HEINZ GERNGROß-FÖRDERPREIS 2024 VERGEBEN
Ein spannender wissenschaftlicher Nachwuchswettbewerb im Rahmen des 55. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. (DGWMP e. V.) endete am 14. November 2024 in Augsburg mit einer knappen Entscheidung.
Seit 2005 vergibt die DGWMP e. V. den Heinz Gerngroß-Förderpreis. Ziel ist es, junge Talente der Wehrmedizin und -pharmazie zu fördern. Gestiftet im Gedenken an Oberstarzt Prof. Dr. Heinz Gerngroß, der sich besonders um die Aus-, Fort- und Weiterbildung junger Sanitätsoffiziere verdient gemacht hat und leider viel zu früh im Jahre 2005 verstarb, ist der Preis zu einem Symbol für wissenschaftliches Engagement geworden. Der Förderpreis richtet sich an Nachwuchskräfte sämtlicher Fachrichtungen, die sich mit wehrmedizinischen Fragestellungen beschäftigen. Eine Teilnahme ist bis zum Alter von 33 Jahren möglich. Schaut man in die Liste der bisherigen Preisträger (https://dgwmp.de/2022/05/12/heinz-gerngross-foerderpreis/), so findet man dort nicht wenige Preisträger, die den Weg über die Habilitation bis hin zur Professur gegangen sind und deren Namen man in Suchmaschinen wie PubMed findet.
Abb. 1: Heinz Gerngroß (Bild: DGWMP e. V.)
Vergeben wird der Preis an zwei Preisträger, die von einer fünfköpfigen Jury ausgewählt werden. Bewertet werden unter anderem die fachlich-wissenschaftliche Aussage, die wehrmedizinische Relevanz, die Vortragstechnik und die Diskussionssouveränität. Die Vorträge, die auf eigenen Erkenntnissen oder Untersuchungen beruhen müssen, haben eine Dauer von zehn Minuten, im Anschluss folgt eine kurze Diskussion. Der Heinz Gerngroß-Förderpreis ist damit nicht nur ein Wettbewerb, sondern auch eine Plattform, um wissenschaftlichen Austausch zu fördern und neue Perspektiven für die Wehrmedizin und Wehrpharmazie aufzuzeigen.
Stimmungsvoller Auftakt
Bereits vor Beginn der Vorträge war beim Austausch mit den Teilnehmenden eine Mischung aus Aufregung und Begeisterung zu spüren. Generalarzt a. D. Prof. Dr. Horst Peter Becker erinnerte an die inspirierende Persönlichkeit von Oberstarzt Prof. Dr. Heinz Gerngroß und an den Kerngedanken des Wettbewerbs: „Der Heinz Gerngroß-Förderpreis wendet sich ebenso wie der Young-Scientist-Poster-Award an den jungen Wissenschaftler aus dem Sanitätsdienst“. Auch betonte er die Bedeutung des Wettbewerbs: „Wer den Heinz Gerngroß-Preis einmal gewonnen hat, aus dem ist später auch was geworden.“ In diesem Jahr brachte eine neue Regelung frischen Wind in das Format: Erstmalig konnten alle Vortragenden die Beiträge ihrer Mitstreitenden verfolgen. Diese Neuerung förderte nicht nur den gegenseitigen Austausch, sondern bereicherte auch die Atmosphäre im Saal und stärkte den gemeinsamen wissenschaftlichen Diskurs.
Generalstabsarzt Dr. Hans-Ulrich Holtherm, der zusammen mit Generalarzt a. D. Prof. Dr. Becker vor dem Plenum saß, richtete motivierende Worte an die Teilnehmenden, bat das Publikum um einen Applaus zur Unterstützung der Vortragenden und bat anschließend den ersten Teilnehmer auf die Bühne.
Abb. 2: Erwartungsvolle Gesichter der Teilnehmenden vor dem Wettbewerb um den Heinz Gerngroß-Förderpreis 2024 (von links nach rechts): Generalstabsarzt Dr. Ulrich Holtherm, Generalarzt a. D. Prof. Dr. Horst Peter Becker, Generalstabsarzt a. D. Dr. Stephan Schoeps, Oberstabsarzt Dr. Maximilian Feth, Oberstabsarzt Dr. Alexander Abazid, Oberstabsarzt Caroline Diekmann, Frau Fee Gölitz, Leutnant (SanOA) Melanie Häfner, Oberstabsarzt Dr. Felix Weinreich, Oberstabsarzt Angelina Strauch, Oberstabsarzt Dr. Timo Orben.
Eine Reise durch acht spannende Vorträge
Oberstabsarzt Dr. Alexander Abazid (Klinik für Viszeralchirurgie, Bundeswehrkrankenhaus Berlin)
„Anwendung von kaltem atmosphärischem Plasma im Gewebemodell von Fibroblasten und Epithelzellen: Verstärkter Zellzuwachs durch innovative Wirkmechanismen“
In seinem Vortrag stellte Oberstabsarzt Dr. Abazid die Anwendung von kaltem atmosphärischem Plasma in Gewebemodellen vor. Er betonte: „Unsere Vision ist es, innovative Wirkmechanismen dazu zu verwenden, direkt intraoperativ schon die Weichen richtig zu stellen und intraoperativ alles dafür zu tun, dass Soldaten/Patienten im Nachhinein ein besseres Outcome haben.“ Dieses nichtinvasive Verfahren könnte die Wundheilung verbessern und bietet interessante Perspektiven für die praktische Anwendung – möglicherweise bereits am Anfang der Rettungskette.
Oberstabsarzt Caroline Diekmann (Psychotraumazentrum, Bundeswehrkrankenhaus Berlin)
„Moralische Verletzungen und Scham nach Auslandseinsätzen: Therapieoptionen für Bundeswehrsoldaten“
Oberstabsarzt Diekmann widmete sich dem sensiblen Thema moralischer Verletzungen und Scham bei Soldaten nach Auslandseinsätzen. Ihr Beitrag griff Aspekte auf, die auch am Vortag im Vortrag von Generalarzt Dr. Rolf von Uslar thematisiert wurden, und verdeutlichte damit, welche Relevanz diese Themen für die psychologische Betreuung von Einsatzkräften haben. Aus ihrem Vortrag ergab sich zudem die Frage nach möglichen Anwendungen in der Prävention, die zu einem angeregten Austausch führte.
Oberstabsarzt Dr. Maximilian Feth (Department für AINS, Bundeswehrkrankenhaus Ulm)
„Diethylentriaminpentaessigsäure verbessert Thrombozytenzahl und Gerinnungsfunktion in gekühlt gelagerten Vollblutprodukten“
Oberstabsarzt Dr. Feth, der bis 2023 in den USA forschte, zeigte, wie Diethylentriaminpentaessigsäure die Qualität gekühlter Vollblutprodukte verbessert. Sein Vortrag verdeutlichte, wie wertvoll es ist, dass Sanitätsoffiziere die Möglichkeit erhalten, international zu forschen – eine Chance, die durch entsprechende Dienstposten gefördert wird. Solche Programme tragen nicht nur zum individuellen wissenschaftlichen Wachstum bei, sondern stärken auch den internationalen Austausch und treiben den Fortschritt im Sanitätsdienst voran.
Fee Gölitz (Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Sanitätsakademie München)
„Lungengewebeschnitte in der wehrmedizinischen Toxikologie: Vom „Lungen-Gummibärchen“ zum hochfunktionellen Präzisionslungenschnitt“
Mit ihrem kreativen Titel „Vom Lungen-Gummibärchen zum Präzisionslungenschnitt“ erläuterte Frau Gölitz die Weiterentwicklung medizinischer Modelle. Sie veranschaulichte, wie ihre Methodik vom Modell hin zum Menschen führt und dabei nicht nur strukturelle Aspekte des Lungengewebes, sondern auch funktionale Probleme und somit Symptome direkt adressiert – ein beeindruckender Beitrag zur toxikologischen Forschung.
Leutnant SanOA Melanie Häfner (Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, Bundeswehrkrankenhaus Berlin)
„Praktikabilitätstestung der Bakteriophagentherapie am Bundeswehrkrankenhaus Berlin“
Leutnant SanOA Häfner präsentierte Ergebnisse zur Praktikabilität der Bakteriophagentherapie, die trotz rechtlicher Herausforderungen erprobt wurde. Ihre Forschung legt einen Grundstein dafür, diese Therapieform klinisch einzusetzen – ein bedeutendes Novum in Deutschland. Ihr offener Umgang mit den Grenzen ihrer Arbeit wurde aus dem Publikum als „sehr ehrlich“ gelobt und weckt Erwartungen an die zukünftige Entwicklung dieser Therapieform.
Oberstabsarzt Dr. Timo Orben (Institut für Radiobiologie, Sanitätsakademie München)
„Transient Receptor Potential Channels als neues Ziel zur Therapie der akuten Strahlenkrankheit“
Oberstabsarzt Dr. Orben präsentierte, wie Transient Receptor Potential Channels zur Therapie der akuten Strahlenkrankheit genutzt werden könnten. Spannend war, dass am Vortag im Rahmen des Young-Scientist-Poster-Awards die Diagnostik der akuten Strahlenkrankheit thematisiert wurde, während sich Orbens Vortrag nun der Behandlung widmete – ein interessanter Einblick in die Vielfalt der Forschungsansätze.
Oberstabsarzt Dr. Angelina Strauch (Klinik für Urologie, Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz)
„Unterschiede in der radiologischen Beurteilung retroperitonealer Lymphknoten bei Hodentumorpatienten: Einfluss auf das klinische Stadium und die Therapie?“
Oberstabsarzt Dr. Strauch thematisierte die radiologische Beurteilung retroperitonealer Lymphknoten bei Hodentumorpatienten und deckte eine wesentliche Lücke in der Stadieneinteilung dieser Tumorerkrankung auf. Sie legte dar, wie Unterschiede in der Beurteilung der Lymphknoten das klinische Stadium beeinflussen und somit Auswirkungen auf die Therapieentscheidung haben können. Ihre Arbeit eröffnet die Möglichkeit, die Stadieneinteilung zu präzisieren, Über- und Untertherapien zu vermeiden und so die Behandlungsqualität entscheidend zu verbessern.
Oberstabsarzt Dr. Felix Weinreich (DIA I. DEU/NLD Corps, Münster)
„Strukturierte Erfassung, Auswertung und Interpretation von belastenden Dienstbedingungen während der NATO-Übungen Steadfast Jupiter 2023 und Loyal Leda 2024“
Oberstabsarzt Dr. Weinreich analysierte die Dienstbedingungen während NATO-Übungen und beleuchtete, wie das „Adjusted Culture Of Care Barometer“ als Instrument zur Untersuchung von Teamunterstützung und Kameradschaft eingesetzt werden kann. Seine Ergebnisse liefern Impulse für die Weiterentwicklung der Führungskultur im militärischen Kontext.
Kritische Fragen aus der Jury
Zu den Vorträgen stellten die Jurorinnen und Juroren kritische Fragen, die den wissenschaftlichen Diskurs belebten. Die Vortragenden wurden herausgefordert, ihre Arbeiten zu verteidigen, und erhielten wertvolle Impulse, um ihre Projekte aus neuen Perspektiven zu betrachten und gegebenenfalls weiterzuentwickeln.
Preisverleihung im festlichen Rahmen
Ein besonderer Moment des Festabends war die Verleihung des Heinz Gerngroß-Förderpreises durch Generalarzt a. D. Prof. Dr. Becker. In seiner Ansprache betonte er, wie stolz er auf die Teilnehmenden und ihre beeindruckenden Arbeiten sei: Der Heinz Gerngroß-Förderpreis bereite ihm in jedem Jahr eine riesige Freude (Abbildung 2). Generalarzt a. D. Prof. Dr. Becker hob hervor, dass es bei der Punkteauswertung „ziemlich knapp geworden sei“.
Abb. 3: Bekanntgabe der Gewinner in festlichem Rahmen
Den zweiten Platz belegte Fee Gölitz mit ihrer Forschung zur Toxikologie, während Oberstabsarzt Dr. Angelina Strauch für ihren Beitrag zur Urologie mit dem ersten Platz ausgezeichnet wurde. Generalarzt a. D. Prof. Dr. Becker gratulierte den Nachwuchstalenten herzlich und würdigte ihre Leistungen (Abbildung 4), die nicht nur für den Wettbewerb, sondern auch für die zukünftige Entwicklung der Wehrmedizin und Wehrpharmazie von Bedeutung sein könnten.
Kurzfassungen (Extended Abstracts) der Wettbewerbsvorträge werden nachfolgend in dieser Ausgabe der Wehrmedizinischen Monatsschrift veröffentlicht.
Abb. 4: Der Präsident der DGWMP e. V, Generalstabsarzt a. D. Dr. Schoeps, gratuliert Fee Gölitz zum Gewinn des 2. Preises.
Abb. 5: Generalarzt a. D. Prof. Dr. Becker überreicht den Siegerpreis an Oberstabsarzt Dr. Strauch
Ausblick und Einladung
Das Nachwuchsforum konnte erneut zeigen, wie facettenreich und relevant wehrmedizinische Forschung ist. Wir blicken gespannt auf den nächsten Wettbewerb und ermutigen junge Talente, sich einzubringen und mit ihren Ideen die Zukunft des Sanitätsdienstes mitzugestalten!
Bilder: DGWMP e.V./ Thilo Pulpanek
Bericht
Leutnant (SanOA) Sophia Nitzsche
DGWMP e. V.