Strukturierte Erfassung, Auswertung und Interpretation von potenziell belastenden Dienstbedingungen während der NATO-Übungen Steadfast Jupiter 2023 (STJU23) und Loyal Leda 2024 (LOLE24)
Structured Assessment, Evaluation, and Interpretation of Potentially Stressful Service Conditions During the NATO Exercises Steadfast Jupiter 2023 (STJU23) and Loyal Leda 2024 (LOLE24)
Felix Weinreicha, Lisa Geerkensa, Philipp Georg Schnadthorsta
a 1. Deutsch-Niederländisches Korps, Abteilung GMed Deutscher Anteil, Münster,
Zusammenfassung
Multinationale Soldatinnen und Soldaten des I. Deutsch-Niederländischen Korps (1GNC) sind während NATO-Übungen wie Steadfast Jupiter 2023 (STJU23) und Loyal Leda 2024 (LOLE24) potenziellen psychischen Belastungen ausgesetzt. Die Analyse belastender Faktoren ist entscheidend für Einsatzbereitschaft und psychische Gesundheit, was das Thema für die wehrmedizinische Forschung relevant macht. In zwei anonymisierten Kohortenstudien wurden die dienstbedingten Belastungen der Soldatinnen und Soldaten mithilfe des angepassten Culture of Care Barometers (aCoCB) vor und nach den Übungen erfasst. Der Fragebogen berücksichtigt die spezifischen Bedingungen der militärischen Umgebung und bewertet die Dienstbedingungen in vier Kategorien: (1) organisationale Unterstützung, (2) Teamunterstützung und Teamleitung, (3) Beziehungen zu Kameraden und (4) dienstbezogene Einschränkungen.
Die Ergebnisse zeigen markante Veränderungen in den Bereichen zwischenmenschlicher Beziehungen und Dienstumfeld. Insbesondere bei LOLE24 sind stärkere Schwankungen in der Wahrnehmung der Dienstbedingungen festzustellen, was auf die variable Infrastruktur und die eingeschränkte Kommunikation zurückgeführt werden kann. Die Faktoren Teamunterstützung und kameradschaftliche Beziehungen wurden während der Übung LOLE24 als belastender empfunden. Die gewonnenen Erkenntnisse liefern wertvolle Hinweise für die militärische Führung. Eine stärkere strukturelle und kommunikative Unterstützung sowie die Optimierung der Dienstbedingungen können langfristige psychische Auswirkungen auf die Soldatinnen und Soldaten verringern und ihre Resilienz nachhaltig stärken.
Schlüsselwörter: NATO-Übungen, psychische Belastungen, Culture of Care Barometer, Resilienz, Dienstbedingungen
Summary
Multinational soldiers of the I. German-Netherlands Corps (1GNC) are exposed to potential psychological stressors during NATO exercises, such as Steadfast Jupiter 2023 (STJU23) and Loyal Leda 2024 (LOLE24). The analysis of adverse factors is crucial for operational readiness and mental health, making this topic particularly relevant for military medical research. In two anonymized cohort studies, the duty-related stress of soldiers was assessed before and after the exercises using the adapted Culture of Care Barometer (aCoCB). The questionnaire accounts for the specific conditions of the military environment and evaluated service conditions in four categories: (1) organizational support, (2) team support and leadership, (3) relationships with comrades, and (4) work-related constraints. The findings show changes in interpersonal relationships and the work environment. In particular, LOLE24 shows more significant variability in the perception of service conditions, which may be attributed to the infrastructure and limited communication. Team support and collegial relationships are perceived as particularly challenging during the exercises. These insights provide valuable guidance for military leadership. Enhanced structural and communicative support and optimized service conditions can reduce long-term psychological impacts on soldiers and sustainably strengthen their resilience.
Keywords: NATO exercises; psychological stress; Culture of Care Barometer; resilience; service conditions
Einleitung
Die geopolitischen Spannungen und sicherheitspolitischen Herausforderungen der letzten Jahre haben eine strategische Neuorientierung der Bundeswehr und der NATO eingeleitet: Die sogenannte „Zeitenwende“, welche den Fokus von Stabilisierungsoperationen in Krisenregionen zurück zur Landes- und Bündnisverteidigung gemäß Artikel-5-Szenarien lenkt. In diesem Kontext gewinnt die NATO als Verteidigungsbündnis an Bedeutung. Multinationale Einheiten und Kommandos wie das I. Deutsch-Niederländische Korps (1GNC), ein schnell verlegbares NATO-Hauptquartier (HQ), unterliegen dabei besonderen Anforderungen: Die Soldatinnen und Soldaten müssen neben ihrer fachlichen Expertise eine hohe mentale Durchhaltefähigkeit, Flexibilität und Resilienz aufweisen, um den komplexen und oft psychisch belastenden Einsatzbedingungen gerecht zu werden.
Diese Belastungen resultieren nicht nur aus langen Einsätzen unter extremen Bedingungen, sondern auch aus der Interaktion mit Soldatinnen und Soldaten verschiedener Nationen, der Anpassung an wechselnde Befehlsketten und kulturelle Unterschiede innerhalb der NATO. Ein Schlüsselfaktor für die langfristige Einsatzbereitschaft und psychische Gesundheit der Soldatinnen und Soldaten ist ihre Resilienz. Sie ist die Fähigkeit, sich mental und emotional an stressige Einsatzbedingungen anzupassen und davon zu erholen. Negative Auswirkungen auf die Resilienz können die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen und sogar zu langfristigen psychischen Belastungen führen [6][12][13].
Um das Risiko für solche Belastungen zu mindern, bedarf es einer soliden und wissenschaftlich fundierten Erfassung und Analyse der besonderen Anforderungen, die im Rahmen multinationaler Übungen und Einsätzen auftreten können. Das Ziel dieser Arbeit ist die systematische Erfassung von Dienstbedingungen, die die psychische Gesundheit der Soldatinnen und Soldaten beeinträchtigen könnten. Darauf aufbauend sollen die gewonnenen Erkenntnisse von belastenden Einflüssen und mögliche Optimierungsansätze praxisnah und zielgerichtet an die militärische Führung vermittelt werden.
Methodik
Diese Arbeit wurde als anonymisierte, beobachtende Kohortenstudie durchgeführt, um die potenziell belastenden Dienstbedingungen multinationaler Soldatinnen und Soldaten während NATO-Übungen zu erfassen und zu analysieren. Die zwei zentralen NATO „Command-post exercises“ (CPX), Steadfast Jupiter 2023 [15] und Loyal Leda 2024 [3] dienten als Grundlage für die Datenerhebung. Während einer CPX wird das Personal eines Stabes und deren Unterstützungseinheiten in einen einsatzähnlichen Zustand versetzt, um die kritischen Funktionen und Abläufe eines Kommandostabes zu üben. Die genannten Übungen wurden aufgrund ihres multinationalen Charakters und ihrer intensiven Anforderungen an die beteiligten Soldatinnen und Soldaten von 1GNC ausgewählt. Die Vorgehensweise und Ergebnisse der Beobachtung zu STJU23 sind bereits veröffentlicht [14]. In dieser Arbeit werden die Dienstbedingungen der Soldatinnen und Soldaten in den Übungen STJU23 und LOLE24 untersucht, die unterschiedlich lokalisiert, jedoch jeweils repräsentativ für die Einsatzbedingungen von 1GNC stehen. Die Übung STJU23 fand in einem NATO-Bunker statt, wodurch der Zugang zu Freiraum und die Verbindung zu Familienangehörigen erheblich eingeschränkt war. Ein kleiner Teil der Soldatinnen und Soldaten verblieb im HQ in Münster und nahm von dort aus an der Übung teil. Die Soldatinnen und Soldaten leisteten ihren Dienst in verlängerten Tag-Schichten ab (10–12 Stunden), um die Übungsherausforderungen zu erfüllen. Im Gegensatz dazu wurden während der Übung LOLE24 in Tschechien Kommandoposten an zwei separaten Standorten eingerichtet, die sowohl aus Zeltlagern im Freien als auch aus fester Infrastruktur bestanden. Auch hier wurde in verlängerten Tag-Schichten gedient. Trotz des Zugangs zum Freien blieb die Konnektivität eingeschränkt, was den Kontakt zur Außenwelt ebenfalls erschwerte. In beiden Übungen erfüllte 1GNC den Auftrag eines Korps-HQ, mit der Auswertung von Truppenbewegungen, der Kurz- und Langzeitplanung zur Erstellung von Befehlen und Koordinierung der unterstellten Landstreitkräfte.
Die Daten wurden aus den in den Übungen involvierten Soldatinnen und Soldaten von 1GNC generiert. Eine freiwillige Teilnahme war für alle Interessierten möglich, wobei sichergestellt wurde, dass Soldatinnen und Soldaten unterschiedlicher Nationalitäten und Dienstgrade vertreten waren. Somit wurden die Vielfalt und multinationale Zusammensetzung des Korps repräsentiert. Insgesamt wurden alle Freiwilligen zu zwei Zeitpunkten befragt: unmittelbar vor Beginn der jeweiligen Übung und nach deren Abschluss. Die Befragung erfolgte durch einen validierten, an den militärischen Sprachgebrauch angepassten Fragebogen, um Veränderungen in der Wahrnehmung der Dienstbedingungen und Belastungen zu erfassen.
Culture of Care Barometer
Das Culture of Care Barometer (CoCB) wurde als Instrument verwendet, um die Arbeitsplatzbedingungen systematisch zu bewerten und Ansatzpunkte für die Optimierung von Arbeitsprozessen zu identifizieren [7]. Der Fragebogen umfasste 30 Fragen, deren Antworten auf einer fünfstufigen Likertskala von „stimme überhaupt nicht zu“ (1) bis „stimme voll und ganz zu“ (5) bewertet wurden. Dieses diagnostische Selbstbewertungsinstrument, das ursprünglich für Benchmarking und die Erkundung von Aspekten der Fürsorgekultur in zivilen Organisationen entwickelt wurde, wurde speziell für den militärischen Kontext des 1GNC angepasst. Begriffe wie „co-workers“ und „colleagues“ wurden durch „comrades“ ersetzt. Zusätzlich wurden Begriffe wie „line manager“ und „managers“ in „superior“ und „flag officers“ umgewandelt. Diese Anpassungen sorgten dafür, dass der Fragebogen stärker mit der spezifischen Dienstkultur und den Bedingungen im 1GNC übereinstimmt, wodurch die Antworten präziser wurden.
Das aCoCB umfasste Fragen, die Aspekte der Dienstplatzkultur, Unterstützung im Team und wahrgenommener organisatorischer Fürsorge abdeckten.
Die Fragen im aCoCB waren gemäß einem vordefinierten Protokoll vier Faktoren zugeordnet, die als zentrale Bereiche der Dienstbedingungen gelten [7]:
Faktor 1 – Organisationale Unterstützung
Umfasste Fragen zur allgemeinen Unterstützung und Fürsorge, die die Soldatinnen und Soldaten durch die Organisation erfahren [8]. Beispiel: „I am able to influence how things are done in this organisation.“
Faktor 2 – Teamunterstützung und Teamleitung
Dieser Faktor enthielt Fragen, die auf die Zusammenarbeit und Unterstützung innerhalb der Teams und der Führung abzielten, da kameradschaftliche Beziehungen und ein positives Dienstumfeld wichtige Elemente zur Stressreduktion darstellen [11]. Beispiel: „My superior gives me constructive feedback.“
Faktor 3 – Beziehungen zu Kameraden und Kollegen
Hier werden Fragen gestellt, die auf die zwischenmenschlichen Beziehungen, insbesondere die Wahrnehmung von Fairness und gegenseitigem Respekt, abzielen. Beispiel: „When things get difficult, I can rely on my comrades.“
Faktor 4 – Dienstbezogene Einschränkungen
Dieser Faktor umfasst die notwendigen Rahmenbedingungen wie verfügbare Zeit, ausreichende Ressourcen und klare Zielvorgaben, die erforderlich sind, um den Auftrag erfolgreich auszuführen [4]. Beispiel: „I have the resources I need to do a good job.“
Gewichtung der Faktoren
Jeder Faktor ist mit einer Gewichtung versehen, welche auf der Validierung des ursprünglichen CoCB und auf der vermuteten Bedeutung für die Gesamtbelastung der Soldatinnen und Soldaten basiert [7]. Items zur organisationalen Unterstützung und Teamunterstützung sind dabei höher gewichtet, da diese Aspekte nachgewiesenermaßen einen stärkeren Einfluss auf die psychische Gesundheit haben [5].
Durch die Methodik der anonymisierten Kohortenstudie, die Befragungen vor und nach den Übungen, sowie die gewichtete Faktoranalyse des aCoCB konnte die Studie differenzierte Einblicke in die potenziell belastenden Dienstbedingungen der Soldatinnen und Soldaten gewinnen.
Ergebnisse
Die Rücklaufquote der Befragungen unterschied sich zwischen den beiden Übungen mit 34,8 % für STJU23 und 21,6 % für LOLE24. Diese Rücklaufquoten beeinflussten die Aussagekraft der Ergebnisse, insbesondere für LOLE24, da eine geringere Rücklaufquote die Repräsentativität einschränkt.
Die durchschnittlichen Werte für beide Übungen lagen nahe beieinander, jedoch ergaben sich geringfügige Unterschiede: Für STJU23 betrug der Mittelwert vor und nach der Übung 3,84 und 3,81, für LOLE24 lagen die entsprechenden Werte bei 3,89 und 3,81. Die Mediane zeigten bei STJU23 einen leichten Rückgang von 3,83 auf 3,77, während sie bei LOLE24 von 3,88 vor der Übung auf 3,86 danach sanken. Diese Abweichungen deuten darauf hin, dass sich die allgemeine Einschätzung der Dienstbedingungen vor und nach beiden Übungen nur marginal verändert hat, wobei die Variabilität bei LOLE24 durch eine leicht höhere Standardabweichung auf eine breitere Streuung der Wahrnehmungen hinweist (Abbildung 1).
Abb. 1: Statistische Kennwerte für STJU23 und LOLE24, jeweils vor und nach der Übung
N: Anzahl; M: Mittelwert; MD: Median; SD: Standardabweichung
Die in Abbildung 2 dargestellte Faktorenanalyse des aCoCB für die beiden Übungen zeigte unterschiedliche Veränderungen in den vier analysierten Faktoren.
Für Faktor 1 (organisationale Unterstützung) und Faktor 2 (Teamunterstützung) fanden sich geringe Änderungen in den Mittelwerten, wobei die Standardabweichungen eine moderate Streuung aufwiesen, was auf eine relativ konstante Wahrnehmung der Unterstützung hindeutete. Faktor 3 (Beziehungen zu Kameraden) zeigte jedoch stärkere Schwankungen auf, insbesondere bei LOLE24, was möglicherweise durch die variierenden Bedingungen und die Herausforderungen bei der Kommunikation beeinflusst wurde. Für den Faktor 4 (dienstbezogene Einschränkungen) fand sich bei LOLE24 eine leicht höhere Variabilität, was auf verschiedene Belastungen durch die Dienstumgebung hinweisen könnte.
Abb. 2: Ergebnisse der Faktoranalyse des aCoCB für STJU23 und LOLE24, jeweils vor und nach der Übung
N: Anzahl; M: Mittelwert; MD: Median; SD: Standardabweichung; ρ: Spearman-Korrelationskoeffizient, p: Signifikanzwert
Für die Übung STJU23 zeigten die Antworten insgesamt positive Einschätzungen: Die Mittelwerte der Fragebögen zu beiden Befragungszeitpunkten lagen mit 3,84 und 3,81 sehr nah beieinander. Hierbei wurden 46,7 % der Fragen ohne Veränderungen beantwortet (Differenz < ±0,05), 43,3 % zeigten eine Verschlechterung und 10 % eine Verbesserung. Eine detaillierte Tabelle hierzu finden Sie in der e-Paper-Version dieses Beitrags. Dieses Muster deutete darauf hin, dass sich während der Übung STJU23 die wahrgenommene Belastung und Unterstützung in bestimmten Bereichen verschlechterte, jedoch keine größeren Veränderungen in der Gesamtheit auftraten.
Im Gegensatz dazu fand sich für die Übung LOLE24 ein anderes Muster: Hier blieb bei 33,3 % der Fragen die Bewertung ohne signifikante Veränderungen, während 56,7 % eine Verschlechterung aufweisen und 10 % eine Verbesserung zeigten (siehe Tabelle 1 in der E-Paper-Version). Diese Verteilung könnte darauf hindeuten, dass trotz des Zugangs zum Freien und der variierenden Infrastruktur von LOLE24 die Dienstbedingungen in bestimmten Aspekten als belastend wahrgenommen wurden. Die Herausforderungen des Standorts und die eingeschränkte Konnektivität könnten dabei einen Einfluss haben. Die Mittelwerte der Fragebögen zu beiden Befragungszeitpunkten lagen mit 3,89 und 3,81 nah beieinander. Wenn auch mit einem deutlicheren Unterschied im Vergleich zu STJU23.
Diskussion
Die Analyse der durchschnittlichen Bewertungen und Standardabweichungen für die beiden Übungen STJU23 und LOLE24 zeigte eine insgesamt konstante Wahrnehmung der Dienstbedingungen vor und nach den Übungen, jedoch mit leichten, aber relevanten Unterschieden. So blieb der Mittelwert für STJU23 nahezu unverändert und sank nur geringfügig von 3,84 auf 3,81. Auch bei LOLE24 fand sich eine ähnliche Entwicklung mit einem Abfall des Mittelwerts von 3,89 auf 3,81. Diese kleinen Veränderungen deuten darauf hin, dass die allgemeinen Umstände und Unterstützungsstrukturen von den Soldatinnen und Soldaten als weitgehend stabil wahrgenommen wurden. Die minimalen Unterschiede könnten auf die spezifischen Umgebungsbedingungen und Belastungen der jeweiligen Übungen zurückzuführen sein.
Ein interessanter Aspekt ist die höhere Standardabweichung bei LOLE24 (0,36 nach der Übung) im Vergleich zu STJU23 (0,28 nach der Übung). Dies deutet darauf hin, dass die Wahrnehmungen der Dienstbedingungen bei LOLE24 stärker variierten, was auf eine breitere Bandbreite an Erfahrungen innerhalb der Soldatinnen und Soldaten hinweist. Die unterschiedlichen Wahrnehmungen könnten auf die abweichende Infrastruktur und den Einsatzort bei LOLE24 zurückzuführen sein, wo sowohl Zeltbauten im Freien als auch feste Infrastruktur genutzt wurden. Im Gegensatz dazu fand STJU23 in einem NATO-Bunker statt, in dem die Bedingungen konstant und relativ kontrolliert waren. Diese kontrollierte Umgebung könnte die Wahrnehmung der Dienstbedingungen stabilisiert haben, während die variablere Umgebung bei LOLE24 mit Kommandoposten im Freien und wechselnden Witterungsbedingungen zu unterschiedlichen Bewertungen führte. Studien zeigen, dass extreme oder isolierte Umgebungen, wie die Antarktis oder U-Boot-Einsätze, ähnliche Herausforderungen für Resilienz und psychisches Wohlbefinden darstellen [9][10][13].
Die Ergebnisse der Faktorenanalyse verdeutlichen dies. Besonders auffällig sind die Unterschiede in den Faktoren Beziehungen zu Kameraden (Faktor 3) und dienstbezogene Einschränkungen (Faktor 4), die bei LOLE24 eine stärkere Variabilität aufweisen. Dies könnte auf die Infrastruktur und die begrenzte Kommunikation zwischen den Standorten zurückzuführen sein, die bei LOLE24 stärker ausgeprägt waren als bei STJU23. Was wiederum zeigt, dass interpersonelle Unterstützung und kameradschaftliche Beziehungen unter erschwerten Kommunikationsbedingungen weniger stabil sind. Solche Bedingungen können potenziell das Gefühl von Isolation verstärken und damit die psychische Belastung erhöhen, was sich negativ auf die Resilienz der Soldatinnen und Soldaten auswirkt [5]. Faktor 4 (dienstbezogene Einschränkungen), der sich auf die notwendigen Ressourcen und klaren Zielvorgaben bezieht, zeigt ebenfalls eine leicht höhere Streuung bei LOLE24. Dies deutet auf die Anforderungen in den temporären Kommandoposten im Freien hin, welche weniger strukturierte Dienstbedingungen bieten als ein fester NATO-Bunker. Solche Einschränkungen in der Dienstumgebung könnten die Ausführung von Aufgaben erschweren und zu einer erhöhten Wahrnehmung von Belastung führen. Dies unterstreicht die Wichtigkeit, diese Faktoren bei zukünftigen Planungen zu berücksichtigen. Anpassungen wie verbesserte Kommunikationsstrukturen, klarere Ressourcenzuteilung und stärkere Teamunterstützung könnten dazu beitragen, die Dienstbedingungen der Soldatinnen und Soldaten zu verbessern und psychische Belastungen zu mindern.
Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse der Gesamtdaten, dass die dienstlichen Umstände bei beiden Übungen insgesamt stabil bewertet wurden, wobei die spezifischen Umgebungsbedingungen jedoch einen Einfluss auf die Wahrnehmung haben. Die leicht stärkeren Schwankungen und die variablere Wahrnehmung bei LOLE24 legen nahe, dass eine strukturell einheitliche Umgebung wie bei STJU23 zu einer homogeneren und stabileren Wahrnehmung der Dienstbedingungen führen kann. Diese Erkenntnisse betonen die Wichtigkeit, Unterstützungsmaßnahmen und Ressourcen an die besonderen Anforderungen multinationaler Einsätze anzupassen, um die Dienstbedingungen und das Wohlbefinden der Soldatinnen und Soldaten nachhaltig zu fördern [2][6]. In zukünftigen Übungen könnte eine verstärkte strukturelle und kommunikative Unterstützung an Einsatzorten wie bei LOLE24 dazu beitragen, die wahrgenommene Belastung zu reduzieren und die Konsistenz in der Wahrnehmung der Dienstbedingungen zu erhöhen.
Ein detaillierter Blick auf die Einzelfragenanalyse offenbart weitere interessante Muster, die auf spezifische Aspekte der Dienstbedingungen hinweisen. Bei der Übung STJU23 gab es nur minimale Veränderungen in der Bewertung einzelner Fragen, was eine weitgehend stabile Wahrnehmung über die Übung hinweg nahelegt. Ein auffälliger Punkt war jedoch die Verbesserung bei der Frage zur Bekämpfung von inakzeptablem Verhalten, die einen positiven Zuwachs von 0,41 verzeichnete. Dies deutet darauf hin, dass das Wahrnehmen und Ansprechen problematischer Verhaltensweisen innerhalb der kontrollierten Bunkerumgebung effektiver umgesetzt werden konnten. Im Gegensatz dazu zeigt die Übung LOLE24 größere Schwankungen in den Bewertungen einzelner Fragen, insbesondere bei der kameradschaftlichen Unterstützung und der Einflussnahme auf Teamprozesse. Beispielsweise sank die Bewertung zur Aussage „I feel respected by my comrades“ um 0,21 Punkte, was auf Herausforderungen im kameradschaftlichen Zusammenhalt hindeuten könnte, möglicherweise aufgrund des Standortes und der eingeschränkten Konnektivität [12]. Ähnliche Tendenzen zeigten sich bei der Frage zur Einflussnahme im Team, bei der die Bewertung um 0,25 Punkte zurückging. Diese spezifischen Abweichungen deuten darauf hin, dass die Bedingungen bei LOLE24, insbesondere die Anpassung an temporäre Strukturen, die Kommunikation und das Gefühl der Mitgestaltung erschwerten [1]. Die Einzelfragenanalyse bestätigt somit, dass die variablen Umgebungsbedingungen bei LOLE24 zu einer kritischeren Wahrnehmung in bestimmten Aspekten der Teamdynamik und der Dienstunterstützung führten.
Kernaussagen
- Multinationale NATO-Übungen stellen hohe psychische Anforderungen an Soldatinnen und Soldaten.
- Teamunterstützung und kameradschaftliche Beziehungen sind wesentliche Faktoren für die psychische Gesundheit in militärischen Kontexten.
- Abweichende Dienstbedingungen führen zu unterschiedlichen Wahrnehmungen der Belastungen und erfordern angepasste Unterstützungsstrategien.
- Das angepasste Culture of Care Barometer hilft, belastende Dienstbedingungen zu identifizieren und die militärische Führung bei der Optimierung interner Prozesse zu unterstützen.
Literatur
- Carrère S, Evans GW, Stokols D: Winter-over stress: physiological and psychological adaptation to an antarctic Iiolated and confined environment. In: Harrison AA, Clearwater YA, McKay CP (eds): From antarctica to outer space. New York, NY: Springer; 1991; 229–237. mehr lesen
- Duffield M: Challenging environments: danger, resilience and the aid industry. Security Dialogue 2012; 43(5): 475–492. mehr lesen
- Giordano P: NATO’s ACT 2024. Advancing Readiness: A Recap of NATO’s LOYAL LEDA 2024 Exercise. , letzter Aufruf 5. November 2024. mehr lesen
- Hobfoll SE: Social and psychological resources and adaptation. Rev Gen Psychol 2002; 6(4): 307–324. mehr lesen
- Martin K, McLeod E, Périard J, et al.: The impact of environmental stress on cognitive performance: a systematic review. Hum Factors 2019; 61(8): 1205–1246. mehr lesen
- Nash WP, Steenkamp M, Conoscenti L, Litz BT: The stress continuum model: a military organizational approach to resilience and recovery. In: Litz BT, Charney D, Friedman MJ, Southwick SM (eds): Resilience and mental health: challenges across the lifespan [Internet]. Cambridge: Cambridge University Press; 2011: 238–252. mehr lesen
- Rafferty AM, Philippou J, Fitzpatrick JM, et al.: Development and testing of the „Culture of Care Barometer“ (CoCB) in healthcare organisations: a mixed methods study. BMJ Open 2017; 7(8): e016677. mehr lesen
- Rhoades L, Eisenberger R: Perceived organizational support: a review of the literature. J Appl Psychol 2002; 87(4): 698–714. mehr lesen
- Sandal GM: Coping in Antarctica: is it possible to generalize results across settings? Aviat Space Environ Med 2000; 71(9 Suppl): A37-43. mehr lesen
- Sandal GM, Endresen IM, Vaernes R, Ursin H: Personality and coping strategies during submarine missions. Mil Psychol 1999; 11(4): 381–404. mehr lesen
- Schaufeli WB, Bakker AB. Job demands, job resources, and their relationship with burnout and engagement: a multi-sample study. Journal of Organizational Behavior. 2004; 25(3): 293–315. mehr lesen
- Tait JL, Aisbett B, Corrigan SL, et al.: Recovery of cognitive performance following multi-stressor military training. Hum Factors 2024; 66(2): 389–403. mehr lesen
- Wądołowska D: Protection of the mental health of soldiers as a guarantee of their personal safety. Kultura Bezpieczeństwa Nauka – Praktyka - Refleksje 2019; 34(34): 182–202. mehr lesen
- Weinreich F, Korterink W, Schnadthorst PG: Impact of a NATO exercise on soldiers' conditions of service and mental health. WMM 2024; 68(7-8): 324-334. mehr lesen
- Exercise STEADFAST JUPITER 2023 Concludes: A tremendous demonstration of collaboration and warfighting readiness: JWC - NATO. , letzter Aufruf 5. November 2024. mehr lesen
Manuskriptdaten
Zitierweise
Weinreich F, Geerkens L, Schnadhorst PG: Strukturierte Erfassung, Auswertung und Interpretation von potenziell belastenden Dienstbedingungen während der NATO-Übungen Steadfast Jupiter 2023 (STJU23) und Loyal Leda 2024 (LOLE24). WMM 2025; 69 (1–2): 29-33
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-395
Für die Verfasser
Oberstabsarzt Dr. med. Felix Weinreich, MHBA
Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz
Abteilung XVI – Laboratoriumsmedizin
Rübenacher Straße 170, 56072 Koblenz
E-Mail: felixweinreich@bundeswehr.org
Manuscript Data
Citation
Weinreich F, Geerkens L, Schnadhorst PG: Structured Assessment, Evaluation, and Interpretation of Potentially Stressful Service Conditions During the NATO Exercises Steadfast Jupiter 2023 (STJU23) and Loyal Leda 2024 (LOLE24). WMM 2025; 69 (1–2): 29-33.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-395
For the Authors
Major Dr. med. Felix Weinreich, MD, MHBA, MBA
Bundeswehr Central Hospital Koblenz
Department XVI – Laboratory Medicine
Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz
Rübenacher Straße 170, 56072 Koblenz
E-Mail: felixweinreich@bundeswehr.org