Zeitgemäße Risikokommunikation am Beispiel des Monkeypox-Ausbruches
Modern Risk Communication Using the Example of the Monkeypox Outbreak
Kay Erkensa, Katalyn Roßmanna, Nino Neumannb,Tobias Wagelöhnerb
a Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr, Referat VI 2 – Gesundheitsüberwachung und-berichterstattung, München
b Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Klinik I – Innere Medizin
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit soll unter dem Eindruck eines weltweiten Mpox-Ausbruchs (Monkeypox, sog. Affenpocken) die Bedeutung einer modernen und zeitgemäßen Risikokommunikation gegenüber allen Angehörigen der Bundeswehr darstellen. Ausgehend von einem britischen Bürger, der sich zuvor in Nigeria aufgehalten hatte, meldete Großbritannien am 6. Mai 2022 den Ausbruch von Mpox. Die besonders im Sommer und Herbst 2022 kontinuierlich ansteigenden Erkrankungszahlen sollten bis 2024 zum größten internationalen Mpox-Ausbruch der Geschichte außerhalb der klassischen Endemiegebiete führen.
Von der Erkrankung weitaus überwiegend betroffen waren homosexuelle und bisexuelle Männer im Alter zwischen 20 und 50 Jahren. Die Übertragung des Erregers wurde als sexuell assoziiert identifiziert. Es bestand ein signifikantes Risiko der Erregerausbreitung auch unter homosexuellem und bisexuellem Personal der Bundeswehr, zumal ein gegen Mpox-Virus (MPXV) wirksamer Impfstoff anfänglich ebenso wenig zur Verfügung stand wie geeignete Virostatika. Vor dem Hintergrund zu Ausbruchsbeginn vollständig fehlender pharmakologischer Einflussmöglichkeiten auf das Ausbruchsgeschehen war die Aufklärungsarbeit mit besonderem Schwerpunkt auf homosexuelle und bisexuelle Risikogruppen in der Bundeswehr ausgerichtet. So wurde ein zeitgemäßer Beitrag zur Krankheitsprävention im Sinne von Aufklärung und Verhaltenssteuerung zum Schutz eigenen Personals geleistet. Dem Aufkommen von Unruhe oder gar Panik unter den gegenüber Mpox potenziell Exponierten konnte so wirksam entgegengewirkt werden. Es erkrankten nur wenige Soldatinnen und Soldaten an Mpox.
Schlüsselwörter: Affenpocken, Mpox, Mpox-Ausbruch 2022, Affenpockenvirus, MPXV, nichtendemische Länder, Risikokommunikation, Risikowahrnehmung, Risikokompetenz, sexuelle Minderheiten, Zielgruppe, spezifisch, homosexuell, bisexuell, sexuelle Gesundheit
Summary
On May 6 2022, the UK reported an outbreak of Mpox (monkeypox) from a British citizen who had previously stayed in Nigeria. The continuous increase in cases, particularly in summer and fall 2022, resulted in the largest international Mpox outbreak in history outside the classic endemic areas by 2024.
The disease predominantly affected homosexual and bisexual men between the ages of 20 and 50. The transmission of the pathogen was identified as sexually associated. There was a significant risk that the pathogen would also spread in a relevant way among homosexual and bisexual Bundeswehr personnel, especially as a vaccine effective against the Mpox virus (MPXV) was initially just as unavailable as suitable antivirals.
This paper aims to demonstrate the importance of modern and up-to-date risk communication to all members of the Bundeswehr. Since there was initially a complete lack of pharmacological options for mitigating the outbreak, the educational work focused in particular on homosexual and bisexual risk groups in the Bundeswehr. Thus, an up-to-date contribution was made to disease prevention through education and behavior control for the protection of own personnel. The emergence of unrest or even panic among those potentially exposed to Mpox was effectively counteracted. Only a few soldiers contracted Mpox.
Keywords: Monkeypox; Mpox; Mpox-outbreak 2022; monkeypox virus; MPXV; nonendemic countries; risk communication; risk perception; risk literacy; sexual minorities; target group; specific; homosexual; bisexual; sexual health
Einleitung und Hintergrund
Der Erreger von Mpox (Monkeypox, sog. Affenpocken) ist das Mpox-Virus (MPXV) des Genus Orthopox aus der Familie Poxviridae. Von ihm existieren zwei unterschiedliche Zweige (Kladen), nämlich der westafrikanische und der zentralafrikanische Zweig (Congo Basin). Generell wird der zentralafrikanische Zweig gegenüber dem westafrikanischen als virulenter erachtet. Auch weist der zentralafrikanische mit durchschnittlich 10,6 % eine höhere Letalität als der westafrikanische Zweig auf; bei letzterem beträgt sie durchschnittlich nur 3,6 % [11]. Primär handelt es sich bei Mpox um eine virale Zoonose, die durch Kontakt mit infizierten Tieren, u. a. auch durch den Verzehr infizierten Fleisches, auf den Menschen übertragen wird. Als natürliches Reservoir werden jedoch Kleinnager vermutet, Kontakte zu Blut oder Sekreten infizierter Reservoirtiere sind für den Menschen ein ebenso relevanter Ansteckungsmodus.
Der Name „Affenpocken“ beruht auf dem Erstnachweis von MPXV im Jahr 1958 bei einem in Dänemark gehaltenen Laboraffen. Der Affe ist aber ebenso wenig wie der Mensch als natürliches Reservoir für MPXV anzusehen [11]. Mit der Ausrottung der Pocken im Jahr 1980 und der Einstellung der Impfungen sind die Affenpocken zum wichtigsten Orthopoxvirus geworden [18].
Dynamik des Mpox-Ausbruchs
Der von Großbritannien am 6. Mai 2022 gemeldete Ausbruch von Mpox ließ sich auf einen britischen Bürger zurückführen, der zuvor aus Nigeria zurückgekehrt war. Mit Stand 21. Mai 2022 waren bereits 92 Mpox-Fälle aus 12 WHO-Mitgliedsstaaten (GBR, AUS, BEL, CAN, FRA, DEU, ITA, NLD, PRT, ESP, SWE, USA) bestätigt [2] und damit ausschließlich aus Ländern, in denen Mpox nicht endemisch vorkommt und größtenteils bisher noch nie nachgewiesen wurde (Abbildung 1) [8][23]. In Kenntnis der sexuellen Orientierung der Betroffenen und der Lokalisation der durch Mpox-Virus (MPXV) verursachten kutanen und Schleimhaut-Läsionen ließ sich der Übertragungsweg schon im Anfangsstadium des Ausbruchs als sexuell assoziiert identifizieren [2].
Abb. 1: Von Mpox betroffene Länder zum 21. Mai 2022 (Quelle: https://cdn.who.int/)
Erst am 23. Juli 2022 wurde durch den WHO Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus der Ausbruch zum „Gesundheitsnotstand von internationaler Tragweite“ (Public Health Emergency of International Concern – PHEIC) erklärt [22]. Bis zum 5. August 2022 hatte sich die Zahl der von Mpox betroffenen Länder und Überseedepartments auf 87 erhöht (Abbildung 2). Die Zahl der zu diesem Zeitpunkt bestätigten Mpox-Fälle lag bei 27 787 und sollte etwa zwei Jahre später am 5. März 2024 insgesamt 94 274 Fälle in 118 Ländern und Überseedepartments erreichen [4]. Zu diesem Datum waren aus 26 Ländern insgesamt 178 Todesfälle notifiziert worden. Darunter stammten 157 Todesfälle aus zwanzig Ländern, in denen MPXV historisch bisher nie aufgetreten war, da es sich bei diesen nicht um Länder der klassischen Verbreitungszone von MPXV handelt [4].
(Quelle: https://www.nature.com/articles/s41577–022–00775–4/figures/1)
Nachdem die durch COVID-19 bedingten Pandemie-Beschränkungen für internationale Reisen und Großveranstaltungen in vielen europäischen Ländern aufgehoben worden waren, kam es zu zahlreichen Zusammenkünften wie Musik- und Kulturfestivals oder Pride-Events die in den Sommermonaten junge, internationale Teilnehmende zusammenbrachten. Darüber hinaus fanden während der Sommerferien wahrscheinlich zahlreiche Partyveranstaltungen und andere spontane Zusammenkünfte in touristischen Einrichtungen (z. B. Hotel-/Strandpartys usw.) statt [5].
Mit dem Bekanntwerden der ersten Einzelheiten zum Ausbruchsgeschehen in Verbindung mit der hauptsächlich betroffenen Risikogruppe und dem Übertragungsweg des Erregers war zu erwarten, dass Mpox auch in der Bundeswehr, zumindest in der Gruppe homosexueller und bisexueller Soldatinnen und Soldaten, das Potenzial einer relevanten Verbreitung aufweist.
Maßnahmen seitens Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr, Referat VI 2
Mit fachlicher Unterstützung durch die Klinik für Innere Medizin – Infektiologie am Bundeswehrkrankenhaus Berlin informierte das Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr, Referat VI 2 (KdoSanDstBw VI 2) mit der Methodik moderner Risikokommunikation über die kommenden Monate regelmäßig und aktuell über den Verlauf des Mpox-Ausbruchs. Eigene Absicht war es hierbei, nicht nur die Leitungsebenen über das aktuelle Geschehen in Kenntnis zu setzen, sondern die gleichen Informationen innerhalb der gesamten Bundeswehr auch jeder einzelnen Soldatin und jedem einzelnen Soldaten zur Verfügung zu stellen.
Die umfassend aufgearbeiteten und unter der Bezeichnung „InfektInfo“ herausgegebenen Informationspakete lieferten zeitnah und für jedermann verständliche Kernbotschaften zu dem Mpox-Ausbruch. Mit den nach Lagebild, Bewertung und Empfehlung streng standardisiert aufgebauten und hochfrequent aktualisierten InfektInfos wurden relevante Gesundheitsinformationen innerhalb des gesamten Personalkörpers des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) lageangepasst zugänglich gemacht. Zur zusätzlichen Verdichtung des Lagebildes wurde anfänglich auch auf epidemiologische Daten von Mpox-Fällen besonders stark betroffener NATO-Länder (Spanien, Portugal) zurückgegriffen. Das streitkräfteeigene spanische bzw. portugiesische Institut für Epidemiologie und Präventivmedizin stellte die dabei erfragten nationalen Daten unkompliziert zur Verfügung.
Methode
Weshalb müssen Risiken kommuniziert werden?
Risikokommunikation spielt eine zentrale Rolle in Public-Health-Notlagen: Sie muss informierte Entscheidungen ermöglichen, schützendes bzw. lebenserhaltendes Verhalten fördern und das Vertrauen in öffentliche Institutionen bewahren. Zudem müssen Unsicherheiten über wissenschaftliche Erkenntnisse transparent benannt und irrationale Ängste sowie Gerüchte entkräftet werden. Risikokommunikation sollte die im weitesten Sinne von Notlagen betroffenen Bevölkerungsanteile partizipativ einbeziehen. Eine mangelhafte Risikowahrnehmung wirkt sich negativ auf die nachfolgenden Phasen des Risikomanagements aus [16]. In der zurückliegenden Pandemie der Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19) ergaben sich spezifische Herausforderungen für die Risikokommunikation [9]. Die Coronavirus-Pandemie verdeutlichte, wie schwierig es ist, bei Gesundheitsthemen Fakten, Risiken und Unsicherheiten wirksam und transparent zu kommunizieren. Diese Aufgabe ist enorm wichtig, um Verunsicherungen bei verschiedenen Zielgruppen – sei es ein Fachpublikum, die Politik oder die Öffentlichkeit – zu vermeiden und ein besseres Verständnis der Problematik zu ermöglichen [15].
Begriffsdefinition
Risikokommunikation lässt sich definieren als Austausch von Informationen über Risiken und Gefahren mit der Intention, Risikobewusstsein und -verständnis zu schaffen, risikobehaftetes Verhalten zu vermindern sowie risikominimierendes Verhalten zu bestärken und zu fördern [17][21]. Als Teilbereich von Gesundheitskommunikation betrifft Risikokommunikation gesundheitliche Risiken. Im sozialwissenschaftlichen Kontext wird Risiko als Produkt aus Schadenshöhe und Eintrittswahrscheinlichkeit eines erwartbaren Schadens verstanden [3]. Als zielgerichtete Bemühung, die Öffentlichkeit über Risiken zu informieren, beinhaltet Risikokommunikation Informationen über die Art, Größe, Bedeutung und Kontrollierbarkeit eines Risikos.
Primäres Ziel der Risikokommunikation ist es, durch Bereitstellung und Verbreitung von Informationen die Risikowahrnehmung und das Verhalten der Bevölkerung zu beeinflussen, um gesellschaftlichen Schaden zu begrenzen, einzudämmen oder zu reduzieren. Darüber hinaus werden der Risikokommunikation drei weitere Funktionen zugeschrieben:
- Aufklärung über Risiken (enlightenment),
- Aufbau von Vertrauen in verantwortliche Institutionen (trust-building) sowie
- Ermöglichen eines Dialogs zwischen den am Krisenmanagement beteiligten Stakeholdern, also allen relevanten Interessengruppen und involvierten Parteien (participative function).
Drei Typen von Risikokommunikation können unterschieden werden [17]:
- Care Communication,
- Consensus Communication und
- Crisis Communication.
Während sich Care Communication auf Risiken bezieht, deren Gefahren gut erforscht und von der Bevölkerung anerkannt sind (z. B. Rauchen, Aids), geht es im Rahmen der Consensus Communication darum, Sichtweisen unterschiedlicher Interessengruppen in Bezug auf den Umgang mit weniger bekannten Risiken zusammenzuführen. Crisis Communication ist Risikokommunikation angesichts unvorhersehbarer, plötzlicher Gefahren, wie Pandemien, Reaktorunglücken oder Naturkatastrophen. Krisenkommunikation wird hier als Spezialfall von Risikokommunikation gesehen. Folgt man dem von den amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) entwickelten „Crisis and Emergency Risk Communication-Modell“ (CERC), so stehen beide Formen der Risikokommunikation in einem zeitlichen Verhältnis. Risikokommunikation ist demnach der Krisenkommunikation vorgelagert und setzt bereits vor Eintreten eines Schadens oder einer Gefahr ein (Tabelle 1).
Tab. 1: Crisis and Emergency Risk Communication-Modell (CERC) (nach [17])
Damit ist Risikokommunikation ereignisunabhängig, geplant und kontrolliert einsetzbar, kann Botschaften gezielt und zielgruppenspezifisch, etwa in Form von Kampagnen, platzieren, während Krisenkommunikation in Phasen größerer Unsicherheit fällt und häufig schnell und weniger kontrolliert eingesetzt wird.
Die Kommunikation von Risiken, einschließlich der Kommunikation mit der Öffentlichkeit, ist aus mehreren Gründen wichtig [14]. Mit der Risikokommunikation kann der verantwortlich Zuständige:
- Transparenz schaffen
Risikokommunikation ermöglicht Transparenz und Offenheit in Bezug auf potenzielle Gefahren und Unsicherheiten, die mit einem Ereignis verbunden sind. Dies trägt dazu bei, Vertrauen und Glaubwürdigkeit aufzubauen, sowohl innerhalb des Teams der verantwortlich Zuständigen als auch bei den von Gefahren und Unsicherheiten Betroffenen.
- Verantwortlichkeiten zuweisen
Durch die Kommunikation von Risiken werden die verantwortlich Zuständigen für mögliche Risiken und deren Auswirkungen in Verantwortung gesetzt. Dies schafft ein Bewusstsein dafür, dass Risiken nicht ignoriert werden können und dass geeignete Maßnahmen ergriffen werden müssen, um ihnen zu begegnen.
- Entscheidungsgrundlagen aufbauen
Risikokommunikation liefert die erforderlichen Informationen, um fundierte Entscheidungen treffen zu können. Durch das Verständnis über potenzielle Risiken können Entscheidungen auf einer soliden Grundlage getroffen werden, wodurch das Risiko von Fehlentscheidungen verringert wird.
- Frühzeitig agieren
Wenn Risiken frühzeitig kommuniziert werden, haben die Beteiligten ausreichend Zeit, geeignete Maßnahmen zur Risikobeherrschung oder -minderung zu ergreifen. Eine rechtzeitige Kommunikation ermöglicht es, Risiken zu identifizieren, zu analysieren und geeignete Strategien zur Risikobehandlung zu entwickeln, bevor sie sich zu größeren Problemen entwickeln.
- Sicherheit erhalten
Projekte können Risiken für die öffentliche Sicherheit und das damit verbundene Gemeinwohl mit sich bringen. Durch die Kommunikation von Risiken können mögliche Auswirkungen auf die Gesellschaft, die Umwelt oder andere wichtige Bereiche identifiziert und entsprechende Maßnahmen zur Risikominimierung und Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit ergriffen werden.
- Richtig informieren
Werden Risiken nicht offen kommuniziert, besteht die Gefahr, dass Gerüchte oder Fehlinformationen (Missinformation, Desinformation) entstehen, die zu Missverständnissen und Verunsicherung führen können. Eine klare und transparente Risikokommunikation hilft, Missverständnisse zu vermeiden und eine zutreffende Darstellung der tatsächlichen Risikosituation zu gewährleisten.
Ergebnisse
Risikogruppen
Bereits frühzeitig im Verlauf des Ausbruchs war erkannt worden, dass überwiegend homosexuelle und bisexuelle Männer im Alter zwischen 20 und 50 Jahren von der Erkrankung betroffen waren. Die Läsionen an Haut und/oder Schleimhäuten, von denen sich MPXV isolieren ließ, waren überwiegend genito-anal, im Gesicht und an den Händen lokalisiert. In Kenntnis der sexuellen Orientierung der von Mpox betroffenen Patienten und der Lokalisation der meist typischen kutanen und Schleimhaut-Läsionen ließ sich somit schon im Anfangsstadium des Ausbruchs auf einen homo- bzw. bisexuell-assoziierten Übertragungsweg schließen. Innerhalb des aktuellen Ausbruchsgeschehens waren Männer, die sexuelle Beziehungen mit Männern unterhielten (MSM) daher die durch eine Infektion mit MPXV besonders gefährdete Risikopopulation. Der Anteil von MSM in der Bundeswehr dürfte in einer mit der zivilen Bevölkerung vergleichbaren Größenordnung von ca. 5 % liegen. Es musste daher erwartet werden, dass es auch unter dem Personal der Bundeswehr zu Fällen von Mpox kommen würde. Unter den in Stuttgart stationierten US-amerikanischen Streitkräften beispielsweise war im Juni 2022 mindestens ein Fall dokumentiert worden [20].
Präventions-/Therapieoptionen
Sehr frühzeitig im Verlauf des Ausbruchsgeschehens wurde durch KdoSanDstBw die Verfügbarkeit des auch vor Mpox-Infektionen schützenden MVA-Variola-Impfstoffs Imvanex® (Handelsname in den USA: Jynneos®) der Firma Bavarian Nordic innerhalb der Bundeswehr geprüft. Daneben erfolgte die Sichtung der Eigenbestände der Bundeswehr an Tecovirimat. Bei Tecovirimat handelt es sich um ein Virostatikum mit Wirksamkeit gegen schwere Infektionen durch Variolavirus wie auch durch MPXV oder Vacciniavirus [6][7][19].
Es zeigte sich, dass Imvanex® bzw. Jynneos® in der Bundeswehr nicht und in Deutschland nur in äußerst begrenztem Umfang verfügbar waren. Tecovirimat war innerhalb der Bundeswehr sowie landesweit überhaupt nicht verfügbar. Dies hatte zur Konsequenz, dass zu diesem Zeitpunkt weder präexpositionelle Impfungen von besonders exponierten Personen möglich waren noch durch eine MPXV-Infektion ggf. schwer erkrankte Patienten hätten kausal behandelt werden können.
Risikobewusstsein stärken
Das Problem vollständig fehlender Impf- bzw. Therapiemöglichkeiten in den ersten Wochen und Monaten des Ausbruchs in Deutschland machte es daher unmittelbar und zwingend erforderlich, wenigstens für die Herstellung eines adäquaten Risikobewusstseins bei allen exponierten und prinzipiell gefährdeten Soldatinnen und Soldaten zu sorgen. In Abwesenheit pharmakologischer Interventionsmöglichkeiten bestand die einzige Möglichkeit zur Minimierung der Erkrankungszahlen in einer geeigneten Verhaltenssteuerung aller im Sinne einer Reduktion potenziell infektiöser Sexualkontakte. Nur über den Weg eines gestärkten Risikobewusstseins war anfänglich das Aufkommen an Mpox-Erkrankungen günstig zu beeinflussen. Nach dem sog. „Push-Prinzip“ mittels E-Mail-Großverteiler wurden unaufgefordert sogenannte InfektInfos versandt. InfektInfos sind standardisierte Informationsprodukte, die neben der Lagedarstellung und Risikobewertung auch die daraus abgeleiteten Empfehlungen für alle Leserinnen und Leser in verständlicher Form umfassen.
Zur Ermöglichung einer möglichst zielgerichteten Risikokommunikation gegenüber der durch Mpox-Infektionen besonders gefährdeten Gruppe homosexueller und bisexueller Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr erfolgte die frühzeitige Kontaktaufnahme mit dem Verein QueerBw. Der in der Interessensvertretung von sexuellen Minderheiten in der Bundeswehr tätige Verein wie auch dessen Mitglieder wurden durch die Verfügbarmachung der Produkte des Referates VI 2 damit direkt und verzuglos am Informationsfluss beteiligt.
Von den durch die Bundesregierung später beschafften Impfstoffen Imvanex® und Jynneos® sowie dem Virostatikum Tecovirimat wurden dann auch dem Sanitätsdienst der Bundeswehr anteilig Bestände zur Verfügung gestellt, deren Anwendung für die infektiologischen Ambulanzen der Inneren Abteilungen aller Bundeswehrkrankenhäuser vorgesehen war. Im weiteren Verlauf ließen sich zahlreiche Soldaten an den Bundeswehrkrankenhäusern impfen. Größtenteils, aber nicht ausschließlich, handelte es sich um Soldaten, die als Bezieher der HIV-Prä-Expositions-Prophylaxe (HIV-PrEP) ohnehin schon Kontakte zu den infektiologischen Ambulanzen der Bundeswehrkrankenhäuser geknüpft hatten.
Der internationale Mpox-Ausbruch hat gezeigt, dass Infektionskrankheiten das Potenzial haben, innerhalb von Risikopopulationen, aber auch außerhalb dieser das tägliche Leben und die Arbeit von Menschen negativ zu beeinträchtigen. Darüber hinaus ist ein Ausbruch wie Mpox im Besonderen geeignet, Vorurteile und Ressentiments der heterosexuellen Mehrheit gegenüber sexuellen Minderheiten zu promovieren, wie es speziell in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zu Beginn der HIV/AIDS-Pandemie in der schwulen Community weltweit zu beobachten war [1][13].
Der Mpox-Ausbruch und die Maßnahmen zu dessen Eindämmung (soziale Isolation, Quarantäne und Selbstisolation) können sich – wie auch im Zusammenhang mit COVID-19 – auf den psychischen Gesundheitszustand einer Person auswirken. Es ist bekannt, dass psychiatrische Störungen wie Depressionen und Schizophrenie durch die Isolation einer Person und den Mangel an sozialem Austausch verschlimmert werden können. In Abwesenheit menschlicher Kontakte ist es wahrscheinlicher, dass sich Depressionen und Angstzustände entwickeln und/oder verschlimmern [1].
Beide Faktoren, das Anwachsen von Vorurteilen gegenüber sexuellen Minderheiten ebenso wie die Entstehung oder Intensivierung psychischer Störungen bei Angehörigen von sexuellen Minderheiten lassen sich als indirekte Konsequenzen des Mpox-Ausbruchs auffassen [1]. Derartige „Kollateralschäden“ sind dem gegenseitig wertschätzenden und kameradschaftlichen Miteinander nicht nur abträglich, sondern erschweren völlig unnötigerweise das reibungslose Funktionieren der Truppe im Sinne ihrer Auftragserfüllung.
Damit lässt sich Mpox unstrittig ein nachteiliger und dem Militäreinsatz sogar abträglicher Einfluss unterstellen.
Diskussion
Während des Mpox-Ausbruchs 2022 war die Risikokommunikation von entscheidender Bedeutung, um alle Soldatinnen und Soldaten im Geschäftsbereich BMVg angemessen zu informieren und Ängste oder Unsicherheiten zu mildern. Einige wichtige Punkte zur Risikokommunikation während des Ausbruchs werden diskutiert.
Klare und konsistente Informationen
Es war wichtig, klare und konsistente Informationen über Mpox bereitzustellen, einschließlich der Symptome, der Übertragungswege und vorbeugenden Maßnahmen. Die zu Mpox verfassten InfektInfos umfassten aus diesem Grunde lediglich die unverzichtbaren, zum Eigenschutz unabdingbaren Informationen und Empfehlungen. Auf alles, was die Verständlichkeit der InfektInfos beeinträchtigt hätte, wurde dementsprechend konsequent verzichtet, insbesondere aber auch auf ein fachliches Ausufern des Textes.
Expertenkompetenz betonen
Durch das Hervorheben von Gesundheitsexperten und Wissenschaftlern konnte Vertrauen in die Informationen aufgebaut werden, was zu einer besseren Akzeptanz von Vorsichtsmaßnahmen und Empfehlungen führte. Dies ließ sich durch die hohe Anzahl zustimmender Rückmeldungen aus dem Leserinnen- und Leserkreis schließen. Aus diesem Grund waren InfektInfos auch nie ein Produkt im Sinne einer „One-(Two-)Man-Show“, sondern umfassten die gesamte Expertise von KdoSanDstBw VI 2 in Verbindung mit den beteiligten Kollegen aus dem BwKrhs Berlin, Abteilung Innere Medizin, Infektiologie.
Transparente Risikobewertung
Entscheidend war es, die Risikobewertung offen zu kommunizieren, einschließlich der Schwere des Ausbruchs, der Wirksamkeit von Behandlungen und Impfstoffen sowie potenzieller Unsicherheiten. Was klar bekannt war, wurde als solches benannt. Was weniger klar war, wurde ebenfalls entsprechend adressiert.
Kontinuierliche Updates
Die regelmäßige Bereitstellung von Updates hielt die Gesamtheit des militärischen Personals informiert und half, Gerüchte und Fehlinformationen einzudämmen.
Empathie und Sensibilität
Angesichts der potenziellen Gefahren des Ausbruchs war es wichtig, empathisch und sensibel zu kommunizieren, um Ängste und Sorgen von aktuell bereits Betroffenen oder bei Angehörigen von Risikogruppen anzuerkennen und anzugehen.
Klare Handlungsempfehlungen
Die Bereitstellung klarer Handlungsempfehlungen, wie z. B. Hygienemaßnahmen, Impfungen und Verhaltensänderungen, half den Soldatinnen und Soldaten, sich aktiv zu schützen.
Multikanalige Kommunikation
Die Nutzung verschiedener Kommunikationskanäle wie Websites im Intranet, InfektInfos sowie die speziell an den Verein QueerBw gerichtete Risikokommunikation ermöglichte eine breitere Reichweite und bessere Erreichbarkeit unterschiedlicher Gruppen von Soldatinnen und Soldaten.
Seit 2023 lässt KdoSanDstBw VI 2 seminarbasiert über die Pettenkofer School of Public Health München (PSPHLMU) eigenes Personal auf dem Gebiet von Risiko- und Krisenkommunikation ausbilden, um hierdurch eigene Expertise zu erlangen und zu verbessern.
Insgesamt war eine effektive Risikokommunikation während des Mpox-Ausbruchs von entscheidender Bedeutung, um das Vertrauen aller Soldatinnen und Soldaten in den Sanitätsdienst der Bundeswehr zu stärken, die Ausbreitung der Erkrankung innerhalb der Bundeswehr einzudämmen und antiepidemische Maßnahmen zur Eindämmung des Ausbruchs zu propagieren.
Kernaussagen
Zeitgemäße Risikokommunikation umfasst
- frühzeitige Kommunikation bekannt gewordener Risiken,
- ehrliche, transparente Kommunikation ohne Weglassen vermeintlich unangenehmer Fakten,
- Beachtung der Allgemeinverständlichkeit der kommunizierten Inhalte,
- Risikokommunikation gegenüber allen Beteiligten, ggf. mit besonderem Schwerpunkt gegenüber Risikogruppen,
- Regelmäßige Mitteilung von Aktualisierungen des Lagebildes sowie
- Mitteilungen über Entspannung der Lage – so wichtig wie die Warnungen selbst.
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Interessenkonflikt
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
Manuskriptdaten
Zitierweise
Erkens K, Roßmann K, Neumann N, Wagelöhner T: Zeitgemäße Risikokommunikation am Beispiel des Mpox-Ausbruches. WMM 2024; 68(6): 269-276.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-302
Für die Verfasser
Flottillenarzt Dr. Kay Erkens
Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr
Referat VI 2 – Gesundheitsüberwachung und -berichterstattung
Dachauer Str. 128, 80637 München
E-Mail: kayerkens@bundeswehr.org">kayerkens@bundeswehr.org
Manuscript Data
Citation
Erkens K, Roßmann K, Neumann N, Wagelöhner T: [Modern risk communication using the example of the Mpox outbreak]. WMM 2024; 68(6): 269-276.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-302
For the Authors
Commander (Navy MC) Dr. Kay Erkens, MD
Bundeswehr Medical Service Headquarters
Branch VI 2 – Medical Intelligence & Information + Surveillance
Dachauer Str. 128, D-80637 München