Endoskopische Diagnostik von Kolonläsionen mit KI-Unterstützung
Endoscopic Diagnostics of Colon Lesions with AI Support
Serkut Kahyaa, Jörg Schönfeldb
a Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Klinik 1/Sektion B – Gastroenterologie, Endoskopie
b Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Medizintechnik
Zusammenfassung
Die Sektion B (Gastroenterologie) der Klinik I (Innere Medizin) am Bundeswehrkrankenhaus Berlin bildet das gesamte moderne Spektrum der gastrointestinalen Diagnostik und Therapie ab. In Zusammenarbeit zwischen der Klinik I und der Abteilung Medizintechnik wurde die Einführung der künstlichen Intelligenz in der Endoskopie in Form eines kommerziell erhältlichen Systems ENDO-AID CADe der Fa. OLYMPUS etabliert. Absicht dieses Artikels ist es, neben dem Spektrum der Endoskopie die Vorteile und technischen Hintergründe der künstlichen Intelligenz im Umfeld der Endoskopie näher zu erläutern.
Schlüsselwörter: Gastrointestinale Diagnostik, Kolonläsionen, Krebserkennung, flexible Endoskopie, klinische Entscheidungsunterstützung, künstliche Intelligenz
Summary
Section B (Gastroenterology) of Clinic I (Internal Medicine) at the Bundeswehr Hospital Berlin covers the entire modern spectrum of gastrointestinal diagnostics and therapy. The introduction of artificial intelligence in endoscopy in the form of a commercially available OLYMPUS ENDO-AID CADe system was established in cooperation between Clinic I and the Medical Technology Department of the hospital. The intention of this article is to explain the advantages and technical background of artificial intelligence in the field of endoscopy in addition to the spectrum of endoscopy.
Keywords: Gastrointestinal diagnostics; colon lesions; cancer detection; flexible endoscopy; clinical decision support
Hintergrund
Die Endoskopie ist ein unverzichtbares Verfahren zur Diagnostik und Therapie von Erkrankungen im Bereich des Gastrointestinaltraktes. Im Schwerpunkt werden in Deutschland gastrointestinale Endoskopien durch Internisten und Gastroenterologen durchgeführt. Darüber hinaus werden in einigen Kliniken Endoskopie-Abteilungen auch interdisziplinär mit Internisten und Chirurgen besetzt.
Für die Diagnostik werden flexible Videoendoskope genutzt, welche sich je nach Einsatzgebiet durch zahlreiche Parameter technisch unterscheiden. Wesentliche Unterscheidungsmerkmale sind die Länge und der Durchmesser des Gerätes, die Auflösung sowie zahlreiche Spezialfunktionen (wie z. B. Chromoendoskopie, endoskopischer Ultraschall etc.).
Die gastrointestinale Endoskopie wird in die Untersuchungen des oberen, mittleren und unteren Verdauungstraktes unterteilt. Eine Sonderform der Untersuchungsmethode Endoskopie ist die endoskopische retrograde Cholangiopankreatikografie (ERCP). Hier können unter Nutzung von Röntgenstrahlen die Gallen- und Pankreasgänge direkt untersucht und gleichzeitig therapeutische Maßnahmen durchgeführt werden. Zudem können auch mittels Cholangioskopie die Gallenwege und Pankreasgänge direkt visualisiert werden.
Das Umfeld der gastrointestinalen Endoskopie wird durch die umfangreichen diagnostischen und interventionellen Materialien, welche durch den Arbeitskanal des jeweiligen Endoskops angewendet werden können, zunehmend komplexer. Die folgende Übersicht soll einen Einblick in das breite Spektrum der gastrointestinalen Endoskopie gewähren.
1. Oberer Verdauungstrakt (Ösophagus, Magen, Duodenum)
- Diagnostische Endoskopie:
Ösophago-Gastro-Duodenoskopie, hochauflösende Videoendoskopie, Zoomendoskopie/NBI Darstellung, Chromoendoskopie, Gewebeentnahme mittels Zangenbiopsie, Endosonographie und endosonografisch-gesteuerte Punktion, radiologische Darstellung von Stenosen, Strikturen, Fisteln oder Leckagen
- Therapeutische Endoskopie:
Bougierung/Dilatation von Stenosen, Ballon-Dilatation des unteren Ösophagus Sphinkters (Achalasie), Stentimplantation bei Stenosen, Argon-Plasma-Koagulation (APC) und Lasertherapie, Spaltung von Zenker-Divertikeln, endosonografisch gesteuerte Punktionen mit Drainageanlage und Nekrosektomie bei schweren Formen von Bauchspeicheldrüsenentzündungen, Blutstillung, Gummi-Band-Ligatur und Sklerotherapie bei Ösophagus- und Fundusvarizen, Mukosaresektion (EMR) oder Submukosadissektion (ESD), Polypektomie, Fremdkörperentfernung, PEG-Anlage (perkutane endoskopische Gastrostomie) in Durchzugs- und Direktpunktionstechnik, Anlage von nasogastrischen Ernährungssonden, endoskopische Vollwandresektionen (FTRD), Ablationsverfahren bei Barrett-Ösophagus (BarrX-Therapie), 3D-Planimetrie von Engstellen der Speiseröhre
2. Mittlerer Verdauungstrakt
- Diagnostische Endoskopie:
Kapselendoskopie, Singleballon-Enteroskopie, Gewebeentnahme mittels Zangenbiopsie
- Therapeutische Endoskopie:
Ballon-Dilatation von tumorbedingten oder narbigen Stenosen, Argon-Plasma-Koagulation (APC), Blutstillung, Polypektomie
3. Unterer Verdauungstrakt
- Diagnostische Endoskopie:
Ileokoloskopie und Rekto-Sigmoidoskopie (flexibel), Proktoskopie (starr), Zoomendoskopie/NBI Darstellung, Chromoendoskopie, Gewebeentnahme (Zangenbiopsie), Endosonographie und endosonografisch-gesteuerte Punktion, radiologische Darstellung von Stenosen, Strikturen, Fisteln oder Leckagen
- Therapeutische Endoskopie:
Bougierung/Dilatation von Stenosen, Stentimplantation bei Stenosen, Blutstillung, Argon-Plasma-Koagulation (APC) und Lasertherapie, endosonografisch gesteuerte Punktion und Drainage, Polypektomie, Mukosaresektion (EMR) oder Submukosadissektion (ESD), Fremdkörperentfernung, Hämorrhoidentherapie durch Sklerosierung oder Ligaturbehandlung, endoskopische Vollwandresektionen (FTRD)
4. Gallen- und Pankreasgänge
- Diagnostische Endoskopie:
Darstellung von Strikturen, Tumoren, Steinen, Gewebeentnahme (Zangenbiopsie), Cholangioskopie
- Therapeutische Endoskopie:
Anlage von Plastik- und Metallstents zur Überbrückung von Abflussstörungen, Steinextraktion mittels Ballon oder Körbchen, direkte Lithotrypsie mechanisch oder unter cholangioskopischer Sicht elektrohydraulisch (EHL)
Abbildung 1 stellt einige Untersuchungsmöglichkeiten mit flexibler Endoskopie schematisch dar.
Abb. 1: Schematische Darstellung der Technik der flexiblen Endoskopie
Untersuchungsschwerpunkt Kolonläsionen
Die gesetzlichen Krankenkassen bieten gemäß den nationalen Leitlinienempfehlungen eine Vorsorgekoloskopie für Männer ab 50 Jahren und für Frauen ab 55 Jahren zur Darmkrebsfrüherkennung an. Bei entsprechender familiärer Disposition bzw. relevanten Symptomen kann die Indexkoloskopie vorgezogen werden. Die gleichen Kriterien für die Indikation einer Vorsorgekoloskopie gelten entsprechend auch für die Versorgung unserer Soldaten.
Hauptziel der Vorsorgekoloskopie ist es im Schwerpunkt, sogenannte Polypen (Adenome) als Vorstufen von Darmkrebs zu detektieren und im gesunden zu entfernen. Intestinale Polypen entsprechen einer neugebildeteten Schleimhautwucherung, welche eine sehr individuelle Genetik aufweisen können. Die Polypen können sich in verschiedensten Formen und Wachstumsraten präsentieren. Im Rahmen der Vorsorgekoloskopie können auch sehr frühe Formen vom Darmkrebs entdeckt werden, welche unter bestimmten Kriterien mit verschiedenen endoskopischen Resektionsverfahren (EMR, ESD, FTRD) im gesunden entfernt werden können. In der Folge können den Patienten so weitere größere operative Eingriffe erspart bleiben.
Die Erkennung von verdächtigen Kolonläsionen während einer Endoskopie, wie etwa Polypen und bösartigen Neoplasien, erfolgt durch eine Kombination aus visueller Inspektion mittels flexibler Endoskope und technologischer Unterstützung, wie zum Beispiel durch einen Videoprozessor und angeschlossener Kaltlichtquelle [5]. Typische Untersuchungsmethoden sind (Beispiele):
- Visuelle Inspektion: Der Arzt nutzt das flexible Endoskop, um die Darmschleimhaut zu betrachten und nach Auffälligkeiten zu suchen.
- Chromo-Endoskopie: Bei dieser erweiterten Methode der Endoskopie werden Teile der Darmschleimhaut oder der gesamte Darm mit speziellen Farbstoffen eingefärbt, um Unregelmäßigkeiten besser beurteilen zu können.
- NBI-Technologie: Narrow-Band-Imaging ist eine optische Technologie, die durch Änderung des Farbspektrums, bei der Krebserkennung und der Charakterisierung der Schleimhaut zur Differenzierung der Neoplasien angewendet wird.
Wichtig ist, dass trotz der technologischen und endoskopischen Unterstützung die endgültige Beurteilung und Entscheidung, ob es sich um krankhaftes Gewebe handelt, von einem fachkundigen Arzt getroffen wird. Abbildung 2 stellt typische krankhafte Veränderungen dar, die während einer Endoskopie erkannt werden können.
Abb. 2: Fallbeispiele von endoskopischen Untersuchungsergebnissen
Einsatz künstlicher Intelligenz bei der intestinalen Endoskopie
Moderne Endoskopie-Systeme nutzen die künstliche Intelligenz (deutsch KI, englisch artificial intelligence, AI), um das Live-Bild, das bei der Endoskopie erzeugt wird, im Hintergrund auf Auffälligkeiten zu scannen. Die KI funktioniert dabei wie ein zweites Paar Augen und markiert auffällige Stellen in Echtzeit im Videobild, sodass der Untersucher noch genauer hinschauen und überprüfen kann, ob es sich um eine krankhafte Veränderung (z. B. Schleimhautwucherung) handelt. Am Fallbeispiel des KI-Systems ENDO-AID CADe des Herstellers OLYMPUS wird dargestellt, wie die geräteintegrierte intuitive Markierung den Untersucher auf das Vorhandensein potenzieller Läsionen hinweist [4].
Medizinischer Zusatznutzen
Die KI bietet folgenden medizinischen Zusatznutzen, der bei einer Koloskopie von Bedeutung sein kann (Beispiele):
- ENDO-AID CADe: Diese software-basierte Anwendung für die computergestützte Erkennung von Auffälligkeiten basiert auf künstlicher Intelligenz und läuft auf der Plattform ENDO-AID. Sie nutzt einen speziellen von OLYMPUS entwickelten Algorithmus. Ziel der integrierten KI ist, die Detektion von Läsionen zu verbessern, insbesondere flache Läsionen, wie auch Läsionen in dunklen Bereichen und Läsionen am Bildrand automatisiert zu erkennen.
- Echtzeit-Erkennung: Mit dieser neuen Funktion kann das selbstlernende KI-System den Untersucher in Echtzeit auf verdächtige Kolonläsionen in tieferen Regionen hinweisen.
- Verbesserungen: Die KI-Applikation in Kombination mit dem Videoprozessor zielt darauf ab, die Darstellungsleistung bei der endoskopischen Erkennung von Adenomen zu verbessern. Das System als Plattform bietet eine visuelle Unterstützung während des Koloskopie-Screenings, sodass sich Endoskopie-Spezialisten auf die von der Software angezeigten Anomalien konzentrieren können.
- Effiziente Endoskopie: Aufgrund der einfachen und intuitiven Anzeige von Läsionen kann mit dem Verfahren ENDO-AID CADe die Endoskopie Untersuchung erleichtert werden. Die Plausibilitäts-Prüfung des Untersuchungsergebnisses wird sowohl in Echtzeit als auch im Nachgang bei der Beschreibung eines Endoskopie Befunds durch den Facharzt durchgeführt. Die Effektivität der Untersuchung (Vorsorgekoloskopie – Krebsvorsorge) ist entscheidend von der Qualität der endoskopischen Untersuchung abhängig. Die Rate an übersehenen Polypen korreliert direkt mit der Rate an Intervallkarzinomen. Daher ist es naheliegend, sich der Möglichkeiten der automatischen Strukturerkennung (KI) zu bedienen, um die Entdeckung und die Charakterisierung von erkranktem Gewebe zu optimieren. Abbildung 3 zeigt Ausschnitte aus der Bildgebung des Verfahrens Olympus Endo-AID CADe.
Abb. 3: Vereinfachte Darstellung Endoskopie Untersuchung mit KI-Unterstützung
Klinische Entscheidungsunterstützung
Künstliche Intelligenz (KI) steht zunehmend im Fokus der globalen Gesundheitsforschung. Insbesondere bei der diagnostischen Endoskopie bietet KI ein enormes Potenzial, die Patientenbetreuung durch Standardisierung der endoskopischen Diagnostik und Verbesserung der bildgebenden Diagnostik zu optimieren (patientenzentrierte Behandlung). Die Fähigkeiten, große Datenmengen zu sammeln und Algorithmen zu verbessern, ermöglichen es, KI in die endoskopische Praxis zu integrieren. Studien in der luminalen Endoskopie, die maschinelles Lernen einbeziehen, zeigen eine deutliche Verbesserung der diagnostischen Leistung durch den Einsatz von Deep Learning. Forschungsarbeiten zum oberen Gastrointestinaltrakt konzentrieren sich auf die Diagnose von Neoplasien, einschließlich des Plattenepithel-, Barrett- und des Magenfrühkarzinoms. Prospektive und Echtzeitstudien zum Umgang mit KI haben gezeigt, dass die Endoskopie durch die KI erweitert und verbessert werden kann. Deep Learning, angewendet auf die Endoskopie von Dünndarmkapseln (Kapselendoskopie), scheint ebenfalls die Erkennung von Pathologien zu verbessern und die Zeit zum Auswerten des Digitalfilms der Kapsel zu reduzieren. Eine prospektive Bewertung, einschließlich randomisierter Studien von Untersuchungen des Dickdarms weisen auf eine verbesserte Erkennungsrate von Polypen und Adenomen, insbesondere bei kleinen Polypen hin. Es gibt zahlreiche potenzielle Anwendungen von KI, die zur Verbesserung der Qualität endoskopischer Untersuchungen, der Ausbildung von Trainees und der Triage von Patienten beitragen können. Um die diagnostische luminale Endoskopie mit KI in die tägliche klinische Praxis zu integrieren (Sammeln großer Datenmengen), sind jedoch weitere, multizentrische und plattformübergreifende Validierungsstudien erforderlich [3].
Technische Realisierung der KI-Untersuchungsplattform
Die technische Umsetzung zur Einführung von KI in der Endoskopie erfolgt durch die digitale Vernetzung aller bildgebenden Verfahren der Endoskopie (Videotürme, Bildmanagement, endoskopisches Röntgen) in einem medizinischen IT-Netzwerk (MIT) nach der technischen Norm DIN EN ISO 80001–1:2023. Zusätzlich können die digitalen Bilder und Endoskopie-Videosequenzen im DICOM-Format über eine moderne PACS-Akquisition und mobile Endgeräte (PACS-Apps) wiedergegeben werden. Die Auftragsvergabe für endoskopische Untersuchungen erfolgen über den HL7-Standard (zukünftig über FHIR1), die aus einer KIS2-Anwendung (NEXUS KVI) eingebunden werden, und liefern ihre Echtzeitdaten in die laufende Untersuchungsdokumentation ab. Über eine gesicherte (verschlüsselte) Schnittstelle kann der Anschluss der KI-Untersuchungsplattform an ein CNN (Convolutional Neural Network) oder andere nationale Forschungsnetzwerke (translationale Medizin) erfolgen.
Abbildung 4 stellt vereinfacht die technische Integration aller Untersuchungskomponenten und weiterer vernetzter IT-Komponenten einer endoskopischen KI-Plattform in einem Krankenhaus dar.
Abb. 4: Technische Umsetzung Plattform KI-Unterstützung Endoskopie (Bildquelle: OLYMPUS Medizingeräte: „OLYMPUS Deutschland GmbH“)
KI-Technologie in der Endoskopie
Technologisch gibt es zwei verschiedene KI-Anwendungen im Kontext der Einführung in der Endoskopie. Die erste, die Computerassistierte Detektion (CADe), nutzt optische Markierungen im Live-Videobild, um Untersucher in Echtzeit auf Polypen oder Adenome während einer Endoskopie-Untersuchung hinzuweisen. Studien haben gezeigt, dass diese Technologie die Adenomdetektionsrate (ADR), die ein Indikator für die Qualität der Koloskopie ist, erhöhen kann. Sie ist insbesondere für Ärzte in Ausbildung von Vorteil, da diese Gruppe einen schnelleren Anstieg der ADR mit Hilfe der CADe-Anwendung zu erreichen scheint [6].
Eine weitere Entwicklungsstufe, die in der Forschung genutzt wird, ist eine KI-Anwendung, die nicht nur Polypen oder Adenome erkennt, sondern auch ihre histologische Beschaffenheit charakterisiert. Diese Computerassistierte Diagnose/Charakterisierung (CADx) kann Polypen mit Hilfe einer Convolutional Neural Network (CNN)-Architektur klassifizieren.
Ein CNN (Deutsch: Neuronales Faltungsnetzwerk) basiert auf der Grundidee, Datenrepräsentationen zu erlernen und ist seit etwa einem Jahrzehnt der Standard in der Analyse von Bilddaten, auch außerhalb des medizinischen Bereichs [2]. Die CNN-Architektur ist ein leistungsstarkes Modell, das hauptsächlich für die Bildklassifizierung verwendet wird. Die Schlüsselkomponenten eines CNN sind (Beispiele):
- Convolutional Layer: Dieser Teil des Netzwerks extrahiert spezifische Merkmale aus jedem Bild. Das Eingangsbild wird durch eine Reihe von Filtern geleitet, wodurch neue Bilder entstehen, die Convolutional Layers genannt werden. Jedes Neuron in einem Convolutional Layer berechnet seine Aktivität über eine diskrete Faltung. Dabei wird schrittweise eine kleine Faltungsmatrix (Filterkernel) über die Eingabe bewegt.
- Pooling Layer: Nach dem Convolutional Layer folgt in der Regel ein Pooling Layer. Dieser reduziert die Größe der Feature Maps, die vom Convolutional Layer erzeugt wurden, um die Rechenlast zu verringern und die Robustheit des Modells gegenüber kleinen Veränderungen in der Eingabe zu erhöhen. Eine Feature-Map ist dabei die Ausgabe einer Faltungsschicht, die bestimmte Features im Eingabebild oder in der Feature-Map darstellt. Während des Vorwärtsdurchlaufs eines CNN wird das Eingabebild mit einem oder mehreren Filtern gefaltet, um mehrere Feature-Maps zu erstellen.
- Fully-connected Layer: Die Matrizen definierter Größe werden im weiteren Prozess als Eingabe in eine zweite Schicht bereitgestellt, die aus vollständig verknüpften Schichten besteht, die Multi Layers Perceptron (MLP-Mehrlagige Perzeptronen) genannt werden. Hier werden Merkmale der Matrizen kombiniert, um das eigentliche Bild zu klassifizieren.
Die CNN-Architektur wurde von biologischen Prozessen inspiriert und findet Anwendung in zahlreichen Technologien der künstlichen Intelligenz, vornehmlich bei der maschinellen Verarbeitung von Bild- oder Audiodaten [1]. Ein Anwendungsbeispiel ist die KI-Anwendung in der Bildgebung in der flexiblen Endoskopie.
Abbildung 5 stellt vereinfacht die Funktionsweise eines CNN in der KI-Bildgebung der Endoskopie dar.
Abb. 5: Vereinfachte Darstellung des CNN-Prozesses in der endoskopischen KI-Bildverarbeitung
Fazit
Die Anwendung des maschinellen Lernens in der gastrointestinalen Endoskopie hat bereits in mehreren Studien vielversprechende Ergebnisse für verschiedene Aufgabenbereiche (wie Bilddetektion, Klassifikation, Bildrekonstruktion/-akquisition) gezeigt. Die Implementierung dieser Modelle in den klinischen Alltag wird jedoch durch methodologische und strukturelle Herausforderungen erschwert und bleibt vorerst Universitätskliniken, großen Klinikverbünden oder endoskopischen Untersuchungszentren vorbehalten (Zukunft). In der Fläche steht die Nutzung der KI mit CNN-Unterstützung für Krankenhäuser bis 500 Betten noch nicht im Fokus. Hier kann zunächst die KI, die auf dem Verfahren CADe beruht, eine große Unterstützung sein. Die Abdominalbildgebung ist aufgrund ihrer hohen Anfälligkeit für Artefakte, organischer Variationen und der Vielfalt der Modalitäten eine besondere Herausforderung bei der Entwicklung von KI-Modellen. Die häufigsten Probleme bei der Integration von KI-Modellen in die klinische Praxis sind das Fehlen repräsentativer und ausgewogener Kohorten, algorithmische Verzerrungen und die mangelnde Erklärbarkeit einzelner Modelle. Mögliche Lösungsansätze sind eine umfassende Harmonisierung der Daten, die Entwicklung von KI-Modellen, die die Privatsphäre wahren, sowie die Verbesserung der Interpretierbarkeit von Algorithmen.
Für das Bundeswehrkrankenhaus Berlin stellt die Einführung der KI im Rahmen der Vorsorgekoloskopie einen Meilenstein dar. Absicht ist es, die Qualität der Untersuchungen durch Erhöhung der Adenomdetektionsrate der erfahrenen Endoskopiker zu verbessern. Als akademisches Lehrkrankenhaus der Charité und Ausbildungszentrum für unsere Ärzte im Rahmen der Facharztausbildung verspricht das KI-System darüber hinaus eine verbesserte Lernkurve und unterstützt die weniger erfahrenen Untersucher dabei, ihre Untersuchungsqualität deutlich schneller zu steigern, was letztendlich der fortlaufenden Optimierung der Versorgungsqualität für alle Patienten dient.
Literatur
- DataScientest: Convolutional Neural Network (CNN): Alles, was Du wissen solltest. , letzter Aufruf 14. September 2024. mehr lesen
- Ernst von Bergmann Gruppe: Künstliche Intelligenz in der Endoskopie. , letzter Aufruf 14. September 2024. mehr lesen
- Gulati S, Emmanuel A, Patel M, et al.: Artificial intelligence in luminal endoscopy. Therapeutic Advances in Gastrointestinal Endoscopy 2020;13. mehr lesen
- Olympus Europa: Pressemitteilung 2020 "Olympus führt ENDO-AID ein". , letzter Aufruf 14. September 2024. mehr lesen
- Ponchon T, Berr F, Oyama T: Endoskopie für Screening und Überwachung: Indikationen und Standards. In: Berr, F., Oyama, T., Ponchon, T., Yahagi, N. (eds) Atlas Frühkarzinome des Gastrointestinaltrakts. Cham: Springer 2023. mehr lesen
- Ziegelmayer S, Braren R: Anwendungen der künstlichen Intelligenz in der Abdominalbildgebung. Gastroenterologie up2date 2021; 17(04): 353-365. mehr lesen
Manuskriptdaten
Zitierweise
Kahya S, Schönfeld J: Endoskopische Diagnostik von Kolonläsionen mit KI-Unterstützung. WWM 2024; 68(12): 568-574.
DOI: https://doi.org/DOI 10.48701/opus4-376
Für die Verfasser:
Oberfeldarzt Dr. Serkut Kahya
Bundeswehrkrankenhaus Berlin
Klinik I/Sektion B – Gastroenterologie, Endoskopie
Scharnhorststraße 13, 10115 Berlin
E-Mail: serkutkahya@bundeswehr.org
Manuscript Data
Citation
Kahya S, Schönfeld J: [Endscopic Diagnostics of Colon Lesions with AI Support.] WWM 2024; 68(12): 568-574.
DOI: https://doi.org/DOI 10.48701/opus4-376
For the Authors
Lieutenant Colonel (MC) Dr. Serkut Kahya , MD
Bundeswehr Hospital Berlin
Department I/Section B – Gastroenterology, Endoscopy
Scharnhorststraße 13, D-10115 Berlin
E-Mail:serkutkahya@bundeswehr.org
1 HL7 und FHIR sind Standradprotokolle für den Datenaustausch in der Medizin zwischen unterschiedlichen Plattformen. FHIR steht für Fast Healthcare Interoperability Resources. Auf dieses Protokoll hat sich das Europäische e-Health Network für die Zukunft geeinigt. Es wird damit das in den USA entwickelte Standardprotokoll HL7 ablösen.
2 KIS = Krankenhaus-Informationssystem
ZUKUNFT WOLLEN. ZUKUNFT MACHEN.
Bericht vom Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie 2024
Vom 22. bis 25. Oktober 2024 fand der diesjährige Deutsche Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie in Berlin statt. Mehr als 8 000 Teilnehmende aus 58 Ländern bildeten sich an vier Tagen unter dem Motto „Zukunft wollen. Zukunft machen.“ fachlich weiter. Die Orthopäden und Unfallchirurgen der Bundeswehr gestalteten dabei drei beeindruckende Sitzungen. Die bemerkenswert hohe Zahl an Anwesenden zeigte, welches überaus großes Interesse die Themen des Sanitätsdienstes auf diesem Kongress wecken konnten.
Über drei Sitzungen, die von der Sektion Einsatz-, Katastrophen- und Taktische Chirurgie (EKTC) der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie und Orthopädie, organisiert unter der Federführung von Oberstarzt Prof. Dr. Axel Franke, soll wegen ihrer politischen Bedeutung besonders berichtet werden.
Die Vormittagssitzungen des 22. Oktober 2024 standen unter der Überschrift „Krieg, Terror und Gewalt – Herausforderungen“, mit insgesamt 8 Einzelvorträgen von chirurgischen Experten aus den Bundeswehrkrankenhäusern zu verschiedenen Facetten. Oberstarzt Dr. Christoph Güsgen, Koblenz, sprach über die Folgen moderner Kriegsverletzungen aus dem Ukraine-Krieg sowie deren Auswirkungen auf Akutversorgung und Rettungskette. Er betonte dabei die überlebenswichtige Kompetenz in der Chirurgie der Körperhöhlen. Oberstarzt Priv.-Doz. Dr. Gerhard Achatz und Oberstarzt Prof. Dr. Benedikt Friemert, beide aus Ulm, befassten sich mit den kriegsrelevanten operativen Skills, den erreichbaren Behandlungsergebnissen und machten dem überwiegend zivilen Publikum deutlich, was im Falle eines Konflikts auf Deutschland zukommen könnte. Insbesondere der Vortrag von Friemert beeindruckte durch die zu bewältigenden hohen Verletztenzahlen. Abgerundet wurde der Vormittag mit der Kasuistik von Oberfeldarzt Dr. Pavlu, Koblenz, der die Grenzen der knöchernen Rekonstruktion nach einer Kriegsverletzung aufzeigte.
Die Nachmittagssitzung hatte die zivil-militärische Zusammenarbeit zum Thema. Den Eröffnungsvortrag hielt der Befehlshaber des zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr, Generaloberstabsarzt Dr. Ralf Hoffmann. Er betonte den Schulterschluss des Sanitätsdienstes mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss und dem Traumanetzwerk der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie; genauso müsse im Falle der Landes- und/oder Bündnisverteidigung Versorgung Verwundeter in zivil-militärischer Koordination und Kooperation erfolgen.
Generaloberstabsarzt Dr. Hofmann beim Eröffnungsvortrag (Bild: H.P. Becker)
Direkt daran anschließend machte der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses, Prof. Josef Hecken, Berlin, genau diesen Sachverhalt noch einmal deutlich und verwies auf die notwendige Resilienz von Gesundheitssystemen. Oberstarzt Prof. Dr. Franke, Ulm, griff gerade diesen Aspekt auf und konnte deutlich machen, dass es bereits etablierte Konzepte für die Verteilung von Kriegsverletzten gibt, die sich bei geringer Patientenanzahl bewährt haben. Als Schlussredner dieser Session fasste der Vorsitzende des Wehrmedizinischen Beirats, Prof. em. Dr. Tim Pohlemann, diese Gedanken noch einmal zusammen und betonte deutlich den hohen Nutzen einer geübten und vertrauensvollen zivil-militärischen Vernetzung.
Fazit
Der Sanitätsdienst der Bundeswehr war ein ganz wesentliches Element dieses Kongresses. Zahlreiche Beiträge und Aktivitäten, u. a. ein Stand des Bundesamtes für Personalmanagement, fanden reges Interesse bei den Kongressteilnehmenden. Das Motto „Zukunft wollen. Zukunft machen.“ wurde von allen Beteiligten mit Leben erfüllt.
Prof. Dr. Horst Peter Becker
Generalarzt a. D.