LASER – NO FUN
Entwicklung einer zeitgemäßen Laserschutzbrille für das fliegende Personal der Bundeswehr: Ergebnisse der visuellen Testung
Development of Contemporary Laser Protection Glasses for the Bundeswehr Flying Personnel: Results of Visual Testing
Frank M. Jakobsa, Peter Hankb, Diana Heringa, Frank Webera1, Dietrich Pertschb, Lothar Bressema
1 Oberstarzt a. D. Priv.-Doz. Dr. Frank Weber gehörte dem Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe bis September 2021 an.
a Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe, Köln/Fürstenfeldbruck
b ESG Elektroniksystem- und Logistik-GmbH, Fürstenfeldbruck
Zusammenfassung
Hintergrund: Laser-Illuminationen von Luftfahrzeugen sind nach wie vor ein Problem im nationalen und internationalen Luftverkehr und machen einen effektiven Schutz von Piloten und mitfliegendem Personal erforderlich. Die bislang von der Bundeswehr genutzten Schutzbrillen halten den aktuellen Anforderungen in Bezug auf Schutzumfang und Sehvermögen insbesondere von Militärpiloten nicht mehr stand. Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit der visuellen und operationellen Testung einer in Zusammenarbeit mit der Industrie entwickelten, zeitgemäßen Laserschutzbrille für das fliegende Personal der Bundeswehr.
Methodik: Ausgehend von den optophysikalischen Eigenschaften kommerziell erhältlicher Laserschutzbrillen wurde ein Beschichtungsverfahren entwickelt, das in Kombination mit Farbstoffen eine Blockade von Laserstrahlung unterschiedlicher Wellenlängen im sichtbaren und unsichtbaren Bereich des Lichtspektrums erlaubt. Die gewonnenen Sperrfilter wurden so lange modifiziert, bis der gewünschte Blockadeeffekt erreicht war und in die ersten Prototypen implementiert werden konnte. Die Kompatibilität mit den visuellen Anforderungen an das fliegende Personal der Bundeswehr wurde am Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Bundeswehr überprüft. Die Prüfung umfasste die Testung von Sehschärfe, Farbdiskriminierung, Kontrastsehvermögen und subjektivem Sehkomfort. Die Entwicklung der Brille erfolgte durch die Firma ESG in Fürstenfeldbruck unter Fachaufsicht durch das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) und Hinzuziehung der operationellen Expertise von Testpiloten der Wehrtechnischen Dienststelle (WTD) 61 in Manching und der Piloten der Einsatzprüfung aus Fritzlar.
Ergebnisse: Simultane Blockade dreier Wellenlängen nach dem RGB-Schema führte zu akzeptablen Visuswerten unter weitgehender Erhaltung des Farbdifferenzierungsvermögens in allen drei Farbräumen. Die relative Änderung der AQ-Werte betrug je nach Transmission und Schutzstufe 14–15 % im deuteranomalen und 10–38 % im protanomalen Bereich. Die Irrtumswahrscheinlichkeit bei der Farbdiskriminierung lag bei 4–9 % unter photopischen und 19–32 % unter skotopischen Bedingungen.
Im Gegensatz zur Selektivblockade in herkömmlichen Schutzbrillen resultierte ein Sättigungsverlust von ca. 30 % sowie eine Kontrastreduktion um ca. 25 %. Additive Blockade von UV-A, UV-B und Nah-Infrarot hatte keinerlei Auswirkungen auf Visus und Farbsehvermögen der getesteten Probanden.
Diskussion und Folgerungen: Unsere Ergebnisse zeigen, dass es möglich ist, Laserschutzbrillen zu designen, die einen effektiven Simultanschutz in 3 sichtbaren und 3 unsichtbaren Wellenlängenbereichen aufweisen, ohne dass visuelle Perzeption und Farbsehvermögen flugsicherheitsrelevant beeinträchtigt werden. Die Steigerung von Farbsättigung und Kontrastschärfe wird neben der Erhöhung der Schutzstufe das Ziel weiterer Forschungen sein. Der hier entwickelte Prototyp wurde von der WTD 61 im Januar 2022 abschließend getestet. Die Freigabe durch BAAINBw ist bereits erfolgt, so dass die Schutzbrille vorbehaltlich der noch ausstehenden Zertifizierung ab dem 3. Quartal 2022 als serienreifes Endprodukt zur Verfügung stehen sollte.
Schlüsselworte: Bundeswehr, Laserattacken, Laserschutzbrille (LSB), Blendschutzbrille, Vollschutzbrille, Luftfahrtmedizin, Raumfahrtmedizin
Summary
Background: Laser illumination of aircraft continues to constitute a problem in national and international air traffic, requiring effective protection measures for pilots and accompanying personnel. The protective glasses used by the German Air Force to date, do not meet current requirements in terms of visual demands and extent of protection, especially for military pilots. The present study addresses the visual and operational testing of a contemporary laser protection eyewear for flying personnel, developed in cooperation with industry.
Methods: Based on the optophysical properties of commercially available laser protection glasses, a combined dye and coating process was developed allowing simultaneous blocking of laser irradiation at different wavelengths in visible and invisible ranges of the light spectrum. The referring filters were modified until the desired attenuation was achieved and the first prototype could be provided. Compatibility with visual requirements for flying personnel was verified at the German Air Force Centre of Aerospace Medicine; testing included visual acuity, color discrimination, contrast sensitivity, and subjective visual comfort. Glasses were developed by ESG Inc., Fuerstenfeldbruck, with involvement of test pilots from the Bundeswehr Test Facility 61 in Manching, mission pilots from Fritzlar, and under expert supervision of the Federal Office of Bundeswehr Equipment, Information Technology and In-Service Support (BAAINBw) in Koblenz.
Results: Simultaneous blocking of three wavelengths in RGB mode resulted in acceptable visual acuity values while largely maintaining color discrimination in all 3 color spaces. The relative change in AQ values was 14–15 % in the deuteranomal and 10–38 % in the protanomal range, depending on transmission and protection level. The probability of error in color discrimination was 4–9 % under photopic and 19–32 % under mesopic conditions. In contrast to selective attenuation in conventional devices, this resulted in a saturation loss of about 30 % and a contrast reduction of about 25 %. Additive blocking of UV-A, UV-B and Near-Infrared did not introduce any effect on visual acuity and color vision of tested study subjects.
Discussion and conclusions: Our results show that it is technically possible to design laser safety eyewear that provides effective protection in three visible and three invisible wavelength bands without compromising visual perception and color vision relevant to flight safety. Increasing color saturation and contrast sensitivity will be subject to further research, along with increasing levels of protection. The prototype developed here is expected to be available for distribution from the third quarter of 2022, following final testing by WTD 64 and operational approval by BAAINBw.
Keywords: Bundeswehr, laser strikes, laser protection glasses (LPG), laser glare protection (LGP), laser eye protection (LEP), aerospace medicine
Wissenschaftlicher Hintergrund
Epidemiologie
Laserattacken auf Luftfahrzeuge sind eine ernstzunehmende Gefahr für die Flugsicherheit. Wurden sie früher noch als Kavaliersdelikt eingestuft, so gelten sie mittlerweile als gefährlicher Eingriff in den Luftverkehr und werden weltweit (in Deutschland gem. §315 StGB) mit empfindlichen Strafen geahndet. Trotzdem dokumentieren die aktuellen Daten der Federal Aviation Authority (FAA) der USA für das Jahr 2020 einen ca. 10 %igen Anstieg der Zwischenfälle gegenüber 2019 und einen ca. 20 %igen Anstieg gegenüber den Daten von 2018 [1]. Für das Jahr 2021 gehen die präliminären Statistiken von der bislang höchsten Inzidenz seit Beginn der Aufzeichnungen aus – trotz der infolge der Corona-Pandemie stark reduzierten Luftfahrzeugbewegungen im nationalen und internationalen Luftverkehr [11][17]. Diese Tendenz wird auch durch das Luftfahrtbundesamt (LBA)und den aktuellen Jahresbericht des Generals Flugsicherheit der Bundeswehr bestätigt [14].
Abb. 1: Kumulative Inzidenz der Laserattacken auf zivile Luftfahrzeuge im US-amerikanischen und europäischen Luftraum: Die globale Gesamtprävalenz seit dem Jahr 2000 liegt mittlerweile bei über 10 000 Fällen. Die Daten wurden aus US-amerikanischen Quellen (FAA), Meldungen an das LBA und an den General Flugsicherheit der Bundeswehr in einer Datenbank des Zentrums für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe erfasst.
Blendmodell
Die flugmedizinische Relevanz von Laserattacken ergibt sich aus unterschiedlichen Schweregraden psychologischer, physiologischer und pathologischer Blendung, die zu einer Inkapazitierung2 des Piloten im Fluge (in-flight incapacitation) führen können. Das nachfolgend dargestellte Schema fasst diese Zusammenhänge zusammen.
Abb. 2: Blendmodell nach Jakobs
Zentrales Element dieses Modells ist die psychophysische Inkapazitierung. Sie tritt als Ergebnis einer sensorischen Beeinträchtigung des Sehvermögens auf und kann in drei Schweregraden ablaufen:
- Grad I (engl. glare) entspricht der klassischen Blendung und ist definiert als transiente Visusbeeinträchtigung durch Licht, dessen Intensität ein sensorisches Missempfinden auslöst.
- Grad II (engl. flashblindness) entspricht einer Verblitzung ohne Nachbilder, d. h. der subjektiven Unfähigkeit, Dinge oder Strukturen nach Überexposition mit Licht zu erkennen.
- Grad III (engl. afterimages) entspricht einer Verblitzung mit retinalen Nachbildern im zentralen Gesichtsfeld.
Die FAA führte 2003 zur Visualisierung und Untersuchung dieser Effekte eine Studie durch, um die fliegerische Performance und zentrale Sehschärfe in Abhängigkeit vom Ausmaß der Laserexposition zu überprüfen [25]. Die respektiven Simulatorbilder sind in Abbildung 2 dargestellt. Die wichtigste Erkenntnis dieser Studie war, dass bereits ein 5mW-Laserpointer in Abhängigkeit von der Entfernung Blenderscheinungen aller Schweregrade hervorrufen konnte.
Dauerschäden?
Die von Piloten am häufigsten geäußerte Befürchtung ist erfahrungsgemäß das Risiko eines irreversiblen retinalen Schadens. Dass kohärente Strahlung prinzipiell ausreichend ist, einen solchen Schaden zu verursachen, ist aus einer Vielzahl von Case Reports insbesondere aus der pädiatrischen Ophthalmologie bekannt [5][15][19][21][28]. Voraussetzung ist jedoch die zentrale Fixation einer unmittelbar vor das Auge gehaltenen Strahlungsquelle. Die Frage, ob und inwieweit ein Laser aus der Distanz eine solche Verletzung verursachen kann, wird kontrovers diskutiert. Die meisten Spezialisten, die sich bislang hierzu zu Wort gemeldet haben, sind der Auffassung, dass dies an der zu erwartenden Streuung durch atmosphärische Turbulenzen und Cockpit-Verglasung scheitern würde [13][23]. Die FAA hält nach wie vor an ihrem Statement fest, dass bislang kein Fall okulärer Laserschädigung eines Piloten vorliegt.
Erhöhtes Risiko: Start und Landung
Die größere Gefahr für die Fliegerei geht somit aktuell von Blenderscheinungen aus. Eine Analyse der Risikofaktoren führt zu dem Ergebnis, dass bevorzugt niedrig und mit reduzierter Geschwindigkeit fliegende Luftfahrzeuge angelasert werden [27]. Dies betrifft in erster Linie Drehflügler (in den Bundeswehr-Statistiken in etwa 60 % der Fälle). Darüber hinaus besteht ein Risiko für alle Luftfahrzeuge, die sich im Start-Modus oder im Landeanflug befinden. In Bezug auf Flugunfälle sind dieses die kritischen Flugphasen, in denen die Aufmerksamkeit der Crew ausschließlich auf operationelle Aktionen und Interaktionen fokussiert ist, um das Risiko eines Human Error‘s auf ein Minimum zu beschränken [36]. Es besteht Konsens, dass dieses Prinzip des „sterilen Cockpits“ im Fall einer wie auch immer gearteten Laserexposition verletzt wird. Der Ruf der Piloten nach entsprechenden Schutzmaßnahmen [1][29] ist deshalb durchaus nachvollziehbar.
Abb. 3: Blendeffekte
(A) Kein Laser: Landebahn aus Sicht des Piloten
(B) Stress (distraction) – Blendattacke mit 0,5 μW/cm2 oder einem 5 mW-Laserpointer aus ca. 1 km Entfernung: Die Landebahn ist größtenteils sichtbar.
(C) Blendung Grad I (glare) – Blendattacke mit 5 μW/cm2 oder einem 5 mW-Laserpointer aus ca. 0,3 km Entfernung: Die Landebahn ist kaum noch sichtbar.
(D) Blendung Grad II (flashblindness) – Blendattacke mit 50 μW/cm2 oder einem 5 mW-Laserpointer aus ca. 100 m Entfernung: Die Landebahn ist nicht mehr sichtbar.
Bisheriger Laserschutz
Die bis dato verwendete Laserschutzbrille der fliegenden Verbände stammt aus einer Zeit, als sichtbare Laserstrahlung noch keine Rolle im operationellen Flugbetrieb spielte. Die Sorge der Beschaffer galt eher unsichtbaren Strahlungsvarianten. Folgerichtig deckte die zu diesem Zweck entwickelte Schutzbrille nahezu exklusiv die ultravioletten und nah-infraroten Wellenlängenbereiche ab (Abbildung 4).
Abb. 4: Spektrometrie der aktuell in der Bundeswehr verwendeten Laserschutzbrille
Diese Situation hat sich grundlegend geändert. Der seit 2005 zu beobachtende epidemische Anstieg von Luftfahrzeug-Illuminationen ist in mehr als 90 % der Fälle durch kommerziell erhältliche Laser im grünen Wellenlängenbereich zurückzuführen [26]. Sorge bereiten zudem Laser im Bereich von 425–450 nm (blau), deren relative Anteile an Attacken – bedingt durch eine Steigerung ihrer Sichtbarkeit im Wege von Leistungssteigerungen bis in den Wattbereich – kontinuierlich, zuletzt bis auf 9,2 % (FAA, Stand 2020), anstiegen [3]. Hinzu kommen erste Flugzwischenfälle in Militär- und Polizei-Hubschraubern mit Lasern, die im unsichtbaren infraroten Bereich operieren. Dies dokumentiert hinlänglich, dass der derzeit verfügbare Laserschutz für die fliegenden Besatzungen nicht mehr zeitgemäß ist. Die Rationale für die Neuentwicklung einer verbesserten Laser-Schutzbrille leitet sich aus einer Fähigkeitslücke ab, die flugsicherheitsrelevant ist und auch andere Einsatzverbände sowie Spezialkräfte betrifft.
Transmission und Farbdiskriminierung
Die Konstruktion einer solchen Schutzbrille ist nicht trivial. Wir Menschen leben in einer visuellen Welt, in der bis zu 80 % unserer Hirnfunktion mit der Perzeption und Verarbeitung visueller Eindrücke beschäftigt sind. Die Problematik besteht darin, dass Laser auch „nur“ eine Form von Licht sind – und Licht ist in seiner gewohnten, inkohärenten Form einerseits völlig selbstverständlich für uns, macht uns aber im Prinzip handlungsunfähig, wenn seine Intensität unter ein gewisses Restlichtlevel fällt. Jede Erhöhung der Schutzstufe wird vorhersehbar zu einer Minderung der Lichttransmission und die Blockade einzelner oder mehrerer Wellenlängen zu einer Verschiebung des noch verbleibenden Restlichts in einen anderen Spektralbereich und damit zu subjektiven Farb- und Kontrastsehstörungen führen.
Konventionelle Laserschutzbrillen, wie sie beispielsweise in der Industrie oder in der Medizin verwendet werden, sind deshalb für die Fliegerei nicht nutzbar. Die resultierenden, iatrogenen Prot-, Deuter- und Tritanomalien3 können im Einzelfall so prominent sein, dass eine sichere Differenzierung der farbcodierten Informationen von Cockpit-Displays nicht mehr möglich ist. Ein Erstbewerber, der sich mit einem solchen Befund im Visus naturalis vorstellen würde, wäre gem. Zentralvorschrift der Bundeswehr [20] als untauglich für den fliegerischen Dienst zu beurteilen. Für Piloten und mitfliegendes Personal sind daher Schutzbrillen zu fordern, die die Farbdiskriminierung weitestmöglich unbeeinflusst lassen.
Eine solche Schutzbrille existiert derzeit nicht. Die verfügbaren Muster decken entweder zu geringe Bandbreiten für einen umfassenden Schutz ab oder sind inkompatibel mit den visuellen Anforderungen in der Fliegerei. Es verwundert deshalb nicht, dass die USAF wiederholt Millionenbeträge für die Entwicklung luftfahrtkompatibler Laser Protection Glasses (LPG) ausgeschrieben hat [2][4]. Der von der Firma ESG Elektroniksystem- und Logistik-GmbH in Zusammenarbeit mit den Piloten und dem Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe (ZentrLuRMedLw) entwickelte LPG-Typ könnte ein erster Schritt in eine zukunftweisende Schutztechnologie sein. Ziel der vorliegenden Studie war die visuelle Testung dieses Prototyps auf seine flugmedizinische Eignung mit besonderer Berücksichtigung der Farbdiskriminierung unter photopischen und mesopischen4 Bedingungen.
Material und Methodik
Die Entwicklung des Prototyps nahm insgesamt eine Zeit von 5 Jahren in Anspruch. Zentrale Herausforderung war die Bereitstellung einer kombinierten Filtertechnologie, die mit der Attenuierung der 3 am häufigsten verwendeten sichtbaren Wellenlängen und der additiven Blockade der 3 wichtigsten unsichtbaren Wellenlängenbereiche (UV-A, UV-B, Nah-Infrarot) etwa 99 % des dokumentierten Spektrums von Laser-Attacken auf Luftfahrzeuge erfasst. Parallel wurde in Zusammenarbeit mit verschiedenen Brillenherstellern das äußere Design entwickelt. Nach Fertigstellung wurden 6 Prototypen mit verschiedenen Lichttransmissionsgraden (gewichtet mit der Empfindlichkeit des menschlichen Auges) zur Testung an das ZentrLuRMedLw und die Testpiloten der WTD 61 übermittelt, um die Kriterien für das erforderliche Feintuning festzulegen.
Brillendesign
Form und Design der Schutzbrille berücksichtigen sowohl Anforderungen aus dem Arbeitsschutz als auch operationelle Aspekte. Der Durchsichtbereich wurde grösser als im Industriedesign üblich konzipiert, um die Einschränkung der Gesichtsfeldaußengrenzen so gering wie möglich zu halten. Die Form ist in Abhängigkeit von der Gesichtskontur sowie dem getragenen Helm- und Visiersystem individualisierbar; die Brille liegt schläfenseitig an, um ein seitliches Eindringen von Laserstrahlung hinter den Durchsichtbereich zu verhindern. Als Durchsichtmaterial wurde mit Blick auf Gewichtsminimierung, Temperaturbeständigkeit und Splitterschutz ein Polycarbonderivat verwendet. Im rückseitigen Bereich der Nasenauflage befindet sich eine Clip-Vorrichtung für den optionalen Einsatz korrigierender Brillengläser, ohne dass die prinzipielle Geometrie der Schutzbrille hierdurch verändert wird.
Der Ansatzbereich der Bügelgelenke wurde nach innen verlagert, um die Brille im oberen Bereich zu verschmälern und die Kompatibilität mit den in der Bundeswehr genutzten Visiersystemen sicherzustellen. Die Brillenbügel wurden zur Vermeidung von Druckstellen unter den eng anliegenden Helmsystemen extrem flach gehalten, weiterhin fehlt die typische Krümmung hinter den Ohren, so dass sie geradewegs unter den Kopfhörern oder einem integrierten HMD-Audiosystem hindurchgeschoben werden können. Die Akzeptanz bei Piloten und mitfliegendem Personal in Bezug auf Ästhetik und Funktionalität erscheint nach den ersten Rückmeldungen durchweg hoch.
Filtertechnologie
Optische Filter sind Glas- oder Kunststoffmedien, die die einfallende elektromagnetische Strahlung nach bestimmten Kriterien, wie z. B. Wellenlänge oder Polarisationszustand, selektieren [8]. Im vorliegenden Fall handelt es sich um Sperrfilter, die entweder eine ganze Bande von Wellenlängen (unsichtbare Strahlung) oder selektiv einzelne Wellenlängen (sichtbare Strahlung) ausgrenzen. Der Durchlassbereich wird als Transmission, der Spektralbereich außerhalb der Transmission als Off-Band- oder Blockade-Bereich bezeichnet. Die beiden wichtigsten Filtertypen sind der Farbstofffilter und der Interferenzfilter [22]. Im vorliegenden Fall wurden beide Filterypen verwendet.
Farbstofffilter
Farbstofffilter funktionieren nach dem Prinzip der Absorption von Licht durch Farbpigmente, die für gewöhnlich in Polycarbonat-Medien eingebettet sind. Dieses Prinzip wurde in der hier beschriebenen Brille für die Dreifach-Ausgrenzung von Wellenlängen im RGB-Bereich verwendet. Physikalisch handelt es sich somit um einen trichromatischen Absorptionsfilter. Die Streubreite der Attenuierung des einfallenden Lichts beträgt ca. ± 25 nm, d. h. der Filtereffekt ist eher weich. Der Nachteil besteht darin, dass die Transmission mit zunehmender Anzahl ausgegrenzter Wellenlängen sinkt, d. h. der Seheindruck verdunkelt sich. Der Vorteil besteht darin, dass Absorptionsfilter gegenüber dem Winkel des einfallenden Lichts nicht sensitiv sind.
Interferenzfilter
Interferenzfilter beruhen auf dem Prinzip der Reflexion von Licht an den Grenzflächen von auf die Oberfläche des Brillenglases aufgedampften Schichten. Beim Auftreffen elektromagnetischer Strahlung wird diese an jeder Grenzfläche in einen transmittierten und einen reflektierten Anteil aufgespalten. Die Redundanz dieses Effekts führt zur Entstehung multipler, sich überlagernder Teilreflexionen bzw. -transmissionen, die konstruktiv (im Sinne einer gegenseitigen Verstärkung) oder destruktiv (im Sinne einer gegenseitigen Auslöschung) miteinander interferieren (deshalb Interferenzfilter). Dieses Prinzip wurde im vorliegenden Fall zur additiven Blockade der unsichtbaren Wellenlängenbereiche verwendet. Die Streubreite der Attenuierung ist niedriger als bei Absorptionsfiltern (±15 bis ±20 nm), d. h. der Filter ist „scharfkantiger“. Vorteil ist eine schwächere Abhängigkeit von der Anzahl geblockter Wellenlängen, während der (im Zusammenhang mit Lasern relevante) Nachteil in einer deutlichen Abhängigkeit vom Eintrittswinkel des einfallenden Lichts außerhalb des zentralen Gesichtsfelds besteht.
Optische Dichte und Transmission
Die beiden wichtigsten Kennzahlen in der Filtertechnologie sind die Optische Dichte (OD) und die Transmission (gemessen in %). Die Optische Dichte beschreibt die Menge an Energie, die von einem Filter absorbiert oder reflektiert wird, während die Transmission den Anteil an nicht-geblockter Energie beschreibt. OD und Transmission stehen in einem umgekehrt proportionalen Verhältnis, d. h. je höher die OD, desto niedriger die Transmission und umgekehrt:
Transmission = 10-OD x 100 [%]
Tab. 1: Beziehung zwischen Schutzstufe, Transmission und Attenuierung des einfallenden Lichts
Farbsehtestung
Bei der Testung der optischen Eigenschaften stand die Beeinflussung der Farbsehfähigkeit beim Tragen der Brille im Vordergrund. Hierfür wurden zwei modifizierte Prüfverfahren verwendet: Zur Identifizierung von Verschiebungen der Farbempfindung in deuteranomale oder protanomale Spektralbereiche wurde das klassische Verfahren der Anomaloskopie, für die Überprüfung der Farbdiskriminierung unter reduzierten Lichtbedingungen ein modifizierter 15-Hue Test verwendet. Die Tests erfolgten an jeweils 20 Probanden, die sich zufällig im Rahmen ihrer Relizenzierung als fliegendes Personal am ZentrLuRMedLw befanden und spontan in eine Mitwirkung bei den Reihentestungen einwilligten. Für die zu Vergleichszwecken durchgeführten Tests mit konventionellen Schutzbrillen wurden jeweils 10 Probanden herangezogen.
Anomaloskopie
Die Anomaloskopie ist das Standardverfahren zur Identifikation von Farbsehstörungen auf der Grundlage von Spektralgleichungen. Das bekannteste und am häufigsten hierfür verwendete Gerät ist das Anomaloskop nach Nagel [24]. Das Prinzip besteht im subjektiven Vergleich der beiden Anteile einer mittig geteilten Kreisfläche, in deren oberen Teil eine Mischfarbe aus Grün (548 m) und Rot (666 nm) angeboten wird, während im unteren Teil eine orange-gelbe Vergleichsfarbe (589 nm) eingestellt wird, deren Helligkeit vom Untersucher durch Betätigen der Gelbschraube variiert und vom Probanden durch Betätigung der Rot-Grün-Schraube gematcht (“eingestellt“) werden kann. Ziel ist die Ermittlung des Anomaliequotienten (AQ), d. h. des subjektiv erforderlichen Verhältnisses von Grün- zu Rotanteil. Die Berechnung erfolgt durch die Rayleigh-Gleichung [6], wobei P dem Probanden und N dem (normalsichtigen) Untersucher entspricht:
Abb. 6: Prüffeld des Anomaloskops mit Rayleigh-Formel
Das entspricht der Beziehung
(Grünanteil P x Rotanteil N) / (Rotanteil P x Grünanteil N).
In der Formel von Abbildung 6 ist 73 der Skalenwert der Mischfarbe bei grünfreier Darbietung, 0 der bei rotfreier Darbietung. Ein Farbnormaler wird die beiden Halbfelder als gleich empfinden, wenn die Mittelnormgleichung 40/15 (d. h. Mischung = 40 und Helligkeit = 15) eingestellt wird. Da das Farbempfinden einer gewissen Streuung (Einstellbreite) unterliegt, gelten AQ zwischen 0,65 und 1,32 als normal. Ein Deuteranomaler wird zu viel Grün (P < 40; AQ > 1,32), ein Protanomaler zu viel Rot (P > 40; AQ < 0,65) beimischen.
Anomaloskope sind als Einsichtgeräte konzipiert, deren Okulare das Tageslicht weitgehend exkludieren und die sich nicht für Testungen mit Brillenvorsatz eignen. Aus diesem Grund wurde für die Testung der Schutzbrille ein Aufsichtgerät gewählt, wie es normalerweise für Screeningzwecke eingesetzt wird. Das Testprinzip ist in beiden Fällen gleich, die Unterschiede bestehen in einem Ersatz der Gelb- und Mischschraube durch skalierte Tasten und einer stärkeren Abhängigkeit von der Umgebungsleuchtdichte.
15-Hue Test
Der 15-Hue Test ist eine reduzierte Fassung des Farnsworth-Munsell 100-Hue Tests zur Identifizierung und Quantifizierung von Farbsehdefiziten (Abbildung 7). Der Test beruht auf dichotomen Entscheidungen des Probanden zwischen jeweils zwei nah beieinander liegenden Farben beziehungsweise Abstufungen und lag in einer saturierten [10] sowie einer desaturierten [26] Ausführung vor (siehe auch Abbildung 7). Er wurde deshalb für die Brillentestung ausgewählt, weil er im Gegensatz zu der oben beschriebenen konventionellen Anomaloskopie neben dem rot-grünen (protanen/deutanen) auch das blau-gelbe (tritane) Farbspektrum abdeckt. Die Testung mithilfe der desaturierten Variante erlaubt zudem Rückschlüsse auf die Beeinträchtigung der Farbdiskriminierung unter reduzierten (mesopischen) Lichtbedingungen.
Abb. 7: 15-Hue Test saturiert (oben) und desaturiert (unten)
Der Test besteht aus einer Referenzkappe (Position 0) und 15 herausnehmbaren, auf der Rückseite mit Positionsnummern beschrifteten Farbtöpfchen (Chips). Die Aufgabe des Probanden besteht darin, die herausgenommenen und gemischten Farbchips, beginnend hinter der Referenzkappe, in der richtigen Reihenfolge wieder einzusortieren. Dieser Test wurde für jede Schutzbrille separat durchgeführt. Auf eine Analyse möglicher Lerneffekte wurde verzichtet.
Für die Auswertung wurde nicht die dafür vorgesehene Zeichenschablone genutzt, die eine Visualisierung der (bereits mithilfe der Anomaloskopie ermittelten) Verwechslungsachsen erlaubt, sondern eine Excel©-basierte Fehler-Quantifizierung auf der Grundlage der falsch bzw. richtig positionierten Chips programmiert. Das Summationsergebnis wurde in Relation zur Gesamtzahl der richtigen Legemöglichkeiten gesetzt, so dass eine prozentuale Fehler- bzw. Treffer-Wahrscheinlichkeit für die jeweilige Schutzbrille errechnet werden konnte.
Ergebnisse
Spektraleigenschaften des Prototyps
Die Vermessung des finalen ESG-Prototyps dokumentierte die erfolgreiche Blockade der drei in kommerziell erhältlichen Laser-Pointern am häufigsten verwendeten sichtbaren Wellenlängen. Im unsichtbaren Wellenlängenbereich wurden sowohl UV-A/B komplett als auch Nah-Infrarot bis in einen Bereich von 1080 nm blockiert. Die in Abbildung 8 gezeigten Spektralkurven sind nicht als native Messergebnisse, sondern als das Ergebnis einer Computersimulation der angestrebten Filterbereiche zu verstehen. Der finale Prototyp wurde nach Maßgabe der vorliegenden Untersuchungsergebnisse und vergleichender Analyse von Laserschutzbrillen anderer Hersteller multiple Male adjustiert.
Abb. 8: Angestrebtes Spektrogramm (Computer-Simulation) im sichtbaren und unsichtbaren Bereich
Abb. 9: Experimenteller Nachweis der RGB-Blockade im sichtbaren Bereich beim Prototyp (links) im Vergleich zu einer herkömmlichen kommerziell erhältlichen Schutzbrille (rechts)
Die Lichttransmission war für die geblockten Wellenlängen unterschiedlich und lag mit 30–35 % in einem eher moderaten Bereich. Eine experimentelle Anhebung der Transmission führte zu einer Abnahme der Sperrfilterwirkung auf Werte unterhalb der vereinbarten OD von 2+. Umgekehrt führte eine Anhebung der Blockadewirkung zu einer störenden Bildverdunklung, die infolge des Verlusts an Kontrast- und Dämmerungssehen von den Testpiloten der WTD 61 insbesondere für den Nachtflug als operationell unzureichend eingestuft wurde. Die gemessene VLT ist somit als das Maximum des mit der entwickelten Technologie bislang erreichbaren Fähigkeitsumfangs anzusehen.
Ergebnisse der Farbsinntestung
Die zu Vergleichszwecken getesteten kommerziell erhältlichen Schutzbrillen wiesen eine zum Teil erhebliche Beeinträchtigung der Farbdiskriminierungsfähigkeit auf, die offensichtlich weniger aus dem Filtertyp als aus der gesperrten Wellenlänge resultierte. In den getesteten Brillen hatten monochromatische Filter einen stärkeren Effekt auf die Farbverfälschung als dichromatische, und diese wiederum einen stärkeren Effekt als trichromatische. Selektive Blau-Blockade bei 450 nm (Abbildung 9C) führte zu formaler Untauglichkeit bei 100 % der Probanden.
In Abbildung 9 sind die optischen Eigenschaften des untersuchten Prototyps zusammengefasst. Die Durchleuchtung des Brillenglases mit handelsüblichen 10 mW-Lasern dokumentierte eine effektive Ausschaltung des durch die Streustrahlung verursachten Glare-Effekts, wobei Blau am effektivsten blockiert wurde (R<G<B). Als Vergleichsbrillen wurden zwei dichromatische Filter hinzugezogen, wie sie häufig im Laserschutz5 verwendet werden. Die in Abbildung 10 A gezeigte Schutzbrille blockierte Blau und Grün, die in Abbildung 10 B gezeigte Brille Blau und Rot. Die der Vollständigkeit halber in Abbildung 10 C hinzugefügte ursprüngliche Schutzbrille Bw wird aufgrund des abweichenden Anwendungsbereichs hier nicht weiter diskutiert. Da in beiden Fällen Blau blockiert war, war damit zu rechnen, dass der Primäreffekt sich in einer Deutan- oder Protan-Verschiebung manifestieren würde.
Legende: MW ± SD: Mittelwert plus/minus Standardabweichung. Avg. ΔRef AQ1/2: durchschnittliche Abweichung vom Referenzwert (= AQ ohne LSB). T-Rate (AQ1/2): Tauglichkeitsrate unter Berücksichtigung von AQ1 und AQ2. U-Rate (AQ1/2): Untauglichkeitsrate, Umkehrfunktion der T-Rate. PERROR (sat.): Irrtumswahrscheinlichkeit 15-Hue saturiert. PERROR (desat): Irrtumswahrscheinlichkeit 15-Hue desaturiert.
In der Tat bestätigte sich diese Prognose. Während sich das Farbempfinden bei den Vergleichsbrillen unter Grün/Blau-Blockade in den deuteranomalen Bereich (durchschnittliche Einstellbreite 1,08–1,46) und unter Rot/Grün-Blockade in den protanomalen Bereich (durchschnittliche Einstellbreite 0,39–0,48) verschob, blieb es bei simultaner Triple-Blockade annähernd im Normbereich (durchschnittliche Einstellbreite 0,77–0,94). Dies entsprach im Fall der Vergleichsbrillen einer Deutanverschiebung von +31,6 bis +39,1 % (A) beziehungsweise einer Protanverschiebung von -52,4 bis -54,7 % (B), wogegen die RGB-Brille (D) mit Relativverschiebungen zwischen -10,2 und -12,4 % erheblich geringere Änderungen in der Farbempfindung induzierte.
Hieraus folgt, dass durch das Tragen der Vergleichsbrillen (A) und (B) 70 % der Piloten formal untauglich würden, verglichen mit 10 % der Piloten, wenn sie die entwickelte Testbrille (D) tragen würden.
Diese Systematik spiegelte sich auch in der Fehlerwahrscheinlichkeit im 15-Hue-Test. Während sich unter Tageslichtbedingungen (saturierter Test) Fehlerraten zwischen 64,0 und 66,7 % mit den Vergleichsbrillen ergaben, lagen sie unter RGB-Blockade bei unter 10 %. Unter mesopischen Bedingungen (desaturierter Test) war diese niedrige Fehlerrate zwar nicht mehr zu halten (Anstieg auf 31,9 %), sie unterschritt jedoch die Fehlerwahrscheinlichkeiten der Vergleichsbrillen (86,0 respektive 83,3 %) immer noch um mehr als die Hälfte.
Variation der VLT
Die Transmission ist der limitierende Faktor bei der Entwicklung einer jeden Laserschutzbrille, da sie in einem inversen Verhältnis zur Schutzwirkung steht. Im Fall der hier vorgestellten Brille ist sie letztendlich eine Funktion der Menge an absorbierendem Farbpigment. Wird die Transmission angehoben, verbessert sich zwar der Seheindruck, aber der Schutzfaktor nimmt ab. Zur Evaluation des besten Cut-off’s wurden 6 VLT-Varianten des entwickelten Prototyps auf ihre Farbtreue und Abbildungsqualität untersucht. Die Testungen erfolgten verblindet, d. h. der jeweilige Transmissionsgrad der zur Verfügung gestellten Testbrillen war zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht bekannt. Die Untersuchung erfolgte an 20 männlichen Probanden, wobei jeder Proband alle Brillen in derselben Reihenfolge evaluierte. Bewertet wurden wiederum AQ und Fehlerrate, zusätzlich wurde ein subjektives Ranking der Testbrillen durchgeführt.
Zunächst erhielten die Probanden die Aufgabe, die Brillen anhand ihrer Sichtqualität in der Reihenfolge von 1 bis 6 zu sortieren. Für die Auswertung wurde ein umgekehrt proportionaler Score von 6 bis 1 zugeteilt. Hieraus wurde ein Gesamt-Score für jede der 6 Brillen gebildet. Nach Aufhebung der Verblindung und Zuweisung des Transmissionsgrads zeigte sich eine nahezu perfekte Korrelation zwischen beiden Parametern (R2 = 0,98), d. h. je höher die Lichttransmission war, desto besser wurde der subjektive Seheindruck durch die Probanden eingestuft. Das Ergebnis (Abbildung 11) wies eine bemerkenswert geringe Streuung auf.
Abb. 11: Subjektives Ranking des Seheindrucks bei verschiedenen Transmissionsgraden
Die Untersuchung der AQ-Werte ergab einen asymptotischen Drift mit zunehmender Transmission in Richtung schwach protanomaler Bereiche. Hieraus folgt, dass das Farbempfinden sich bei Verwendung von Gläsern mit lichtabsorbierenden Pigmenten mit zunehmender Helligkeit ändert und die Transmission deshalb nicht beliebig gesteigert werden kann. Warum dies zu einer Protanverschiebung führte, ist unklar. Da die Brille mit der relativ höchsten Protanomalie gleichzeitig als die subjektiv angenehmste eingestuft wurde, kann gefolgert werden, dass (unter Tageslichtbedingungen) die Empfindung von Helligkeit höher bewertet wurde als die Empfindung von Farbtreue.
Abb. 12: Relative Änderung der Anomaliequotienten in Abhängigkeit von der Transmission
Dieses Ergebnis wurde durch die Untersuchung der Fehlerwahrscheinlichkeit bestätigt. Es zeigte sich, dass mit zunehmender Transmission die Fehlerrate sowohl im saturierten als auch im desaturierten Test zunahm. Dies war unerwartet, da die Fehlerwahrscheinlichkeit mit zunehmender Umgebungshelligkeit abnehmen sollte. Wir interpretieren dies als das Ergebnis der im vorangegangenen Test gesehenen Protanverschiebung.
Abb. 13: Irrtumswahrscheinlichkeit im 15-Hue Test
Zusammengefasst weisen die Ergebnisse der VLT-Testung darauf hin, dass Farbempfindungsverschiebungen in den schwach protanomalen Bereich nicht unbedingt als unangenehm empfunden werden und dass in den hier durchgeführten Messreihen die physikalischen Grenzbereiche nicht deckungsgleich mit der vermuteten Sensorik der visuellen Psychophysik waren.
Diskussion
Die Entwicklung zeitgemäßer Laserschutzbrillen für das fliegende Personal der Bundeswehr ist ein ambitioniertes Projekt, das die Berücksichtigung multipler Anforderungen in Bezug auf Safety und Efficacy einerseits und Cut-off-Entscheidungen zur technologischen Realisierbarkeit andererseits erfordert [35]. Hierzu zählen z. B. die Sichtbarkeit und Farbtreue der Cockpit-Displays, die Aufrüstbarkeit mit Brillenkorrekturen und die Individualisierung der Passform der Brillengestelle. Unter militärischen Bedingungen kommen operationelle Aspekte wie Einsatztauglichkeit, Kompatibilität mit Waffen-, Helm- und Visiersystemen oder die Frage der gleichzeitigen Nutzbarkeit von Nachtsichtgeräten hinzu. Die hier vorgestellte Schutzbrille ist das Ergebnis einer koordinierten Zusammenarbeit zwischen Industrie, ZentrLuRMedLw, den Testpiloten der WTD 61 und den Piloten der Einsatzprüfung zum Zweck einer militärischen Nutzung. Auftraggeber war das BAAINBw nach Initiative durch die Kampfhubschrauber (KH) Tiger-Verbände in Le Luc und Fritzlar.
Mehr als Laserschutz
Die entwickelte Brille zählt konzeptionell zu einer neuen Generation von Laserschutzbrillen, deren Funktion nicht mehr primär im Schutz vor organischen Schäden, sondern in der Minimierung der für die Fliegerei gefährlichen Blendeffekte besteht. Im amerikanischen Sprachgebrauch wird deshalb der bislang übliche Begriff der „Laser Protection Glasses“ (LPG) zunehmend durch die Differenzierung in „Laser Glare Protection“ (LGP) und „Laser Eye Protection“ (LEP) Eyewear ersetzt [12][32]. Damit wird nicht nur die Sorge der Piloten vor einer okulären Verletzung infolge Laserexposition relativiert, sondern klargestellt, dass in der Fliegerei keinesfalls die gleichen Schutzbrillen eingesetzt werden können, wie sie beispielsweise im Arbeitsschutz, in der Medizin oder im Labor verwendet werden. Wir schlagen deshalb eine analoge Differenzierung in Blend- und Vollschutzbrillen auch im deutschen Sprachgebrauch vor.
In Abbildung 14 wird das Wirkprinzip einer solchen Blendschutzbrille dargestellt. Die Reduktion des Glare-Effekts mit seinen typischen Streu- und Überstrahlungsmustern zu einer punktförmigen Lichtquelle in der Wellenlänge des einfallenden Lasers ist deutlich erkennbar. Die attenuierte Abbildung entspricht der mesopischen Wahrnehmung im Cockpit, so dass die bestehende Bedrohung zwar erkannt und gemeldet werden kann, ohne jedoch mit den fliegerischen Aufgaben der Besatzung während der kritischen Flugphasen zu interferieren.
Abb. 14: Wirkprinzip einer Blendschutzbrille (A330 Cockpit, mesopische Bedingungen). (A) Laserexposition ohne Schutzbrille: Die Runway ist kaum noch erkennbar. (B) Laserexposition mit Schutzbrille: Die Runway bleibt erkennbar (siehe hierzu auch Abbildung 10).
Vor- und Nachteile verschiedener Filtertypen
Der Blendschutz-Effekt lässt sich fertigungstechnisch durch den Einsatz von optischen Filtern erreichen, wobei zwischen Absorptionsfiltern und Reflexionsfiltern zu unterscheiden ist. Während die Wirkung von Absorptionsfiltern auf Farbpigmenten beruht, die im verwendeten Durchsichtmaterial eingebettet sind, beruht die Wirkung von Reflektionsfiltern auf Schichten im Nanometerbereich, die auf die Oberfläche des Brillenglases aufgebracht werden und die unerwünschten Wellenlängen reflektieren. Im vorliegenden Fall wurde für die Unterdrückung sichtbarer Laser ein Absorptionsfilter gewählt, da dieser im Gegensatz zu Reflexionsfiltern relativ wenig sensitiv gegenüber dem Einfallswinkel von kohärentem Licht ist [33]. Zum Schutz gegen infrarote Laser dienen praktischerweise Reflektionsfilter, da hier die Winkelabhängigkeit durch breite Schutzbereiche ausgeglichen werden können und diese Filter höhere Transmissionen und Zerstörschwellen aufweisen.
Transmission
Der Nachteil von Absorptionsfiltern besteht darin, dass sowohl die Erhöhung der Schutzstufe als auch die Blockade mehrerer Wellenlängen infolge der intrinsischen Akkumulation der Farbpigmente zu einer Minderung der Transmission, d. h. einer Verdunkelung des Seheindrucks führt. Dieser Effekt, welcher in Abbildung 15 D simuliert ist, war unvermeidbar und auch in der vorgestellten Schutzbrille präsent. Die letztlich erreichte Gesamttransmission lag bei 30–35 % und machte eine Anhebung des Kontrastsehens durch zusätzliche Implementierung eines Kantenfilters erforderlich.
Farbempfinden
Das Hauptproblem der meisten Laserschutzbrillen liegt in der Verfälschung des subjektiven Farbempfindens. Die Ausgrenzung einer oder mehrerer Wellenlängen führt zu einem kompensatorischen Shift der Farbwahrnehmung in einen anderen Spektralbereich. Ursache ist eine durch die selektive Blockade einzelner Wellenlängen induzierte Überrepräsentation roter, grüner oder blauer Farbtöne. Dies kann im Einzelfall so weit gehen, dass eine sichere Farbdiskriminierung im Cockpit (Farbmonitore, Overhead-Displays, Warnleuchten) und Außenbereich (Terrain-Markierungen, PAPI6-Systeme, Flugplatzbefeuerung) nicht mehr möglich ist. Diese Farbverfälschungen sind unter mesopischen stärker als unter photopischen und unter skotopischen stärker als unter mesopischen Bedingungen ausgeprägt und können abhängig von der Vigilanz des Piloten zu fatalen Flugfehlern führen.
Abb. 15: Simulation der Blockadewirkung von Laserschutzbrillen mit Effektivschutz im sichtbaren Wellenlängenbereich am Beispiel eines Airbus A330-Cockpits:
(A) Ansicht bei Nacht ohne Laserschutzbrille
(B) Die selektive Blockade des Grün-Kanals durch eine konventionelle Schutzbrille gegen grüne Laser führt zu einer Überrepräsentation roter und violetter Farbtöne (Deuteranomalie). Eine sichere Differenzierung der Cockpit-Displays unter diesen Bedingungen ist nicht möglich.
(C) Die selektive Blockade des Rot-Kanals durch eine konventionelle Schutzbrille gegen rote Laser führt zu einer Überrepräsentation grüner und blauer Farbtöne (Protanomalie). Eine sichere Differenzierung der Cockpit-Displays unter diesen Bedingungen ist nicht möglich.
(D) Bei simultaner Blockade der Peak-Wellenlängen typischer Laserpointer im Sinne einer Triple-RGB-Blockade resultiert eine Reduktion an Kontrast und Sättigung bei Erhaltung einer weitgehend normalen Farbverteilung. Eine sichere Differenzierung der Cockpit-Displays unter diesen Bedingungen ist möglich.
Diese Gefahr besteht bei der hier vorgestellten Schutzbrille nicht. Das Prinzip einer RGB-Triple-Blockade führt zu einer deutlich besser equilibrierten Blendreduktion als die selektive Ausgrenzung einzelner Wellenlängen. Der Effekt kann mit gängigen digitalen Bildbearbeitungsprogrammen gut simuliert werden und führt zu Bildern wie in Abbildung 15 dargestellt. Das in Abbildung 15 D dargestellte Endergebnis entspricht nach Ansicht der befragten Testpiloten dem visuellen Eindruck mit Schutzbrille im Nachtflug und wird als deutliche Verbesserung der bislang verfügbaren Schutzbrillen wahrgenommen. Andererseits ist dies als das mit der derzeit verfügbaren Technologie erreichbare Optimum anzusehen.
Militärische Aspekte
Unter militärischen Bedingungen müssen zusätzliche Aspekte berücksichtigt werden, die hier nicht erschöpfend diskutiert werden können. Exemplarisch seien zwei der wichtigsten Überlegungen hierzu herausgegriffen:
Kompatibilität mit Bildverstärkerbrillen (BIV)
Der erste Aspekt betrifft die Frage der BIV-Kompatibilität. Die Brille ist sicherheitshalber so konstruiert, dass die eingebaute Grün-Blockade nicht mit der Fluoreszenz der im militärischen Flugbetrieb verwendeten Nachtsichtgeräte interferiert. Dies ist aber nach Ansicht der Autoren kein grundsätzliches Problem. Erstens beruht die retinale Abbildung auf dem Prinzip einer Restlichtverstärkung, bei dem ohnehin jegliche Farbinformation zunächst einmal verloren geht. In einem dunkeladaptierten Auge wird die Perzeption primär eine Funktion des Kontrastsehens sein, die weitgehend unabhängig von der retinalen Zapfenfunktion ist. Zweitens ist der grüne Farbton durch die (willkürliche) Wahl von grünem Phosphor bei der Rückumwandlung des amplifizierten Lichts bedingt. Ebenso gut könnten Farbtöne außerhalb der üblichen 532 nm zur Bildrekonstruktion verwendet werden, so dass bei Interferenzproblemen auch andere, möglicherweise bessere Optionen zur Verfügung stünden [7][34].
Bedrohung durch unsichtbare Laser (im Besonderen NIR)
Der zweite Aspekt betrifft die Bedrohung durch unsichtbare Laser. Diesem Aspekt wurde durch additiven Einbau eines Interferenzfilters Rechnung getragen, der den Nah-Infrarot-Bereich (NIR) bis 1080 nm abdeckt. Die hier vorgestellte Schutzbrille führt zu einer Lichtabschwächung im infraroten Bereich um einen sehr hohen Faktor, der der Geheimhaltung unterliegt. In Anbetracht zweier inkapazitierender Flugzwischenfälle mit Infrarotlasern in der jüngeren Vergangenheit7 und nach Maßgabe der bevorstehenden Einführung infrarotbasierter Laserwaffen [30] halten es die Autoren für dringend erforderlich, den NIR-Schutz durch Weiterentwicklung des vorgestellten Prototyps und gegebenenfalls zusätzliche Maßnahmen weiter zu steigern. Auch wenn keine Schutzbrille der Welt der Wirkung einer 50 kW-Laserwaffe [18] wird standhalten können, müssen unsere Piloten zumindest gegen die entstehende Streu- und Reflexionsstrahlung angelaserter Zielobjekte (Drohnen, Raketen, Geschosse) geschützt werden.
Fazit
Unsere Ergebnisse zeigen, dass es möglich ist, Laserschutzbrillen zu designen, die einen effektiven Simultanschutz in 3 sichtbaren und 3 unsichtbaren Wellenlängenbereichen aufweisen, ohne dass das Farbsehvermögen des fliegenden Personals flugsicherheitsrelevant beeinträchtigt wird. Die Steigerung von Farbsättigung und Kontrastschärfe wird neben einer Erhöhung der Schutzstufe für unsichtbare Laser das Ziel weiterer Forschungen sein. Der hier entwickelte Prototyp wird nach ergonomischer und operationeller Testung sowie Freigabe durch BAAINBw voraussichtlich im 3. Quartal 2022 an die Tiger-Verbände in Fritzlar (DEU) und Le Luc (FRA) ausgeliefert werden.
Die hier vorgestellte Schutzbrille erhebt keinen Anspruch auf Perfektion. Das Konzept einer dualen Blockade sichtbarer und unsichtbarer Laser ist als ein erster Schritt in eine Zukunft zu verstehen, die von Waffensystemen beherrscht wird, deren Gewalt nach heutigen Maßstäben unvorstellbar erscheint8. Trotzdem existieren diese Systeme bereits [9]. Der Krieg in der Ukraine hat gezeigt, wie schnell neuartige Waffensysteme wie Hyperschallraketen im Krisenfall zum Einsatz kommen können [16]. In Anbetracht dessen, dass die vielleicht einzige Möglichkeit, eine solche Waffe abzufangen, im Einsatz von Wirkmitteln mit Lichtgeschwindigkeit besteht, wird der zu erwartende Impact von Lasern in zukünftigen Konflikten evident. So gesehen ist unser Konzept nichts anderes als die Vorbereitung einer Schutztechnologie, die sich in einer anderen Dimension als der heutigen abspielen wird.
Kernaussagen
- Die Autoren schlagen für den Anwendungsbereich der Fliegerei eine Differenzierung von Laserschutzbrillen in Blendschutz- und Vollschutzbrillen vor. Blendschutzbrillen sind nicht als Vollschutz, und Vollschutzbrillen nicht als Blendschutz einsetzbar.
- Die Gefahr einer direkten Schädigung der Augen eines Piloten ist in Anbetracht der im Flugbetrieb bestehenden Distanzen als eher gering einzustufen. Blendschutzbrillen sind deshalb in der zivilen Fliegerei grundsätzlich ausreichend.
- Unter Einsatzbedingungen (Militär, Spezialkräfte, Polizei) müssen Elemente eines Vollschutzes eingebaut werden. Dies betrifft insbesondere die unsichtbaren Strahlungsanteile. Dieses Prinzip ist erstmals bei dem hier vorgestellten Prototyp realisiert.
- Die entwickelte Schutzbrille ist in der Lage, die Blendwirkung der drei am häufigsten für die Illumination von Luftfahrzeugen verwendeten Laserwellenlängen durch einen RGB-Filter signifikant abzuschwächen. Zusätzlich werden die unsichtbaren Wellenlängen von UV-A, UV-B und IR-A mit sehr hohen Schutzfaktoren effektiv blockiert.
- Das serienreife Endprodukt wird bis zum 3. Quartal 2022 verfügbar sein und kann dann an die fliegenden Verbände ausgeliefert werden.
Literatur
- Aero.de Luftfahrtnachrichten: Piloten fordern Laser-Verbot. Aero.de 2016; , letzter Aufruf 31. März 2022. mehr lesen
- AirforceTechnology: Teledyne wins $30.1m contract to provide aircrew laser eye protection to USAF. Press Release from July 25, 2016. , letzter Aufruf 22. Februar 2022. mehr lesen
- Alsulaiman SM, Alrushood AA, Almasaud J et al.: High-power handheld blue laser-induced maculopathy: the results of the King Khaled Eye Specialist Hospital Collaborative Retina Study Group. Ophthalmology 2014;121(2): 566-572. mehr lesen
- Bezinga Trading News: Teledyne Awarded $7.7m Laser Eye Protection Contract. Press Release from Feb 03, 2012., letzter Aufruf 22. Februar 2022. mehr lesen
- Birtel J, Harmening WM, Krohne TU, Holz FG, Charbel Issa P, Herrmann P: Retinal Injury Following Laser Pointer Exposure. Dtsch Arztebl Int. 2017 Dec 8; 114(49): 831-837. d mehr lesen
- Crawford G: Rayleigh equations on an anomaloscope. Br J Physiol Opt 1951; 8(4): 225-234.
- CuQlock-Knopp VG, Merritt JO, Bender EJ, Wright-Hector LS: Object recognition and contrast sensitivity with image intensifiers employing white phosphor versus green phosphor displays. SPIE 2000; Proceedings Vol. 4128: 29-37. mehr lesen
- Deutsches Institut für Normung: ISO 9211-1: Optik und Photonik – Optische Schichten – Teil 1: Begriffe. Berlin: Beuth Verlag, 2010.
- Extance A. Military technology: Laser weapons get real. Nature 2015; 521(7553): 408-410. mehr lesen
- Farnsworth D: The Farnsworth-Munsell 100 hue and dichotomous tests for color vision. J Op Soc Am 1943; 33: 568–578. mehr lesen
- Federal Aviation Administration: Laser Incidents. , letzter Aufruf 30. März 2022. mehr lesen
- Freeman OJ, Williamson CA: Visualizing the trade-offs between laser eye protection and laser eye dazzle. J Laser Appl 2020; 32(1): 012008. mehr lesen
- Gosling DB, O’Hagan JB, Quhill FM: Blue Laser Induced Retinal Injury in a Commercial Pilot at 1300 ft. Aerosp Med Hum Perform 2016; 87(1): 69-70. mehr lesen
- Henrichsen M, Stutz S, Eberle B, Tille E, Jakobs FM: Blendattacken und Augenschädigungen durch Laser und andere starke optische Strahlungsquellen - Vorhaben 3620S72410. Bundesamt für Strahlenschutz 2021; Ressortforschungsbericht BfS 3620 S72 410. , letzter Aufruf 30. März 2022. mehr lesen
- Hohberger B, Bergua A: Selbst verursachte laserinduzierte Makulopathie im Jugendalter. Ophthalmologe 2017; 114: 259-261. mehr lesen
- Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (IFSH) der Universität Hamburg: Russische Hyperschallwaffen im Ukraine-Krieg. Interview mit dem Rüstungskontrollexperten Dr. Ulrich Kühn. IIFSH 2022; , letzter Aufruf 31. März 2022. mehr lesen
- Jakobs FM, Hering D, Hoffmann MA, Waizenegger C, Bressem L: Why does the Incidence of Laser Attacks on Aircraft Increase Despite Reduced Numbers of Flights during the COVID-19 Pandemic? Accepted Abstract for the 92nd Annual Scientific Meeting of the Aerospace Medical Association (ASMA), Reno NV, USA, 2022.
- Judson J: Army readies to deliver first set of Strykers with 50-kilowatt laser weapons. Defense News 2022; , letzter Aufruf 26. März 2022. mehr lesen
- Keunen JE, Delbecq AL, Cruysberg JR, van Meurs JC, Gan IM, Berendschot TT: [Laser pointers are not toys; eye injury with permanent loss of visual acuity]. Ned Tijdschr Geneeskd 2014; 158: A7813. mehr lesen
- Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr: Zentralvorschrift A1-831/0-4008: Wehrfliegerverwendungsfähigkeit und weitere Tauglichkeitsbegutachtungen von Luftfahrtpersonal. KdoSanDst Bw 2018; Version 2.2. mehr lesen
- Lanthony P, Dubois-Poulsen A: Le Farnsworth–15 desature Desaturated Farnsworth 15. Bull Soc Ophtalmol Fr 1973; 73: 861–866.
- Madsen CK, Zhao JH: Design und Analyse optischer Filter: Ein Signalverarbeitungsansatz. New York: John Wiley & Sons, 1999.
- Marshall J: The safety of laser pointers: myths and realities. Br J Ophthalmol 1998; 82: 1335-1338. mehr lesen
- Nagel W: Zwei Apparate für die augenärztliche Funktionsprüfung. Z Augenheilkd 1907; 17: 201-222.
- Nakagawara VB, Montgomery RW, Dillard AE, McLin LN, Connor CW: The Effects of Laser Illumination on Operational and Visual Performance of Pilots During Final Approach. Oklahoma City, FAA Civil Aerospace Medical Institute 2003. mehr lesen
- Nakagawara VB, Wood KJ, Montgomery RW: Laser exposure incidents: pilot ocular health and aviation safety issues. Optometry 2008; 79(9): 518-524. mehr lesen
- Nakagawara VB, Wood KJ, Montgomery RW: Laser illumination of flight crewmembers by altitude and chronology of occurrence. Aviat Space Environ Med 2011; 82(11): 1055-1060. mehr lesen
- Neffendorf JE, Hildebrand GD, Downes SM: Handheld laser devices and laser-induced retinopathy (LIR) in children: an overview of the literature. Eye (Lond) 2019; 33(8): 1203-1214. mehr lesen
- NTV: Piloten fordern Verbot von Laserpointern. NTV 2016; , letzter Aufruf 31. März 2021.
- Puiu T: U.S. Army tests its first high-energy laser weapon: The high-power laser weapon is meant to be deployed against drones, as well as rockets, artillery, and mortars. ZME Science 2022; , letzter Aufruf 22. März 2022. mehr lesen
- Raoof N, Chan TK, Rogers NK, Abdullah W, Haq I, Kelly SP, Quhill FM: ‘Toy’ laser macular burns in children. Eye (Lond) 2014; 28(2): 231-234. mehr lesen
- Reddix MD, Funke ME, Kinney MJ, Bradley JL, Irvin G, Rea EJ, Kunkle CK, McCann MB, Gomez J: Evaluation of Aircrew Low-Intensity Threat Laser Eye Protection. Mil Med 2019; 184(Suppl 1): 593-603.
- SAE International: Guidance on Mitigation Strategies Against Laser Illumination Effects. Aerospace Recommended Practice 2018; ARP6378: 1-58. mehr lesen
- Stasiak K, Zyskowska M, Głowinkowska I, Kowalczuk K, Lewkowicz R: Influence of night vision goggles with white and green phosphor screens on selected parameters of the eye and fatigue. Ergonomics 2021; 1-16. mehr lesen
- US Air Force: Aircrew Laser Eye Protection (ALEP). Air force Instruction AFI11-301V4 11-301 Vol. 4, 2008. mehr lesen
- US Department of Transportation: Standard operating procedures for flight deck crewmembers. AC No. 120-71B: October 1, 2017. mehr lesen
2 Unfähigkeit des Betroffenen, die ihm übertragenen Aufgaben in adäquater Weise zu erfüllen
3 Rot-Grün- bzw. Blau-Gelb-Farbsehstörung
4 photopisches Sehen = Sehen bei Tageslicht; mesopisches Sehen = Sehen bei reduzierten Lichtbedingungen; skotopisches Sehen = Sehen bei Nacht
5 Die der Vollständigkeit halber in Abbildung 10C hinzugefügte ursprüngliche Schutzbrille Bw wird aufgrund des abweichenden Anwendungsbereichs hier nicht weiter diskutiert.
6 PAPI = Precision Approach Path Indicator: Farbige Lichtmarken auf beiden Seiten der Runway, die das Einhalten des korrekten Gleitpfads bei der Landung optisch signalisieren.
7 2019: Bundeswehr (classified); 2022: Polizeihubschrauberstaffel Roth
8 50 kW = 50x1 000 W = 50x1 000x1 000 mW = 50 Mio Laserpointer
Das vollständige Literaturverzeichnis finden Sie in der E-Paper-Version des Beitrags.
Danksagung
An der Durchführung der Testreihen haben außerhalb der Autorenschaft insbesondere Oberfeldwebel Yannah Rauchman, Hauptfeldwebel Chris Weierter und aus dem Bereich des zivilen Personals Nina Kolloch und Manuela Schmidt engagiert mitgewirkt. Sie alle sind Angehörige des Dezernats II 3 c (Augenheilkunde) des ZentrLuRMedLw.
Interessenkonflikt
Die Autoren des ZentrLuRMedLw erklären, im Zusammenhang mit den hier vorgestellten Forschungsergebnissen keine finanziellen oder anderweitigen Interessen zu haben. Die vorgestellten Ergebnisse sind keine Empfehlung zum käuflichen Erwerb der durch die Fa. ESG entwickelten Produkte.
Manuskriptdaten
Zitierweise
Jakobs FM, Hank P, Hering D, Weber F, Pertsch D, Bressem L: Entwicklung einer zeitgemäßen Laserschutzbrille für das fliegende Personal der Bundeswehr: Ergebnisse der visuellen Testung. WMM 2022; 66(5): 158-170.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-15
Für die Verfasser
Oberstarzt Dr. Frank M. Jakobs
Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe
Dezernat II 3c – Augenheilkunde
Straße der Luftwaffe, 82256 Fürstenfeldbruck
E-Mail: frank2jakobs@bundeswehr.org
Manuscript data
Citation
Jakobs FM, Hank P, Hering D, Weber F, Pertsch D, Bressem L: Development of Contemporary Laser Protection Glasses for the Bundeswehr Flying Personnel: Results of Visual Testing. WMM 2022; 66(5): 158-170.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-16
For the authors
Colonel (AF, MC) Dr. Frank M. Jakobs
Air Force Centre of Aerospace Medicine
Department II 3c – Ophtalmology
Straße der Luftwaffe, D-82256 Fürstenfeldbruck
E-Mail: frank2jakobs@bundeswehr.org
FOKUS LUNGE
Studienkonzept zur Ermittlung von Stressreaktionen des Respirationstraktes nach assistierter bzw. hyperbarer Atmung bei Strahltriebwerk-Flugzeugführern
Janina Bojahra, c, Rudolf A. Jörresb, Frank Weberc, Christian Königerc,d
a Bundeswehrkrankenhaus Hamburg, Zentrum für seelische Gesundheit
b Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin
c Bis 2021 Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe, Fürstenfeldbruck
d Sanitätsversorgungszentrum Neubiberg, Fliegerarzt
Zusammenfassung
Hohe Belastungen durch Beschleunigungskräfte beim Führen moderner Kampf-Jets wie des Eurofighter „Typhoon“ erfordern den Einsatz technischer Unterstützungssysteme, die u. a. durch Überdruckatmung des Piloten mit hohen Sauerstoffkonzentrationen dessen Leitungsfähigkeit erhalten. Mögliche Auswirkungen sowohl der G-Kräfte als solche als auch dieser Systeme auf die Lunge des Piloten bis hin zum Risiko von überdruckbedingten Lungenverletzungen wurden bisher nicht unter realen Flugbedingungen untersucht.
Beim Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe wurden im Rahmen einer Studie nichtinvasive Untersuchungsmethoden zur Erfassung möglicher Stressoren für die Atemwege im realen Flugbetrieb eines Eurofighter-Verbandes eingesetzt. Studiendesign, Messmethoden und ihre Bedeutung für die Messung vermuteter Atemwegsstressoren werden in dieser Arbeit vorgestellt.
Schlüsselworte: Kampfflugzeug, G-Belastung, Überdruckbeatmung, Atemwegsstressoren, nichtinvasive Messung
Keywords: jet fighter, g-forces, high pressure breathing, airway stressor, non-invasive measurement
Hintergrund
Flugzeugführer von strahlgetriebenen Luftfahrzeugen sind großen physischen Belastungen, insbesondere in Form von Beschleunigungskräften (G-Kräften), ausgesetzt. Teilweise sind diese Belastungen nur mit Hilfe von elaborierten technischen Unterstützungssystemen – vor allem Druckanzügen, Überdruckatmung und Sauerstoffanreicherung der Atemluft – für den Flugzeugführer tolerabel. Dies gilt vor allem für avancierte Jagdflugzeuge wie den Eurofighter „Typhoon“, da es bei den in diesem Flugzeug möglichen Belastungen durch Beschleunigungskräfte bis 9 Gunweigerlich zum g-induzierten „loss of consciousness“ (G-LOC) kommen würde. Druckatmung und Oxygenierung dienen somit der Gewährleistung der Leistungsfähigkeit der Piloten unter extremen Flugbedingungen durch Erhöhung der G-Toleranz über die natürliche G-Toleranz hinaus. Dies erfolgt, indem der Sauerstoffpartialdruck in den Alveolen erhöht und somit v. a. eine zentrale Hypoxämie unter G-Belastung verhindert wird.
Die Frage bleibt jedoch, inwiefern diese Unterstützungssysteme selbst möglicherweise zu Beeinträchtigungen führen können. So ist aus der Intensivmedizin gut bekannt, dass erhöhte Partialdrücke von Sauerstoff bzw. große Schwankungen dieser Drücke sowie erhöhte Atemwegsdrücke per se adverse Änderungen des Respirationstrakts hervorrufen können [1]. Die Folgen können im Extremfall Barotraumen, Atelektasenbildung oder auch beatmungsbedingte Lungenverletzungen („ventilator-induced lung injuries“)sein [4].
Flugmedizinische Forschung
Die Identifizierung möglicher Auswirkungen der Anwendung technischer Systeme zur Erhöhung der G-Toleranz ist Gegenstand aktueller flugmedizinischer Forschung am Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe. Zu diesem Zweck erfolgte eine Untersuchung im Taktischen Luftwaffengeschwader 74 in Neuburg an der Donau. Die Auswertung der dabei erzielten umfangreichen Ergebnisse ist zum einen noch nicht abgeschlossen. Zum anderen würde deren vollständige Präsentation und Diskussion im Lichte der Arbeitshypothesen den Umfang eines Zeitschriftenartikels weit überschreiten. Sie werden in einem umfassenden Forschungsbericht niedergelegt und in Folgepublikationen differenziert dargestellt werden.
In diesem Beitrag werden das Konzept der Studie sowie eine Erklärung der Messungen und zugrundeliegenden physiologischen Mechanismen vorgestellt. Diese könnten nach Auffassung des Autorenteams deshalb von allgemeinem Interesse sein, da sie illustrieren, wie mit modernen nichtinvasiven Verfahren auch subtile Änderungen physiologisch wichtiger Kenngrößen auf relativ einfache und in den Routine-Dienstablauf integrierbare Weise erfasst werden können.
Spezifika des Eurofighter „Typhoon“
Der Eurofighter „Typhoon“ weist ein G-Task-Profil1 von -3/+9 Gz und ein Flughöhenprofil mit einer durchschnittlichen Flughöhe von 20–40 000 ft bei einer maximalen Flughöhe von 60 000 ft auf. Da mit zunehmender Höhe der Sauerstoffpartialdruck sinkt, besitzt das Cockpit eine Druckkabine, deren Regulationsverhalten in Abbildung 1 schematisch dargestellt ist.
Abb. 1: Druckregulierung des Eurofighter: Der Kabinendruck (vertikal) ist in Abhängigkeit von der Flughöhe (horizontal) dargestellt. Die unterschiedlich gefärbten Bereiche repräsentieren verschiedene Kriterien und Modalitäten. Relevant ist vor allem der blaue Bereich, der die Regulierung im Normalfall zeigt. Bis zu einer Flughöhe von 23 000 ft wird ein Kabinendruck gehalten, der einer Höhe von 8 000 ft entspricht.(Aus: ECS-Schema Eurofighter)
Ein zentraler Faktor ist die positive Gz-Belastung (in der Vertikalebene), welche auftritt, wenn der Pilot im Luftkampf enge Kurven fliegen muss. Die bodenwärts gerichteten Beschleunigungskräfte würden ohne Intervention zu einem Versacken des Blutes in die Beine führen; daher trägt der Pilot einen Druckanzug. Dieser stellt zusätzlich ab 4 Gz druckunterstützt sauerstoffangereicherte Luft über die Atemmaske zur Verfügung. Bei den maximalen 9 Gz liegt ein Druck von 80 mbar an, der theoretische Spitzendruck liegt bei 99,5 mbar (in Abhängigkeit von der Flughöhe), wird aber in der Realität nie erreicht; die Beziehungen zwischen Atemunterstützungsdruck, Flughöhe und einwirkenden Beschleunigungskräften sind in Abbildung 2 dargestellt.
Abb. 2: Atemunterstützungsdruck (vertikal) versus Flughöhe (horizontal unten) bzw. G-Belastung (horizontal oben). Vor allem die blaue Kurve ist relevant, da sie die Abhängigkeit des Drucks von der G-Belastung zeigt. (aus: ECS-Schema Eurofighter)
Die Oxygenierung der Einatemluft findet in Abhängigkeit von der Kabinenhöhe nach dem Schema von Abbildung 3 statt.
Abb. 3: Sauerstoffanreicherung der Atemluft in Abhängigkeit von der regulierten Kabinenhöhe (siehe Abbildung 1). Der grüne Bereich ist der Korridor, in dem die Anreicherung normalerweise liegt und unter 100 % Sauerstoff beträgt, die anderen Farben repräsentieren Sonderfälle mit 100 % Sauerstoffgabe. (aus: ECS-Schema Eurofighter))
Stressoren, erwartete Effekte und Prinzipien ihrer Messung
Folgende Stressoren für die Atemwege konnten wir identifizieren:
- G-Belastung,
- Überdruckatmung,
- Sauerstoffanreicherung und
- verminderte Luftfeuchtigkeit.
Diese Stressoren könnten im Prinzip mehrere Effekte hervorrufen. Ihre Messung wird in einem nachfolgenden Abschnitt näher ausgeführt.
Die trockene Atemluft führt möglicherweise zu einer vermehrten Mukusproduktion in den oberen Atemwegen oder zu einer durch den erhöhten Sauerstoffgehalt vermehrten Produktion von Oxidantien. Diese Effekte können indirekt mittels der Messung des ausgeatmeten Stickstoffmonoxids (NO) nichtinvasiv erfasst werden.
Ferner ist denkbar, dass die G-Belastung eine vermehrte Perfusion basaler Lungenabschnitte bewirkt, die zu einem Austritt von Blutplasma nach extravasal führen könnte. Dies würde sich in einer Abnahme des Aufnahmevermögens für inhalierte Gase bemerkbar machen. Zusätzlich könnten g-bedingte Effekte auf das kapilläre Blutvolumen auftreten. Ferner sind Atelektasen denkbar, aufgrund der Sauerstoffgabe oder der G-Kräfte. Alle diese Effekte können mittels eines avancierten Verfahrens der Messung der kombinierten Diffusionskapazität (DLNO, DLCO) für NO und Kohlenmonoxid (CO) erfasst werden.
Darüber hinaus könnten die hohen Sauerstoffkonzentrationen zu einer vermehrten Bildung von Sauerstoffradikalen in der systemischen Zirkulation führen, mit möglichen Wirkungen unter anderem auf die DNA. Dieser Effekt kann mittels der Konzentration von 8-Hydroxydesoxyguanosin (8-OHdG) im Urin erfasst werden.
Studiendesign und Methoden
Zentrales Charakteristikum der Studie war, die Messungen unter Realflugbedingungen durchzuführen und somit die tatsächliche Belastungssituation, vor allem in Bezug auf die Zeitdauer und Kombinationen von Stressoren, zu berücksichtigen. Dies erforderte ein optimiertes Studiendesign, um die Messungen in den Dienstablauf integrieren zu können, ohne dass Abstriche an der Aussagekraft erfolgen mussten. Diese Optimierung wurde in Vorarbeiten erreicht. Die Verfahren, die in dieser diagnostisch vergleichenden Feldstudie eingesetzt wurden, sowie ihr Bezug zu den angenommenen physiologischen Mechanismen werden im Folgenden im Detail dargestellt.
Erfassung des subjektiven Zustands mittels Symptomfragebogen
Der Pilot kreuzte auf einem Fragebogen mit 10 Items die zutreffenden Symptome auf einer 100mm langen visuellen Analogskala von „überhaupt nicht“ bis „extrem stark“ an. Die Items erfassten speziell Beschwerden der oberen Atemwege, wie z. B. Husten, fragten aber auch nach Symptomen, die möglicherweise indirekt mit der Druckatmung bzw. Oxygenierung zusammenhängen können, wie z. B. Ohrenschmerzen. Zusätzlich gab es ein Feld, auf dem der Pilot weitere Symptome eintragen und quantifizieren konnte. Dies diente der Erfassung der subjektiven Wahrnehmung hinsichtlich möglicher Änderungen durch den Flug oder die Druckatmung. Ziel der Erfassung der Symptome war es u. a., diese mit den Änderungen der Messparameter zu korrelieren, um zugrunde liegende Mechanismen aufzudecken.
Messung des fraktionierten exhalierten NO (FeNO)
In der pneumologischen Praxis dient eine Erhöhung der fraktionellen Konzentration (FeNO) des exhalierten NO als Marker einer eosinophilen, allergieassoziierten Entzündung. Hier gilt die Bestimmung des exhalierten NO als so informativ, dass sie inzwischen zur klinischen Routine gehört und entsprechend auch Anwendungen in der Arbeitsmedizin hat [2].
In unserer Studie war der Zweck der FeNO-Bestimmung ein anderer und innovativer. Die Konzentration des ausgeatmeten NO hängt nämlich nicht nur von der mukosalen Produktion, sondern auch vom Zustand der bronchialen Schleimhaut ab. Veränderungen des Mukus können die Transportbarriere erhöhen und Oxidantien mit NO reagieren; in beiden Fällen ist der Wert von FeNO vermindert. Da davon auszugehen ist, dass sich die endogene Produktion bei den Piloten nicht kurzfristig verändert, wären somit Veränderungen von FeNO als Hinweise auf mukosale Effekte zu werten, die mit entsprechenden Symptomen wie Husten und Reizgefühl in Verbindung gebracht werden können.
Abb. 4: Bestimmung der fraktionellen Konzentration des exhalierten NO am Chemilumineszenz-Analysator CLD 88 sp (Abbildung zeigt die Autorin des Beitrags).
FeNO wurde mittels des Chemilumineszenz-Analysators CLD 88 sp (Ecomedics AG, Duernten, Schweiz) gemessen. Zur Bestimmung des FeNO-Werts muss der Pilot bei einem konstanten Ausatemfluss von 50 ml/s durch ein Mundstück in das Gerät ausatmen. Der Fluss ist normiert, um die Kontaktzeit mit den Bronchien zu normieren und somit eine Variabilität aufgrund willkürlich hoher oder niedriger Ausatemraten bzw. Kontaktzeiten auszuschließen. Da der Gehalt des alveolären Gases an NO sehr gering ist, wird mit FeNO primär die bronchiale NO-Produktion erfasst. In Verbindung mit den anderen Messverfahren werden somit in der Studie bronchiale und alveoläre Effekte voneinander separiert.
Abb 5: Beispiel eines FeNO-Testprotokolls:
Die Graphik zeigt die exhalierte NO-Konzentration in Abhängigkeit von der Zeit. Der Wert wird ermittelt, wenn je nach Konstanz des Ausatemstroms für ausreichend lange Zeit ein Konzentrations-Plateau vorliegt. Dies ist im Regelfall nach ca. 8 sec der Fall. Die Messung erfordert immer mindestens zwei Atemmanöver, um die Qualitätsstandards zu erfüllen.
Bestimmung der kombinierten NO-CO-Diffusionskapazität
Die Integrität der Alveolen kann ähnlich wie die der Bronchien auf nichtinvasive Weise erfasst werden. Das klassische Verfahren ist die Bestimmung der Diffusionskapazität (DLCO) für eingeatmetes CO. Diese wird zum einen durch das verfügbare alveoläre Volumen, zum anderen durch die Transportbarrieren sowie die Aufnahmefähigkeit der Kapillaren im Sinne des pulmonal-kapillären Blutvolumens sowie des Hämoglobingehaltes determiniert. In der pneumologischen Praxis ist dieses Verfahren bestens etabliert. Solange allerdings die Struktur der Lunge und ihre Oberfläche nicht wesentlich gestört sind, spiegelt eine Einschränkung der DLCO im Wesentlichen eine Einschränkung des verfügbaren Hämoglobins, d. h. in der Regel eine Einschränkung des pulmonal-kapillären Blutvolumens wider. Eine Veränderung der Transportbarriere kann nur durch aufwändige Zusatzmessungen ermittelt werden.
Hier kommt die Diffusionskapazität (DLNO) für eingeatmetes NO als elegante Alternative zum Zug. NO hat nämlich eine so hohe Affinität zum Hämoglobin, dass praktisch nur noch die Transportbarrieren, nicht aber das Blutvolumen bzw. der Hämoglobingehalt wichtig sind. Lässt man folglich CO und NO simultan einatmen, kann man in einer einzigen Messung mögliche Änderungen der Transportbarriere und des Blutvolumens voneinander trennen.
Ein anderer Faktor ist das verfügbare alveoläre Volumen (VA), das mittels der Verdünnung eines eingeatmeten Inertgases ermittelt werden kann. Man kann die Werte der Diffusionskapazität durch VA dividieren, um einen Diffusionswert pro verfügbarem Lungenvolumen zu erhalten (KCO bzw. KNO). Im Falle von Atelektasen (zum Beispiel durch Resorption oder mechanische Kräfte) sollten die Werte von DLCO und DLNO verringert sein, diejenigen von KCO und KNO hingegen nicht. Tritt eine Störung der Transportbarriere ohne Veränderung von VA ein (zum Beispiel durch Extravasation von Flüssigkeit in den Alveolen im Sinne eines subklinischen Ödems), sollten vor allem die Werte von DLNO und KNO reduziert sein, weniger diejenigen von DLCO und KCO, da diese vom Blutvolumen dominiert werden. Ändert sich bei konstantem VA das Blutvolumen (aufgrund der Sauerstoffgabe oder mechanischer Einflüsse), werden DLNO und KNO nicht affiziert, wohl aber DLCO und KCO. Auf diese Weise können verschiedene alveoläre Effekte in einer einzigen Messung separiert werden.
Abb. 6. Darstellung des Atemmanövers zur Bestimmung der kombinierten NO-CO-Diffusionskapazität: Zunächst führt der Proband 3 normale Atemzüge in Atemruhelage durch. Beim letzten atmet er vollständig bis zum Residualvolumen aus (RV), atmet danach maximal (bis zur TLC) ein, hält die Luft für eine vom Gerät vorgegebene Zeit an und exhaliert anschließend das vorher applizierte Atemgasgemisch. Anhand der auftretenden Konzentrationsunterschiede können Rückschlüsse u. a. auf die Beschaffenheit der alveolokapillären Grenzmembran gezogen werden.
Dass dies im Prinzip möglich ist, wurde durch experimentelle Vorarbeiten gezeigt. So gelang es, durch Inhalation von hypertoner Kochsalzlösung eine größere Veränderung von DLNO als von DLCO hervorzurufen – wie man es erwarten würde, wenn die osmotisch aktiven Aerosole in den Alveolen die Flüssigkeitsbarriere vergrößern, nicht aber das kapilläre Blutvolumen verändern [3].
Zur Bestimmung der Diffusionskapazitäten wurde das Gerät Masterscreen PFT (Vyaire Medical, Höchberg) eingesetzt. Hierbei wird ein Atemgasgemisch von NO (40–50 ppm), CO (0,3 %) und als Inertgas Helium (9,3 %) verwendet. Zur Messung muss der Pilot erst tief ausatmen, um die Lunge so weit wie möglich zu leeren, dann tief einatmen, wobei das Atemgasgemisch appliziert wird. Danach muss er die Luft für 8 s anhalten, um die Gasaufnahme in einer definierten Zeit zu ermöglichen, und anschließend tief ausatmen, um das Atemgas zwecks Analyse zu gewinnen. Die Messung erfolgte zweimal im Abstand von 4 min, um ihre Reproduzierbarkeit zu gewährleisten. Die applizierten Konzentrationen stellen keine Gefahr für den Piloten dar, und die Messung erwies sich nach entsprechender Anleitung als außerordentlich präzise durchführbar.
Messung von 8-OHdG als nichtinvasiver, systemischer Entzündungsmarker
Das für die Messungen verfügbare geringe Zeitfenster, wie es durch die Integration in den Flugbetrieb gegeben war, limitierte die Anwendung weiterer Verfahren. So wäre es interessant gewesen, die Konzentration des ausgeatmeten Wasserstoffperoxids als Marker für oxidativen Stress in der Lunge zu untersuchen. Allerdings ist diese Messung zeitlich und methodisch aufwändig, wenn sie verlässlich und präzise erfolgen soll, so dass sie entfallen musste. Dies trifft auch für andere Verfahren zur Bestimmung von oxidativem Stress im respiratorischen System zu, beispielsweise für die Untersuchung nasaler Sekrete.
Andererseits war zu erwarten, dass auch systemischer oxidativer Stress auftreten kann, wie das für verschiedene Expositionen bereits gezeigt wurde. Hierzu eignen sich vor allem Urinproben, die von den Piloten ohne weitere Interferenz mit dem Flugplan abgegeben werden können. Im Urin hat sich in verschiedenen Studien die Bestimmung von 8-Hydroxydesoxyguanosin (8-OHdG) bewährt. Hierbei handelt es sich um ein Produkt, das bei der Reparatur einer oxidativ geschädigten DNA anfällt. Urinproben wurden von den Piloten unmittelbar vor dem Flug, möglichst bald nach Landung, und, falls realisierbar, ca. 2 h nach Landung abgegeben. Die Vorgabe war, dass die Proben im Mittelstrahlurin gesammelt wurden. Sie wurden dann unverzüglich bei -20 °C gelagert und zwecks Analyse mittels ELISA zum Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin des Klinikums der LMU transportiert. Die Analyse der insgesamt 318 Proben läuft noch, soll aber im zweiten Quartal 2022 abgeschlossen werden.
Studienprotokoll und Auswertung der Daten
Das Protokoll der Untersuchung wurde von der Ethikkommission der Bayerischen Landesärztekammer für unbedenklich befunden. Die Messungen vor den Flügen erfolgten im Idealfall 30 min vorher, die Messungen nachher 15–30 min nach Landung. Bei der Alarmrotte, welche Flüge am Morgen und am Nachmittag absolvierte, wurden die Intervalle noch weiter verkürzt. Zwecks späterer Auswertung wurden alle Zeiten exakt erfasst. Die Messungen und Symptomerhebungen nahmen ca. 11 min in Anspruch und waren problemlos in den Flugbetrieb zu integrieren.
In Ermanglung von Vordaten unter den Bedingungen des Flugbetriebs war eine Fallzahlabschätzung nur tentativ möglich. Berücksichtigte man die Ergebnisse experimenteller Studien und die zu erwartende, durch hohe Kooperationsfähigkeit der Piloten bedingte hohe Verlässlichkeit der Messwerte, ergaben Fallzahlabschätzungen unter verschiedenen Annahmen eine Mindestzahl von 20 Piloten mit jeweils 4 Flügen, d. h. insgesamt 80 Flüge. Realisiert wurden Messungen bei 35 Piloten mit insgesamt 152 Datensätzen, davon 113 bis 136 für den Vor-Nach-Vergleich auswertbaren Datensätzen, je nach Messparameter. Die Zahl der Piloten mit weniger als 4 Flügen betrug 13, während 22 Piloten mindestens 4 (bis zu 10 Flüge) aufwiesen.
Mit den erhobenen Daten konnten die Fragen der Studie beantwortet werden. Formal lauten diese wie folgt.
1. Treten Änderungen von FeNO auf?
a. Sind diese mit den Flugparametern korreliert?
b. Sind sie mit den Symptomen korreliert?
2. Treten Änderungen von DLCO und DLNO, bzw. KCO und KNO, sowie VA auf?
a. Sind diese mit den Flugparametern korreliert?
b. Sind sie mit den Symptomen korreliert?
c. Sind sie mit den bronchialen Änderungen korreliert?
d. Treten bei wiederholten Flügen desselben Piloten, die an verschiedenen Tagen stattfinden, Änderungen der vor den Flügen gemessenen Werte auf, die auf Langzeiteffekte hindeuten?
3. Treten bei den Piloten der Alarmrotte Effekte auf, die sich von den vormittags erfolgenden Flügen auf die Vorwerte der nachmittags erfolgenden Flüge erstrecken und folglich eine Abschätzung der Abklingzeit möglicher Effekte erlauben?
4. Welches Muster zeigen die Werte von 8-OHdG und sind sie als Hinweis auf akuten oxidativen Stress interpretierbar?
a. Gibt es bezüglich 8-OHdG Übertragseffekte zwischen verschiedenen Tagen oder zwischen Vormittag und Nachmittag?
b. Korrelieren diese Änderungen mit den pulmonalen Änderungen?
Ausblick
Die Studie soll die Frage nach einer möglichen Beeinträchtigung der Piloten im Eurofighter-Cockpit beantworten. Hierbei stehen respiratorische Effekte im Vordergrund. Im Prinzip sind kleine Effekte zu erwarten. Allerdings ist die Frage offen, ob sie eine klinische Relevanz erreichen und, soweit im Rahmen der Studie beantwortbar, ob sie persistieren können. Diese Frage wurde unter den realen Bedingungen des Flugbetriebs noch nie adressiert. Sie ist wichtig, um bei der extrem anspruchsvollen Tätigkeit der Piloten die Quellen auch nur geringer Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit zu erkennen und gegebenenfalls Modifikationen der Supportsysteme inklusive Schutzanzug und Sauerstoffversorgung vorzunehmen bzw. diejenigen Kombinationen von Flug- und Unterstützungsparametern zu identifizieren, die am ehesten relevant sein könnten. Das gewählte Studiendesign und die Methodik werden – nach dem bisherigen Stand der Auswertung – hier Antwort geben können.
Literatur
- Boehme S, Hartmann EK, Tripp T et al.: PO2 oscillations induce lung injury and inflammation. Critical Care 2019; 23: 102. mehr lesen
- Dressel H, Gross C, de la Motte D, Sültz J, Jörres A, Nowak D: Educational intervention decreases exhaled nitric oxide in farmers with occupational asthma. Eur Respir J 2007; 30: 545 – 548. mehr lesen
- Ehret M, Karrasch A, Rudolf A. Jörres et al.: Effects of inhaled saline and oxygen on noninvasive markers of airway and lung function. Eur Respir J 2012; 40 (Suppl 56): P3495. mehr lesen
- Protti A, Andreis DT, Milesi M et al.: Lung anatomy, energy load, and ventilator induced lung injury. Intensive Care Medicine Experimental 2015; 3: 34. mehr lesen
Manuskriptdaten
Zitierweise
Bojahr J, Jörres R, Weber F, Königer C: Studienkonzept zur Ermittlung von Stressreaktionen des Respirationstraktes nach assistierter bzw. hyperbarer Atmung bei Strahltriebwerk-Flugzeugführern. WMM 2022; 66(5): 171-176.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-14
Für die Verfasser
Stabsarzt Janina Bojahr
Bundeswehrkrankenhaus Hamburg
Zentrum für seelische Gesundheit
Lesserstr. 180, 22049 Hamburg
E-Mail: janinabojahr@bundeswehr.org
1 Bandbreite der möglichen Beschleunigungskräfte eines Luftfahrzeugs, gemessen in der Körper-Längsachse (Gz). Negative G-Kräfte geben die Beschleunigung in Richtung Kopf, positive in Richtung Beine an.