Abwasser-basierte Infektionsüberwachung
von SARS-CoV-2 im multinationalen Einsatz in Gao, Mali
Wastewater-based Surveillance of SARS-CoV-2 in a Multinational Military Mission in Gao, Mali
Sebastian Albrechta, Daniela Bartha, Michael Seidelb, Markus Antwerpenb, Gerd Großmanna, Katalyn Roßmanna, Rudolf Marktc, Dimitrios Frangoulidisa
a Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr, Abteilung A, Referat VI 2 – Gesundheitsüberwachung und -berichterstattung, München
b Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr, München
cFachhochschule Kärnten, Fachbereich Gesundheit und Soziales, Klagenfurt am Wörthersee, Österreich
Zusammenfassung
Die Untersuchung von Abwasser auf SARS-CoV-2-Viren hat sich in der COVID-19-Pandemie als neues und unverzichtbares Mittel zur Überwachung und Kontrolle des Infektionsgeschehens in betroffenen Populationen etabliert. Daher wurde unter Federführung des Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr (KdoSanDstBw) VI 2 von September 2021 für die Dauer von 2 Jahren ein entsprechendes Beprobungskonzept im Feldlager Camp Castor, Gao in Mali, entwickelt, etabliert und betrieben. Mit zivilen Partnern aus der Industrie und dem universitären Bereich gelang so nicht nur erstmals ein solches Konzept erfolgreich in einem militärischen Auslandseinsatz zu etablieren, sondern es wurde der Beweis erbracht, dass auch unter schwierigen Einsatz- und Klimabedingungen Infektionsdaten aus dem Abwasser die Bekämpfung und Eindämmung der COVID-19-Pandemie sinnvoll und nachhaltig unterstützen können. Die exakte, tägliche molekularbiologische Quantifizierung des SARS-CoV-2-Erregers an 6 Entnahmestellen im Feldlager wurde so zu einem qualitativ hochwertigen Hilfsmittel zur nahezu Echtzeit-Infektionslagebestimmung mit entsprechender Beurteilung, Bewertung und Maßnahmeneinleitung der fachlich verantwortlichen Entscheidungsträger im Einsatz. Erstmals konnte auch anhand der ermittelten Daten ein elektronisches Geo-Informations-System-(GIS)-unterstütztes Lagebild durch KdoSanDstBw VI 2 erstellt werden, das beispielgebend für weitere Infektionslagedarstellungen wurde. Die Fähigkeit, Abwasser auf Infektionserreger untersuchen zu können, ist u. a. aufgrund der in diesem Einsatz gewonnenen Erfahrungen bei zukünftigen Einsätzen als wichtige Ergänzung des präventiven Gesundheitsschutzes aller Truppen nicht mehr wegzudenken.
Schlüsselwörter: Abwasser-basierte Infektionsüberwachung, Near Real Time Surveillance, Ausbruchsfrüherkennung, elektronische Lagebilddarstellung, GIS, Sequenzierung, SARS-CoV-2/COVID-19
Summary
Testing wastewater for SARS-CoV-2 viruses has established itself as a new and indispensable means of monitoring and controlling the incidence of infection in affected populations during the COVID-19 pandemic. Therefore, under the leadership of Bundeswehr Medical Service Headquarters, from September 2021 for two years a corresponding sampling concept was developed, established and operated at Camp Castor, Gao/Mali. Together with civilian partners from industry and academia, it was not only the first time that such a concept was established successfully in a military operation abroad but also proof that even under difficult operational and climatic conditions, infection data from wastewater can provide meaningful and sustainable support in combating and containing the COVID-19 pandemic. The exact, daily molecular biological quantification of the SARS-CoV-2 pathogen at 6 sampling points in the field camp thus became a high-quality tool for determining the infection situation in near real time with corresponding assessment, evaluation, and initiation of measures by the responsible decision-makers in the field. For the first time, Bundeswehr Medical Service Headquarters could also create an electronic geo-information system (GIS)-supported situation picture based on the data collected, which set an example for other infection situation analyses. The ability to analyze wastewater for infectious agents is an important addition to Force Health Protection in future missions, partly due to the experience gained here.
Keywords: wastewater-based infection-monitoring; near Real Time Surveillance; early outbreak detection; electronic situational awareness; GIS; sequencing; SARS-CoV-2/COVID-19
Einleitung und Hintergrund
Infektionserreger werden z.T. über den Magen-Darmtrakt ausgeschieden und können – wie im Falle von SARS-CoV-2 – unabhängig von einer klinischen Symptomatik im Stuhl nachgewiesen werden [4]. Entsprechend ist es möglich, durch die Analyse der Ausscheidungen den Infektionsablauf nachvollziehbar zu machen. Der Nachweis im Abwasser ist dabei ein wichtiges Element zur Überwachung von größeren Populationen [3][5]. Neben der Analyse auf das Vorhandensein eines Erregers können zusätzliche molekularbiologische Verfahren Veränderungen im Genom des Pathogens nachweisen. Diese geben ggf. Aufschluss über die Virulenz und die Ansteckungsfähigkeit [1]. Gerade in Populationen, die auf engem Raum zusammenleben, wie z. B. Soldatinnen und Soldaten in einem Feldlager, besteht die große Gefahr, dass Infektionserreger verzögert diagnostiziert werden, sich schnell ausbreiten und neben gesundheitlichen Einschränkungen auch einen entscheidenden Einfluss auf die Einsatzfähigkeit bzw. Auftragserfüllung nehmen. SARS-CoV-2, der Erreger von COVID-19 bzw. der COVID-19-Pandemie, hat gezeigt, dass er dieses Potenzial besitzt [2]. Als problematische Faktoren haben sich in einem multinationalen Auslandseinsatz von Streitkräften die regelmäßigen Kontingentwechsel, die wechselnden Infektionssituationen in den jeweiligen Heimatnationen, verschiedene Immunitätslagen, der Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung sowie begrenzte diagnostische, therapeutische und sonstige medizinische Versorgungsmöglichkeiten erwiesen.
Nachdem seit Beginn der COVID-19-Pandemie deutlich wurde, dass die SARS-CoV-2-Virusausscheidung über den Darm eine gute Korrelation mit dem Nachweis im Respirationstrakt zeigt, entstanden weltweit Projekte zur Abwasseruntersuchung auf diesen Erreger [8]. Neben dem frühen Hinweis im Abwasser auf ein sich anbahnendes Infektionsgeschehen (z.T. 1–2 Wochen vorher) und den sich dadurch ergebenden Möglichkeiten, präventive Schutzmaßnahmen ergreifen zu können, zeigte sich auch, dass die hohe genetische Variabilität des SARS-CoV-2-Virus auch im Abwasser bestimmbar war. Somit war es möglich, neben der genomischen Surveillance aus individuellen diagnostischen Atemwegsproben, auch ein umfassendes Bild der genomischen Veränderungsdynamik des Erregers in einer ganzen Population gewinnen zu können.
Nach ersten eigenen Erfahrungen des Referates VI 2 in Kooperationsprojekten mit der TU München im Berchtesgadener Land und an Bundeswehrstandorten in Mittenwald und Bischofswiesen [6][7], entstand die Idee, ein entsprechendes Abwassermonitoring auf SARS-CoV-2 im Auslandseinsatz der Bundeswehr im afrikanischen Mali im Camp Castor in Gao zu etablieren.
Im Rahmen der UN-Mission MINUSMA (Mission Multidimensionnelle Intégrée des Nations Unies pour la Stabilisation au Mali) betrieb die Bundeswehr von 2016 bis 2023 ein multinationales Feldlager in Gao mit bis zu 1 600 Soldaten und etwa 300 zivilen Mitarbeitern aus 10 Nationen, welches eng mit den 23 Nationen im benachbarten UN-Supercamp in Gao zusammenarbeitete.
Durch Kontakte zum BAIUDBw (Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen), die verantwortliche Bundesoberbehörde der Bundeswehr für u. a. Vertragsgestaltungen mit zivilen Dienstleistern im Einsatz, konnte ein Projekt- und Planungsteam mit Vertretern der Fa. LKK-Klimatechnik Handels und Servicegesellschaft mbH (LKK) aus Strausberg, mit der Wastewater Solutions Group GmbH (WWSG) aus Graz in Österreich und der Universität Innsbruck im Januar 2021 aufgesetzt werden. Aufgrund der Einbindung in das österreichische nationale Abwasseruntersuchungssystem der Fa. WWSG und der Universität Innsbruck gelang es innerhalb von zwei Monaten, ein vollständiges Konzept zur Abwassergewinnung und anschließenden molekularbiologischen Untersuchung auf SARS-CoV-2 auszuarbeiten und anschließend zu beauftragen. Bereits im Juli 2021 wurde der neu konstruierte und komplett ausgestattete Laborcontainer (Abbildung 1) in den Einsatz transportiert und in den Testbetrieb überführt. Ab September 2021 wurden dann jeden Tag Abwasserproben an bis zu 6 Entnahmepunkten im Feldlager Camp Castor gewonnen und anschließend im Laborcontainer verarbeitet. Die Ergebnisse lagen noch am selben Tag vor und wurden unter der Koordination von KdoSanDstBw VI 2 entsprechend aufbereitet und umgehend an die fachlichen Führungsverantwortlichen im In- und Ausland übermittelt. Zudem wurden die vor Ort aufbereiteten Proben für den Transport unter Umweltbedingungen chemisch stabilisiert und während der Laufzeit des Projektes kontinuierlich an das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr (InstMikroBioBw) in München versandt.
Abb. 1: Schematischer Aufbau des genutzten Abwasseranalyse-Containers im Feldlager Gao (MobiWater® RNA LAB/20 –Wastewater Solutions Group GmbH)
Aufbau und Verfahrensablauf des Abwassermonitorings
Untersuchungsverfahren und Aufbau
Ein handelsüblicher 20-Fuß-Metallcontainer wurde in einen Vorraum zum Ein- und Ausschleusen und einem Hauptarbeitsraum unterteilt. Im Vorraum konnten die einzuschleusenden Probengefäße laborhygienisch sach- und fachgerecht desinfizierend behandelt werden, um eine Fremdkontamination des Hauptarbeitsraumes, z. B. mit Stäuben und in den Stäuben befindlichen pathogenen Erregern, zu verhindern. Auch das Laborpersonal hatte hier die Voraussetzungen, sich gemäß der in Deutschland bzw. EU-weit etablierten hygienischen und arbeitsmedizinischen Standards in persönliche Schutzausstattung, bestehend aus einem keimfreien Einmalkittel bzw. -overall, Schutzhandschuhen, Schutzhaube und bedarfsgerecht aus Schutzbrille und Laborschutzschuhen, umzukleiden und die essenziellen Präventivmaßnahmen mit hygienischer Händewaschung und -desinfektion durchzuführen. Weiterhin verfügte der Laborcontainer MobiWater® RNA LAB/20 neben einer entsprechenden Klimatisierung auch über eine zusätzliche Raumluftfilterung, die eine Reinraum-Luftqualität sicherstellen konnte (Abbildung 1).
Alle Laborgeräte zur Abwasseraufbereitung, DNA-/RNA-Isolierung und genomischen Identifizierung mittels PCR sowie gekühlte und tiefgekühlte Lagerkapazitäten waren im Hauptlaborraum eingerichtet und wurden dort betrieben. In einem weiteren Kühl- und Lagercontainer erfolgte die Bevorratung der restlichen Verbrauchsmaterialien. Das Labor wurde von einem zivilen, speziell für die Abwasseranalysen geschulten Laboranten betrieben.
Weiterhin wurden kurz nach Beginn des Forschungsprojektes in Gao am Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz, Abt. XXI – Mikrobiologie und Krankenhaushygiene, Sektion B, das detaillierte Analyseverfahren und die Analysemethodik validiert und etabliert, um jederzeit ein Redundanz- bzw. Ausfallkonzept zur mikrobiologischen Abwasseranalyse vor Ort in der „Hinterhand“ zu haben. Hierbei wurde ebenfalls eine entsprechend zügige Probenversandlogistik aus dem Einsatzgebiet nach Koblenz, analog dem Probenversand an das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr München, implementiert.
Beprobung und Probenverarbeitung
Im Feldlager standen für die Beprobung über 43 Zugangsschächte zum Kanalnetz des Camps, der Hauptzulauf an der Kläranlage wie auch eine Zisterne zur Verfügung und wurden für die Gewinnung der Abwasserproben genutzt(Abbildung 2).
Für die vollautomatisierte Probennahme waren drei festinstallierte Probennehmer und drei mobile, akku-gestützte Geräte vorhanden. Der Hauptzulauf, die Zisterne und der Zulauf vom britischen Nachbarcamp Bagnold, welche durch die drei fest installierten Geräte überwacht wurden, dienten im Kanalsystem als „Sentinels“ bzw. „Wächter-Punkte“. Die mobilen Geräte wurden je nach Infektionslage bzw. Signal an den Wächter-Punkten an unterschiedlichen Stellen im Kanalnetz eingesetzt, um die Quelle des Signals möglichst gut und frühzeitig eingrenzen zu können. Die vollautomatisierten Probennehmer zogen über 24 h periodisch Aliquote aus dem Abwasser und erzeugten eine entsprechende 24h-Mischprobe. Dadurch wurden der Verlauf und die unterschiedliche Toilettennutzung über einen Arbeitstag hinweg gleichmäßiger abgebildet und sichergestellt. Nach 24 h erfolgte eine ca. 8–10-stündige Bearbeitung und Auswertung der Proben, sodass die Analyseergebnisse und deren Bewertung des jeweiligen Probentages am darauffolgenden Tag vorlagen.
Datenauswertung
Nach Übermittlung der Daten wurden diese in ein elektronisches, Geo-Informations-System(GIS)-unterstütztes Lagebild der Firma Esri GmbH, Deutschland, überführt (Abbildung 3) und durch KdoSanDstBw VI 2 entsprechend interpretiert. Noch am selben Tag erfolgte eine schriftliche Benachrichtigung an die entsprechenden Lagezentren in Koblenz und Potsdam und die Führungsgruppe im Einsatz im Camp Castor in Gao bzw. an den Leitenden Hygieniker des Einsatzgebietes.
Abb. 3: Screenshot Dashboard Abwassermonitoring Camp Castor, Gao/Mali
Der Leitende Hygieniker im Einsatz (Ltd Hyg i.E.), welcher im Reach-Back-Verfahren von Deutschland aus agierte (zunächst ÜbwSt ÖRA Nord Kiel, ab Mai 2022 BwKrhs Hamburg), konnte dann zusammen mit dem im Feldlager vor Ort befindlichen Gesundheitsaufseher im Einsatz (GesAufs i.E.) entsprechende hygienisch-infektiologische Lagebeurteilungen in Ergänzung zu den sonstigen Meldedaten aus dem klinisch-chemischen Feldlabor und der Sanitätsversorgungseinrichtung durchführen. Zur weiteren Eingrenzung möglicher Infektionsherde wurden neben einem symptomorientierten Ansatz in den entsprechenden Feldlagerbereichen des Camp Castors auch die drei mobilen Probennehmer umgesetzt, um so möglichst dicht an die Eintragungsorte in das Abwassersystem des Feldlagers zu gelangen und etwaige Infektionsketten bzw. -ursprünge gezielt detektieren zu können.
Verfahrensvalidierung und -überwachung
Alle isolierten RNA-Proben wurden anschließend wöchentlich an das InstMikroBioBw in München zur weiteren genomischen Charakterisierung und Archivierung versandt. In der Etablierungsphase des Konzeptes im Einsatzland wurde dort zusätzlich eine komplette, zeitlich kurzfristige Nachkontrolle aller Proben durchgeführt und damit die Evaluierung sowie Validierung sichergestellt. Neben der genomischen Charakterisierung von ausgewählten und geeigneten Proben zur Bestimmung der SARS-CoV-2-Virusvarianten, erfolgte ein zusätzliches PCR-Screening auf Influenzaviren und RSV (Respiratorisches Synzytial Virus) aus den Extrakten der Abwasserproben.
Ergebnisse
Im insgesamt zweijährigen Betrieb des Abwassermonitorings auf SARS-CoV-2 (bis September 2023) wurden über 4 100 Abwasserproben gewonnen und analysiert, mehr als 600 zur genomischen Charakterisierung an das InstMikroBioBw in München versandt und über 50 Gesamtgenomsequenzierungen durchgeführt.
Trotz der z.T. extremen Klimabedingungen (u. a. 40°C Lufttemperatur, Schlagregenereignisse und extreme Trockenheitsphasen) und täglichen Bearbeitungen erwies sich das Arbeits- und Ablaufkonzept einschließlich der verwendeten Komponenten als äußerst robust und zuverlässig. Die Gesamtausfallrate von Probenuntersuchungen lag unter 1 %.
Durch die flexible und ergebnisangepasste Handhabung der Probennehmer konnten COVID-19-Cluster binnen max. 3 Tagen auf bis zu 80 Personen eingegrenzt werden.
Trotz der ablaufbedingten Verzögerung von 36 h bis zur Ergebnisauswertung wurden mehrere Infektionsereignisse bereits 2 bis 3 Tage vor Auftreten von Symptomen identifiziert (Abbildung 4).
Abb. 4: Täglich gemeldete Fälle im Vergleich zur gemessenen SARS-CoV-2-Konzentration im Abwasser der fest installierten Probennehmer.
Entsprechende anti-epidemische Maßnahmen, wie intensiviertes Symptomscreening, erweiterte Antigen-Schnelltestungen, PCR-Kontrollen, persönliche Schutzmaßnahmen (z.B. FFP-2-Maske) und organisatorische Anpassungen (Abstand, Lüften) konnten so durch den Gesundheitsaufseher mit dem Ltd. Hygieniker im Einsatz und dem Leitenden Sanitätsoffizier im Einsatz (LSO i. E.) getroffen und umgesetzt werden. Bei Bedarf erfolgte zusätzlich eine fachlich-beratende Unterstützung durch KdoSanDstBw VI 2. Auf diese Art und Weise konnten mindestens acht größere Infektionscluster nicht nur zeitgerecht erkannt, sondern durch die Einleitung von epidemiologischen Maßnahmen auch eingedämmt und zeitlich begrenzt werden. Eindrucksvoll zeigte sich hier, dass durch das Abwassermonitoring auch asymptomatisch Infizierte identifiziert werden konnten. Diese spielen für den Infektionsverlauf und die Ausbreitung eine besonders hervorgehobene Rolle.
Auch hatte die bereits beschriebene frühe Ausbruchserkennung und schnelle Umsetzung der infektionspräventiven Maßnahmen durch den LSO i.E. sozusagen im Nebeneffekt eine positive Auswirkung auf die Einsatzlogistik, da die SARS-CoV-2-Antigen-Schnellteste und die Einzelverbrauchsgüter der persönlichen Schutzausrüstung, hier vor allem Schutzmasken, gezielter eingesetzt werden konnten. Damit konnte der hohe Verbrauch durch Massenscreenings der Gesamtpopulation des Feldlagers bzw. durch feldlagerweit angeordnete Maskentragepflicht der ersten 1,5 Jahre der Pandemie im Camp Castor Gao deutlich reduziert werden.
Die Sequenzanalysen des genomischen Materials aus den Abwasserproben waren durch die chemische Stabilisierung der Nukleinsäure-Extrakte auch nach längerem Transport und erhöhten Lagertemperaturen am InstMikroBioBw in München möglich. Die in den Abwasserproben detektierten Varianten korrelierten gut mit Sequenzanalysen infizierter Personen aus demselben Zeitraum (Abbildung 5).
Abb. 5: Relative Häufigkeit der im Abwasser detektierte Varianten von SARS-CoV-2 während des Probennahmezeitraumes Januar 2022 – Juni 2023 an drei unterschiedlichen Probeentnahmestellen
Kernaussagen
- Die abwasserbasierte Infektionsüberwachung hat sich als verlässlicher Baustein im infektionspräventiven Maßnahmenbündel der Zelle Force Health Protection erwiesen.
- Durch das täglich durchgeführte Abwassermonitoring auf SARS-CoV-2 konnten mehrere Infektionsausbrüche ca. 48 h früher erkannt und zielgerichtet bekämpft werden.
- Die GIS-basierte Lagebilderstellung hat den Informations- und Kommunikationsfluss mit allen militärischen Bedarfsträgern vereinfacht und so die Reaktionszeit auf militärmedizinischer und militärtaktischer Ebene nachweislich verbessert.
- Die miteinander korrelierenden Ergebnisse der Genomsequenzierung aus Abwasser- und Patientenproben flossen direkt in die Lagebeurteilung der Zelle Force Health Protection ein.
- Die abwasserbasierte Infektionsüberwachung hat während der COVID-19-Pandemie unter den besonders schwierigen Bedingungen im Camp Castor eindrucksvoll zur Sicherstellung der Auftragserfüllung im Einsatz beigetragen.
Literatur
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Interessenkonflikt
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
Danksagung
Wir möchten unseren besonderen Dank Herrn Technischen Oberregierungsrat Dr. Dreibach und seinen Mitarbeitern der Abteilung Infra IV 3.3 Operatives FM, Infra, im BAIUDBw in Bonn für ihre stets konstruktive, lösungs- und zielorientierte Zusammenarbeit aussprechen, ohne deren Einsatz dieses Projekt nicht möglich gewesen wäre.
Bildquellen
Abb. 1: Wastewater Solutions Group GmbH (Freigabe zur unentgeltlichen Nutzung der Bilder für diesen Artikel durch Dr. Peter Kerschberger, Fa. WWSG, erteilt)
Abb. 2 und 3: Bundeswehr/KdoSanDstBw VI 2
Abb. 4 und 5: FH Kärnten/Rudolf Markt
Manuskriptdaten
Zitierweise
Albrecht S, Barth D, Seidel M, Antwerpen M, Großmann G, Roßmann K, Markt R, Frangoulidis D: Abwasser-basierte Infektionsüberwachung von SARS-CoV-2 im multinationalen Einsatz in Gao, Mali. WMM 2024; 68(6): 290-295.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-301
Für die Verfasser
Oberfeldarzt Priv.-Doz. Dr. Dimitrios Frangoulidis
Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr
Referat VI 2 – Gesundheitsüberwachung und -berichterstattung
Dachauer Straße 128, 80637 München
E-Mail: dimitriosfrangoulidis@bundeswehr.org
Manuscript Data
Citation
Albrecht S, Barth D, Seidel M, Antwerpen M, Großmann G, Roßmann K, Markt R, Frangoulidis D: [Wastewater-based surveillance of SARS-CoV-2 in a multinational military mission in Gao, Mali]. WMM 2024; 68 (6): 290-295.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-301
For the Authors
Lieutenant Colonel (MC) Ass. Prof. Dr. Dimitrios Frangoulidis
Bundeswehr Medical Service Headquarters
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