Refraktivchirurgisches Potenzial bei fliegendem Personal der Bundeswehr
Assessing the Potential for Refractive Surgery Among Bundeswehr Air Personnel
Rudolf Schimmela, Thomas Karlischekb, Diana Heringa, Frank M. Jakobsa
a Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe, Dezernat II 3c – Augenheilkunde, Köln
b Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz, Klinik IV – Augenheilkunde
Zusammenfassung
Um das Potenzial für corneale refraktivchirurgische Therapien im militärfliegerischen Dienst der Bundeswehr zu untersuchen, erfolgte eine retrospektive Datenauswertung der augenärztlich erhobenen Untersuchungsbefunde von 262 Bewerberinnen und Bewerbern für den fliegerischen Dienst in der Bundeswehr, die sich im ersten Halbjahr 2022 am Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe erstmalig vorgestellt haben.
Im Ergebnis wurden im augenheilkundlichen Fachgebiet 34 Personen und damit 13 % augenärztlicherseits als untauglich für den fliegerischen Dienst in der Bundeswehr bewertet. Ein Proband brach die Untersuchung ab. Wäre ein Zustand nach cornealer refraktivchirurgischer Behandlung im fliegerischen Dienst der Bundeswehr vorschriftenkonform zulässig, hätten bis zu 11 der 34 als untauglich bewerteten Probanden (= 32,3 %) doch noch als tauglich bewertet werden können. Ferner zeigte sich, dass insgesamt 58 der 227 als augenheilkundlich tauglich bewerteten Probanden (= 25,6 %) eine Brillenkorrektur benötigten. In Bezug auf eine durch Refraktivchirurgie zu erreichende Brillenfreiheit war feststellbar, dass 56 der 227 als tauglich bewerteten (= 24,7 %) und damit 21,4 % aller begutachteten Probanden für eine refraktivchirurgische Behandlung infrage kämen.
Zusammenfassend wären durch corneale refraktivchirurgische Maßnahmen bei gleichzeitiger Vorschriftenänderung nicht nur positive Effekte in der Nachwuchsgewinnung zu erzielen, sondern es könnte auch die Brillenabhängigkeit bei zahlreichen Luftfahrzeugbesatzungsangehörigen im militärfliegerischen Dienst der Bundeswehr reduziert werden.
Schlüsselwörter: Fliegendes Personal, Wehrfliegerverwendungsfähigkeit, Sehfehler, Refraktivchirurgie, Brille, Militärfliegerei
Summary
In order to investigate the potential for corneal refractive surgery in military aviators of the Bundeswehr, a retrospective data evaluation was carried out. The ophthalmological examination findings obtained from 262 applicants for flying duty who presented themselves for the first time at the German Air Force Center of Aerospace Medicine in the first half of 2022 were analyzed. As a result, 34 applicants (= 13 %) were assessed as unfit for military flying duty due to ophthalmological findings. One subject discontinued the examination. If a condition after refractive surgery had been permitted in the Bundeswehr military service, up to 11 of the 34 applicants (= 32.3 %) could still have been assessed as fit. Furthermore, it was found that a total of 58 of 227 applicants (= 25.6 %) who were assessed as fit required spectacle correction. In addition, 56 of the 227 applicants (= 24.7 %) and thus 21.4 % of all subjects assessed were eligible for corneal refractive surgery.
In summary, allowed refractive surgery would not only have a positive effect on the recruitment for military aviation in the Bundeswehr, but would also reduce the eyeglass-dependency of a high number of military aircrew members.
Keywords: flying personnel; fit for flying duty; visual impairment; refractive surgery; military aviation; spectacles
Hintergrund
Unter dem Begriff „Refraktivchirurgie“ werden Operationen an den Augen verstanden, welche die Gesamtbrechkraft des operierten Auges verändern und auf diesem Weg vorhandene Fehlsichtigkeiten, wie etwa Kurzsichtigkeit (= Myopie), Weitsichtigkeit (= Hyperopie), Stabsichtigkeit (= Astigmatismus) und Altersweitsichtigkeit (= Presbyopie) sowie die mögliche Kombination der genannten Sehfehler ausgleichen können. Es können somit konventionelle optische Korrekturen wie Brillen oder Kontaktlinsen ersetzt oder zumindest deren benötigte Stärke deutlich reduziert werden. Im Bereich der refraktiven Hornhautchirurgie wurden in Deutschland im Jahr 2019 rund 113 000 Eingriffe durchgeführt [3], Tendenz steigend. Die vorliegende retrospektive Studie sollte explorativ die Frage beantworten, ob und inwieweit laserchirurgische Verfahren geeignet sind, den Eignungsgrad für eine Wehrfliegerverwendungsfähigkeit von Erstbewerbern für den fliegerischen Dienst in der Bundeswehr signifikant zu beeinflussen und damit die Selektionsrate berücksichtigungsfähiger Pilotenanwärter zu steigern.
Refraktivchirurgische Verfahren
Die refraktivchirurgischen Verfahren können in intraokulare Verfahren (u. a. refraktiver Linsentausch, Implantation einer phaken Intraokularlinse (pIOL)) und in laserbasierte hornhautchirurgische Verfahren unterteilt werden (Tabelle 1).
Tab. 1: Übersicht über die refraktivchirurgischen Verfahren
Bei den Oberflächenverfahren erfolgt der refraktiv wirksame Abtrag des Hornhautgewebes mit dem Excimer-Laser direkt unter dem Hornhautepithel. Das Hornhautepithel wird vorher entweder mechanisch oder chemisch oder (wie bei der sogenannten „Trans-PRK“) mithilfe eines Lasers entfernt. Alternativ kann bei der sogenannten „LASEK“ mit einer Alkohollösung das Hornhautepithel von der Unterlage abgelöst und nach der Behandlung wieder zurückgeschoben werden. Nach dem Laserabtrag wird bei allen Oberflächenverfahren eine therapeutische Kontaktlinse eingelegt, unter der innerhalb von 3 bis 5 Tagen die corneale Epithelschicht vom Limbus corneae her nachwächst. Innerhalb von 7 bis 10 Tagen kann wieder ein voller Visus erreicht werden. Abbildung 1 zeigt schematisch das PRK-Verfahren.
Abb. 1: Schematische Darstellung einer (transepithelialen) PRK bei Myopie (© R. Schimmel, 2024)
Die Kombination eines lamellären stromalen Hornhautschnittes mit einer anschließenden Excimer-Laser-Ablation wird als Laser-in-situ-Keratomileusis (LASIK) bezeichnet. Hierbei wird mit einem Mikrokeratom (= LASIK) oder einem Femtosekundenlaser (= Femto-LASIK) eine dünne Hornhautlamelle (Flap) geschnitten und zur Seite geklappt. Im Unterschied zu den Oberflächenbehandlungen erfolgt der nachfolgende Laserabtrag mittels Excimer-Laser in einer tieferen Hornhautschicht, dem vorderen Stroma. Nach dem Abtrag wird der Flap an seine ursprüngliche Stelle zurückgeklappt, wo er infolge von Adhäsionskräften und dem Pumpeffekt des Endothels selbstständig an der Hornhaut anliegt. Innerhalb von 12 bis 24 Stunden wächst die induzierte Spaltbildung auf Höhe des Epithels oberflächlich zu. Innerhalb von 24 bis 48 Stunden kann wieder ein voller Visus postoperativ erreicht werden. Abbildung 2 zeigt schematisch das Verfahren einer Femto-LASIK.
Abb. 2: Schematische Darstellung einer Femto-LASIK bei Hyperopie, (© R. Schimmel, 2024)
Beim Laser-Lentikel-Extraktionsverfahren wird nur ein Femtosekundenlaser eingesetzt. Dieser führt einen Doppelschnitt innerhalb des Hornhautstromas durch und erzeugt damit ein refraktiv wirksames Gewebescheibchen, das über eine oder zwei kleine seitliche Inzisionen extrahiert werden kann. Innerhalb von 12 Stunden wächst die seitliche Inzision wieder oberflächlich zu und innerhalb von 24 bis 48 Stunden kann wieder ein voller Visus postoperativ erreicht werden. Abbildung 3 zeigt schematisch das Laser-Lentikel-Extraktionsverfahren.
Abb. 3: Schematische Darstellung eines Laser-Lentikel-Extraktionsverfahrens (© R. Schimmel, 2024)
Wehrfliegerverwendungsfähigkeit und Refraktivchirurgie
Ein Zustand nach durchgeführtem refraktivchirurgischem Eingriff schließt gemäß der aktuellen Vorschriftenlage eine Wehrfliegerverwendungsfähigkeit (WFV) der Stufen I, II und III in der Bundeswehr aus [2]. Sollte im Rahmen der Begutachtung im Dezernat II 3 c – Augenheilkunde des Zentrums für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe (ZentrLuRMedLw) oder bei einem flugmedizinischen Sachverständigen der Bundeswehr (FlMedSachvBw) ein solcher Zustand bei einem Bewerber für den fliegerischen Dienst der Bundeswehr oder bei einem aktivem Luftfahrzeugführer der Bundeswehr festgestellt werden, besteht die Möglichkeit, über ein Sondergenehmigungsverfahren in der Fachgruppe II 3 des ZentrLuRMedLw dennoch eine Verwendungsfähigkeit unter Einschränkungen und Auflagen zu erhalten. Hierzu wird nach eingehender körperlicher Untersuchung und weiterführender Diagnostik im Dezernat II 3 c sowie nach Vorlage aller bewertungsrelevanten, prä- und postoperativen augenärztlichen Befundberichte (inkl. OP-Protokoll/OP-Bericht) eine fachärztliche, schriftliche, wissenschaftlich fundierte Empfehlung erstellt, welche anschließend durch eine schriftliche Empfehlung des Leiters Klinische Flugmedizin des ZentrLuRMedLw ergänzt wird. Über die Erteilung einer Sondergenehmigung entscheidet abschließend in der nächsthöheren Instanz der Fachabteilungsleiter II des ZentrLuRMedLw.
In der derzeit gängigen Praxis sind im Rahmen einer individuellen Fallbetrachtung und Risikobewertung die PRK, die TransPRK, die LASIK, die Femto-LASIK sowie die Laser-Lentikel-Extraktionsverfahren zumeist im Rahmen des Sondergenehmigungsverfahrens genehmigungsfähig, sofern bestimmte Parameter (u. a. Visus = 1,0, normales Dämmerungs- und Blendungssehen in der Mesoptometrie, Ausschluss einer vorbestehenden Keratektasie, vom jeweiligen Luftfahrzeugtyp abhängige Hornhautmindestdicken) eingehalten werden.
Nicht genehmigungsfähig sind hingegen in der Regel der refraktive Linsenaustausch mit Implantation von multifokalen Kunstlinsen oder Linsen mit verbesserter Tiefenschärfe (sogenannte Enhanced Depth of Focus (EDOF)-Linsen) sowie ein Zustand nach Implantation einer weiteren Intraokularlinse (sogenannte phake IOL) zusätzlich zur vorhandenen körpereigenen Linse. Hauptgründe hierfür sind die postoperativ häufig auftretende Wahrnehmung von störenden Lichterscheinungen in Verbindung mit gesteigerter Blendempfindlichkeit bei Nacht und Dämmerung sowie eine reduzierte Kontrastsehschärfe. Auch das räumliche Sehen wird zum Teil herabgesetzt. Die genannten Punkte sind mit der Militärfliegerei sowie auch mit den europäischen Gesetzen und Regularien nicht vereinbar [2][5]. Bei einer implantierten phaken IOL besteht ferner in der Militärfliegerei aufgrund der Exposition gegenüber höheren G-Kräften (gravity forces) sowie stärkeren Mikrovibrationen im Luftfahrzeug zumindest theoretisch das Risiko, dass die phake IOL rotieren könnte oder es aufgrund eines Touchierens der körpereigenen Linse zur Ausbildung einer sekundären Katarakt kommen könnte.
Internationale Programme wie das WRESP-Programm der US-Streitkräfte dokumentieren, dass die Refraktivchirurgie eine zunehmende Bedeutung in der Gesellschaft sowie damit verbunden auch für (angehende) Militärangehörige erfährt. Die aktuellen refraktivchirurgischen Therapieverfahren sind mittlerweile in der Normalbevölkerung mit zunehmender Behandlungsprävalenz etabliert. Diametral dazu bestehen jedoch im militärischen Kontext häufig (ältere) Vorgaben und Vorschriften, die Ausschlüsse für (bestimmte) militärische Verwendungen definieren. Dies ist sowohl in der Bundeswehr der Fall als auch z. B. in den Streitkräften von Großbritannien, Italien und Israel. Es kann somit die Frage gestellt werden, ob nicht durch eine höhere „militärmedizinische Akzeptanz“ ein Benefit für die Streitkräfte eines Landes entstehen könnte. Das WRESP-Programm der US-Streitkräfte ist hier beispielgebend.
Material und Methoden
Um das Potenzial für refraktivchirurgische Therapien im militärfliegerischen Dienst der Bundeswehr genauer zu untersuchen, erfolgte eine retrospektive Datenauswertung der augenärztlich erhobenen Untersuchungsbefunde von 262 Bewerbern für den fliegerischen Dienst in der Bundeswehr (hier: Wehrfliegerverwendungsfähigkeit Stufe I (WFV I)), die sich im ersten Halbjahr 2022 am ZentrLuRMedLw erstmalig vorgestellt hatten. Hierbei war die Beantwortung der nachfolgenden Fragen von Interesse:
- Wie viele Probanden wurden im Fachgebiet Augenheilkunde anhand der Vorschriftenkriterien als untauglich für eine WFV I beurteilt?
- Was waren die Hauptgründe für eine Untauglichkeit im Fachgebiet Augenheilkunde?
- Wie war die Häufigkeitsverteilung eines refraktiven Korrekturbedarfs?
- Welches Laserverfahren ist am ehesten geeignet, einen vorhandenen refraktiven Korrekturbedarf hin zu einer Brillenfreiheit zu behandeln.
Im Einzelnen wurden nachfolgende Daten retrospektiv ausgewertet:
- Geschlecht,
- Alter in Jahren,
- Status (Zivilist versus Soldat),
- Kategorie des augenheilkundlichen (Haupt-)Untauglichkeitsgrundes,
- Vorhandensein einer Sehhilfe,
- sphärisches Äquivalent des rechten sowie des linken Auges in Dioptrien (dpt),
- vergebene flugmedizinische Einschränkungen und Auflagen,
- allgemeine Eignung für eine refraktivchirurgische Behandlung (in Abhängigkeit von der Refraktion, der Hornhautdicke und dem Vorhandensein ausschließender Pathologien) gemäß retrospektiver fachärztlicher Bewertung sowie
- spezielle Eignung für die Laserverfahren PRK/LASIK/Laser-Lentikel-Extraktion gemäß retrospektiver fachärztlicher Bewertung.
Bei der Beurteilung der „refraktivchirurgischen Eignung“ wurden die jeweiligen Anwendungsbereiche der Laserverfahren zugrunde gelegt, wie sie von der Kommission Refraktive Chirurgie (KRC) als gemeinsame Kommission der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) und des Berufsverbandes der Augenärzte Deutschlands (BVA) empfohlen werden [10]. Ergänzend nennt die KRC auch Grenzbereiche für jedes Verfahren, in denen das jeweilige Verfahren noch angewendet werden kann, aber mit zunehmend schlechteren Ergebnissen und häufigeren Nebenwirkungen gerechnet werden muss. Tabelle 2 stellt die Anwendungs- und Grenzbereiche dar.
Tab. 2: Übersicht über die von der KRC empfohlenen Anwendungs- und Grenzbereiche der refraktivchirurgischen Verfahren (Stand: Juni 2022; k.A.=keine Angabe)
Die Auswertung der Daten erfolgte deskriptiv. Zur Berechnung von Mittelwert und Median wurde das Excel-Add-On-Programm „Analyse-It“, Version 6.15.4 (2023), verwendet.
Ergebnisse
Die Auswertung der 262 Datensätze ergab eine Geschlechterverteilung von 251 Männern (= 95,8 %) zu 11 Frauen (= 4,2 %). Das Alter lag im Mittelwert bei 22,0 Jahren (17 bis 39 Jahre). Von den insgesamt 262 Probanden waren 153 (= 58,4 %) noch Zivilisten und 109 (= 41,6 %) bereits Soldaten. 227 Probanden (= 86,6 %) wurden augenärztlich als tauglich bewertet. 34 Personen (= 13,0 %) wurden als untauglich bewertet. Ein Proband brach während der Untersuchung die Begutachtung ab.
Die Hauptuntauglichkeitsgründe waren das Vorliegen einer Farbsinnstörung (n = 6; entspricht 17,6 %), objektive Refraktionswerte außerhalb der Vorschriftengrenzwerte (n = 6; entspricht 17,6 %), das Vorliegen eines Strabismus (n = 12; entspricht 35,3 %), ein bereits erfolgter refraktivchirurgischer Eingriff (n = 7; entspricht 20,6 %) sowie sonstige Gründe (n = 3; entspricht 8,8 %). Abbildung 4 stellt die Verteilung grafisch dar.
Abb. 4: Verteilung der Untauglichkeitsgründe
Bei 57 der 262 Probanden (= 21,8 %) war eine Brillenkorrektur vorhanden. In der Untergruppe der Soldaten (n = 109) hatten 26 (= 23,9 %) eine Dienstbrille. In der objektiven Refraktion nach medikamentöser Zykloplegie lag bei der Studienpopulation im sphärischen Äquivalent im Mittel auf beiden Augen eine mäßige Hyperopie vor (rechtes Auge: µ = 0,438 dpt, SD = 1,026, Median = 0,625 dpt; linkes Auge: µ = 0,502 dpt, SD = 1,053, Median = 0,625 dpt; vgl. Abbildung 5).
Abb. 5: Sphärisches Äquivalent des rechten und linken Auges
Flugmedizinische Einschränkungen und Auflagen, teils mit Mehrfachnennung, wurden bei 99 der 227 als augenheilkundlich tauglich bewerteten Probandinnen und Probanden (= 43,6 %) festgelegt, davon in 58 Fällen (= 25,6 %) eine allgemeine Brilleneinschränkung, in 75 Fällen eine Auflage zur Visus- und Refraktionskontrolle vor Aufnahme des fliegerischen Dienstes (= 33,0 %) sowie in 28 Fällen einen Jet-Ausschluss (= 12,3 %) aufgrund der Refraktionswerte bei notwendiger Brilleneinschränkung.
Eignung für refraktivchirurgische Behandlung
Bei der Bewertung der allgemeinen Eignung der Probandinnen und Probanden für eine refraktivchirurgische Behandlung in Abhängigkeit von der Refraktion, der Hornhautdicke und dem Vorhandensein ausschließender Pathologien gemäß fachärztlicher Bewertung zeigte sich, dass 56 der 227 als tauglich bewerteten (= 24,7 %) und damit 21,4 % aller begutachteten Probandinnen und Probanden für eine refraktivchirurgische Behandlung infrage kämen. Bei Betrachtung der als untauglich bewerteten Probandinnen und Probanden zeigte sich, dass in insgesamt 4 Fällen eine allgemeine Eignung für eine refraktivchirurgische Behandlung vorliegt. Bei insgesamt 188 der 262 begutachteten Probandinnen und Probanden (= 71,8 %) bestand kein refraktivchirurgischer Behandlungsbedarf, da entweder keine Brillenkorrektur notwendig war, bereits eine refraktivchirurgische Behandlung stattgefunden hatte oder eine sonstige okuläre Pathologie vorlag, die eine refraktivchirurgische Behandlung ausschloss oder aufgrund derer eine refraktivchirurgische Behandlung dennoch zu keiner Tauglichkeit geführt hätte (z. B. eine vorhandene Farbsinnstörung). Tabelle 3 und Abbildung 6 zeigen die weitere Verteilung.
Abb. 6: Grafiken zur allgemeinen Eignung für eine refraktivchirurgische Behandlung sowie für die einzelnen Laserverfahren
Tab. 3: Allgemeine Eignung für eine refraktivchirurgische Behandlung
Bei der Auswertung in Bezug auf das am häufigsten bzw. am besten geeignete Laserverfahren (hier: Oberflächenverfahren versus flap-bildende Verfahren versus Laser-Lentikel-Extraktionsverfahren, vgl. Abbildung 6) zeigte sich mit Mehrfachnennung für die Gesamtzahl der 262 bewerteten Fälle, dass bei 56 der als augenheilkundlich tauglich bewerteten Probanden (= 21,4 %) ein flap-bildendes Verfahren (z. B. Femto-LASIK) geeignet wäre. Ein Oberflächenverfahren (z. B. TransPRK) wäre bei 37 der als augenheilkundlich tauglich bewerteten Probandinnen und Probanden (= 14,1 %) sinnvoll gewesen. Ein Laser-Lentikel-Extraktionsverfahren wäre hingegen nur in 12 tauglichen Fällen (= 4,6 %) in Erwägung gekommen. Betrachtet man hingegen die als untauglich bewerteten Probandinnen und Probanden, so zeigte sich, dass 4 Personen (= 1,5 %) für ein flap-bildendes Verfahren und je 3 Personen (= 1,1 %) für ein Oberflächenverfahren beziehungsweise Laser-Lentikel-Extraktionsverfahren geeignet gewesen wären.
Diskussion
Sehfehler bei Bewerbern für den fliegerischen Dienst
In der vorliegenden retrospektiven Auswertung wurden im augenheilkundlichen Fachgebiet 34 Personen und damit 13 % der sich zur WFV-I-Erstbegutachtung vorstellenden Probanden augenärztlicherseits als untauglich für den fliegerischen Dienst in der Bundeswehr bewertet. Dies ist auch im internationalen Vergleich ein durchschnittliches Ergebnis. So wies eine retrospektive Datenanalyse von 3 281 Bewerbern für den fliegerischen Dienst in den israelischen Streitkräften eine medizinische Ausschlussquote von 15,8 % auf, wobei die häufigsten Ausschlussgründe mit einem Anteil von 55,0 % im augenheilkundlichen Fachgebiet lagen [7]. Hierbei war wiederum in 57,4 % der Fälle eine „unzufriedenstellende“ Sehschärfe der Grund. In einer retrospektiven Auswertung der US-Army aus den Jahren 2004 und 2011 zeigte sich, dass 16 % bzw. 17 % der Bewerber für den fliegerischen Dienst aufgrund einer Visusreduktion ausgeschlossen wurden [12].
Wenn die Zahlen in der vorliegenden retrospektiven Auswertung kritisch betrachtet werden, dann hätten bei der Begutachtung für den fliegerischen Dienst der Bundeswehr bis zu 11 der 34 als untauglich bewerteten Probandinnen und Probanden (= 32,3 %) bei anderer Vorschriftenlage mit erlaubter bzw. mit noch durchzuführender refraktivchirurgischer Behandlung doch noch als augenheilkundlich tauglich bewertet werden können. Im vorliegenden Kollektiv wären das 7 bereits extern gelaserte Probandinnen und Probanden gewesen sowie 4 weitere mit refraktivchirurgischem Behandlungspotenzial.
Laserchirurgie der Hornhaut und Militärfliegerei
Laserbasierte hornhautchirurgische Verfahren sind unter Beachtung entsprechender Regeln in der Patientenauswahl und bei der eigentlichen Therapie als sichere Verfahren anzusehen, auch für die militärische Fliegerei [1][9][15]. Eine Studie von Tanzer et al. zeigte, dass bei US Navy-Piloten nach einer LASIK in Abhängigkeit von der vorbestehenden Fehlsichtigkeit in 95,7 % bis 98,3 % der behandelten Fälle postoperativ unkorrigiert ein stabiler Visus von 1,0 oder besser erreicht werden kann [20].
Jedoch gibt es auch Hinweise auf strukturelle Veränderungen nach cornealer Refraktivchirugie, so wie es bereits diverse Studien für die Normalbevölkerung aufzeigten [19][21][22][24][25][26]. Dass eine G-Belastung im Rahmen der militärischen Fliegerei bereits bei refraktivchirurgisch unbehandelten Piloten einen Einfluss auf die optische Abbildungsqualtität der Hornhaut aufgrund entsprechender cornealer Verformung hat, zeigte eine Studie von Rauscher et al. [17]. In diesem Kontext muss kritisch hinterfragt werden, welchen Einfluss das „besondere Arbeitsumfeld“ in der Militärfliegerei hat. Dies betrifft insbesondere die Exposition eines Piloten gegenüber Mikrovibrationen, G-Belastungen und eventueller hypobarer Hypoxie in großen Höhen.
In einer Studie von Santhiago et al. [18] wurden ein intraoperativer Gewebeabtrag von mehr als 40 % der cornealen Gesamtdicke sowie eine corneale Stromarestdicke von weniger als 300 µm postoperativ als signifikante Risikofaktoren für die Entwicklung einer in der Refraktivchirurgie gefürchteten Keratektasie gefunden. Die Keratektasie bezeichnet hierbei eine fortschreitende Ausdünnung der Hornhaut mit im weiteren Verlauf kegelförmiger Verformung (Keratokonus), die aufgrund des daraus resultierenden massiven cornealen Abbildungsfehlers mit einem Visusverlust einhergehen kann.
Auch die Langzeitstabilität nach erfolgter Refraktivchirurgie muss für fliegendes Personal als militärischem „Hochwertpersonal“ adäquat abgeschätzt werden. In einer Follow-up-Studie bei mittels PRK behandelten Militärpiloten der südkoreanischen Luftwaffe konnte über einen Zeitraum von 4 Jahren eine refraktive Stabilität mit gutem Visus nachgewiesen werden [14]. Eine Studie von Godiwalla et al. zeigte ferner bei der Untersuchung von refraktivchirurgisch behandelten Veteranen der US Streitkräfte über einen Zeitraum von bis zu 17 Jahren, dass die Keratometrie im Wesentlichen stabil blieb und nur eine geringe, erneute Fehlsichtigkeitsentwicklung von rund 0,1 Dioptrien pro Jahr auftrat [6].
Brillenkorrektur
Der vorliegenden retrospektiven Auswertung ist zu entnehmen, dass insgesamt 58 der 227 als augenheilkundlich tauglich bewerteten Probanden (= 25,6 %) absehbar für die Tätigkeit im fliegerischen Dienst der Bundeswehr eine Versorgung mit (mindestens 2 dienstlich gelieferten) Fliegersonderbrillen nebst entsprechender Lichtschutzbrille benötigen. Bei der Betrachtung einer etwaigen Tauglichkeit für die Verwendung im Jet ist festzustellen, dass in 28 der genannten 58 Fälle ein Jet-Ausschluss augenärztlicherseits aufgrund der bestehenden Refraktionswerte empfohlen wurde. Auch hier besteht durch die Refraktivchirurgie ein Potenzial für die Erweiterung der Eignung in Bezug auf die Jet-Fliegerei.
Dass das Tragen einer Brillenkorrektur im militärfliegerischen Dienst als störend empfunden werden kann, zeigte eine Umfrage von Capó-Aponte et al. [4]. In der genannten Umfrage mit 976 Teilnehmenden aus dem Kreis des fliegerischen Personals der US-Army, von denen 34 % einer Brillenkorrektur benötigten, gaben rund 50 % der Brillenträgerinnen und -träger eine Unzufriedenheit mit der Brillenversorgung an, insbesondere durch eine unbequeme Fassung mit Ausbildung von störenden Druckstellen und eine Undichtigkeit der Ohrmuscheldichtung des Fliegerhelmes gegenüber Lärm. Ähnliches zeigte eine Umfrage von Partner et al. mit fehlsichtigen Luftfahrzeugbesatzungsangehörigen der britischen Royal Air Force. Hier wurde herausgearbeitet, dass zu tragende Brillen bei 83 % und Kontaktlinsen bei 67 % der Befragten zu subjektiven Problemen und Beschwerden im Flugdienst führen [16].
Fazit
Eine refraktivchirurgische Behandlung zulasten der unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung (utV) ist derzeit bis auf sehr wenige Spezialfälle nicht möglich, da sich der Leistungsumfang der utV im Wesentlichen an dem Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) und damit an den Bestimmungen des Sozialgesetzbuch V orientiert. Die Etablierung eines gesonderten, bundeswehreigenen Programms, ähnlich dem „Warfighter Refractive Eye Surgery Programm“ (WRESP) der US-Streitkräfte, erscheint aus Sicht der Autoren im Sinne einer „Kampfwertsteigerung“ für das fliegende, brillenbedürftige Personal der Bundeswehr sinnvoll zu sein. Es wären dadurch nicht nur positive Effekte in der Nachwuchsgewinnung mit Reduktion der Untauglichkeitsrate zu erzielen. Auch können die vorhandenen Luftfahrzeugbesatzungsangehörigen im fliegerischen Dienst der Bundeswehr durch eine zu erlangende Brillenfreiheit auf visueller Ebene im Sinne des „Human Performance Enhancement“ (HPE) unterstützt werden.
Literatur
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Exkurs: Das Warfighter Refractive Eye Surgery Programm (WRESP) der US-Streitkräfte
Das Warfighter Refractive Eye Surgery Programm (WRESP) der US-Streitkräfte wurde entwickelt um die Abhängigkeit der US-Soldaten von Brillen oder Kontaktlinsen in rauen und extremen Umgebungen und Einsatzgebieten zu reduzieren [11][13][23]. Ziel des Programms war und ist eine Verbesserung der Einsatzbereitschaft und zugleich eine Erhöhung der Kampfkraft. Das Programm wurde im Jahr 2001 ursprünglich für Spezialkräfte sowie andere Kampftruppengattungen der US-Streitkräfte entwickelt, im Laufe der Zeit jedoch wurde das Programm für alle aktiven US-Soldaten, einschließlich des fliegenden Personals, geöffnet. Bis 2022 wurden mehr als 750 000 refraktivchirurgische Eingriffe in 26 militärischen Augenzentren durchgeführt, vorrangig wurden hierbei die PRK und die LASIK durchgeführt. Jedoch sind mittlerweile auch Laser-Lentikel- Extraktionsverfahren, der refraktive Linsentausch sowie die Implantation phaker Intraokularlinsen in das Programm aufgenommen worden. Derzeit haben alle US-Soldaten im aktiven Dienst, einschließlich der aktivierten Nationalgarde und der aktiven Reserve aller Teilstreitkräfte, Anspruch auf eine refraktive Operation im Rahmen des WRESP-Programms, wenn sie die folgenden Kriterien erfüllen:
- Genehmigung durch den kommandierenden Offizier.
- Bei Angehörigen der US Air Force: Vorstellung in einer optometrischen Klinik der Air Force.
- Keine Abhängigkeit entgegenstehender Personalmaßnahmen, wie z. B. zeitnahe Auslandsverwendungen, Ausbildungen, militärische Begutachtungen.
- Mindestens 6 Monate (hier: US Army, US Air Force) bzw. 12 Monate (hier: US Navy, US Marine Corps, Reservisten) verbleibende Dienstzeit im aktiven Dienst ab dem Datum der Operation.
- Augenuntersuchung innerhalb der letzten 24 Monate vor der Antragsstellung bei einem Optometristen, bei der die Einhaltung bestimmter augenheilkundlicher Kriterien überprüft wird.
In einer retrospektiven Auswertung von 16 000 im Rahmen des WRESP-Programms refraktivchirurgisch behandelten US-Soldaten zeigte 2005 eine Arbeitsgruppe aus dem Walter Reed Army Medical Center um Hammond et al., dass das Programm zu hervorragenden Ergebnissen geführt hat und die allgemeine Einsatzbereitschaft verbessert wurde [8]. Berichte über einen gestörten Blendvisus, über postoperative LASIK-Flap-Verschiebungen und trockene Augen waren selten und schienen keine signifikanten negativen Auswirkungen auf die militärischen Operationen oder die individuelle Einsatzbereitschaft der Soldaten gehabt zu haben.
Da zunächst auch in den US-Streitkräften ein Zustand nach durchgeführter Refraktivchirurgie ein Ausschlusskriterium für den fliegerischen Dienst war, zeigte eine retrospektive Auswertung einer Arbeitsgruppe um McClellan et al. im Jahr 2014, dass die Änderungen der den Flugdienst betreffenden Richtlinien mit nun erlaubter Durchführung von refraktivchirurgischen Eingriffen dazu geführt hatte, dass eine größere Anzahl von Bewerberinnen und Bewerbern für den Flugdienst die Anforderungen an die Sehschärfe erfüllen konnte [12]. Es konnte ferner auch die Bewerberzahl im Rahmen der Nachwuchsgewinnung gesteigert werden.
Manuskriptdaten
Zitierweise
Schimmel R, Karlischek T, Hering D, Jakobs FJ: Refraktivchirurgisches Potenzial bei fliegendem Personal der Bundeswehr. WMM 2024; 68(7-8): 334-342.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-320
Für die Verfasser
Oberfeldarzt Dr. Rudolf Schimmel
Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe
Dezernat II 3 c Augenheilkunde
Flughafenstraße 1, 51147 Köln
E-Mail: rudolfschimmel@bundeswehr.org
Manuscript data
Citation
Schimmel R, Karlischek T, Hering D, Jakobs FJ: [Assessing the Potential for Refractive Surgery Among Bundeswehr Air Personnel]. WMM 2024; 68(7-8): 334-342.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-320
For the Authors
Lieutenant Colonel (MC) Dr. Rudolf Schimmel
Air Force Centre of Aerospace Medicine
Section II 3 c – Ophthamology
Flughafenstraße 1, D-51147 Köln
E-Mail: rudolfschimmel@bundeswehr.org
How to Deal with Radioactively Contaminated Casualties:
Binational Practical Exercises at the Instruction Military Hospital Clermont-Tonnerre in Brest (France)
Umgang mit radioaktiv kontaminierten Verletzten: Binationale Übung im Lehrkrankenhaus Clermont-Tonnerre in Brest (Frankreich)
Robert M. Hermanna, Gunnar Albertsenb, Marie-Dominique Colasc, Fabrice Entined, Joseph Pahlkeb, Johan Schmitte, Chloe Thille, Heinrich Weßlingb
a Center for Radiotherapy and Radiooncology Bremen and Westerstede, Westerstede, Germany
b Bundeswehr Hospital Westerstede, Westerstede, Germany
c Military Teaching Hospital Sainte Anne, Toulon, France
d Ile Longue Submarine Base, Medical Service, Brest, France
e Military Teaching Hospital Clermont Tonnerre, Brest, France
Summary
Given the ongoing risk of terrorist attacks and the changing emphasis of the Bundeswehr Medical Service‘s mission toward scenarios of national and alliance defense, particularly under the impression of the war in Ukraine, the need for concepts for dealing with nuclear emergencies is increasingly moving into the focus of attention.Since 2017, the Bundeswehr Hospital in Westerstede has been cooperating with the French Military Hospital in Brest (HIA Clermont Tonnere), which has had such a concept for a long time. One of its purposes is to serve as the reference hospital for a nuclear submarine base in Finistère. In 2023, a delegation of the Bundeswehr Hospital in Westerstede took part in one of the regular exercises organized by its French partner clinic. This report, written by participants from both nations, is intended to present the basic principles of the Brest concept and allow conclusions to be drawn for the practice of German military hospitals.
Keywords: exercise; radioactive contamination; injured patients; hospital; French-German cooperation; Bundeswehr
Zusammenfassung
Angesichts der vielfältigen Bedrohungslagen durch das fortdauernde Risiko terroristischer Anschläge sowie insbesondere auch vor dem Hintergrund der sich wandelnden Akzentuierung des Auftrags des Sanitätsdienstes hin zu Szenarien der Landes-/Bündnisverteidigung (LV/BV) im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg rückt zunehmend auch die Notwendigkeit von Konzepten zum Umgang mit nuklearen Notfällen in den Fokus der Aufmerksamkeit. Das Partnerkrankenhaus des Bundeswehrkrankenhauses Westerstede in Brest (HIA Clermont-Tonnere) verfügt als Referenzkrankenhaus des nuklearen U-Bootstützpunktes in Finistère seit langem über ein solches Konzept. Im Jahr 2023 nahm deshalb eine Delegation aus Westerstede an einer der regelmäßig stattfindenden Übungen ihrer französischen Partnerklinik teil. Dieser von Teilnehmenden aus beiden Nationen verfasste Bericht soll die Grundzüge des Brester Konzeptes darstellen und Schlussfolgerungen auch für die Praxis der Bundeswehrkrankenhäuser erlauben.
Schlüsselwörter: Übung, radioaktive Kontamination, Verletzte, Krankenhaus, Deutsch-Französische Zusammenarbeit, Bundeswehr
Introduction
In the context of national preparedness regarding the defense against terrorism and especially the current military confrontation in Ukraine, planning and practicing the handling of patients in case of nuclear incidents is an important issue, especially for healthcare facilities of the Armed Forces.
The German Strahlenschutzkommission (Radiation Protection Commission) has published comprehensive and far-reaching considerations for dealing with such a prospect, which are regularly revised and expanded [1]. Due to its extensive use of civilian and military nuclear energy, France has considerable practical experience, especially in dealing with contaminated persons and casualties. To learn from the French preliminary considerations and exercises, a delegation from the Bundeswehr Hospital in Westerstede has joined the French partner hospital Clermont-Tonnerre (Hôpital d’Instruction des Armées Clermont-Tonnerre, HIACT) during a regular training exercise for nuclear emergencies.
Primary considerations on the role of the HIACT military hospital in the event of a nuclear incident
The HIACT is centrally located in Brest. Within 20 minutes driving distance, there is a large university hospital and a smaller facility specializing in oncological therapies.
The 200-bed hospital provides the following disciplines in cooperation with other facilities: anesthesia, intensive care, orthopedics, visceral surgery, dermatology, radiology, internal medicine, rehabilitation medicine, neurology, ophthalmology, and psychiatry.
The most crucial nuclear threat scenarios are assumed to be a reactor accident (either in a submarine in port or in a neighboring nuclear power plant), an accident during the loading of ballistic missiles and unconventional radioactive explosive devices in the context of terrorist attacks.
The central feature of these scenarios is the radioactive contamination of affected or injured persons, with external contamination likely to be in the foreground, at least initially. On the other hand, exposure of those affected to high doses of ionizing radiation during the acute event is unlikely. Accordingly, a significant incidence of persons with an “acute radiation syndrome” (ARS) is not to be expected. If, however, this situation occurs, the French Defense Radiation Protection Service (SPRA), located at the Percy military hospital near Paris, can quickly provide its expertise (the priority in this case is diagnostic, not therapeutic). France has decontamination facilities for injured people and uninjured people in relative emergencies. These may be mobile capacities or fixed infrastructures distributed across French territory within sites affected by nuclear risk: submarine bases, nuclear air bases, nuclear power plants, etc. HIACT has a treatment center for radio-contaminated injured people – CTBRC. Its role is to take priority care of radio-contaminated injured people in an absolute emergency.
Due to the medical-surgical urgency, the rescue service evacuates the injured from the danger zone without decontaminating. Furthermore, due to the hospital’s central location, a direct influx of patients on their own initiative without preselection by the rescue services is expected. Thus, the HIACT must also be able to care for patients in relative emergencies or uninjured people.
Practical solutions at the HIACT
After the hospital has been alerted and the hospital management has triggered a corresponding plan, several processes take place simultaneously to make the hospital ready to receive patients within 60 minutes:
A) Activation of the crisis team, which takes care of the general situation assessment, coordinates and maintains contact with the external agencies (rescue coordination center, etc.), and secures the hospital externally.
B) Activation of the coordination center, which coordinates internal processes. Utilizing the available structural and personnel capacities is continuously monitored to identify bottlenecks early and provide relief where possible. The care paths of the individual patients are controlled here.
C) Providing capacities by clearing (and refitting) the operating theater designated for caring for contaminated casualties as quickly as possible and discharging all dischargeable patients from the wards. After completion of the ongoing operation, this means, in addition to cleaning, clearing the room, covering large areas of the floors and walls with vinyl sheeting, packing the anesthesia equipment and the operating theatre lights, and bringing in a trolley specially designed for this scenario, which contains both anesthesiologic and surgical supplies (this is intended to limit the effort required for the subsequent cleaning) (figure 1). A decontamination station is prepared under the same conditions for postoperative decontamination in an adjacent room (figure 2).
Figure 1: View of the operating theatre prepared with vinyl sheets. The anesthesia machine and the operating theatre lights are also protected with foil. The patient’s clothing was removed before the operation.
Figure 2: After surgical stabilisation, the patient is completely decontaminated. This takes place on a washing stretcher with controlled water drainage.
D) The main entrance of the hospital is blocked. Instead, a side entrance is opened after police forces have secured the approaching road. This allows access to the hospital to be structured and regulated.
E) A triage tent is set up and equipped in a larger space at this side entrance. The main task of the triage station is to assess whether the patients are stable enough for decontamination, which takes about 45 min, or whether they must be transferred directly to the shock room or the operating theatre. Here, the patients are assigned an identification number for a file/documentation (until the personal data can be collected in the further course). In addition, the first rough cleaning of wounds (including local decontamination), stopping substantial bleeding, and, if necessary, orienting ultrasound diagnostics of the internal organs occur here. Medical and surgical emergencies always take priority over radiological risk. Patients are equipped with bonnets and masks to reduce the risk of internalizing external contamination.
F) The decontamination tent is erected at approximately 20 meters from the triage tent with a washing line for lying patients (removal of clothing, washing, drying, measuring of radioactivity). At the same time, a station for decontaminating the staff is also set up. In addition to heated water, a continuous supply of air and suction with filtering is provided. Decontaminated patients can be introduced into normal hospital operations without further protective measures.
G) Commissioning of a permanently maintained shock room with two beds. Here, too, there is the possibility of decontamination after medical stabilization.
H) The CT scanner and CT room are lined with vinyl; in addition, radioactively contaminated patients use all routes and means of transport (patient transport vehicles) (Figures 3 and 4). This is important because the shock room, operating theatre, and CT are located within the hospital buildings. The vinyl linings are intended to simplify the subsequent decontamination of the premises as much as possible.
Figure 3: CT Scanner and floor of the CT room covered with vinyl sheets
Figure 4: Transport vehicle, prepared with a vinyl coverage for transport of contaminated patients
Basic Decontamination Procedure
Medical emergencies always take precedence over the treatment of radioactive contamination. The risk to staff from radiation emitted by the contaminated casualties is very low if appropriate protective clothing is worn and incorporation is avoided [1].
The assisting personnel’s protective clothing also complies with German specifications, including an FFP2 mask, protective goggles, a liquid-tight full-body protective suit, gloves, and overshoes [2]. An apron is also worn for rinsing activities. A second pair of gloves is worn if a change of gloves is foreseeable. Surgeons can operate in their usual surgical clothing (with protective goggles). A contaminated-to-clean ratio of 2/2 to 3/1 is applied for staff working directly on contaminated patients.
The recommendations described for Germany are also applied in France [2]. Three primary rules are followed:
- External contamination should be limited to the affected area as far as possible.
- External contamination should not be internalized.
- Treatment of internal contamination as soon as medically possible.
Patients arriving at the hospital are first equipped with surgical caps and FFP2 masks if this has not already been done in the ambulance service and if the injury pattern allows.
The surrounding areas of open wounds are cleaned, and the wounds themselves are cleaned with swabs soaked in the complex formulation calcium trisodium penetrate (Ca-DTPA) and then dressed. If there is further activity after the patient has been decontaminated, surgical wound cleansing should be attempted.
To avoid the accidental spreading of contaminated liquids, all decontamination work is carried out in “tub beds” with drainage to collect and bind the liquids with super-absorbents. In addition, after each contact with the contaminated person, gloves must be changed before touching a not contaminated or already decontaminated surface.
The removal of the patient’s clothing is crucial for reducing external contamination. Just this measure alone reduces radiation exposure by about 80 %.
To counteract internal contamination, a broad therapy with calcium-trinatrium-pentetat (Ca-DTPA) and Prussian blue is initiated for each patient as soon as medically possible for decorporation if no information on the exact composition of the contamination is available. After receiving the radiotoxicological results of the clothing and smears, the therapy can be adjusted accordingly. Furthermore, the availability of whole-body dosimetry with anthroporadiometry in the neighboring harbor area is useful in order to prove or exclude incorporation individually and to react adequately therapeutically.
Other Important Aspects
The “undressing,” “washing,” and “drying/measuring” groups working in decontamination generally consist of five people each. Four of them work directly with the patient, while a team leader monitors the procedures and helps to avoid mistakes at an early stage. The background is the “tunnel vision” of the individual helpers that sets in after a short time in protective clothing. During the coronavirus pandemic, walkie-talkies and the hospital’s internal telephone network proved helpful for communication between the coordination center and the individual supply points. This enabled direct and simultaneous consultation between several affected units without any problems.
A decisive factor in successfully implementing the plans in a crisis scenario is regularly practicing the procedures after the alarm has been raised. This takes place at HIACT every six months.
The necessary material (up to the cut and numbered vinyl tarpaulins) is placed in prepared and labeled boxes and stored as close as possible to the respective location of use. The use of the contents is illustrated as vividly as possible on richly illustrated laminated sheets. The hospital pharmacy continuously monitors the contents for expiry. The soldiers and staff of the hospital practice the use of alternating roles to gain experience in as broad a spectrum as possible and to be able to represent all roles independently of the duty roster, even during holidays or weekends.
Takeaway Message
- The analysis of the nuclear threat scenario for the French region of Finistère identifies reactor accidents, nuclear weapons accidents, and unconventional radioactive devices in the event of terrorist attacks as the main risks.
- To be prepared for such a situation, HIACT has undertaken detailed planning as a CTBRC with focus on caring for injured patients with radioactive contamination.
- The preparation of the hospital, including the setting up of triage and decontamination tents, is practiced every six months. Special attention is given to caring for contaminated patients in the shock room, CT, and OR.
- This example of planning, practice, and stockpiling should be a model for Bundeswehr Hospitals, which should push ahead with planning and exercises in emergency radiation medicine.
Literature
- Murakawa M: Anesthesia department preparedness for a multiple-casualty incident: lessons learned from the Fukushima earthquake and the Japanese nuclear power disaster. Anesthesiol Clin 2013; 31(1): 117-125. mehr lesen
- Strahlenschutzkommission: Strahlennotfallmedizin - Handbuch für die medizinische Versorgung und Ausbildung. Version 28.08.2022. , last assessed 10 July 2023. mehr lesen
Quelle für alle Bilder: R. M. Herrmann, Westerstede
Manuscript Data
Citation
Hermann RM, Albertsen G, Colas MD, Entine F, Pahlke J, Schmitt J, Thill C, Weßling H: How to deal with radioactively contaminated casualties – binational practical exercises at the Military Hospital Clermont- Tonnerre in Brest (France). WMM 2024; 68(7-8): 343-347.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-319
For the Authors
Commander (MC Navy Res) Prof. Dr. Robert M. Hermann, MD
Center for Radiotherapy and Radiooncology Bremen and Westerstede,
Mozartstrasse 30, 26655 Westerstede
E-Mail: hermann@strahlentherapie-nord.com
Manuskriptdaten
Zitierweise
Hermann RM, Albertsen G, Colas MD, Entine F, Pahlke J, Schmitt J, Thill C, Weßling H: [Umgang mit radioaktiv kontaminierten Verletzten: Binationale Übung im Lehrkrankenhaus Clermont-Tonnerre in Brest (Frankreich)]. WMM 2024; 68(7-8): 343-347.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-319
Für die Verfasser
Flottillenarzt d. R. Prof. Dr. Robert M. Hermann
Zentrum für Strahlentherapie und Radioonkologie Bremen and Westerstede,
Mozartstrasse 30, 26655 Westerstede