spontanpneumothorax und die Ausbildung eines subpleuralen Emphysems1.

Obwohl valide Studien zu gesundheitlichen Auswirkungen der PPG insbesondere auf das Atmungssystem im fliegerischen Kontext bisher fehlen, weiß man aus klinischen Settings, das eine positive Druckbeatmung mit weitaus geringeren Drücken als sie in der Luftfahrt gebräuchlich sind, bereits zu einer Lungenschädigung führt. Daher wäre ein Anti-G-Anzug, der auf eine solche Atmungsform verzichtet und dennoch einen verlässlichen Anti-G-Schutz bietet, zweifellos erstrebenswert.

„G-RAFFE“ – Alternatives Anti-G-Schutzsystem ohne PPG

Genau diese Bedingung erfüllt der Anti-G-Anzug „G-RAFFE“ der Fa. G-NIUS. Der von Andreas Reinhard (iii-solutions) im Auftrag von G-NIUS Ltd. entwickelte pneumatische Ganzkörperanzug (Abbildung 1) erbringt seinen G-Schutz ohne jegliche Atemunterstützung. Bei einer ersten Potenzialabschätzung des Prototyps am Ende seiner Entwicklung im Jahr 2013 punktete dieser mit seinem geringen Gewicht, einem sehr guten Tragekomfort mit ausgesprochen guter Bewegungsfreiheit und einem sehr schnellen Ansprechverhalten. Überdies zeigte er eine gute Performance im Vergleich zum gegenwärtig im Eurofighter geflogenen System „Aircrew Equipment Assembly (AEA)“ der Fa. BAeS.

Abb. 1: Testkonfiguration der Anzüge: A: „G-RAFFE“ (G-NIUS) mit Full Coverage Anti-G Suit, ASP Man Portion, Fliegerhelm, Maske und Stiefeln. B: „AEA“ (BAeS) mit Flightsuit – Light Weight Coverall (LWC), Full Coverage Anti-G-Trousers (FCAGT) und Flightjacket mit Chest Counter Pressure Bladder (CCPB) und ASP Man Portion sowie Fliegerhelm mit der Maske für die Druckbeatmung.

Mit der Kommerzialisierung dieses Prototyps durch die G-NIUS Ltd. gibt es derweil ein marktverfügbares Produkt, dessen Leistungsvermögen das Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Lw (ZentrLuRMedLw) im Auftrag von Kommando Luftwaffe (KdoLw) in der nachfolgend beschriebenen umfangreichen Untersuchung im Vergleich mit dem gegenwärtig in der Luftwaffe genutzten „AEA“ der Fa. BAeS erprobte (Abbildung 1).

Fragestellungen

Neben der Klärung der Frage, ob mit „G-RAFFE“ ein verlässlicher G-Schutz zu erreichen ist, war es Ziel der Studie, subjektive Aussagen von Luftfahrzeugführern (LFF) und Novizen zur funktionalen und ergonomischen Bewertung des Anti-G-Anzuges „G-RAFFE“ im Vergleich zum „AEA“ zu gewinnen und diese begleitend durch ein Monitoring der Parameter der Herz-Kreislauf-Funktion während der Zentrifugenfahrten zu objektivieren.

Methodik

Nach positivem Votum der zuständigen Ethikkommission nahmen insgesamt 41 Probanden - 19 Luftfahrzeugführer (LFF) sowie 22 Novizen2 – mit gültiger Wehrfliegerverwendungsfähigkeit an der Studie in der Humanzentrifuge (HZF) des ZentrLuRMedLw in Königsbrück teil. Zunächst wurden die sog. „natürliche“ G-Toleranz bestimmt und ein bzw. zwei frei gestaltbare, nicht bewertete Familiarisierungsläufe mit den für die jeweiligen Teilnehmer unbekannten Anzügen („G-RAFFE“ bei LFF, „AEA“ und „G-RAFFE“ bei Novizen) durchgeführt. Im Anschluss daran wurden mit jedem Anzug in randomisierter Anzugfolge je ein Linear- und Stufenprofil, sowie ein anspruchsvolles Exhausting Simulated Aerial Combat Maneuvers (ESACM) absolviert. Die jeweiligen Beschleunigungsprofile zeigt Abbildung 2.

Alle Runs wurden mit dem in der HZF implementierten Aufzeichnungssystem dokumentiert. Überdies wurden die Gz-Belastung, das EKG sowie die Pulswelle mit einem separaten Rechnersystem aufgezeichnet und Befragungen zur funktionalen und ergonomischen Bewertung beider Anzugsysteme durchgeführt und systematisch ausgewertet

Abb. 2: Übersicht über die Wertungsläufe (links: Passives Linearprofil (0,1 Gz/s), Mitte: Aktives Stufenprofil (5, 7, 9 Gz, 6 Gz/s) für 15 s, dazwischen 2 min Pause, dabei Befragung; rechts: nach G-Awareness-Exercise aktives Flugprofil (ESACM) über 150 s mit Lastwechseln zwischen 4– 9 Gz, im Anschluss Befragung

Ergebnisse

Trotz nur kurzer Familiarisierung konnten die Probanden alle Leistungsanforderungen mit „G-RAFFE“ erfüllen.

Dabei waren die erbrachten Leistungen von LFF und Novizen im Vergleich zum „AEA“ gleichwertig oder besser und die Herz-Kreislaufbelastung insbesondere bei den anspruchsvollen Profilen (Stufenprofil und ESACM) mit hoher G-onset-Rate deutlich und statistisch gesichert geringer.

Subjektiv wurde „G-RAFFE“ hinsichtlich G-Schutz, Gefühl der Sicherheit, Effort, Aufmerksamkeitsbedarf für das Anti-G-Manöver, Verzögerungen im Druckaufbau und Armpain sowie der körperlichen Verfassung bzw. Erschöpfung nach dem Run von den Teilnehmern klar besser bewertet als der „AEA“-Vergleichsanzug. Auch dieser Unterschied ließ sich statistisch sichern.

Hinsichtlich der Frage, welches System die Studienteilnehmer subjektiv bevorzugen würden, wählten 75 % von ihnen das aktuell in der Luftwaffe geflogene System ab, 15 % trafen keine klare Entscheidung und 10 % sprachen sich für „AEA“ aus.

Fazit

Ohne Frage belegen die Daten der vorliegenden Studie, dass der Anti-G-Anzug „G-RAFFE“ das Potenzial hat, Piloten von Hochleistungsflugzeugen der neuesten Generation auch ohne die Implementierung einer positiven Druckbeatmung einen verlässlichen G-Schutz zu bieten und sie effektiv bei ihrer Auftragserfüllung zu unterstützen. Insbesondere reduziert er die in vergangenen Vergleichsuntersuchungen mit „AEA“ identifizierten und als flugsicherheitsrelevant bewerteten Defizite wie Armpain und eingeschränkte Sprachverständlichkeit.

Damit weisen die vorliegenden Befunde diesen Anzug als relevantes alternatives System aus, das sowohl präventivmedizinisch als auch hinsichtlich der Flugsicherheit Vorteile gegenüber dem im Moment im Hochleistungsflugbetrieb der Luftwaffe im Einsatz befindlichen Anti-G-Schutzsystem hat.

Für die Verfasser

Oberfeldarzt a. D. Priv.-Doz. Dr. med. habil.
Carla Ledderhos

Neuenkirchen

E-Mail: c_ledderhos@gmx.de

Vortrag bei der 66. Fliegerarzttagung der Bundeswehr in Bonn (8. bis 11. November 2021)


1 Sukzessive irreversible Zerstörung der feinen Lungengrundstruktur durch Überblähung der Lungenbläschen

2 Novizen im Sinne dieser Studie waren Personen, die im Vorfeld der Studie auf keinerlei Erfahrung im Umgang mit den beiden zu untersuchenden Anzügen zurückgreifen konnten und deren Zentrifugenerfahrung sich lediglich auf Fahrten bis maximal 7 Gz beschränkten.

 

Zeitschriften
Wehrmedizinische Monatsschrift – Impressum/Datenschutz

Redaktion: Generalarzt a. D. Prof. Dr. med. Horst Peter Becker, MBA, Scharnhorststr. 4b, D-10115 Berlin, Mobil +49 171 215 0901, E-Mail: hpbecker@beta-publishing.com 

Herausgeber: Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr, Presse- und Informationszentrum des Sanitätsdienstes der Bundeswehr im Auftrag des Inspekteurs/der Inspekteurin des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, Von-Kuhl-Straße 50, 56070 Koblenz, Telefon: +49 261 896 13210, E-Mail: pizsanitaetsdienst@bundeswehr.org

Wissenschaftliche Beratung: Die Begutachtung von Original- und Übersichtsarbeiten sowie Kasuistiken im Rahmen des Peer-Review-Verfahrens erfolgt durch in dem Fachgebiet des jeweiligen Beitrags wissenschaftlich ausgewiesene Expertinnen und/oder Experten, die – dem Einzelfall entsprechend – in Abstimmung zwischen Redaktion und Herausgeber ausgewählt und beauftragt werden.

Verlag: Beta Verlag & Marketinggesellschaft mbH, Carl-Zeiss-Str. 5, 53340 Meckenheim, Telefon +49 2225 8889–0, E-Mail: info@cpm-verlag.de; Geschäftsleitung: Tobias Ehlke; Objektleitung: Peter Geschwill; Produktionsleitung: Thorsten Menzel.

Druckversion: Druckvorstufe: PIC Crossmedia GmbH, Hitdorfer Straße 10, 40764 Langenfeld, E-Mail: info@pic-crossmedia.de; Druck: Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (BAIUDBw), Zentraldruckerei Köln/Bonn.

Online-Version (E-Paper): Erstellung mit PIC MediaServer, PIC Crossmedia GmbH, Langenfeld; E-Paper und Autorenhinweise sind unter www.sanitaetsdienst-bundeswehr.de und www.wehrmed.de aufrufbar.

Rechtliche Hinweise: Die Zeitschrift (Druckversion und E-Paper) und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind in allen Publikationsformen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Herausgebers unzulässig und strafbar. Dieses gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Alle namentlich gezeichneten Beiträge – soweit sie nicht ausdrücklich mit einem * gekennzeichnet sind – geben die persönlichen Ansichten der Verfasserin, des Verfassers oder der Verfasser wieder. Sie entsprechen nicht unbedingt den Auffassungen der Redaktion oder des Herausgebers. Manuskriptsendungen an die Redaktion erbeten. Erscheinungsweise mindestens achtmal im Jahr.
Für Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. ist der Bezug der Zeitschrift im Mitgliedsbeitrag enthalten. Sanitätsoffiziere der Bundeswehr, die Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. sind, erhalten die „Wehrmedizinische Monatsschrift“ über ihre Dienststellen.

Datenschutz: Es gelten die Datenschutzbestimmungen der Beta Verlag & Marketing GmbH, abrufbar unter https://www.beta-publishing.com/datenschutz.