Editorial
Sehr geehrte Leserin,
sehr geehrter Leser!
Die erste Hälfte des Jahres 2024 haben wir mittlerweile durchlebt. Eine Zeit, die von Krisen, besser Polykrisen, dominiert wurde. Welche Erkenntnisse lassen sich gewinnen? Die Menschheit erfährt eine massive Transformation, die Komplexität aller Beziehungen und Zusammenhänge nimmt exponentiell zu. Geostrategische Veränderungen der Weltordnung mit Waffengewalt und der Klimawandel haben sich als die herausragenden Treiber der Krisen gezeigt. Gleichzeitig wird immer deutlicher, welchen Einfluss der wissenschaftlich-technische Fortschritt auf unser individuelles Leben nimmt. Die Digitalisierung schreitet voran und wird mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz wiederum zur Steigerung der Lebensgeschwindigkeit beitragen. Was kann man selbst in dieser Situation tun? Was kann ein Beitrag sein?
Nun, der Autor dieser Zeilen meint, es gibt im Wesentlichen drei Dinge zur Stärkung der Resilienz: Anpassungsfähigkeit (im Sinne von Darwin: Survival of the Fittest), Steigerung bzw. Erhalt der körperlichen Fitness und persönliche Achtsamkeit mit Vorsorge. Damit man das offensichtliche Chaos um einen selbst bewältigen kann. Nicht immer führt der Dauereinsatz mit allen Kräften zum gewünschten Ziel.
In der vorliegenden Ausgabe bilden wir einmal mehr die Vielfalt des Sanitätsdienstes ab. Der erste Beitrag der Arbeitsgruppe um Christian Beltzer zeigt auf, wie rasant die Entwicklung in der roboter-assistierten Viszeralchirurgie mit guten Ergebnissen vorangeht. Darauf folgen die Erkenntnisse eines langjährigen zivil-militärischen Forschungsprogramms, der Ulmer BEST-Studie, in dem Christiane Waller und ein vielköpfiges Wissenschaftler-Team der Universität und des Bundeswehrkrankenhauses Ulm die Folgen von Auslandseinsätzen auf den individuellen Stress-Level nachweisen. Eine schöne internationale Gemeinschaftsarbeit aus dem 1. Deutsch-Niederländischen Corps von Felix Weinreich et al. beschäftigt sich mit den Auswirkungen einer NATO-Übung auf die Dienstbedingungen und die psychische Gesundheit der Soldaten. Die Autoren um Rudolf Schimmel untersuchten das refraktivchirurgische Potenzial bei fliegendem Personal der Bundeswehr, ein Dauerthema der vergangenen Jahre, das bei geeigneter Herangehensweise positive Effekte bewirken könnte. Ein weiteres Ergebnis internationaler Kooperation und der deutsch-französischen Partnerschaft zwischen dem Militärkrankenhaus Brest und dem Bundeswehrkrankenhaus Westerstede findet sich im Bericht von Robert M. Herrmann und seinen Co-Autoren, der die Notwendigkeit von Konzepten zum Umgang mit nuklearen Notfällen in den Fokus der Aufmerksamkeit rückt.
Das gesamte Redaktionsteam der Wehrmedizinischen Monatsschrift wünscht Ihnen eine informative Lektüre und viel Freude mit dem aktuellen Heft!
Herzlichst Ihr Horst Peter Becker, Chefredakteur
Die roboter-assistierte Operation des Thoraxmagens: Retrospektive Analyse einer Fallserie aus dem Bundeswehrkrankenhaus Ulm
Robot-assisted Repair of Complete Upside-down Stomach Hiatal Hernia: Retrospective Analysis of a Case Series from the Bundeswehr Hospital Ulm
Wiebke Heitzmanna, Kerstin Schwabea, Christian Beltzera
a Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Klinik II – Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie
Zusammenfassung
Hintergrund: Beim Thorax- oder Upside-Down-Magen handelt es sich um die maximale Ausprägung einer paraösophagealen Hernie mit kompletter Verlagerung von Magen und peritonealem Bruchsack nach mediastinal. Aufgrund möglicher schwerer Komplikationen besteht grundsätzlich die Indikation zur Operation (Magenreposition, Hiatoplastik und Gastropexie), wobei der Eingriff in der Regel laparoskopisch durchgeführt wird. Bislang besteht nur geringe Evidenz zur Einordnung der roboter-assistierten Operation des kompletten Thoraxmagens.
Methodik: Patienten mit roboter-assistierter Operation (Da Vinci, Intuitive) bei Thoraxmagen des Bundeswehrkrankenhauses Ulm im Zeitraum 4/2023–3/2024 wurden in die retrospektive Analyse eingeschlossen. Als primärer Endpunkt wurde die Patientensicherheit (Major-Komplikationen; Clavien-Dindo ≥ 3a) und als sekundäre Endpunkte wurden die Konversionsrate, die Schnitt-Naht- und Konsolenzeit sowie die Dauer des stationären Aufenthaltes definiert.
Ergebnisse: Es konnten n = 11 Patienten in die Studie aufgenommen werden. Major-Komplikationen (Clavien-Dindo ≥ 3a) traten nicht auf. Der Bruchsack wurde in allen Fällen komplett reponiert. Eine Konversion zur Laparotomie war in keinem Fall erforderlich. Die mittlere Schnitt-Naht-Zeit betrug 148 min, die mittlere Konsolenzeit 90 min, und der mittlere stationäre Aufenthalt 5,1 Tage.
Diskussion und Schlussfolgerung: Die retrospektive Analyse der eigenen Fallserie von Patienten mit Thoraxmagen demonstrierte eine sehr hohe Patientensicherheit für die roboter-assistierte Operation. Vorteile des Da Vinci-Systems sind vor allem der dritte Roboter-Arm und die hervorragende Visualisierung, wodurch eine sichere und diffizile Präparation selbst im engen Mediastinum bis hoch thorakal ermöglicht wird.
Schlüsselwörter: paraösophageale Hernie, Hiatushernie, Thoraxmagen, roboter-assistierte Hiatoplastik, Gastropexie
Summary
Background: An upside-down stomach is the maximum manifestation of a paraesophageal hernia with complete displacement of the stomach and peritoneal hernia sac to the mediastinum. Due to possible serious complications, surgery is always indicated (gastric repositioning, hiatal hernia repair, and gastropexy), and the procedure is usually performed laparoscopically. To date, limited evidence exists to assess robot-assisted surgery of the upside-down stomach.
Methods: This retrospective analysis included patients of the Bundeswehr Hospital Ulm with robot-assisted surgery (Da Vinci, Intuitive) for upside-down stomachs from 04/2023 to 03/2024. The primary endpoint was patient safety (major complications; Clavien-Dindo ≥ 3a), and the secondary endpoints were the conversion rate, operative and console time, and length of hospital stay.
Results: A total of n = 11 patients were included. Major complications (Clavien-Dindo ≥ 3a) did not occur. The hernia sac was completely replaced in all cases. Conversion to laparotomy was not required in any case. The mean operative time was 148 minutes, the mean console time was 90 minutes, and the mean hospital stay was 5.1 days. The retrospective analysis of our own case series of patients with upside-down stomachs proved a very high level of patient safety for robotic-assisted surgery. The main advantages of the Da Vinci system are the third robotic arm and the excellent visualization, which enable safe and difficult dissection even in the narrow mediastinum up to the high thoracic region.
Keywords: paraesophageal hernia; hiatal hernia; upside-down stomach; robotic-assisted hiatal hernia repair; gastropexy
Einleitung und Hintergrund
Pathophysiologie
Hiatushernien sind Zwerchfellbrüche mit Verlagerung von Magenanteilen nach intrathorakal. Allgemein wird zwischen einer axialen und paraösophagealen Form unterschieden. Die häufigen axialen Hernien entstehen durch ein altersbedingtes Erschlaffen des gastroösophagealen Bandapparates. Dies führt aufgrund des abdomino-thorakalen Druckgradienten zu einem Gleiten der Kardia des Magens durch den Hiatus nach mediastinal. Die führende Refluxsymptomatik ergibt sich aus der reduzierten Verschlussfunktion des unteren Ösophagussphinkters (UÖS) [3][5].
Anders als bei der axialen Hernie, bei der das Gleiten der Kardia durch den Hiatus den physiologischen His-Winkel (gastroösophagealer Übergang) verändert, bleibt dieser bei der paraösophagealen Hernie meist erhalten. Bei dieser selteneren Form der diaphragmatischen Hernie schieben sich die mit peritonealem Bruchsack überzogenen Magenanteile sowie ggf. weitere intraabdominelle Organe entlang des Ösophagus (paraösophageal) nach mediastinal. Die maximale Ausprägung sind der Thorax- oder, bei Rotation um die Kardia, der Upside-Down-Magen. Die vorliegende Arbeit demonstriert den zunehmenden Stellenwert der Robotik im Fachgebiet der Hiatuschirurgie und hebt die wesentlichen Schritte von Diagnostik bis zur operativen Versorgung anhand der hauseigenen Behandlung hervor.
Klinische Symptomatik
Spezifische Symptome können Dysphagie, Regurgitation oder postprandiale epigastrische Schmerzen sein, wobei diese auch komplett fehlen können. Eine Kompression von Lunge und/oder Herz kann zu kardiopulmonalen Symptomen führen (Roemheld-Syndrom) [15]. Die Gefahr von Komplikationen (Ulcus ventriculi, Inkarzeration, Anämie) ist im Vergleich zur axialen Hernie deutlich erhöht [7][11][14]. Dies begründet die großzügige Indikationsstellung zur Operation, auch bei asymptomatischen Patienten.
Diagnostik
Die Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) ist als obligate Standarduntersuchung bei entsprechend vorliegender Symptomatik anzusehen. Hierdurch können bereits das Ausmaß der Hernierung abgeschätzt und mögliche Differenzialdiagnosen (z. B. Tumorobstruktion) erkannt bzw. ausgeschlossen werden [1]. Diese ÖGD sollte um eine computertomografische Untersuchung (CT) ergänzt werden, anhand derer die genaue Bewertung der anatomischen Verhältnisse bei paraösophagealer Hernierung erleichtert wird (Abbildung 1) [10].
Eine Funktionsdiagnostik mittels pH-Metrie und Manometrie ist im Unterschied zur axialen Hernie mit Refluxsymptomatik verzichtbar, da beim Thoraxmagen die OP-Indikation bereits aus dem bildgebenden Befund resultiert und die Ergebnisse der Funktionsuntersuchungen unzuverlässig sind.
Operative Therapie
Den allgemeinen Grundsätzen der Hernienchirurgie folgend besteht auch beim Thoraxmagen das primäre Ziel in der vollständigen Reposition von Bruchsackinhalt und Bruchsackresektion sowie dem Verschluss der pathologisch erweiterten Bruchpforte (Hiatoplastik). Zusätzlich wird zur Rezidivprophylaxe und Wiederherstellung des His-Winkels eine Nahtfixierung des Magenfundus am Zwerchfell durchgeführt (Gastropexie oder Fundopexie).
Der abdominelle Zugang hat sich aufgrund der besseren Durchführbarkeit gegenüber dem thorakalen Zugang durchgesetzt. Die laparoskopische Eingriffsdurchführung hat sich flächendeckend als Standard etabliert [12][13].
In den letzten Jahren wird die roboter-assistierte Chirurgie zunehmend für die Hiatuschirurgie eingesetzt, was durch vermehrte Publikationen zum Thema zum Ausdruck kommt (Abbildung 2). Dabei demonstrierte eine Metaanalyse eine hohe Patientensicherheit für das roboter-assistierte Verfahren bei einfachen Hiatushernien [12].
Abb. 2: Steigende Publikationszahlen mit den Suchbegriffen „robotic assisted hiatal hernia repair“ in der Medizindatenbank PubMed ® von 2009–2023 (n = 54)
Zur roboter-assistierten Operation bei komplettem Thoraxmagen wurden bislang nur vereinzelte Fallserien publiziert, weshalb eine evidenzbasierte Einordnung für diese Indikation bisher kaum möglich ist (Abbildung 3) [2][16].
Material und Methoden
Alle Patienten der eigenen Klinik, die im Zeitraum 4/2023–3/2024 eine roboter-assistierte Operation bei komplettem Thoraxmagen erhielten, wurden in die retrospektive Analyse eingeschlossen. Patienten mit Rezidiveingriffen am Hiatus oder axialer Hiatushernie ohne Thoraxmagen wurden nicht berücksichtigt.
Als primärer Endpunkt wurde die Patientensicherheit (peri- und postoperative Komplikationen gemäß Clavien-Dindo-Klassifikation), als sekundäre Endpunkte die Konversionsrate, die Schnitt-Naht- und Konsolen-Zeit sowie die Dauer des stationären Krankenhausaufenthalts definiert.
Die Entwicklung der Schnitt-Naht- und Konsolen-Zeiten wurde in Abhängigkeit von der Eingriffszahl i. S. einer Lernkurve graphisch dargestellt. Die Darstellung aller Parameter erfolgt deskriptiv als absolute Zahl und Angabe von Minimum, Maximum und Mittelwert.
Roboter-assistierte Operationsdurchführung
Alle Eingriffe wurden von einem einzelnen Chirurgen (CB) mit dem Da Vinci Xi-Operationssystem (Intuitive) in standardisierten Teilschritten in immer gleicher Abfolge durchgeführt.
Der Patient wird in Rückenlagerung mit Fußstützen 30° aufgestellt (Anti-Trendelenburg-Lagerung). Nach Anlage des Kapnoperitoneums mit der Veres-Nadel werden im Oberbauch vier 8 mm Da Vinci-Trokare sowie ein 12 mm Assistententrokar unter Sicht eingebracht, wobei der Abstand zwischen den Trokaren mindestens 8 cm beträgt, um externe und interne Kollisionen zu vermeiden. Median epigastrisch wird der Nathanson-Leberretraktor eingeführt, um die linke Leber atraumatisch anzuheben und diese Position statisch zu halten (Abbildungen 4 und 5).
Abb. 4: schematische Darstellung der Trokarpositionen, 1 = fenestrated bipolar forceps, 2 = Optik, 3 = Da Vinci Vessel Sealer extend, 3 = tip-up fenestrated grasper, A = Assistententrokar (laparoskopische Babcock-Zange oder Sauger)
Abb. 5: links: Positionierung der Trokare (vier 8 mm Da Vinci-Trokare, ein 12 mm Assistententrokar) und des Nathanson-Leberretraktors (epigastrisch); rechts: Patient in 30° Anti-Trendelenburg-Position mit konnektierten Roboterarmen
Als erster Schritt werden mobile Magenanteile mit der laparoskopischen Babcock-Zange nach abdominal reponiert (12 mm Assistententrokar). Das Omentum minus wird von der Pars flaccida bis zum rechten Zwerchfellschenkel mit dem Vessel Sealer (Firma Intuitive Medical, Sunnyvale, Kalifornien, USA.) durchtrennt. Der Einstieg ins Mediastinum erfolgt durch eine anteriore semizirkuläre Eröffnung des Peritoneums vom rechten zum linken Zwerchfellschenkel. Bruchsack und Magen werden schrittweise in einer avaskulären Schicht von mediastinal nach abdominal reponiert. Nach vollständiger Auslösung des Bruchsackes wird dieser komplett reseziert (Abbildung 6).
Abb. 6: links: vollständige mediastinale Lage des Magens; rechts: reponierter und resezierter Bruchsack
Unter Sicht wird durch die Anästhesie eine 34 Charrière-Magensonde eingeführt. Der distale Ösophagus wird mediastinal über eine Strecke von etwa 5 cm zirkulär mobilisiert. Nach Unterfahren des distalen Ösophagus kann dieser mit einer Easyflow-Drainage angezügelt und folgend vollkommen atraumatisch mit dem dritten Roboterarm manövriert werden. Letzte dorsale Adhäsionen vom Hiatus zum Magenfundus werden mit dem Da Vinci Vessel Sealer durchtrennt.
Die dorsale Hiatoplastik erfolgt in fortlaufender Technik mit zwei nicht-resorbierbaren Fäden der Stärke 0 mit Widerhaken (Polypropylene; Quill-Faden, Firma Corza Medical). Die Fäden werden jeweils mit nicht resorbierbarem Hem-o-lok®-Clip gesichert (Abbildung 7). Die Magensonde wird durch die Anästhesie entfernt.
Die Fundopexie erfolgt mit einem resorbierbaren Faden der Stärke 3–0 (Polyglycol, V-Loc®, Firma Medtronic, Dublin) in fortlaufender Technik, zumeist am linken Zwerchfell (Abbildung 8). Nach Kontrolle auf Bluttrockenheit werden der Leberretraktor sowie die Trokare entfernt und die Wunden verschlossen.
Key Points der Operation
Die wesentlichen Teilschritte der roboter-assistierten Operation bei Thoraxmagen sind:
- Lagerung der Patienten in 30°-Anti-Trendelenburg-Position,
- Anlage eines Kapnoperitoneums,
- Setzen der Trokare und Einstellung des Leberretraktors,
- Docking der Roboterarme,
- Reposition mobiler Magenanteile mit der Babcock-Zange,
- Eröffnung des Omentum minus bis zum rechten Zwerchfellschenkel,
- Semizirkuläre Eröffnung des Peritoneums am Hiatus (rechter Zwerchfellschenkel – vordere Kommissur – linker Zwerchfellschenkel),
- Mediastinales Auslösen und Reposition von Bruchsack und Magen,
- Resektion des Bruchsacks
- Einbringen einer 34 Charrière-Magensonde,
- Unterfahren und Anzügeln des Ösophagus unter Verwendung einer Easyflow-Drainage
- Dorsale Hiatoplastik (fortlaufende nicht-resorbierbare Naht mit Polypropylene der Stärke 0),
- Entfernung der Magensonde,
- Fundopexie (fortlaufende resorbierbare Naht; V-Loc Stärke 3–0),
- Kontrolle auf Bluttrockenheit,
- Abdocken der Roboterarme,
- Entfernung des Leberretraktors und der Trokare,
- Wundverschluss.
Postoperatives Procedere
Patienten dürfen am Abend der Operation trinken und erhalten am ersten postoperativen Tag Schonkost. Am zweiten postoperativen Tag wird eine CT-Untersuchung mit oralem Kontrastmittel durchgeführt (Abbildung 9), um ein Frührezidiv auszuschließen, das klinisch asymptomatisch sein kann. Bei regelrechtem CT-Befund ist Vollkost erlaubt, und die Patienten können ab dem dritten postoperativen Tag entlassen werden.
Ergebnisse
Bisher konnten n = 11 Patienten mit roboter-assistierter Operation bei komplettem Thoraxmagen in die Analyse eingeschlossen werden. Entsprechend der allgemeinen Prävalenz war ein überwiegender Teil der Patienten weiblich (n = 8), der Altersdurchschnitt betrug 65 Jahre. Bei keiner der Patientinnen bzw. keinem der Patienten kam es zu chirurgisch relevanten peri- oder postoperativen Komplikationen. Eine Konversion war in keinem Fall erforderlich. Die durchschnittliche Schnitt-Naht-Zeit betrug 148 min (81–189 min.), die stationäre Verweildauer 5,1 Tage (2–8 Tage, siehe Tabelle 1).
Die Kontrolle mittels Computertomografie am zweiten postoperativen Tag dokumentierte bei allen Patienten, bei denen diese durchgeführt wurde, eine regelhafte, intraabdominelle Lage des Magens. Die Entlassung konnte durchschnittlich nach 5 Tagen unter vollständiger Beschwerdefreiheit erfolgen.
Tab. 2: Mittelwerte und Range der sekundären Endpunkte
Diskussion
Anhand der eigenen retrospektiven Fallserie roboter-assistierter Operationen bei Thoraxmagen konnte die sehr hohe Patientensicherheit belegt werden. Das Verfahren hat sich in der eigenen Klinik für diese Indikation als operativer Standard etabliert. Weiterhin ergab sich im Beobachtungszeitraum, wie zu erwarten, ein Trend zur Reduktion von Schnitt-Naht- und Konsolenzeit als Ausdruck der chirurgischen Lernkurve.
Vor allem das statische 3D-Bild in zehnfacher Vergrößerung, der dritte Roboterarm, der flexibel als Halteinstrument für eine optimale Gewebespannung eingesetzt werden kann, und die erweiterten Freiheitsgrade der Roboterinstrumente erweisen sich als vorteilhaft. Eine präzise und sichere Präparation im engen Mediastinum wird hierdurch deutlich erleichtert.
Um Verletzungen der Speiseröhre sicher zu vermeiden, sollte diese mit Fasszangen (fenestrated bipolar forceps, tip-up fenestrated grasper) niemals gefasst, sondern allenfalls mit dem geschlossenen Instrument stumpf angehoben werden, bis die Easyflow-Drainage herumgelegt werden kann.
Unabhängig vom Operationsverfahren, laparoskopisch oder roboter-assistiert, sind die Langzeitergebnisse von Hiatuseingriffen nicht ideal. Eine wesentliche Herausforderung besteht in der Senkung der hohen Langzeitrezidivrate von bis zu 40 % [6]. Durch eine ausreichende Kruralapproximierung und die Verwendung von nicht-resorbierbarem Nahtmaterial soll eine Re-Hernierung des Magens vermieden werden. Einige Studien zeigten eine mögliche Reduktion dieser Rate durch Augmentation des Hiatus mittels Kunststoffnetz [9]. Eine abschließende Datenlage zu Langzeitergebnissen liegt bisher nicht vor. Zudem können Mesh-Implantate im Verlauf teilweise zu schwerwiegenden Komplikationen wie Netzmigration, Ösophagusarrosionen oder Pleuraergüssen führen [9]. In Fällen, in denen eine Annäherung der Zwerchfellschenkel nicht möglich ist, kann eine plastische Verstärkung der Bruchlücke indiziert sein [8]. Eine routinemäßige Netzimplantation kann aufgrund der nicht nachgewiesenen Überlegenheit gegenüber dem reinen Nahtverfahren und den genannten möglichen Komplikationen allerdings nicht generell empfohlen werden. Daher wird von uns beim Primäreingriff auf eine Netzimplantation verzichtet.
Die Frage, ob die dorsale Hiatoplastik in Einzelknopf- oder fortlaufender Nahttechnik durchgeführt werden sollte, ist bisher noch nicht eindeutig beantwortet. Aus unserer Sicht sind aus theoretischen Überlegungen Nachteile einer fortlaufenden Naht nicht ersichtlich.
Wir streben durch die Fundopexie die Wiederherstellung des physiologischen His-Winkels an. Diese abdominelle Fixierung schafft eine permanente diaphragmatische Adhäsion des Fundus, unterstützt die physiologische Magenpassage und dient gleichzeitig der Volvulusprophylaxe.
Eine Fundoplicatio legen wir bei Thoraxmagen nicht an, da Refluxbeschwerden präoperativ nur selten bestehen und die Manschette damit möglicherweise eine Übertherapie darstellt.
Für die Durchführung einer obligaten frühpostoperativen CT-Untersuchung gibt es keine evidenzbasierte Grundlage [4]. Jedoch kann bei früher Detektion eines Rezidivs eine minimalinvasive Revision vorgenommen werden, bevor Adhäsionen auftreten. Weiterhin dient uns die CT als postoperative Ergebnisdokumentation.
Abb. 10: Schnitt-Naht-Zeit und Konsolenzeit als Ausdruck der Lernkurve
Ausblick in die Zukunft
Es ist anzunehmen, dass sich die roboter-assistierte Chirurgie von Hiatushernien langfristig zunehmend durchsetzen wird, auch wenn Studien zu Langzeitergebnissen und zu messbaren Ergebnisvorteilen gegenüber der Laparoskopie noch ausstehen. Aus chirurgischer Sicht erweisen sich bei diesem Eingriff vor allem der zusätzlich vorhandene Roboterarm, die Freiheitsgrade der Instrumente und die hervorragende 3D-Sicht besonders im engen Mediastinum als Vorteile bei der Operationsdurchführung.
Um eine im Vergleich zu zivilen Kliniken äquivalente chirurgische Versorgung anbieten zu können, und damit im Wettbewerb um Einweiser und Patienten zu bestehen, sind Ausbau und Förderung der roboter-assistierten Chirurgie in den Bundeswehrkrankenhäusern unerlässlich. Weiterbildungsassistenten sollte der Einstieg in die roboter-assistierte Chirurgie frühzeitig ermöglicht werden, wozu sich das Da Vinci-Operationssystem mit seinen exzellenten Übungs- und Simulationsprogrammen mit digitaler Dokumentation des Lernfortschritts hervorragend eignet.
Literatur
- Bittinger M, Geißler B, Probst A, Messmann H: S2K-Leitlinie Gastroösophageale Refluxkrankheit Definitionen. Bayerisches Ärzteblatt 2015; 10: 488-495. mehr lesen
- Díez Tabernilla M, Ruiz-Tovar J, Grajal Marino R, et al.: Paraesophageal hiatal hernia. Open vs. laparoscopic surgery. Rev Esp Enferm Dig 2009; 101(10): 706-711. mehr lesen
- Fornari F, Madalosso CA, Farre R et al.: The role of gastro-oesophageal pressure gradient and sliding hiatal hernia on pathological gastro-oesophageal reflux in severely obese patients. Eur J Gastroent Hepatol 2010; 22: 404-411. mehr lesen
- Geißler B, Anthuber M: CME-Artikel: Der Thoraxmagen. Passion Chirurgie 2023; 12: Artikel 03 - 04. mehr lesen
- Gordon C, Kang JY, Neild PJ, Maxwell JD: The role of the hiatus hernia in gastro-oesophageal reflux disease. Aliment Pharmaco Ther 2004; 20: 719-732. mehr lesen
- Hashemi M, Peters JH, DeMeester TR et al.: Laparoscopic repair of large type III hiatal hernia: objective followup reveals high recurrence rate. J Am Coll Surg 2000; 190: 553-560. mehr lesen
- Haurani C, Carlin A, Hammoud Z, et al.: Prevalence and resolution of anemia with paraesophageal hernia repair. J Gastrointest Surg 2012; 16: 1817-1820. mehr lesen
- Jansen OJ, Jansen PL: Mesh migration into the esophageal wall after mesh hiatoplasty: comparison of two alloplastic materials. Surg Endosc 2007; 21: 2298-2303. mehr lesen
- Kohn GP, Price RR, DeMeester SR, et al.: SAGES Guidelines Committee. Guidelines for the management of hiatal hernia. Surg Endosc. 2013; 27(12): 4409-28. mehr lesen
- Lee GM, Cohen A: CT imaging of abdominal hernias. American Journal of Roentgenology 1993; 161: 1209-1213. mehr lesen
- Low DE, Simchuk EJ: Effect of paraesophageal hernia repair on pulmonary function. Ann Thorac Surg 2000; 74: 333-337. mehr lesen
- Ma L, Luo H, Kou S et al.: Robotic versus laparoscopic surgery for hiatal hernia repair: a systematic literature review and meta-analysis. J Robot Surg 2023; 5: 1879 -1890.
- Oelschlager BK, Pellegrini CA: Paraesophageal hernias: open, laparoscopic, or thoracic repair? Chest Surg Clin N Am 2001; 11: 589-603. mehr lesen
- Sihvo EI, Salo JA, Rasanen JV, Rantanen TK: Fatal complications of adult paraesophageal hernia: a population-based study. J Thorac Cardiovasc Surg 2009; 137: 419-424. mehr lesen
- Werner B: Lehrbuch der F.X. Mayr-Medizin. Berlin, Heidelberg: Springer. 2019; 139-142.
- Wilhelm A, Di Nocera F, Koechlin L, Schneider R: Robot-assisted vs. laparoscopic repair of complete upside-down stomach hiatal hernia (the RATHER-study): a prospective comparative single center study. Surg Endosc 2021; 36: 480-488. mehr lesen
Bilder: Bundeswehrkrankenhaus Ulm
Manuskriptdaten
Zitierweise
Heitzmann W, Schwabe K, Beltzer C: Die roboter-assistierte Operation des Thoraxmagens Retrospektive Analyse einer Fallserie aus dem Bundeswehrkrankenhaus Ulm. WMM 2024; 68(7–8): 302-309.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-318
Für die Verfasser
Stabsarzt Wiebke Heitzmann
Bundeswehrkrankenhaus Ulm
Klinik II – Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie
Oberer Eselsberg 40, 89070 Ulm
E-Mail: wiebkeheitzmann@gmail.com
Manuscript Data
Citation
Heitzmann W, Schwabe K, Beltzer C: [Robot-assisted Repair of Complete Upside-down Stomach Hiatal Hernia Retrospective Analysis of a Case Series from the Bundeswehr Hospital Ulm]. WMM 2024; 68 (7–8): 302-309.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-318
For the Authors
Captain (MC) Wiebke Heitzmann, MD
Bundeswehr Hospital Ulm
Department II – General, Visceral and Thoracic Surgery
Oberer Eselsberg 40, D-89070 Ulm
E-Mail: wiebkeheitzmann@gmail.com