HEINZ GERNGROß-FÖRDERPREIS 2024 VERGEBEN
Ein spannender wissenschaftlicher Nachwuchswettbewerb im Rahmen des 55. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. (DGWMP e. V.) endete am 14. November 2024 in Augsburg mit einer knappen Entscheidung.
Seit 2005 vergibt die DGWMP e. V. den Heinz Gerngroß-Förderpreis. Ziel ist es, junge Talente der Wehrmedizin und -pharmazie zu fördern. Gestiftet im Gedenken an Oberstarzt Prof. Dr. Heinz Gerngroß, der sich besonders um die Aus-, Fort- und Weiterbildung junger Sanitätsoffiziere verdient gemacht hat und leider viel zu früh im Jahre 2005 verstarb, ist der Preis zu einem Symbol für wissenschaftliches Engagement geworden. Der Förderpreis richtet sich an Nachwuchskräfte sämtlicher Fachrichtungen, die sich mit wehrmedizinischen Fragestellungen beschäftigen. Eine Teilnahme ist bis zum Alter von 33 Jahren möglich. Schaut man in die Liste der bisherigen Preisträger (https://dgwmp.de/2022/05/12/heinz-gerngross-foerderpreis/), so findet man dort nicht wenige Preisträger, die den Weg über die Habilitation bis hin zur Professur gegangen sind und deren Namen man in Suchmaschinen wie PubMed findet.
Abb. 1: Heinz Gerngroß (Bild: DGWMP e. V.)
Vergeben wird der Preis an zwei Preisträger, die von einer fünfköpfigen Jury ausgewählt werden. Bewertet werden unter anderem die fachlich-wissenschaftliche Aussage, die wehrmedizinische Relevanz, die Vortragstechnik und die Diskussionssouveränität. Die Vorträge, die auf eigenen Erkenntnissen oder Untersuchungen beruhen müssen, haben eine Dauer von zehn Minuten, im Anschluss folgt eine kurze Diskussion. Der Heinz Gerngroß-Förderpreis ist damit nicht nur ein Wettbewerb, sondern auch eine Plattform, um wissenschaftlichen Austausch zu fördern und neue Perspektiven für die Wehrmedizin und Wehrpharmazie aufzuzeigen.
Stimmungsvoller Auftakt
Bereits vor Beginn der Vorträge war beim Austausch mit den Teilnehmenden eine Mischung aus Aufregung und Begeisterung zu spüren. Generalarzt a. D. Prof. Dr. Horst Peter Becker erinnerte an die inspirierende Persönlichkeit von Oberstarzt Prof. Dr. Heinz Gerngroß und an den Kerngedanken des Wettbewerbs: „Der Heinz Gerngroß-Förderpreis wendet sich ebenso wie der Young-Scientist-Poster-Award an den jungen Wissenschaftler aus dem Sanitätsdienst“. Auch betonte er die Bedeutung des Wettbewerbs: „Wer den Heinz Gerngroß-Preis einmal gewonnen hat, aus dem ist später auch was geworden.“ In diesem Jahr brachte eine neue Regelung frischen Wind in das Format: Erstmalig konnten alle Vortragenden die Beiträge ihrer Mitstreitenden verfolgen. Diese Neuerung förderte nicht nur den gegenseitigen Austausch, sondern bereicherte auch die Atmosphäre im Saal und stärkte den gemeinsamen wissenschaftlichen Diskurs.
Generalstabsarzt Dr. Hans-Ulrich Holtherm, der zusammen mit Generalarzt a. D. Prof. Dr. Becker vor dem Plenum saß, richtete motivierende Worte an die Teilnehmenden, bat das Publikum um einen Applaus zur Unterstützung der Vortragenden und bat anschließend den ersten Teilnehmer auf die Bühne.
Abb. 2: Erwartungsvolle Gesichter der Teilnehmenden vor dem Wettbewerb um den Heinz Gerngroß-Förderpreis 2024 (von links nach rechts): Generalstabsarzt Dr. Ulrich Holtherm, Generalarzt a. D. Prof. Dr. Horst Peter Becker, Generalstabsarzt a. D. Dr. Stephan Schoeps, Oberstabsarzt Dr. Maximilian Feth, Oberstabsarzt Dr. Alexander Abazid, Oberstabsarzt Caroline Diekmann, Frau Fee Gölitz, Leutnant (SanOA) Melanie Häfner, Oberstabsarzt Dr. Felix Weinreich, Oberstabsarzt Angelina Strauch, Oberstabsarzt Dr. Timo Orben.
Eine Reise durch acht spannende Vorträge
Oberstabsarzt Dr. Alexander Abazid (Klinik für Viszeralchirurgie, Bundeswehrkrankenhaus Berlin)
„Anwendung von kaltem atmosphärischem Plasma im Gewebemodell von Fibroblasten und Epithelzellen: Verstärkter Zellzuwachs durch innovative Wirkmechanismen“
In seinem Vortrag stellte Oberstabsarzt Dr. Abazid die Anwendung von kaltem atmosphärischem Plasma in Gewebemodellen vor. Er betonte: „Unsere Vision ist es, innovative Wirkmechanismen dazu zu verwenden, direkt intraoperativ schon die Weichen richtig zu stellen und intraoperativ alles dafür zu tun, dass Soldaten/Patienten im Nachhinein ein besseres Outcome haben.“ Dieses nichtinvasive Verfahren könnte die Wundheilung verbessern und bietet interessante Perspektiven für die praktische Anwendung – möglicherweise bereits am Anfang der Rettungskette.
Oberstabsarzt Caroline Diekmann (Psychotraumazentrum, Bundeswehrkrankenhaus Berlin)
„Moralische Verletzungen und Scham nach Auslandseinsätzen: Therapieoptionen für Bundeswehrsoldaten“
Oberstabsarzt Diekmann widmete sich dem sensiblen Thema moralischer Verletzungen und Scham bei Soldaten nach Auslandseinsätzen. Ihr Beitrag griff Aspekte auf, die auch am Vortag im Vortrag von Generalarzt Dr. Rolf von Uslar thematisiert wurden, und verdeutlichte damit, welche Relevanz diese Themen für die psychologische Betreuung von Einsatzkräften haben. Aus ihrem Vortrag ergab sich zudem die Frage nach möglichen Anwendungen in der Prävention, die zu einem angeregten Austausch führte.
Oberstabsarzt Dr. Maximilian Feth (Department für AINS, Bundeswehrkrankenhaus Ulm)
„Diethylentriaminpentaessigsäure verbessert Thrombozytenzahl und Gerinnungsfunktion in gekühlt gelagerten Vollblutprodukten“
Oberstabsarzt Dr. Feth, der bis 2023 in den USA forschte, zeigte, wie Diethylentriaminpentaessigsäure die Qualität gekühlter Vollblutprodukte verbessert. Sein Vortrag verdeutlichte, wie wertvoll es ist, dass Sanitätsoffiziere die Möglichkeit erhalten, international zu forschen – eine Chance, die durch entsprechende Dienstposten gefördert wird. Solche Programme tragen nicht nur zum individuellen wissenschaftlichen Wachstum bei, sondern stärken auch den internationalen Austausch und treiben den Fortschritt im Sanitätsdienst voran.
Fee Gölitz (Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Sanitätsakademie München)
„Lungengewebeschnitte in der wehrmedizinischen Toxikologie: Vom „Lungen-Gummibärchen“ zum hochfunktionellen Präzisionslungenschnitt“
Mit ihrem kreativen Titel „Vom Lungen-Gummibärchen zum Präzisionslungenschnitt“ erläuterte Frau Gölitz die Weiterentwicklung medizinischer Modelle. Sie veranschaulichte, wie ihre Methodik vom Modell hin zum Menschen führt und dabei nicht nur strukturelle Aspekte des Lungengewebes, sondern auch funktionale Probleme und somit Symptome direkt adressiert – ein beeindruckender Beitrag zur toxikologischen Forschung.
Leutnant SanOA Melanie Häfner (Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, Bundeswehrkrankenhaus Berlin)
„Praktikabilitätstestung der Bakteriophagentherapie am Bundeswehrkrankenhaus Berlin“
Leutnant SanOA Häfner präsentierte Ergebnisse zur Praktikabilität der Bakteriophagentherapie, die trotz rechtlicher Herausforderungen erprobt wurde. Ihre Forschung legt einen Grundstein dafür, diese Therapieform klinisch einzusetzen – ein bedeutendes Novum in Deutschland. Ihr offener Umgang mit den Grenzen ihrer Arbeit wurde aus dem Publikum als „sehr ehrlich“ gelobt und weckt Erwartungen an die zukünftige Entwicklung dieser Therapieform.
Oberstabsarzt Dr. Timo Orben (Institut für Radiobiologie, Sanitätsakademie München)
„Transient Receptor Potential Channels als neues Ziel zur Therapie der akuten Strahlenkrankheit“
Oberstabsarzt Dr. Orben präsentierte, wie Transient Receptor Potential Channels zur Therapie der akuten Strahlenkrankheit genutzt werden könnten. Spannend war, dass am Vortag im Rahmen des Young-Scientist-Poster-Awards die Diagnostik der akuten Strahlenkrankheit thematisiert wurde, während sich Orbens Vortrag nun der Behandlung widmete – ein interessanter Einblick in die Vielfalt der Forschungsansätze.
Oberstabsarzt Dr. Angelina Strauch (Klinik für Urologie, Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz)
„Unterschiede in der radiologischen Beurteilung retroperitonealer Lymphknoten bei Hodentumorpatienten: Einfluss auf das klinische Stadium und die Therapie?“
Oberstabsarzt Dr. Strauch thematisierte die radiologische Beurteilung retroperitonealer Lymphknoten bei Hodentumorpatienten und deckte eine wesentliche Lücke in der Stadieneinteilung dieser Tumorerkrankung auf. Sie legte dar, wie Unterschiede in der Beurteilung der Lymphknoten das klinische Stadium beeinflussen und somit Auswirkungen auf die Therapieentscheidung haben können. Ihre Arbeit eröffnet die Möglichkeit, die Stadieneinteilung zu präzisieren, Über- und Untertherapien zu vermeiden und so die Behandlungsqualität entscheidend zu verbessern.
Oberstabsarzt Dr. Felix Weinreich (DIA I. DEU/NLD Corps, Münster)
„Strukturierte Erfassung, Auswertung und Interpretation von belastenden Dienstbedingungen während der NATO-Übungen Steadfast Jupiter 2023 und Loyal Leda 2024“
Oberstabsarzt Dr. Weinreich analysierte die Dienstbedingungen während NATO-Übungen und beleuchtete, wie das „Adjusted Culture Of Care Barometer“ als Instrument zur Untersuchung von Teamunterstützung und Kameradschaft eingesetzt werden kann. Seine Ergebnisse liefern Impulse für die Weiterentwicklung der Führungskultur im militärischen Kontext.
Kritische Fragen aus der Jury
Zu den Vorträgen stellten die Jurorinnen und Juroren kritische Fragen, die den wissenschaftlichen Diskurs belebten. Die Vortragenden wurden herausgefordert, ihre Arbeiten zu verteidigen, und erhielten wertvolle Impulse, um ihre Projekte aus neuen Perspektiven zu betrachten und gegebenenfalls weiterzuentwickeln.
Preisverleihung im festlichen Rahmen
Ein besonderer Moment des Festabends war die Verleihung des Heinz Gerngroß-Förderpreises durch Generalarzt a. D. Prof. Dr. Becker. In seiner Ansprache betonte er, wie stolz er auf die Teilnehmenden und ihre beeindruckenden Arbeiten sei: Der Heinz Gerngroß-Förderpreis bereite ihm in jedem Jahr eine riesige Freude (Abbildung 2). Generalarzt a. D. Prof. Dr. Becker hob hervor, dass es bei der Punkteauswertung „ziemlich knapp geworden sei“.
Abb. 3: Bekanntgabe der Gewinner in festlichem Rahmen
Den zweiten Platz belegte Fee Gölitz mit ihrer Forschung zur Toxikologie, während Oberstabsarzt Dr. Angelina Strauch für ihren Beitrag zur Urologie mit dem ersten Platz ausgezeichnet wurde. Generalarzt a. D. Prof. Dr. Becker gratulierte den Nachwuchstalenten herzlich und würdigte ihre Leistungen (Abbildung 4), die nicht nur für den Wettbewerb, sondern auch für die zukünftige Entwicklung der Wehrmedizin und Wehrpharmazie von Bedeutung sein könnten.
Kurzfassungen (Extended Abstracts) der Wettbewerbsvorträge werden nachfolgend in dieser Ausgabe der Wehrmedizinischen Monatsschrift veröffentlicht.
Abb. 4: Der Präsident der DGWMP e. V, Generalstabsarzt a. D. Dr. Schoeps, gratuliert Fee Gölitz zum Gewinn des 2. Preises.
Abb. 5: Generalarzt a. D. Prof. Dr. Becker überreicht den Siegerpreis an Oberstabsarzt Dr. Strauch
Ausblick und Einladung
Das Nachwuchsforum konnte erneut zeigen, wie facettenreich und relevant wehrmedizinische Forschung ist. Wir blicken gespannt auf den nächsten Wettbewerb und ermutigen junge Talente, sich einzubringen und mit ihren Ideen die Zukunft des Sanitätsdienstes mitzugestalten!
Bilder: DGWMP e.V./ Thilo Pulpanek
Bericht
Leutnant (SanOA) Sophia Nitzsche
DGWMP e. V.
Anwendung von nicht-invasivem physikalischem Plasma in einem in vitro Gewebemodell aus Fibroblasten und Epithelzellen: Gesteigerte Besiedlung von Netzimplantaten
Application of Non-Invasive Physical Plasma in an in vitro Tissue Model of Fibroblasts and Epithelial Cells: Enhanced Cell Adhesion in Mesh Implants
Alexander Abazida*, Armin Babakb*, Niels Huschitta, Steffen Badendiecka, Matthias B. Stopeb
* Beide Autoren haben gleiche Anteile an dem Forschungsprojekt
a Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie,
b Universitätsklinikum Bonn, Klinik für Gynäkologie und Gynäkologische Onkologie – Laboratorien Physikalische Plasma Medizin
Zusammenfassung
Nicht-invasives physikalisches Plasma (NIPP) ist ein niedrigtemperaturiges, hochreaktives Gas, das für biomedizinische Anwendungen wie Wundheilung und Krebsbehandlung untersucht wird. Es zeigt bakterizide, antiproliferative und regenerative Wirkungen und kann gesundes Gewebe fördern, während es das Wachstum von Tumorzellen hemmt.
In der Hernienchirurgie bieten Netzimplantate Vorteile, sind jedoch nicht frei von Komplikationen. In dieser Arbeit wurde die Wirkung von NIPP auf Zellkulturen und Netzimplantate untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass NIPP das Wachstum von fibroblastären Zellen (HGF-1) fördert und das von epithelialen Krebszellen (MCF-7) hemmt. Bei Netzimplantaten verbessert es die Zelladhäsion um bis zu 500 %, was die Gewebeintegration fördert. Ein 3D-Gewebemodell bestätigte diese Effekte, indem es die Interaktion von Zelltypen unter realitätsnahen Bedingungen abbildete.
Die Erkenntnisse deuten darauf hin, dass NIPP postoperative Komplikationen reduzieren und die Integration von Implantaten verbessern könnte. Die Ergebnisse liefern eine Grundlage für zukünftige Studien in der regenerativen Medizin und Implantatchirurgie.
Schlüsselwörter: Fibroblasten, Wundheilung, Plasma, NIPP, Implantatchirurgie, Zelladhäsion
Summary
Non-invasive physical plasma (NIPP) is a low-temperature, highly reactive gas being studied for biomedical applications such as wound healing and cancer treatment. It shows bactericidal, antiproliferative, and regenerative effects and can promote healthy tissue while inhibiting the growth of tumor cells.
In hernia surgery, mesh implants offer advantages but are not complications-free. This study investigated the effect of NIPP on cell cultures and mesh implants. The results show that NIPP promotes fibroblastic cells (HGF-1) and inhibits epithelial cancer cells (MCF-7). In mesh implants, it improves cell adhesion by up to 500 %, which promotes tissue integration. A 3D tissue model confirmed these effects by mapping the interaction of cell types under realistic conditions.
The results indicate that NIPP could reduce postoperative complications and improve implant integration. The results provide a basis for future regenerative medicine and implant surgery studies.
Keywords: Fibroblasts; wound healing; plasma; NIPP; implant surgery; cell adhesion
Einleitung
NIPP – Beschreibung und Herstellung
Nicht-invasives physikalisches Plasma (NIPP) ist ein hochreaktives Gas, das im Vergleich zu natürlichen physikalischen Plasmen, wie der Sonne oder den Sternen, eine deutlich geringere Temperatur von maximal 45 °C erreicht. Dies ermöglicht eine sichere Anwendung am Menschen [1]. NIPP besteht aus verschiedenen geladenen (freien Elektronen, Ionen) und ungeladenen Teilchen (angeregte Atome/Moleküle, Radikale), die sich in der Gasphase befinden und kontinuierlich miteinander sowie mit ihrer Umgebung interagieren. Dabei bleibt das NIPP insgesamt elektrisch neutral, da sich die Ladungen über ein bestimmtes Volumen hinweg ausgleichen. Aufgrund seiner Eigenschaften wird NIPP oft als vierter Aggregatzustand bezeichnet [14]. Es entsteht, wenn einem Gas wie Argon, Stickstoff, Helium oder Umgebungsluft große Energiemengen zugeführt werden [14].
Bisherige Anwendungen von NIPP
In den letzten Jahrzehnten wurde NIPP intensiv auf biomedizinische Anwendungen hin untersucht und wird bereits in verschiedenen Bereichen eingesetzt. Beispiele hierfür sind Verfahren zur Desinfektion und Sterilisation [15] sowie die Förderung von Wundheilung bei akuten und chronischen Verletzungen [11]. Die bakterizide Wirkung von NIPP ist vergleichbar mit der von Chlorhexidin und wird sowohl in der Industrie als auch zur Bekämpfung von Wundpathogenen eingesetzt [11][14].
Antiproliferative Wirkung von NIPP
Darüber hinaus zeigt NIPP eine behandlungszeitabhängige antiproliferative Wirkung auf zahlreiche Krebszellen, weshalb es als vielversprechende Therapie in der Onkologie diskutiert wird [13]. Der genaue Wirkmechanismus ist noch nicht vollständig geklärt, jedoch wird angenommen, dass durch physikalische und chemische Prozesse Mikroporen in Zellmembranen entstehen. Dies erlaubt reaktiven Sauerstoffspezies, in die Zelle einzudringen, was DNA-Schäden wie Oxidation und Doppelstrangbrüche auslösen und so zum Zelltod führen kann [9].
Bislang wurden keine negativen Auswirkungen von NIPP auf Vitalität oder Physiologie gesunder humaner Zellen nachgewiesen (Abbildung 1). Gesunde Zellen scheinen aufgrund intakter Reparaturmechanismen besser gegen die durch NIPP verursachten Schäden geschützt zu sein [11]. Kurze Behandlungszeiten zeigten sogar regenerative Effekte auf gesunde Zellen, die für die Wundheilung förderlich sind. So konnte NIPP das Wachstum von Gingivazellen, Zementoblasten und Knochenzellen stimulieren [5].
Abb. 1: Wirkung von nicht-invasivem physikalischen Plasma (modifiziert nach Förster et al., Cancers 2023)
Regenerative Effekte von NIPP
Der Fokus der vorliegenden Arbeit liegt auf den regenerativen Effekten von NIPP, die in zahlreichen Studien, insbesondere in der Dermatologie und Zahnmedizin, nachgewiesen wurden. In der Zahnmedizin unterstützt NIPP die Heilung parodontaler Erkrankungen, reduziert signifikant die Zahl parodontaler Leitkeime [13], verbessert die Integration von Implantaten durch erhöhte Oberflächenhydrophilie und fördert die Heilung intraoraler Wunden. In der Dermatologie wurden durch NIPP bessere Behandlungsergebnisse bei diabetischen Wunden [11], schwer heilenden akuten und chronischen Wunden, Strahlendermatitis sowie Onychomykosen erzielt [10].
Die positiven Effekte auf die Wundheilung lassen sich durch eine Senkung des pH-Wertes, Verkleinerung der Wundfläche und eine reduzierte Infektionsneigung erklären. Studien weisen auf eine verbesserte Sauerstoffsättigung, Hämoglobin- und Gewebewasserverteilung hin. Zudem fördert NIPP die Re-Epithelialisierung, reduziert Blutkrusten und Fibrinschichten und setzt Zytokine frei, die Zellwachstum und Angiogenese stimulieren [10]. Die schmerzfreie Behandlung und das Fehlen bisheriger Nebenwirkungen machen NIPP zu einer vielversprechenden medizinischen Therapiemethode.
Zielsetzung
Die Hernienchirurgie umfasst jährlich 300.000 Operationen in Deutschland, wobei Rezidive und postoperative Komplikationen häufig auftreten. Synthetische Netzimplantate haben die Rezidivrate erheblich gesenkt, sind jedoch nicht komplikationsfrei. NIPP bietet eine vielversprechende Ergänzung, da es antimikrobielle, antiproliferative und regenerative Wirkungen zeigt. Besonders in der Dermatologie haben NIPP-Geräte Heilungserfolge bei schwer heilenden Wunden bewiesen. Ziel der Arbeit ist es, die potenziellen Vorteile von NIPP in der Hernienchirurgie, insbesondere bei Netzimplantaten, in einem eigens entwickelten in vitro Zellmodell zu untersuchen.
Methoden
Plasma-Erzeugung
Zur Behandlung der Zellkultur wurde das Plasma Care der Firma Terraplasma Medical, Garching bei München, verwendet. Das Plasma Care ist ein tragbares, CE-zertifiziertes NIPP-Medizingerät für dermatologische und wundheilungsfördernde Anwendungen (Abbildung 2). Es erzeugt mittels akkubetriebenem Hochfrequenzgenerator NIPP aus der Umgebungsluft, das neben wundheilungsfördernden auch antimikrobielle Effekte hat. Klinische Studien zeigen positive Ergebnisse bei der Behandlung von akuten und chronischen Wunden sowie diabetischen und strahleninduzierten Hauterkrankungen. Das Gerät ermöglicht eine schmerzfreie Behandlung mit kurzen Behandlungszeiten, ist jedoch auf oberflächliche Hautanwendungen beschränkt.
Abb. 2: Einsatz des NIPP-Gerätes Plasma Care (Terraplasma Medical, Garching bei München): A: Hochfrequenzgenerator Handgerät (1) mit Abstands-Aufsatz (2); B: NIPP-Entstehung an der Gitterelektrode; C: Abstands-Aufsatz mit runder Öffnung für 6-well Zellkulturplatten (durch die Öffnung ist die Gitterelektrode sichtbar (Pfeil)); D: Behandlung eines Zellrasens in einer 6-well Zellkulturplatte.
Netzimplantat
Netzimplantate aus synthetischen oder biologischen Materialien sind essenziell in der Versorgung von Bauchwandhernien und reduzieren signifikant die Komplikations- und Rezidivrate. Moderne Netze bestehen aus leichten, großporigen und biokompatiblen Materialien, die die Mobilität der Bauchwand gewährleisten. Trotz der Vorteile treten gelegentlich Komplikationen wie Infektionen oder Adhäsionen auf. Die Kanzerogenität von Netzimplantaten wurde untersucht, jedoch nicht bestätigt [12].
Wir verwendeten das Optilene Mesh Elastic (B. Braun Surgical, Barcelona, Spanien). Dieses ist ein leichtes, großporiges Polypropylen-Netzimplantat mit hoher Stabilität und Elastizität. Es erleichtert die Integration ins Gewebe und wird in der Leisten- und Narbenhernien-Chirurgie verwendet. Durch die spezielle Struktur wird Narbenbildung reduziert, was postoperative Komplikationen wie Schmerzen und Schrumpfungen minimiert. Dennoch können typische Probleme wie Adhäsionen oder Fisteln auftreten.
Zellkulturen und Zellkulturmedium
Die in vitro-Zellkulturansätze waren essenzieller Bestandteil dieser Arbeit. Humane Fibroblasten HGF-1 (American Type Culture Collection, Virginia, USA) und humane Epithelzellen MCF-7 (Cell Lines Service, Eppelheim) wurden in einem Dulbeccos Modified Eagle Medium (DMEM) Zellkulturmedium mit 10 % Fötalem Rinderserum, 1 % Penicillin/Streptomycin und 0,125 % Gentamycin bei 37 °C und 5 % CO2 kultiviert. Das DMEM ist eines der am besten geeigneten Medien für viele adhärente Zellphänotypen unter den definierten Medien für Zell- und Gewebekulturen. Das Medium wurde alle 2–3 Tage erneuert. Bei 80–90 % Konfluenz wurden die Zellen passagiert, indem das Medium entfernt, mit Phosphate-Buffered Saline (PBS) gewaschen und Trypsin/ Ethylendiamintetraacetat (EDTA) Lösung zur Vereinzelung der Zellen hinzugefügt wurde. Nach einer Inkubation von 5 min bei 37 °C wurde die Reaktion mit Medium gestoppt, die Zellsuspension zentrifugiert, resuspendiert und erneut in Kulturflaschen ausgesät.
Versuchsablauf
Für die Behandlung mittels NIPP wurden Zellen in 24-Well-Platten ausgesät (HGF-1: 5×104 Zellen/Well; MCF-7: 3×104 Zellen/Well). Nach 24 h Inkubation erfolgte die NIPP-Behandlung für 1–3 min unter sterilen Bedingungen. Zellzahlen wurden zu definierten Zeitpunkten mit dem CASY TT Cell Counter and Analyzer (Omni Life Science, Bremen) bestimmt.
2-D-Kokulturen aus HGF-1 und MCF-7 Zellen (9×10³ bzw. 1×10³ Zellen/Well) wurden angelegt und nach 24 h mit NIPP (1–3 min) behandelt. Danach wurden die Kulturen 7 Tage kultiviert und regelmäßig lichtmikroskopisch analysiert.
Monokulturen (3×103 Zellen/Well) wurden nach 24 h mit Netzimplantaten bestückt, die passend zugeschnitten und auf die Zellkulturen gedrückt wurden. Die Kulturen wurden für 120 h inkubiert, ohne das Medium zu wechseln, und regelmäßig mikroskopisch dokumentiert.
Netzimplantate wurden nach einer dreiminütigen NIPP-Behandlung in 2-D-Kokulturen integriert. Die Kulturen wurden für 120 h kultiviert und lichtmikroskopisch beobachtet. Für ein 3-D-Modell wurden HGF-1-Zellen in Filtereinsätzen ausgesät. Nach 7 Tagen wurden MCF-7-Zellen hinzugefügt. Die Kokulturen wurden 10 Tage kultiviert, täglich beobachtet und mikroskopisch dokumentiert. Drei Tage nach Zugabe der MCF-7-Zellen wurden die 3-D-Kokulturen mit NIPP behandelt (3 min) und Netzimplantate integriert (Abbildung 3). Die Kulturen wurden 96 h inkubiert und regelmäßig auf Wachstum und Vitalität untersucht.
Abb. 3: Schematische Darstellung der Bildung einer 3-D-Kokultur im Insert
Die Zellen wurden nach 96 h von den Netzimplantaten abgelöst, zentrifugiert und in Trypanblau-Lösung resuspendiert. Zellzahlen wurden mittels EVE Automated Cell Counter (NanoEntek, Seoul, Südkorea), Neubauer-Zählkammer (Sigma-Aldich, Missouri, USA) und CASY TT Cell Counter and Analyzer (Omni Life Science) ermittelt.
Statistische Analysen (Mittelwerte, Standardabweichungen, t-Tests) und Diagramme wurden mit Microsoft Excel erstellt. Ergebnisse für p ≤ 0,05 (*), p ≤ 0,01 (**) und p ≤ 0,001 (***) wurden als signifikant definiert.
Ergebnisse
Die NIPP-Wirkung auf beide Zelltypen wurde untersucht. Fibroblastäre HGF-1 Zellen zeigten nach Behandlung mit NIPP keinen hemmenden Einfluss auf die Zellproliferation. Eine dreiminütige Behandlung führte sogar zu einer Wachstumssteigerung um 58,5 % innerhalb einer 240 h Inkubation. Bei epithelialen MCF-7 Zellen führte die NIPP-Behandlung zu einer signifikanten Reduktion des Zellwachstums von 15 % (1 min NIPP) und 29 % (3 min NIPP). Diese inhibierenden Effekte waren auch bereits nach 120 h Inkubationszeit detektierbar.
In der 2D-Kokultur mit HGF-1- und MCF-7-Zellen zeigte sich ein typisches Wachstumsmuster beider Zelltypen. Beide Zellen proliferierten getrennt voneinander und es kam zu keiner statistischen Verteilung beider Zelltypen im Zellkulturgefäß. Die epithelialen MCF-7-Zellen bildeten inselförmige Wachstumsgruppen inmitten der spindelförmig wachsenden HGF-1-Fibroblasten. Die NIPP- Behandlung hatte keine nachweisbaren Effekte auf das Wachstumsverhalten der HGF-1-MCF-7-Kokultur.
Die Netzimplantate beeinflussten das Wachstum beider Zelltypen nicht. In Monokultur konnten keine Unterschiede im Wachstumsverhalten von HGF-1- und MCF-7-Zellen ausgemacht werden. Das biokompatible Polypropylenmaterial beeinflusste die Zellen nicht. Dies änderte sich auch nicht in der 2D-Kokultur mit den beiden Zelltypen. Auch in Anwesenheit von Netzimplantaten organisierten sich die Zellen in ihrer klar voneinander getrennten Struktur. Die Netzfäden wurden dabei teilweise von epithelialen MCF-7-Zellen besiedelt (Abbildung 4).
Abb. 4: Mikroskopische Analyse von NIPP-behandelten 3D-Kokulturen mit integrierten Netzimplantaten (A-C). In jedem Replikat wurden zunächst 5x104 HGF-1-Zellen ausgesät und nach 7 Tagen zusätzlich 1x104 MCF-7-Zellen hinzugefügt. Nach 12 Tagen wurden die fertigen 3D-Kokulturen mit Netzimplantaten bedeckt. Jedes Replikat bestand aus einer Gruppe, die nicht behandelt wurde (K) und einer Gruppe, die kurz vor der Integration des Netzimplantates für 3 min mit NIPP behandelt wurde (P). Die Abbildung zeigt mikroskopische Aufnahmen 24 h und 96 h nach der Integration der Netzimplantate in 20-facher Vergrößerung. Ansammlungen von MCF-7-Zellen sind auf den Netzimplantaten in roten Kreisen markiert.
Im 3D-Modell bildeten HGF-1-Zellen eine Basisschicht, die nach Zugabe von MCF-7-Zellen von einer zweiten Schicht überwachsen wurde. Dieses Modell simulierte die Struktur eines Gewebes und ermöglichte die Untersuchung regenerativer NIPP-Effekte. In der 3D-Kokultur von HGF-1- und MCF-7-Zellen zeigte sich, dass die Fäden des Netzimplantats stärker mit MCF-7-Zellen bewachsen wurden als in der 2D-Anordnung dieser Versuchsreihe. Diese verstärkte Besiedlung des Polymermaterials wurde durch die NIPP-Behandlung erhöht.
Die Quantifizierung der im Implantatnetz lokalisierten Zellen mit und ohne NIPP-Behandlung zeigte bei 3 unabhängigen Detektionsmethoden einen Anstieg der auf den Netzen wachsenden Zellen um das Drei- bis Fünffache. Per Hochdurchsatz-EVE Cell Counter wurde ein Anstieg der Netzbesiedlung um das Fünffache (p = 0,0009) im Vergleich zur unbehandelten Kontrolle detektiert. Und auch die beiden anderen Messverfahren zeigten eine statistisch signifikante (Neubauer-Zellzählkammer: dreifach, p = 0,0001) und eine tendenzielle Zunahme (CASY TT Cell Counter and Analyzer: dreifach, p = 0,110) der Netzbesiedlung (Abbildung 5).
Abb. 5: Quantifizierung der Zellzahl auf den Netzimplantaten:
Die statistische Signifikanz wurde mitttels Student‘s t-Tests (*=p≤0,05; **=p≤0,01; ***=p≤0,001) geprüft. Bei allen Messmethoden wurden die Netzimplantate nach 96 h aus den Inserts entfernt, die Zellen von den Netzimplantaten abgetrennt und die gewonnene Zellsuspension einmal mittels EVETM automated Cell Counter NanoEntek (A), einmal mittels Neubauer-Zählkammer (B) und einmal mittels CASY Cell Counter and Analyzer (C) gemessen. Die Messwerte sind jeweils als Mittelwerte mit Standardabweichungen dargestellt. Die Messwerte der Netzimplantate aus den unbehandelten 3D-Kokulturen (Kontrolle) wurden den Messwerten der Netzimplantate aus den für 3 min mit NIPP behandelten 3D-Kokulturen (behandelt) gegenübergestellt.
NIPP zeigte eine wachstumsfördernde Wirkung auf fibroblastäre Zellen (HGF-1) und hemmte das Wachstum von epithelialen Zellen (MCF-7). Netzimplantate beeinflussten das Zellwachstum nicht, ermöglichten jedoch Zellansiedlung, insbesondere in 3D-Modellen. NIPP erhöhte die Zellanzahl auf den Netzfäden, was für eine raschere Integration von Netzimplantaten in heilendes Gewebe spricht und mögliche Anwendungen in der regenerativen Medizin aufzeigt.
Diskussion
Bedeutung von nicht-invasivem physikalischen Plasma (NIPP) in der Medizin
NIPP ist eine vielversprechende, nicht-invasive Therapieoption. Bereits jetzt wird es in verschiedenen medizinischen Anwendungsbereichen genutzt, insbesondere aufgrund seiner antibakteriellen Eigenschaften und seiner Wirkung gegen Tumorzellen. In zahlreichen Studien konnte die wachstumshemmende Wirkung von NIPP auf Tumorzellen sowie seine regenerative Wirkung auf gesunde Zellen nachgewiesen werden [12].
Antiproliferative Wirkung auf MCF-7-Zellen
Die vorliegende Arbeit bestätigt eine behandlungszeitabhängige wachstumshemmende Wirkung von NIPP auf maligne Zellen, in diesem Fall epitheliale Zellen des Mammakarzinoms (MCF-7). Bereits kurze Behandlungszeiten von 1 min führten zu einer signifikanten Reduktion des Zellwachstums, was NIPP als eine mögliche nicht-invasive Option für die onkologische Therapie auszeichnet. Frühere Studien belegen ebenfalls die antiproliferative und apoptotische Wirkung von NIPP auf verschiedene Krebszelllinien, einschließlich MCF-7 [15].
Wachstumsfördernde Effekte auf HGF-1-Zellen
Ein wesentlicher Vorteil der NIPP-Behandlung liegt in ihrer unterschiedlichen Wirkung. Während Tumorzellen eher sensitiv auf NIPP reagieren, zeigt es keinen negativen Einfluss auf nicht-maligne humane Zellen. In einigen Fällen wird sogar eine wachstumsfördernde Wirkung beschrieben. In der vorliegenden Untersuchung wurde bei einer 3-minütigen Behandlung eine leichte, aber signifikante Stimulation des Wachstums von HGF-1-Zellen festgestellt, was für eine regenerative Wirkung spricht.
Anwendung regenerativer Effekte
Die regenerative Kapazität von NIPP wurde in Studien zur Wundheilung umfassend untersucht. Seine antibakteriellen Eigenschaften und die Förderung der Re-Epithelialisierung machen es zu einer wertvollen Therapieoption, beispielsweise zur Prophylaxe von Strahlendermatitis oder zur Behandlung oraler Wunden [3]. Besonders hervorzuheben ist der potenzielle Nutzen von NIPP bei der Einheilung von Implantaten, wie Zahnimplantaten aus Titan oder Zirkon. Hier konnte NIPP die Oberflächenhydrophilie und Zelladhäsion verbessern, was die Osseointegration fördert [13].
Einsatz von NIPP bei Netzimplantaten
Die vorliegende Arbeit widmete sich der Untersuchung der regenerativen Wirkung von NIPP zur Besiedlung und Gewebeintegration von Netzimplantaten wie sie in der Hernienchirurgie verwendet werden. Trotz der großen Fortschritte bei der Nutzung von Netzimplantaten aus Polypropylen bleiben postoperative Komplikationen wie Infektionen, Adhäsionen und Schmerzen ein Problem. Die hier dargestellten Ergebnisse legen nahe, dass NIPP durch Förderung der Zelladhäsion und -proliferation zur Verbesserung der Einheilung solcher Implantate beitragen kann.
Charakterisierung eines Gewebemodells
Zur Untersuchung der NIPP-Wirkung wurde ein innovatives 3D-Kokultur-Gewebemodell entwickelt. Es besteht aus fibroblastären HGF-1-Zellen und epithelialen MCF-7-Zellen, die übereinander in zwei Schichten in einem Zellkulturinsert wachsen. Die unten am Insert befindliche Membran ist für niedermolekulare Stoffe permeabel und dient der Nährstoffversorgung der unten in der Schichtung befindlichen Fibroblasten. Die Vitalität des Modells konnte durch den Glukoseverbrauch aus dem Zellkulturmedium nachgewiesen werden, was seine Eignung für regenerative Studien unterstreicht. Der biologische Vorteil des in vitro-Gewebemodells liegt nicht in der 3D-Anordnung der Zellen – dies könnte auch mit 3D-Matrices erreicht werden – sondern an der Interaktion der beiden Zelltypen. In zahlreichen Versuchen konnte gezeigt werden, dass Fibroblasten und Epithelzellen in zellbiologischen Kontakt stehen und anders reagieren als die beiden Monokulturen.
Förderung der Zelladhäsion auf Netzimplantaten
Die Ergebnisse zeigten eine signifikant erhöhte Zelladhäsion auf den Netzimplantaten nach 3 min NIPP-Behandlung. Eine quantitative Analyse mittels unterschiedlicher Messmethoden bestätigte eine 300–500 %ige Steigerung der Zelladhäsion auf dem Material der Netzimplantate. Dies deutet eindeutig auf eine potenzielle Förderung der Gewebeintegration eines Netzimplantats hin.
Klinische Relevanz und Ausblick
Die nachgewiesenen regenerativen und implantatintegrativen Effekte einer NIPP-Behandlung des betreffenden Gewebebereichs eröffnen neue Perspektiven für den Einsatz in der Hernienchirurgie. Neben der Förderung der Einheilung könnten die antibakteriellen Eigenschaften von NIPP das Risiko postoperativer Komplikationen wie Infektionen oder Rezidive senken. Obwohl die in-vitro-Ergebnisse vielversprechend sind, bedarf es weiterer Untersuchungen an Tiermodellen und klinischen Studien, um die Langzeitwirkungen zu bewerten. Zudem sollte die Wirkung von NIPP auf verschiedene Netzimplantatmaterialien untersucht werden, um das volle Potenzial dieser Technologie auszuschöpfen.
Insgesamt liefert diese Arbeit wichtige Hinweise auf die regenerative und wachstumsfördernde Wirkung von NIPP und schafft eine Grundlage für dessen Anwendung zur Verbesserung der Therapieergebnisse in der gesamten Implantatchirurgie.
Literatur
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Erklärung
Das Forschungsprojekt wurde durch den Sanitätsdienst der Bundeswehr als Sonderforschungsprojekt 43K4-S-1 2224 gefördert.
Manuskriptdaten
Zitierweise
Abazid A, Babak A, Huschitt N, Badendieck S, Stope MB: Anwendung von nicht-invasivem physikalischem Plasma in einem in vitro Gewebemodell aus Fibroblasten und Epithelzellen: Gesteigerte Besiedlung von Netzimplantaten. WMM 2025; 69(1–2): 6-12.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-388
Für die Verfasser
Oberstabsarzt Dr. Alexander Abazid, MBAH
Bundeswehrkrankenhaus Berlin
Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie
Scharnhorststrasse 13, 10115 Berlin
E-Mail: alexanderabazid@bundeswehr.org
Manuscript Data
Citation
Abazid A, Babak A, Huschitt N, Badendieck S, Stope MB: [Application of Non-Invasive Physical Plasma in an in vitro Tissue Model of Fibroblasts and Epithelial Cells: Enhanced Cell Adhesion in Mesh Implants.] WMM 2025; 69(1–2): 6-12.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-388
For the Authors
Major (MC) Dr. Alexander Abazid, MBHA
Bundeswehr Hospital Berlin
Department of General Surgery
Scharnhorststrasse 13, D-10115 Berlin
E-Mail: alexanderabazid@bundeswehr.org