Leserbrief Prof. Dr. Lutz Kowalzick, Oberstarzt d. R., und
Dr. med. Svetoslava Troyanova zur Veröffentlichung
Zum Artikel
„Conrad M, Elsner E, Vandersee S: Durch dienstliche UV-Exposition bedingter Hautkrebs bei militärischem Personal der Bundeswehr. WMM 2023; 67(12): 467–473.“
Sehr geehrte Damen und Herren!
Herzlichen Dank, dass das neueste Heft 12/2023 der „Wehrmedizinischen Monatsschrift“ einmal schwerpunktmäßig der Wehr-Dermatologie gewidmet wurde. Verdienstvoll u. a. auch der Artikel von Conrad, Elsner und Vandersee zum Thema „Durch dienstliche UV-Exposition bedingter Hautkrebs bei militärischem Personal der Bundeswehr.“ Die im untersuchten Kollektiv anlässlich des präventiven Hautkrebsscreenings festgestellten Hautkrebserkrankungen bei fast 5 % der Untersuchten Soldatinnen und Soldaten ist allerdings in der Tat besorgniserregend und sollte, wie von den Autoren empfohlen, zu weiteren intensiven primären und sekundären Präventionsmaßnahmen Anlass geben.
Natürlich wäre eine prospektive Kontrollstudie unter Einschluss von Indoor-Workern vergleichbarer Demographie, z. B. aus der Bundeswehrverwaltung, sinnvoll, um festzustellen, ob militärisches Personal ein signifikant höheres Hautkrebsrisiko hat.
Im zivilen Bereich gilt als Voraussetzung zur Anerkennung von Nicht-Melanom-Hautkrebs, speziell des Spinozellulärem Karzinoms und seiner Vorläuferläsionen als Berufskrankheit (BK) 5103, dass die dienstlich bedingte zusätzliche UV-Belastung mindestens 40 % der gesamten (privaten) Lebenszeit (!) - UV-Belastung entspricht. Ähnliche Voraussetzungen gelten auch beim Basalzell-Karzinom. Die Unterzeichner haben 2020 in dieser Zeitschrift (Bd. 64, S. 40–41) über die „Berufskrankheit (BK) 5103 – Hautkrebs durch beruflich bedingte UV-Belastung im Polizeidienst“ über den Nachweis bzw. Nichtnachweis einer solchen dienstlich bedingten Hautkrebserkrankung bei einer verwandt eingesetzten Berufsgruppe berichtet. Im zivilen Bereich ist die Folge eines solchen Nachweises die Anerkennung als Berufskrankheit durch die Berufsgenossenschaft bzw. das Versorgungsamt mit Konsequenzen für Kostenübernahmen auch spezieller Therapiemaßnahmen, Feststellung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) und in Einzelfällen die Gewährung einer Verletztenrente. Ähnliche Maßstäbe sollten auch für die mögliche Anerkennung einer dienstlich bedingten Hautkrebserkrankung als Wehrdienstbeschädigung gelten.
Zumindest im versicherungsrechtlichen Sinne wäre jeweils der individuelle Nachweis einer dienstlich bedingten Hautkrebserkrankung bei militärischem Personal zu fordern. Insofern sind nach Auffassung der Unterzeichner und nach gegenwärtigem Kenntnisstand noch keine sicheren Aussagen zu einem allgemeinen dienstlich bedingten erhöhten Hautkrebsrisiko bei militärischem Personal in Deutschland möglich.
Prof. Dr. med. habil. Lutz Kowalzick, Oberstarzt d. R.
Windmühlenstr. 20, 08523 Plauen
Dr. med. Svetoslava Troyanova-Slavkova, Oberärztin
Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie
HELIOS Vogtland-Klinikum Plauen GmbH
Röntgenstr. 2, 08529 Plauen
Antwort
Sehr geehrter Herr Prof. Kowalzick, sehr geehrte Frau Dr. Troyanova-Slavkova,
haben Sie zunächst vielen Dank für Ihren Kommentar und Ihre Anregungen zum Thema „Durch dienstliche UV-Exposition bedingter Hautkrebs bei militärischem Personal der Bundeswehr.“ aus der Wehrmedizinischen Monatszeitschrift Heft 12/2023. Auch wir als Klinik für Dermatologie und Venerologie des Bundeswehrkrankenhauses Berlin stufen die ersten Ergebnisse unserer Datenanalyse als bedenklich ein. Die internationale Studienlage deutet jedoch ebenfalls darauf hin, dass Hautkrebs bei aktiven Militärangehörigen und Veteranen häufiger vorkommt als in der Allgemeinbevölkerung und dass UV- Exposition (chronisch und intermittierend) sowie mangelnde Risikoaufklärung und Sonnenschutz unter Soldatinnen und Soldaten wichtige ätiologische Faktoren sein könnten. Bei der Bundeswehr fehlen bislang entsprechende Untersuchungen, sowohl retro- als auch prospektiv.
Da es sich bei unserer Studie um eine retrospektive Datenanalyse handelt, sind die resultierenden Erkenntnisse bzgl. ihrer wissenschaftlichen Aussagekraft selbstverständlich limitiert und die Evidenz längst nicht ausreichend. Wir stimmen Ihnen zu, dass für eindeutige Kausalitätsprüfungen prospektive, randomisiert-kontrollierte Studien diesbezüglich folgen müssen. Auch wir sind daran interessiert, diese in Zukunft mono- und ggf. auch multizentrisch durchzuführen.
Ziel war es letztendlich, einen ersten wissenschaftlichen Trend bzgl. der Effektivität des präventiven Hautkrebsscreenings (auch im Rahmen AVU-IGF) in der Bundeswehr zu erfassen.
Anhand dieser ersten Erkenntnisse kann die Dermatologie und Venerologie der Bundeswehr, einen entscheidenden wehrmedizinischen Beitrag leisten. Nicht zuletzt ist es unsere Pflicht als Sanitätsoffiziere, auch im Sinne der Fürsorge für Soldatinnen und Soldaten als unsere Patientinnen und Patienten, einen möglichen Zusammenhang zwischen dienstlicher UV-Belastung und erhöhtem Hautkrebsrisiko zu detektieren und entsprechende weitere Maßnahmen, sei es weitere Forschungsunternehmungen und vor allem Präventivmaßnahmen – in enger Abstimmung mit der Arbeits- und Betriebsmedizin – einzuleiten. Dies beinhaltet auch die Aufklärung über etwaige Ansprüche auf Wehrdienstbeschädigung.
Oberstabsarzt Maria Conrad
Oberstarzt Priv.-Doz. Dr. Staffan Vandersee
IN MEMORIAM
Generalapotheker a. D. Dr. Gerhard Bleimüller
Am 3. Juni 2024 verstarb der ehemalige Inspizient Wehrpharmazie der Bundeswehr, Generalapotheker a. D. Dr. Gerhard Bleimüller, im Alter von 75 Jahren im Kreise seiner Familie in seinem Haus in Bonn.
Geboren am 25. Oktober 1948 im oberfränkischen Bayreuth legte er dort am humanistischen Gymnasium Christian-Ernestinum sein Abitur ab. Nach dem damals noch vorgeschriebenen Apothekerpraktikum studierte er Pharmazie und Lebensmittelchemie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, wo er auch unter Leitung des von ihm hochverehrten Professors Dr. Eberhard Nürnberg am Lehrstuhl für Pharmazeutische Technologie 1980 zum Dr. rer. nat. promovierte.
Der Eintritt in die Bundeswehr als Sanitätsoffizieranwärter war zwischenzeitlich im Jahr 1972 erfolgt. In seiner ersten Verwendung als frisch gebackener Stabsapotheker und Berufssoldat wurde er 1978 als Leiter des Labors für Arzneimittelprüfungen an der Chemischen Untersuchungsstelle V der Bundeswehr in Stuttgart eingesetzt. Nach einer weiteren Verwendung als Lehrstabsoffizier an der Akademie des Sanitäts- und Gesundheitswesens der Bundeswehr in München und mittlerweile zum Oberstabsapotheker befördert, führte ihn sein Weg nach Bonn, wo er in der Abteilung G 4 des Sanitätsamtes der Bundeswehr u. a. für die Weiterentwicklung der bundeswehreigenen Arzneimittelherstellung zuständig war. Im Rahmen seiner ersten von insgesamt drei ministeriellen Verwendungen im Bundesministerium der Verteidigung war er im Referat II 7 der Inspektion des Sanitäts- und Gesundheitswesens u. a. für die Realisierung des Truppenversuchs einer „Teilstreitkraftübergreifenden Sanitätsmaterialversorgung nach regionalen Gesichtspunkten“ verantwortlich – einem damals innovativen Ansatz, der heute in vielen Bereichen der Bundeswehr gelebte Praxis ist.
Unter gleichzeitiger Beförderung zum Oberfeldapotheker übernahm er 1987 die Aufgaben des Dezernatsleiters G 4/2 im Sanitätsamt der Bundeswehr, zu denen die Beschaffung und Bewirtschaftung des Sanitätsgerätes der Bundeswehrkrankenhäuser und Zentralen Institute des Sanitätsdienstes, aber auch die Entwicklung und erfolgreiche Einführung eines DV-gestützten, die rechtlichen Vorgaben der neuen Medizingeräteverordnung berücksichtigenden, Materialmanagementsystems gehörten. Als Referent im Grundsatzreferat „Wehrpharmazie“ war er in seiner zweiten ministeriellen Verwendung anschließend zuständig für das Lebensmittel- und Bedarfsgegenständerecht in der Bundeswehr.
Die dann 1995 folgende Verwendung als Korpsapotheker des IV. Korps in Potsdam zählte für den mittlerweile zum Oberstapotheker beförderten Dr. Bleimüller nicht nur wegen seines besonderen Interesses für Militärgeschichte sowie der zusätzlichen Wahrnehmung der Aufgaben als gewählte Vertrauensperson der Offiziere zu den prägendsten seiner Dienstzeit. Zurück in Bonn leitete er im Anschluss von 1999 bis 2004 das Referat II 5 im Führungsstab des Sanitätsdienstes im BMVg. Hier war er u. a. verantwortlich für die Versorgung der Bundeswehr mit Sanitätsmaterial sowie für die gesamte Logistik im zum 1. Oktober 2000 neu geschaffenen, eigenständigen Organisationsbereich des Zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr. Diese riesige Herausforderung meisterte er ebenfalls mit Bravour. Als junger Referent durfte ich ihn in dieser Zeit unterstützen und dabei sehr viel von ihm lernen und von seinem reichen Erfahrungsschatz profitieren. Insbesondere aber durfte ich ihn damals bereits als vorbildlichen Vorgesetzten, besondere Persönlichkeit und großartigen Menschen mit hoher sozialer Kompetenz kennenlernen, wofür ich bis heute dankbar bin.
Durch seine vielen Verwendungen in den unterschiedlichen Bereichen der Wehrpharmazie bestens vorbereitet, übernahm Dr. Bleimüller schließlich im Mai 2004 – bei gleichzeitiger Beförderung zum Generalapotheker – das Amt des Inspizienten Wehrpharmazie der Bundeswehr, welches er bis zu seiner Zurruhesetzung im Jahr 2010 mit beeindruckendem Erfolg ausfüllte. Dabei war ihm die Kooperation mit den Standesorganisationen, den Hochschulen sowie den verschiedenen Fachgesellschaften immer ein besonderes Anliegen. „Gerhard Bleimüller hat sich … um den ganzen Berufsstand verdient gemacht…und war getreu dem Leitbild des Bürgers in Uniform auch immer dem zivilen Teil der pharmazeutischen Familie verbunden“ – diese würdigenden Worte fand der damalige ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf 2010 anlässlich seiner Zurruhesetzung.
Insbesondere im Bereich der Aus-, Fort- und Weiterbildung gab er richtungsweisende Impulse. Selbst weitergebildeter Fachapotheker für „Pharmazeutische Technologie“, „Pharmazeutische Analytik“ und „Öffentliches Gesundheitswesen“ war er noch lange nach seiner Zurruhesetzung als Vorsitzender eines Prüfungsausschusses in der Apothekerkammer Nordrhein aktiv. Auf seine Qualifizierungsoffensive geht auch der Hochwertlehrgang „Medizintechnik für SanStOffz Apotheker“ zurück, der ursprünglich am Rhein Ahr Campus in Remagen stattfand und seit einigen Jahren – immer noch mit großem Erfolg – an der Universität Erlangen durchgeführt wird. Ebenso war sein Sachverstand und sein reicher Erfahrungsschatz im internationalen Bereich sowohl als Chairman der „Technical Commission for Pharmacy“ des International Committee of Military Medicine (ICMM) als auch in der NATO-Arbeitsgruppe „Medical Material and Military Pharmacy“ gefragt. Dabei stand der Schutz der Soldatinnen und Soldaten immer im Mittelpunkt seiner Bemühungen – ob im Rahmen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes oder deren sachgerechter sanitätsdienstlicher Versorgung, insbesondere im Auslandseinsatz.
Mit großem Engagement hat er sich darüber hinaus für die Deutsche Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e.V. eingesetzt. Als regelmäßiger Teilnehmer an den Jahreskongressen und weiteren Fortbildungsveranstaltungen hat er sich in besonderem Maße um die Förderung unseres Nachwuchses verdient gemacht. Nicht zuletzt dank seiner nachhaltigen Unterstützung waren die Programmanteile des Arbeitskreises Wehrpharmazie stets Highlights des Gesamtprogramms.
Mit Generalapotheker a. D. Dr. Bleimüller verlieren wir einen Sanitätsoffizier, dessen nachhaltiges Wirken große Spuren hinterlassen hat. In sich ruhend und aufgeschlossen für die Sorgen und Nöte anderer, hat er es stets in besonderer Weise verstanden, die Menschen mitzunehmen und für seine Ideen und Ziele zu gewinnen. Dabei war er durchaus fordernd – hat sich aber selbst immer in noch größerem Maße und damit in vorbildlicher Weise eingesetzt. Generalapotheker a.d. Dr. Bleimüller gehört zu den herausragenden Führungspersönlichkeiten der Bundeswehr, der den Sanitätsdienstder Bundeswehr und die Wehrpharmazie in besonderem Maße geprägt hat. Er hat entscheidend zu deren Leistungsfähigkeit und hohem Ansehen beigetragen und die aktuellen Entwicklungen bis zuletzt mit großem Interesse verfolgt. Dafür gelten ihm unser Respekt, unsere Anerkennung und unser tief empfundener Dank.
Der Tradition verpflichtet, blieb er als begeisterter Corpsstudent bis zuletzt ebenso aktiv wie im legendären Kegelclub „Dicke Pille“, in dem ehemalige und aktive Sanitätsoffiziere Apotheker bis heute den fachlichen Austausch und das kameradschaftliche Miteinander pflegen. Als Ausdruck der ihm allseits entgegengebrachten besonderen Wertschätzung war er als einziger Heeresuniformträger Mitglied im Freundeskreis der Luftwaffenapotheker. Bei allem beruflichen Engagement und aller gelebten Disziplin und Prinzipientreue war Gerhard Bleimüller ein überaus empathischer, großzügiger und bescheidener Mensch mit einem großen Herzen, bei dem am Ende seine Familie im Mittelpunkt stand. Seiner lieben Gattin Petra sowie seinen Kindern und Enkelkindern gebührt unsere aufrichtige Anteilnahme. Persönlich verliere ich ein großes Vorbild, meinen wichtigsten Mentor und einen guten Freund. Die Sanitätsoffiziere der Bundeswehr werden ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren.
Oberstapotheker Arne Krappitz
Leitender Apotheker der Bundeswehr